Skip to content
Menü

Kinderlärm in Altbau-Mehrfamilienhaus – Unterlassungsanspruch

AG München – Az.: 283 C 1132/17 – Urteil vom 23.05.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

4. Der Streitwert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von den Beklagten Unterlassung von Ruhestörungen.

Die Kläger bewohnen zusammen eine Wohnung in der …straße … in München. Die Beklagten bewohnen zusammen mit ihren beiden Kindern, die 14 bzw. 16 Jahre alt sind, die darüber liegende Wohnung. Das Wohnhaus ist im Jahre 1962 gebaut worden.

Die Kläger behaupten, dass die Beklagten laute Geräusche verursachten, die in ihrer Wohnung hörbar seien. Die Beklagten oder deren Kinder rennten oder trampelten auch während der Ruhezeiten, wie beispielsweise während der Mittagsruhe, der Nachtruhe oder der Feiertagsruhe. Des Weiteren würden auch Türen zugeschlagen mit der Folge, dass dieses in der Wohnung hörbar sei und eine erhebliche Belästigung darstelle. Es gehe von den Beklagten und ihren Kindern ein ständiger Lärm aus, der weit darüber hinaus gehe, was zugestanden werden müsse. Wegen der einzelnen behaupteten Lärmstörungen wird auf die Ausführungen im Klägerschriftsatz vom 07.03.2013 (Blatt 12/16 der Akten + Anlagen) verwiesen.

Die Kläger beantragen, die Beklagten zu verurteilen, bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu € 250,000, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 2 Jahre, die andauernde Ruhestörungen oder Lärmbelästigungen in Form von klopfen, poltern, hämmern, trampeln, Türe zuschlagen und ähnlichem, insbesondere der Mittagsruhe, Nachtruhe und Feiertagsruhe zu unterlassen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten die behaupteten Ruhestörungen. Der beklagte Ehemann sei während der wöchentlichen Arbeit von 7.00 Uhr – 22.00 Uhr außer Hauses. Die Kinder befänden sich von 7.00 Uhr – 17.00 Uhr in der Schule. Die Ehefrau sei während der wöchentlichen Arbeit von 7.00 Uhr – 16.00 Uhr außer Hauses. Der Beklagte schreie die Kinder oft an, auch mit ausländerfeindlichen Worten. Die Kinder trauten sich nicht mehr auf den Balkon. Die Kinder trauten sich nicht mehr zu lachen oder laut zu reden.

Wegen des weiteren Parteienvorbringens und Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätzen der Parteien, das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 04.04.2017 sowie die sonstigen Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe

I.

Kinderlärm in Altbau-Mehrfamilienhaus - Unterlassungsanspruch
(Symbolfoto: Von Natalia Lebedinskaia/Shutterstock.com)

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Zwar kann ein Mieter von einem Mieter desselben Mehrfamilienhauses unter dem Gesichtspunkt der Besitzstörung gegebenenfalls die Unterlassung nicht hinzunehmender Geräuschbeeinträchtigungen verlangen, vgl. OLG München, WuM 1992, 238. Im Streitfall sind solche Beeinträchtigungen jedoch zu verneinen. Es kann dabei unterstellt werden, dass die vom Beklagten behaupteten Ruhestörungen insbesondere durch „Rumgetrampel“, „Rumgepolter“, „Gehämmer“, „Schlagen auf der Heizung“ zu den vom Beklagten behaupteten Zeitpunkten stattgefunden haben. Das die aus der Wohnung der Beklagten tretende Geräuschentwicklung ein nicht mehr hinnehmbares sozialadäquates Maß überschritten hätte, ist nicht ersichtlich. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass in Räumen, die unterhalb einer anderen Wohnung liegen, mit dem Auftreten von Geräuschen aus der darüber liegenden Wohnung zu rechnen ist. Das gilt erst recht, wenn es sich wie im Streitfall um einen Altbau aus dem Jahr 1962 handelt, indem ein moderner Standard der Geräuschdämmung nicht erwarten werden kann, vgl. OLG Dresden, NZM 2009, 703. Die Beklagten müssen im Rahmen der vertragsgemäßen Nutzung der Wohnung nicht in besonderem Maße auf Geräuschvermeidung achten. Beeinträchtigungen, die mit der Nutzung der Wohnung auch durch die 14 und 16 Jahre alten Kinder natürlicherweise verbunden sind, müssen vom Beklagten als Mieter der darunterliegenden Wohnung hingenommen werden, vgl. AG Frankfurt, WuM 2005, 764. Kinderlärm ist als Ausdruck selbstverständlicher kindlicher Entfaltung grundsätzlich als sozialadäquat, zumutbar und zu akzeptierendes typisches Verhalten anzusehen. Dem natürlichen Spiel- und Bewegungsdrang eines Kindes kommt grundsätzlich ein höherer Rang zu, als den Interessen eines Mitmieters auf ein geräuschfreies Miteinander, vgl. LG Berlin, NJW-RR 2017, 17. Solche Beeinträchtigungen beginnen mit üblichem Babygeschrei, Kinderwagentransport und -abstellen im Treppenhaus, ersten Kinderunarten, gehen in unbeabsichtigte Störungen aller Art (z.B. vorübergehendes argloses überlautes Abspielen von Tonbandgeräten oder Spielen auf laut verstärkten Gitarren) über und enden bei bewussteren kleineren Störungen. Selbst häufige und über das übliche Maß hinausgehende Lauf- und Spielgeräusche müssen grundsätzlich als sozialadäquat hingenommen werden, vgl. AG Braunschweig m. w. N., WuM 2002, 50. Das alles ist sowohl vom Vermieter als auch von der Gemeinschaft der Mieter zu tolerieren, soweit es nicht die Grenzen des in dem jeweiligen Lebensalter üblichen überschreitet, d.h. wenn die durch die Kinder verursachten Störungen bei vernünftiger Betrachtungsweise sich nicht als Folge typischen altersbedingten und sozialadäquaten Verhaltens darstellen. Auch bei einem 14-jährigen Kind kann Rennen, Trampeln, Springen und Schreien, schlichter Ausdruck, kindlicher Lebensfreude seien. Ferner ist davon auszugehen, dass 14 oder 16-jährige Kinder sich von Erwachsenen häufig nichts mehr sagen lassen vgl. Kossmann/Meyer-Abich, Handbuch der Wohnraummiete, 7. Auflage 2014 § 58 Rd.Nr. 3 m. w. N.. Auszugehen ist dabei von der Wohnung als familiengeschütztem Raum und dem Umstand, dass Kinder meist in jedem Lebensalter gewisse Störungen hervorrufen. Dabei kommt es auch auf die übrigen Verhältnisse im Haus und das Lebensalter der Kinder und Jugendlichen sowie die Verhältnisse der Eltern an. Zwar müssen die Eltern als Mieter ihnen alles zumutbare unternehmen, Störungen von anderen Mietern fernzuhalten. Jedoch sind die beklagten Eltern nicht ohne weiteres verantwortlich, wenn sich die 14 – 16-jährigen Kinder von ihnen nichts mehr sagen lassen. Im Zweifel ist für das Kind und dessen Eltern zu entscheiden, vgl. Kossmann/Meyer-Abich, a.a.O., § 55 Rd.Nr. 1 ff; Meyer-Abich, NZM 2015, 520. Im Streitfall ist dabei zu sehen, dass das Klopfen an der Heizung nicht ohne weiteres den Beklagten zuzuordnen ist und der Kläger selber an der Heizung klopft. Das „Rumgetrampel“ bzw. „Rumgepolter“ stellt sich nach Sicht der Dinge um die wahrnehmbare Benutzung der darüberliegenden Wohnung dar, welche in einem Altbau typisch und hinzunehmen sind. Die Nutzung der Wohnung endet auch nicht um 22.00 Uhr am Abend, sodass auch damit zu rechnen ist, dass nach 22.00 Uhr Geräusche aus der darüberliegenden Wohnung wahrnehmbar sind. Selbst wenn vereinzelt, wie vom Kläger behauptet, nach 22.00 Uhr „Rumpeln“, „Rumgetrampel“ bzw. „Rumgepolter“ in einem Maße vernehmbar gewesen sein sollte, welches nicht mehr sozialadäquat hinnehmbar gewesen wäre, so liegt nahe, dass dies zumindest auch durch die Kinder der Beklagten verursacht worden ist, für deren gelegentliche Verstöße die Beklagten aus den vorgenannten Gründen nicht haftbar zu machen sind.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 3 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!