AG Kusel, Az.: 2 C 167/10, Urteil vom 02.08.2010
1. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Die Parteien haben um die künftige Räumung des Anwesens …gestritten. Die Klägerin ist Eigentümerin des streitgegenständlichen Anwesens. Zwischen den Parteien wurde ein Mietverhältnis über dieses Hausanwesen am 13.3.2009, beginnend ab dem 1.4.2009 geschlossen. Die Tochter der Klägerin wohnte ursprünglich mit ihrem Freund in … zusammen. Nun wünschte sie räumliche Trennung. Sie verfügte über ein monatliches Einkommen in Höhe von 950,00 Euro und war kaum in der Lage, eigenen Wohnraum zu finanzieren. Eine Aufnahme der Zeugin im Wohnhaus der Eltern war mangels ausreichenden Wohnraums nicht möglich.
Mit getrennten Anwaltsschreiben des Klägervertreters vom 29.3.2010 wurde beiden Beklagten wegen Eigenbedarfs zum 30.6.2010 gekündigt.
Am 30.3.2010 antworteten die Beklagten mit einer Email. In dieser heißt es:
„Wir bezweifeln die Angaben Ihrer Mandantin, dass Ihre Tochter in das von uns Angemietete Haus einziehen möchte. Diese Begründung ist die einzige Möglichkeit aus dem laufenden Vertrag zu kommen. Der wahre Beweggrund Ihrer Mandantin liegt darin begründet dass Sie nur das Mietverhältnis mit uns Kündigen möchte weil wir auf die Behebung der Angezeigten Mängel bestehen. Sie hatte uns von Beginn der Streitigkeiten mit der Kündigung gedroht. Somit Wiedersprechen wir der ausgesprochenen Kündigung.“
Die Beklagten räumten das streitgegenständliche Anwesen spätestens zum 30.6.2010 und zogen in das von ihnen mit notariellem Vertrag vom 12.5.2010 angekaufte Hausanwesen um.
Die Klägerin begehrte ursprünglich die zukünftige Räumung des streitgegenständlichen Hausanwesens zum 30.6.2010.
Die Klägerin trägt vor: Die Klage auf zukünftige Räumung sei insbesondere zulässig, weil die Beklagte den Kündigungsgrund bestritten und der Kündigung widersprochen habe.
Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, die Beklagten zu verurteilen, dass Hausanwesen in der …, bestehend aus vier Zimmern, einer Küche, einem Korridor, einem Bad, einer Toilette und einem Kellerraum am 30.6.2010 zu räumen und an sie herauszugeben.
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 9.7.2010 erklärte die Klägerin den Rechtsstreit für erledigt.
Die Beklagten schlossen sich der Erledigungserklärung im Termin vom 12.7.2010 ausdrücklich nicht an.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten tragen vor: Die Klage sei unzulässig, da die Beklagten nie vorgehabt hätten, das Anwesen nicht zu räumen, was sich schon daraus ergebe, das sie ein neues Haus angekauft hätten. Sie hätten darüber hinaus lediglich Zweifel geäußert, dass die Tochter der Klägerin in das Haus einziehen wolle und der Kündigung widersprochen. Allein aus der fristgerechten Ausübung eines Schutzrechtes dürfe ihnen prozessual kein Nachteil erwachsen. Hätte die Klägerin den Ablauf der Kündigungsfrist abgewartet, hätte sie bemerkt, dass die Beklagten das Anwesen rechtzeitig geräumt hätten. Schließlich hätten sie – die Beklagten – auch nie geäußert, nicht aus dem Haus ausziehen zu wollen.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.7.2010 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Nachdem sich die Beklagten der Erledigungserklärung der Klägerin nicht angeschlossen haben, ist die Erledigungsantrag in den Antrag, festzustellen, dass der Rechtsstreit erledigt ist, umzudeuten. Diese Klageänderung ist wegen des berechtigten Kosteninteresses der Klägerin gem. § 264 Nr. 2 ZPO zulässig (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, § 91a Rn 34).
Die Klage ist auch begründet. Im hier vorliegenden Fall der einseitigen Erledigungserklärung hat das Gericht zu prüfen, ob der Rechtsstreit erledigt ist, das heißt eine ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein erledigendes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 91a Rn 44).
Die ursprüngliche Klage war zulässig.
Eine Klage auch auf zukünftige Räumung von Wohnraum ist unter den Voraussetzungen des § 259 ZPO zulässig (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 28. Aufl., § 259 Rn 2).
Insbesondere lag entgegen der Ansicht der Beklagten auch ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin im Sinne des § 259 ZPO an einer Klage auf zukünftige Räumung zu, da sie befürchten musste, dass das streitgegenständliche Anwesen nicht rechtzeitig geräumt werden würde.
Die Klage auf zukünftige Räumung ist bereits vor Ablauf der Widerspruchsfrist zulässig, wenn der Mieter den Kündigungsgrund ernsthaft bestreitet und der Kündigung widerspricht (vgl. Zöller-Greger aaO; OLG Karlsruhe, RE vom 10.6.1983, Az.: 9 REMiet 1/83 – zitiert nach juris mwN). Das Gericht schließt sich dabei der Ansicht des Oberlandesgerichts Karlsruhe an. Es folgt nicht der von den Beklagten zitierten Entscheidung des Landgerichts Berlin (WM 1980, 135), wonach es nicht ausreicht, dass sich diese gegen das Vorliegen von Gründen für die ihr gegenüber ausgesprochene fristlose Kündigung gewandt haben.
Denn die Erklärung ist unter dem Gesichtspunkt des Empfängerhorizontes zu betrachten. Danach kann durch ein Bestreiten des Kündigungsgrunds und den Widerspruch gegen die Kündigung bei dem Vermieter nur der Eindruck entstehen, dass die Wohnung nicht geräumt wird. Anderenfalls könnte lediglich die explizite Erklärung nicht räumen zu wollen, die Besorgnis des Vermieters begründen. Dies wäre allerdings nicht interessengerecht, da dem Vermieter insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen nicht zuzumuten ist, die tatsächliche Räumung am Räumungstermin abzuwarten, um dann erst einen Prozess zu beginnen, der voraussichtlich längere Zeit dauern wird.
Auch ein Zuwarten bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist ist im Falle eines erfolgten Widerspruchs dem Vermieter nicht zuzumuten, da er von diesem Zeitpunkt an bis zur Räumungsfrist nur selten ein rechtskräftiges Urteil erstreiten kann (vgl. OLG Karlsruhe aaO). Dies würde zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten faktischen Kündigungsschutz führen (vgl. OLG Karlsruhe aaO).
Der Mieter erleidet durch die Ausübung seines Rechtes auch keinen prozessualen Nachteil, denn er ist nicht gezwungen, sich bereits vor Ablauf der Widerspruchsfrist zu erklären. Darüber hinaus könnte zwar theoretisch die Situation eintreten, dass ein Urteil über den Räumungsanspruch vor Ablauf der Widerspruchsfrist ergeht, allerdings nachträglich weitere Widerspruchsgründe entstehen; jedoch ist er in diesem Fall durch die Möglichkeit, eine Fortsetzung des Mietverhältnisses durch eine Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO zu erreichen, ausreichend geschützt (vgl. OLG Karlsruhe aaO, Zöller-Greger aaO).
Ein ernsthaftes Bestreiten der Beklagten ist vorliegend durch die Email vom 30.3.2010 gegeben. Dies ist unter dem Gesichtspunkt, wie die Klägerin die Erklärung verstehen musste (Empfängerhorizont), zu beurteilen. Entgegen der Ansicht der Beklagten reicht auch die Formulierung „bezweifeln“ für ein solches Bestreiten aus. Denn beide Wörter beinhalten, dass das Vorliegen des Kündigungsgrundes verneint wird. Dies gilt umso mehr, als im Folgenden ausgeführt wird, dass der wahre Beweggrund für die Kündigung darin begründet liege, dass sie – die Beklagten – auf der Behebung der angezeigten Mängel bestünden (vgl. Bl. 15 d.A.). Danach kann die Erklärung für den Empfänger – hier die Klägerin – nur die Bedeutung haben, dass der Kündigungsgrund bestritten wird.
Die Beklagten haben auch der Kündigung widersprochen. Soweit sie ausführen, dass sich die Formulierung „somit“ nicht auf den Eigenbedarf, sondern auf den Satz „uns von Beginn der Streitigkeiten an mit Kündigung gedroht“ beziehe, folgt das Gericht dieser Auslegung nicht. Denn es gibt keinen Grund, der Kündigung zu widersprechen, nur weil Streitigkeiten bestanden und die Kündigung angedroht wurde. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich das Widersprechen auf den gesamten Absatz, den es abschließt bezieht. Das ergibt sich insbesondere daraus, dass die Streitigkeiten sich auf die Mängelbeseitigung bezogen und diese als wahrer Beweggrund für die Kündigung angeführt werden. Dies steht aber gerade in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bezweifeln des Eigenbedarfs.
Danach konnte die Klägerin die Erklärung nur so verstehen, dass der Kündigungsgrund bestritten und der Kündigung widersprochen wird. Dies begründet die Besorgnis, dass nicht rechtzeitig geräumt wird.
Diese Besorgnis entfällt auch nicht deswegen, weil die Beklagten ein Hausanwesen erworben haben und mittlerweile dahin umgezogen sind. Denn dass die Klägerin diese Tatsache gekannt hat, tragen die Beklagten selbst nicht vor.
Daher bestand ursprünglich ein Rechtsschutzinteresse im Sinne des § 259 ZPO.
Die ursprüngliche Klage war auch begründet.
Die Wohnung war fristgemäß wegen Eigenbedarfs zum 30.6.2010 gekündigt worden. Der Kündigungsgrund des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt vor. Die Klägerin hat die Voraussetzungen des Eigenbedarfs schlüssig dargelegt. Diese sind im vorliegenden Verfahren nicht bestritten worden.
Die Klage ist auch durch ein erledigendes Ereignis unzulässig bzw. unbegründet geworden.
Das erledigende Ereignis stellt hier die Räumung der Wohnung durch die Beklagten spätestens zum 30.6.2010 dar. Dadurch entfällt das Interesse der Klägerin an einer (zukünftigen) Räumung, so dass die Klage unzulässig und unbegründet wird.
Auch der Vortrag der Beklagten, dass die Klage auf künftige Leistung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zulässig gewesen sein muss, führt zu keiner anderen Bewertung. Auf die Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt die Wohnung bereits geräumt war, hat die Klägerin mit der Erledigungserklärung vom 8.7.2010 reagiert. Maßgeblicher Überprüfungszeitpunkt, ob die Klage ursprünglich zulässig und begründet war und nachträglich unzulässig und unbegründet wurde, ist dann der Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 91a Rn 44). Maßgeblich für die Beurteilung der Erledigung ist also der Zeitpunkt der Räumung. Bis dahin war die Klage zulässig und begründet (s.o.) und wurde durch dieses Ereignis gegenstandslos.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 Abs. 4 ZPO.