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Instandsetzungspflicht des Vermieters bzgl. Aufzugsanlage

AG Saarbrücken – Az.: 36 C 117/21 (12) – Urteil vom 28.10.2021

1. Die Beklagte Eigentümergemeinschaft … wird verurteilt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die im Haus des Anwesens befindliche Aufzugsanlage in einen ordnungsgemäßen funktionsfähigen Zustand versetzen lassen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten, den Aufzug des Anwesens wieder in funktionsfähigen Zustand zu versetzen.

Der Kläger ist Sondereigentümer der im Dachgeschoss gelegenen Wohnung und Miteigentümer der beklagten Eigentümergemeinschaft …

In den 1990 er Jahren wurde der im Anwesen befindliche Aufzug stillgelegt und seither nicht mehr betrieben.

In einem früheren Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht Saarbrücken (AZ: 42 C 371/12) wurde durch Urteil vom 17.1.2014 festgestellt, dass die Eigentümer der Eigentümergemeinschaft verpflichtet sind, den im Haus befindlichen Aufzug wieder in Gang zu setzen oder für die Installation eines funktionsfähigen Aufzuges Sorge zu tragen.

In der Eigentümergemeinschaft wurde nach Abschluss dieses Rechtsstreits ein 6-7 Jahresprogramm für die Zeit von 2014 – 2020 aufgestellt, um angestrebte Arbeiten im Anwesen vorzubereiten. Danach sollten 2019 der Aufzug und das Treppenhaus saniert werden. In der Eigentümerversammlung vom 30.4.2019 wurde der Beschluss gefasst, Angebote für den Einbau eines Aufzugs einzuholen. In einer späteren Eigentümerversammlung vom 7.12.2020 wurde der Antrag des Klägers, eine Fachfirma mit der Instandsetzung des Aufzuges zu beauftragen, mehrheitlich abgelehnt.

Ursprünglich hat der Kläger seine Klage gegen die übrigen Miteigentümer der WEG … gerichtet. Vor Klagezustellung wurde der Antrag auf die WEG als Beklagte umgestellt.

Der Kläger beantragt, die Beklagte Eigentümergemeinschaft … zu verurteilen, die im Haus des Anwesens befindliche Aufzugsanlage in einen ordnungsgemäßen funktionsfähigen Zustand versetzen lassen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Kläger verlange eine bauliche Veränderung, die über eine Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgehe, denn inzwischen sei die Aufzugsanlage nicht mehr in Betrieb zu nehmen, sondern müsse komplett neu installiert werden. Hierauf habe er jedoch keinen Anspruch. Außerdem fehle ein zwingend erforderlicher Beschluss der Wohnungseigentümer. Auf die frühere gerichtliche Entscheidung könne sich der Kläger nicht berufen, weil nach altem Recht die Verpflichtung die übrigen Wohnungseigentümer und nicht die Beklagte betreffe.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Instandsetzungspflicht des Vermieters bzgl. Aufzugsanlage
(Symbolfoto: natthawut phoompeng/Shutterstock.com)

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch gemäß § 18 Abs. 2 WEG auf die erforderlichen und gebotenen Maßnahmen zur Herstellung der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Aufzugsanlage im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung.

Gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG steht jedem einzelnen Wohnungseigentümer ein individueller Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu.

1.

Dem Kläger als Miteigentümer der beklagten Eigentümergemeinschaft steht gemäß § 18 Abs. 2 WEG ein Individualanspruch zu auf alle diejenigen gebotenen Maßnahmen, die für eine ordnungsmäßige Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich sind. Die beklagte Eigentümergemeinschaft ist gemäß § 9a WEG Verpflichtete der Ansprüche aus § 18 WEG (allgem.: Burgmaier/MüKo 2021, § 9a WEG, RN 10).

Die Umstellung des Klageanspruchs gegenüber der Beklagten vor Rechtshängigkeit stellt nur eine Rubrumsberichtigung, aber keinen Parteiwechsel dar. Aus der Klageschrift war das Rechtsschutzziel des Klägers abzuleiten. Die Passivlegitimation hat sich mit der Änderung des WEG zum 1.12.2020 ergeben, so dass die Änderung vor Klagezustellung als Rubrumsberichtigung anzusehen war. Es sind deshalb keine weiteren Kosten entstanden.

2.

Der Anspruch des Klägers ist darauf gerichtet, die im Gemeinschaftseigentum befindliche Aufzugsanlage in einer Art und Weise herzurichten oder zu erneuern, dass sie ihre Funktion als Aufzug wieder erfüllen kann.

Bei einem Aufzug handelt es sich um eine Einrichtung des gemeinschaftlichen Eigentum gemäß § 5 WEG. Es obliegt der Verpflichtung der Eigentümergemeinschaft, wirtschaftliches Eigentum zu erhalten. Dies ergibt sich sowohl aus der gerichtsbekannten Regelung der Teilungserklärung gemäß § 3 in Verbindung mit den §§ 10-29 WEG a.F. als auch aus § 18 WEG n.F.

Eine ordnungsmäßige Maßnahme gemäß § 18 WEG besteht insbesondere in der Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Dies ist in Abgrenzung zur baulichen Veränderung zu sehen, deren Maßnahmen über die reine Erhaltung gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen und sich nicht über das tatsächliche Erfordernis von baulichen Maßnahmen bestimmt.

Die dauerhafte Stilllegung einer im Gemeinschaftseigentum befindlichen Anlage ist keine solche gebotene Maßnahme zur Erhaltung des Gemeinschaftseigentums. Vielmehr stellt sie den Entzug eines wesentlichen Bestandteils des Gemeinschaftseigentums dar und ist damit auf die Veränderung seiner sachlichen Substanz gerichtet (allgem.: OLG Saarbrücken, WuM, 2007, 154). Diese faktische Beseitigung der Erreichbarkeit der oberen Stockwerke mit einem Aufzug durch deren Stilllegung oder wie im vorliegenden Fall Verweigerung geeigneter Maßnahmen zur Erreichung der Funktionstüchtigkeit stellen keine Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung dar, die im Rahmen des § 18 WEG i.V.m. der Teilungserklärung geboten ist, sondern führen zur Aufgabe dieses gemeinschaftlichen Eigentums (allgem.: Hügel/Elzer, 2021, WEG, § 18 Rn 10).

Dies haben die Miteigentümer der WEG in der Vergangenheit selbst so eingeschätzt. Anders ist die Aufstellung eines Mehrjahresprogramms nach der rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Amtsgerichts Saarbrücken vom 17.1.2014 (42 C3 171/12) nicht zu beurteilen. Mit diesem Programm haben die Wohnungseigentümer eine Reihenfolge der in der Eigentümergemeinschaft für erforderlich gehaltenen Sanierungsmaßnahmen aufgestellt und die Sanierung des Aufzuges und des Treppenhauses für 2019 vorgesehen.

Dieser Anspruch auf Herstellung der Funktionstüchtigkeit des steht somit dem Kläger zu. Die konkrete Umsetzung der gebotenen Maßnahme obliegt den Wohnungseigentümern im Rahmen des ihnen im Detail zustehenden Ermessens (allgem.: Sommer/Heinemann in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 2021, § 18 WEG, Rn. 55).

3.

Die Einwendungen der Beklagten führen nicht zu einer anderen Entscheidung.

Das Erfordernis einer vorherigen Beschlussfassung ist für den vorliegenden Rechtsstreit nicht relevant. Vielmehr ist der geltend gemachte Anspruch des Klägers darauf gerichtet, die Funktionstüchtigkeit des Aufzuges grundsätzlich wieder herzustellen. Dabei obliegt es der Beklagten selbst, konkrete Schritte auf dieses Ziel hin zu veranlassen, entsprechende Beschlüsse zu fassen und weitere Maßnahmen vorzunehmen.

Mit der vom Kläger erstrebten Maßnahme ist keine bauliche Veränderung, auf die kein Anspruch bestünde, verbunden gemäß § 20 WEG. Aus den dargelegten Gründen ist die Herstellung eines ordnungsmäßigen Zustandes des gemeinschaftlichen Eigentums eine Erhaltungsmaßnahme gemäß § 18 WEG und keine darüber hinausgehende bauliche Veränderung. Der Aspekt, dass Baumaßnahmen zur Umsetzung der Maßnahme erforderlich sind, macht diese rechtlich nicht zu einer baulichen Veränderung.

Auch eine wirtschaftliche und finanzielle Leistungsunfähigkeit der Miteigentümer rechtfertigt grundsätzlich nicht den Verzicht auf gebotene Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung. Zudem hat die Beklagte nicht substantiiert dargelegt, dass im Rahmen der Ermessensausübung die Leistungsfähigkeit der Miteigentümer im Hinblick auf das Investitionsvolumen gegen die streitgegenständlichen Maßnahmen spricht. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Planung bereits seit 2014 die Ertüchtigung der Aufzugsanlage vorsah und den Miteigentümern Gelegenheit gegeben hat, entsprechende Ansparungen vorzunehmen.

4.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

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