AG Potsdam – Az.: 31 C 11/20 – Urteil vom 12.11.2020
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
4. Der Streitwert wird auf 19.411,86 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Kläger sind die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft ###. Am 06. März 2020 fand eine Eigentümerversammlung statt.
Herr ###, der in der Eigentümerversammlung für die Kläger zu 1-3 und drei weitere Wohnungseigentümer mit insgesamt 1.952/10.000 Miteigentumsanteilen auftreten wollte, geriet bei seiner Anfahrt aus ### zur Versammlung auf der Bundesautobahn 2 in einen Stau. Infolgedessen übersandte er die Vollmachten für sechs Wohnungseigentümer an das Hotel, wo die Versammlung stattfand, und teilte mit, er werde nicht erscheinen. Er erteilte dem Geschäftsführer der Verwaltung Untervollmacht mit der Anweisung, der Bestellung der ### zur Verwalterin allenfalls für den Zeitraum bis zum 30.06.2021 zuzustimmen.
Zu Tagesordnungspunkt 3 unter 1. beschlossen die Wohnungseigentümer, die ### Verwaltung und Vermietung von ### mit Sitz in ### für den Zeitraum vom 20.03.2020 bis zum 31.12.2023 zur Verwalterin zu bestellen. Zu Tagesordnungspunkt 3.2 heißt es, die Verwaltervergütung betrage ab dem 01.04.2020 45,00 Euro pro Einheit und Monat zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer.
Zu Tagesordnungspunkt 3.3 beschlossen die Wohnungseigentümer, die Beiräte der Gemeinschaft zu ermächtigen, den vorgelegten Verwaltervertrag zu verhandeln und im Namen aller Miteigentümer zu zeichnen. Gegen die Beschlussfassung zu Tagesordnungspunkt 3.3 wenden sich die Kläger.
In dem Entwurf des Verwaltervertrags findet sich zunächst in „§ 1 Vertragslaufzeit“ eine Erläuterung, in der es heißt: „Wohnungseigentumsrechtlich ist zwischen der Verwalterbestellung und dem Verwaltervertrag zu unterscheiden. Dies ist Eigentümergemeinschaften oft nicht bewusst und kann zu Unklarheiten führen. Dieser Vertrag synchronisiert die Laufzeit des Verwaltervertrags mit der Laufzeit des Bestellungsbeschlusses.“ Unter 1.1 heißt es: „Die Bestellung des Verwalters erfolgte gemäß Beschluss der Eigentümerversammlung vom 06.03.2020 für den Zeitraum vom 21.03.2020 bis 31.12.2024“. Als Vergütung für die Verwaltertätigkeit sind pro Wohnungseinheit und Teileigentumseinheit jeweils 25,00 Euro genannt, für Garage/Stellplatz 3,00 Euro. Dabei sollte neben dieser Festvergütung, eine variable Vergütung gezahlt werden gemäß § 3.3 des Vertragsentwurfs. Insoweit heißt es, die Höhe der variablen Vergütung ergebe sich aus der Preisspalte 2 des Leistungs- und Preisverzeichnisses (§ 4). Die variable Vergütung und zugehöriger Aufwendungsersatz dürften nur berechnet werden, wenn die Leistung erforderlich war und deren Erforderlichkeit nicht durch den Verwalter zu vertreten ist. Sofern die Berechnung der variablen Vergütung nach Stundenaufwand erfolge, gälten die näher bezeichneten Stundensätze (120,00 Euro für den Geschäftsführer, 75,00 Euro für Sachbearbeiter). Als variabel zu zahlende Vergütung sind insbesondere aufgeführt pro Mahnschreiben bei Verzug von Eigentümern 15,00 Euro, bei Nichtteilnahme am SEPA-Lastschrifteneinzug 3,00 Euro pro Buchungsvorgang, Umsetzung von Darlehensbeschlüssen nach Stundenaufwand und die Umsetzung zur Erhebung von Sonderumlagen nach Stundenaufwand. Unter 4.5.2 ist vorgesehen, dass 5% der Nettoauftragssumme für die Durchführung von Beschlüssen zur Ausführung größerer Instandhaltungsmaßnahmen (ab 5.000,00 EUR) an die Verwalterin zu zahlen sind.
Der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 3 ist mit 8.691 Ja-Stimmen, ohne Enthaltungen und Nein-Stimmen als einstimmig angenommen festgestellt worden.
Die Kläger behaupten, das Schreiben des Herrn ###, inwieweit einer Verwalterbestellung zugestimmt werde, samt Vollmachten sei der Verwalterin vor Versammlungsbeginn übergeben worden.
Sie meinen, der Beschluss sei wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig. Denn es sei unzulässig, dass die Verwaltungsbeiräte zu Lasten der Wohnungseigentümer einen Verwaltervertrag abschlössen, obwohl richtiger Vertragspartner die Gemeinschaft sein müsse. Ferner sei der Beschluss nichtig, da er aufgrund seiner fehlenden inhaltlichen Bestimmtheit nicht durchführbar sei.
Ferner sind sie der Auffassung, es handele sich um einen Blankettbeschluss mit unbegrenzter und undefinierter Ermächtigung der Beiräte, der eine klare und transparente Regelung fehle. Dies führe wegen Undurchführbarkeit zur Nichtigkeit des Beschlusses. Aufgrund der Tatsache, dass neben einer Festvergütung variable Vergütungselemente im Baukastensystem vorgesehen seien, bleibe unklar, welche Verhandlungsmacht den Beiräten bei der Unterzeichnung des Verwaltervertrags zukomme. Aus diesem Grund sei der Beschluss bereits nicht hinreichend bestimmt. Wenn die Beiräte z.B. in Teilen eine günstigere Vergütung aushandelten, jedoch zudem statt der unverhandelt vorgesehenen 5% bei Sanierungsmaßnahmen 6%, könne dies zu massiven Kostenänderungen führen. Insofern bestehe die Gefahr, dass bei einer Bausumme von 450.000,00 EUR statt 5%, mithin 22.500,00 EUR, bei 6% 27.000,00 EUR zusätzliche Kosten anfielen.
Da der Ermächtigungsbeschluss keine Festlegung enthalte, dass der Beirat lediglich rechtlich vorteilhafte Vertragsregelungen verhandeln dürfe, wäre eine derartige Gestaltung möglich.
Den Beiräten eine derartige Verhandlungsvollmacht einzuräumen, widerspreche den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Da der Verwaltervertrag keine zeitliche Obergrenze vorsehe, keine preisliche Obergrenze enthalte, sei die Ermächtigung des Beirats zu beanstanden.
Im Übrigen sei zu beanstanden, dass die Namen der Beiräte nicht im Beschluss angegeben seien. Auch sei unklar, wie bei Unstimmigkeiten innerhalb des Verwaltungsbeirats entschieden werden solle und wer zu unterzeichnen habe, wenn einzelne Beiratsmitglieder an einer eigenhändigen Unterzeichnung verhindert seien.
Ferner sei der Beschluss in sich widersprüchlich und wegen Perplexität für ungültig zu erklären, da in dem Beschluss ein Bestellungszeitraum bis 31.12.2023 vorgesehen sei, im Verwaltervertrag jedoch ein Zeitraum bis 31.12.2024.
Zudem enthalte der Verwaltervertrag mehrere Klauseln, die einer AGB-Kontrolle nicht standhielten, weswegen es ordnungsgemäßer Verwaltung widerspreche, diesen Vertrag zu unterzeichnen.
Ferner hätten keine ausreichenden Vergleichsangebote vorgelegen. So sei ein Angebot dasjenige der früheren Verwalterin ### gewesen, welche sich ausweislich einer vorangegangenen Entscheidung des Amtsgerichts als ungeeignet erwiesen habe. Die übrigen beiden Angebote hätten als Auswahl nicht genügt.
Letztlich habe der Beschlussantrag bei korrekter Auszählung der Stimmen als abgelehnt verkündet werden müssen, da die Stimmen der Kläger und weiter hinter ihnen stehender Untervollmachtgeber ignoriert worden seien.
Die Kläger beantragen, den in der Eigentümerversammlung vom 06.03.2020 zu Tagesordnungspunkt 3.3 (Ermächtigungsbeschluss für die Beiräte) gefassten Beschluss für ungültig zu erklären.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Auffassung, der Beschluss sei mit ausreichender Mehrheit gefasst. Auch wenn ggf. Stimmen zu Unrecht als Ja-Stimmen aufgenommen worden seien, sie dies jedenfalls nicht kausal für die Beschlussfassung geworden.
Ferner sei der Beschluss auch zu Tagesordnungspunkt 3.3 hinreichend bestimmt. Insbesondere ergebe sich bereits aus dem Gesetz, wie Beschlüsse durch Beiräte zu treffen seien. Da die wesentlichen Merkmale des Verwaltervertrags durch die Miteigentümer bestimmt seien, sei die Beschlussermächtigung auch ausreichend konkret. So sei der Verhandlungsrahmen ausreichend abgesteckt durch die Beschlussfassung zu Tagesordnungspunkt 3 und den Entwurf des Verwaltervertrags.
Dabei sei der Beschluss auch nicht deswegen in sich widersprüchlich, weil im Verwaltervertrag eine Bestelldauer bis zum 31.12.2024 genannt gewesen sei. Maßgeblich sei insoweit der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 3.1 selber. Offenkundig habe der Vertrag im Übrigen namens der Eigentümergemeinschaft beschlossen werden sollen. Dies ergebe sich sowohl aus dem Verwaltervertrag als auch durch Auslegung des Beschlusses.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet. Die Kläger wenden sich lediglich gegen den Beschluss zu Tagesordnungspunkt 3.3, mithin die Ermächtigung der Beiräte, den Verwaltervertrag zu verhandeln und unterschreiben. Insoweit ist nicht entscheidend, ob ausreichende Alternativangebote für die Verwalterbestellung vorlagen. Denn die Verwalterbestellung selbst ist nicht angefochten.
Die Ermächtigung entsprach ordnungsgemäßer Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3, 4 WEG. Zunächst wurde der Beschluss mit ausreichender Stimmenmehrheit, mit mehr als der Hälfte der Stimmberechtigten nach § 25 Abs. 1 WEG gefasst. So ist der Beschluss jedenfalls mit Stimmenmehrheit angenommen worden. Selbst wenn zu Unrecht 1.952/10.000 Miteigentumsanteilen einbezogen wären, und diese Stimmen von den 8.691 Ja-Stimmen abgezogen würden, hätten immer noch mehr als 5.000/10.000 Miteigentumsanteilen für den angefochtenen Beschluss gestimmt.
Der Beschluss ist nicht nichtig. Soweit die Kläger meinen, aufgrund des Beschlusses seien die Beiräte ermächtigt worden, im Namen aller Miteigentümer den Vertrag zu unterzeichnen, hierfür fehle die Beschlusskompetenz, trifft dies nicht zu. Eine Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB ergibt zweifelsohne, dass der Vertrag, wie aus dem Eingang des Vertragsentwurfes ersichtlich und aus Beschluss 3.1 erkennbar, namens der Wohnungseigentümergemeinschaft unterzeichnet werden sollte. Der vorgelegte Verwaltervertrag, der in der Ermächtigung genannt ist, nennt im Eingang die Wohnungseigentümergemeinschaft, nicht Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft. Insoweit lag offensichtlich ein sich unmittelbar erschließender Erklärungsfehler vor.
Auch ist der Beschluss ausreichend bestimmt und durchführbar. Insbesondere ist der Bestellungszeitraum bis 31.12.2023 ausreichend bestimmt. Dieser ergibt sich aus dem Beschluss zu Tagesordnungspunkt 3.1, der bei systematischer Auslegung Grundlage für den Beschluss zu Tagesordnungspunkt 3.3 ist. Schon aus der Formulierung des Entwurfs des Verwaltervertrages ergab sich, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung maßgeblich werden sollte. So heißt es dort, „gemäß Beschluss der Eigentümerversammlung vom 06.03.2020 für den Zeitraum vom/bis ###“ Insoweit ist offenkundig, dass die explizite Beschlussfassung der Wohnungseigentümer maßgeblich sein sollte. Dies ergibt sich zudem aus der Erläuterung unter § 1 des Vertragsentwurfes.
Auch trifft nicht zu, dass im Beschluss die Namen der Beiratsmitglieder hätten genannt werden müssen. Der Beirat ist ein Organ der Eigentümergemeinschaft, dessen Zusammensetzung sich nach § 29 WEG bestimmt. Wie in einem Beirat Entscheidungen zu treffen sind, ergibt sich dabei nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. auch Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Auflage, § 29 Rn. 38). Grundsätzlich wird bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder mit einfacher Mehrheit der anwesenden Beiratsmitglieder entschieden.
Soweit die Kläger der Auffassung sind, den Beiräten sei jegliche Verhandlung beim Abschluss des Verwaltervertrages erlaubt, es sei ein Blankettbeschluss gefasst, trifft dies nicht zu. Offenkundig sollte eine Verhandlung des Vertragsentwurfs den Interessen der Eigentümergemeinschaft dienen. Warum ein Beschluss, der für die Wohnungseigentümergemeinschaft negativ vom Angebot des Vertragspartners abweichen würde, ausgehandelt werden sollte, erschließt sich nicht. Soweit die Kläger monieren, es sei nicht klar, was verhandelt werden dürfe, so ergibt sich bei Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB, dass insoweit lediglich Verbesserungen zugunsten der Eigentümergemeinschaft zulässig waren oder geringfügige Abweichungen ohne gegebenenfalls massive Verschlechterungsmöglichkeit. Dass die Beiräte selbstverständlich nicht ermächtigt werden sollten, z.B. 6% der Nettoauftragssumme für die Durchführung von Beschlüssen zu Instandhaltungsmaßnahmen zu zahlen, ist so offensichtlich, dass es keiner expliziten Beschlussfassung dazu bedurfte. Dass Abweichungen wirtschaftlich sinnvoll sein müssen, ergibt sich von selbst.
Soweit die Kläger monieren, dass gegebenenfalls eine AGB-Kontrolle zur Unwirksamkeit einzelner Klauseln führe, ist das nicht entscheidend. Denn dies beträfe gegebenenfalls das Verhältnis der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Verwalterin, die im Rahmen der Unterzeichnung des Vertrages nicht zu prüfen sind (s. insbesondere Urteil des BGH vom 05.07.2019 V ZR 278/17).
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 S. 2 ZPO.