OLG Schleswig – Az.: 12 U 116/20 – Urteil vom 12.05.2021
In dem Rechtsstreit hat der 12. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12.05.2021 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 14.08.2020, Az. 8 0 25/19, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 13.047,16 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Februar 2020 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 36.720,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Räumung und Mängel im Hinblick auf die von der Klägerin an die Beklagte zum Betrieb eines ### vermieteten ###.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die im innegehaltenen Räume, bestehend aus zwei Umkleideräumen, Damen- und Herren-WC, zwei Duschräumen, zwei Geräteräumen, einem Abstellraum, einer Sauna, einem Technikraum, einem weiteren WC, einer Behindertendusche und einem Schwimmbad, geräumt an sie herauszugeben und an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.434,40 Euro nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt sowie ihr hilfsweise für die im Erdgeschoss hinten in dem Gebäude auf dem innegehaltenen Räume, bestehend aus zwei Umkleideräumen, Damen- und Herren-WC, zwei Duschräumen, zwei Geräteräumen, einem Abstellraum, einer Sauna, einem Technikraum, einem weiteren WC, einer Behindertendusche und einem Schwimmbad eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Räumungsfrist, mindestens bis zum 31.03.2021, zu gewähren.
Die Beklagte hat für den Fall, dass der Räumungsklage stattgegeben wird, hilfsweise wiederklagend beantragt, die Klägerin zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 13.047,16 EUR nebst 9 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Räumung und Herausgabe der im Erdgeschoss hinten in dem Gebäude auf dem Grundstück ### innegehaltenen Räume, bestehend aus zwei Umkleideräumen, Damen- und Herren-WC, zwei Duschräumen, zwei Geräteräumen, einem Abstellraum, einer Sauna, einem Technikraum, einem weiteren WC, einer Behindertendusche und einem Schwimmbad, zu zahlen.
Das Landgericht hat der Räumungsklage nebst Anwaltskosten sowie der Widerklage stattgegeben.
Der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Herausgabe der streitgegenständlichen Räumlichkeiten aus § 546 Abs. 1 BGB zu. Der zwischen den Parteien geschlossene Gewerberaummietvertrag sei durch die wirksame Kündigung der Klägerin beendet worden. Mit Schreiben vom 20.03.2019 habe die Klägerin der Beklagten die außerordentliche fristlose Kündigung erklärt. Es habe ein Kündigungsgrund im Sinne des § 543 Abs. 2, S. 1 Nr. 3 lit. a) BGB vorgelegen. Die Beklagte sei zum maßgeblichen Zeitpunkt der Kündigungserklärung mit einem erheblichen Teil der Miete im Rückstand gewesen. Für den Monat Februar des Jahres 2019 sei bis zum 19.03.2019 lediglich ein Betrag in Höhe von 3.796,90 EUR gezahlt worden. Demnach habe der Mietrückstand der Beklagten zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung den Betrag einer Monatsmiete überstiegen.
Die der Kündigung zugrunde liegenden Rückstände der Mietzahlungen seien insbesondere nicht durch Minderung beseitigt worden. Ein etwaiges Minderungsrecht sei durch die in § 7 Abs. 3 des Gewerberaummietvertrages getroffenen Vereinbarungen wirksam ausgeschlossen worden.
Die Kündigung sei auch nicht gemäß § 543 Abs. 2, S. 2 BGB unwirksam. Obgleich in Anlehnung an die Entscheidung des Bundesgerichtshofes, Urt. v. 07. April 2011, VII ZR 209/07 von einer Unwirksamkeit der Regelung des § 7 Abs. 1 des Mietvertrages auszugehen sei, lägen die Voraussetzungen nicht vor, denn die Beklagte habe nicht unverzüglich nach Zugang der Kündigung die Aufrechnung bestimmbar erklärt.
Die vorgerichtlichen Anwaltskosten seien der Klägerin nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB zu erstatten, denn die Beklagte habe sich zum Zeitpunkt des Tätigwerdens mit Mietzahlungen in Verzug befunden. Der Zinsausspruch ergebe sich aus §§ 291, 288 BGB i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB analog.
Die Widerklage sei ebenfalls zulässig und begründet. Der Beklagten stehe ein Zahlungsanspruch in Höhe von 13.047,16 EUR nebst Zinsen gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1, 536, 546a Abs. 1 BGB im Hinblick auf ohne Rechtsgrund erlangte Mietzahlungen für die Monate März 2019 bis Februar 2020 zu, weil die Miete bzw. Nutzungsentschädigung in diesem Zeitraum um 20 % wegen Mängeln der Mietsache gemindert gewesen sei.
Die in Augenschein genommenen Mängel der Mietsache seien bereits vor Kündigung des Mietverhältnisses mit Kündigung vom 25.03.2019 aufgetreten und auch vor Beendigung durch die Beklagte angezeigt worden. Aufgrund der vor Beendigung des Mietverhältnisses bestehenden und bei Beendigung des Mietverhältnisses fortbestehenden Mängel der Mietsache sei die Miete für den Monat März 2019 um 20 % gemindert gewesen. Diese Minderung setze sich für die vereinbarte Miete der Monate April 2019 bis Februar 2020 iS.d. § 546a Abs. 1 BGB fort.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf das angegriffene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Gegen die Verurteilung bezüglich des Räumungsantrags und der Verurteilung zur Erstattung vor-gerichtlicher Rechtsanwaltskosten wendet sich die frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten. Sie verfolgt ihre Klagabweisungsanträge aus erster Instanz weiter. Unter Erhebung der Sachrüge führt sie aus, dass das Landgericht rechtsirrig davon ausgehe, dass die der Kündigung zugrundeliegenden Rückstände der Mietzahlung nicht durch Minderung beseitigt worden seien.
Zunächst sei ein für sie bestehendes Minderungsrecht nicht durch die Regelung in § 7 Abs. 3 des Mietvertrages wirksam ausgeschlossen. Dies ergebe sich bereits aus den Urteilen des Bundesgerichtshofes vom 07. April 2011 (Az.: VII ZR 209/07) und vom 06. April 2016 (Az.: XII ZR 29/15). Denn nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 des Mietvertrages sei eine Minderung und Aufrechnung gegen die Miete grundsätzlich ausgeschlossen. Die Ausnahme für unbestrittene, rechtskräftig festgestellte Ansprüche beschränke sich ausdrücklich auf solche „aus dem Vertrag“, mithin aus dem Mietverhältnis. Folglich bleibe es bei nicht aus dem Mietverhältnis stammenden Forderungen bei dem uneingeschränkten Aufrechnungsverbot, was einen Verstoß gegen § 309 Nr. 3 BGB darstelle und zur Unwirksamkeit der Klausel führe. Sie sei daher zur Aufrechnung berechtigt gewesen.
Zudem sei der monatliche Mietzins gesetzlich im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB gemindert gewesen, da aufgrund der Stattgabe der Widerklage feststehe, dass das Mietobjekt mangelhaft gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Kündigung habe sie bereits über einen längeren Zeitraum wiederholt Mängel angezeigt. Das Landgericht habe hierfür eine Minderung i. H. v. 20 % für angemessen erachtet. Daraus folge denklogisch, dass bei Zugang der Kündigung im März 2019 aufgrund der gesetzlich eingetretenen Minderung für die Vormonate kein Mietrückstand bestanden habe, der erheblich gewesen sei. In diesem Zusammenhang hätte das Landgericht sich damit auseinandersetzen müssen, wie hoch die Gesamtminderung betragsmäßig gewesen sei. Denn in dieser Höhe wäre es bereits nicht auf eine Aufrechnungserklärung der Beklagten angekommen.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 14.08.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Flensburg, Az.: 8 0 25/19, die Anträge zu 1. und 2. abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, die Beklagte trage ausschließlich Aspekte vor, die im ersten Rechtszug berücksichtigt und im Ergebnis richtigerweise zurückgewiesen worden seien.
Das Aufrechnungsverbot sei entgegen den Ausführungen der Beklagten wirksam. Dies ergebe sich aus dem Hinweisbeschluss des Landgerichts und aus dem Urteil des OLG Düsseldorf vom 12. April 2016, Az.: 1-24 U 143/15. Danach sei ein Ausschluss der Aufrechnung zulässig, soweit es sich nicht um rechtskräftig festgestellte oder unstreitige Gegenforderungen handele.
Zudem lägen die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 2 BGB nicht vor. Erstmals mit Schreiben vom 25. März 2019 habe die Beklagte die Aufrechnung von Minderungsansprüchen hinsichtlich der bestehenden Mietrückstände erklärt. Die Gegenforderung sei im Rahmen dieser Erklärung jedoch nicht bestimmt genug bezeichnet gewesen. Ein bloßer Hinweis auf eine künftige Aufrechnungslage bzw. eine Aufrechnungsbefugnis sei nicht ausreichend. Auch habe die Aufrechnungslage nach § 389 BGB erstmals am 15. Oktober 2019 bestanden. Die Kündigung sei jedoch bereits am 25. März 2019 ausgesprochen worden.
Schließlich sei die Aufrechnung auch nicht „unverzüglich“, also ohne schuldhaftes Zögern, erfolgt. Darunter werde in der Rechtsprechung eine Obergrenze von zwei Wochen verstanden (OLG Hamm, NJW-RR 1990, 523), diese gelte auch im Bereich des § 554 Abs. 1 S. 3 BGB (BGH WPM 1971, 1020). Diese Frist sei vorliegend mit sieben Monaten erheblich überschritten, da eine Konkretisierung erst im Rahmen der Widerklage erfolgt sei. Allein der Bestand einer Aufrechnungslage, ohne unverzügliche Erklärung, führe gerade nicht zu Unwirksamkeit der Kündigung. Vor diesem Hintergrund sei es unerheblich, ob die Regelung in § 7 des Mietvertrages wirksam oder unwirksam sei.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur teilweisen Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Klägerin ein Räumungsanspruch aus § 546 Abs. 1 BGB nicht zu. Denn § 543 Abs. 2, S. 1 Nr. 3 lit. a), 2. Alt. BGB, dessen Voraussetzungen durch das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung unzutreffend bejaht wurden, erfordert, dass der Mieter sich für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug befindet. Diese Voraussetzungen haben jedoch mangels Verzugs der Beklagten nicht vorgelegen.
1. Die Beklagte konnte sich auf ein ihr zustehendes Zurückbehaltungsrecht berufen. Ein solches Zurückbehaltungsrecht schließt den Verzug und damit die Kündigung nach § 543 Abs. 2, S. 1 Nr. 3 BGB aus (vgl. BGH, Urt. v. 07. Mai 1982, V ZR 90/81 = NJW 1982, 2242 (2242)).
Dem steht auch nicht die Regelung des § 7 Abs. 2 des Mietvertrages entgegen. Dort heißt es:
„Gegenüber Forderungen des Vermieters aus diesem Vertrag steht dem Mieter ein Zurückbehaltungsrecht oder Leistungsverweigerungsrecht nur in Bezug auf Forderungen aus diesem Vertrag zu, und zwar nur dann, wenn der Anspruch, auf den das Recht gestützt wird, unbestritten oder rechtskräftig bzw. entscheidungsreif festgestellt ist.“
Zwar wäre nach dieser Regelung ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten vertraglich ausgeschlossen. Doch stellt sich diese Regelung im Rahmen einer Überprüfung anhand des Maßstabes des § 307 Abs. 1 BGB als unwirksam dar, da sie den Mieter als Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
Die Benachteiligung kann zunächst nicht durch einen generellen Rückgriff auf die Regelung des § 309 Nr. 2 lit. a, lit. b BGB gestützt werden, weil dieser Vorschrift im unternehmerischen Verkehr nur eine äußerst eingeschränkte Indizwirkung zukommt (vgl. noch zum AGB-Gesetz: BGH, Urt. v. 10. Oktober 1991, III ZR 141/90 = NJW 1992, 575 (577); BeckOK/Becker, 57. Edition 01.02.2021, § 309 Nr. 2 Rn. 4 m.w.N.).
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist bislang lediglich anerkannt, dass ein formularmäßiger Ausschluss auch von unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Zurückbehaltungsrechten zwischen Unternehmern eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders darstellt. Denn im Geschäftsverkehr zwischen Kaufleuten können die §§ 273, 320 BGB grundsätzlich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen abbedungen werden. Dies gilt aber nicht, soweit die der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts zugrundeliegenden Gegenforderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind. Ein berechtigtes Interesse des Verwenders, seine Ansprüche durchzusetzen, ohne dabei durch Gegenrechte seines Vertragspartners behindert zu werden, ist insoweit nicht anzuerkennen (BGHZ 92, 312 (316) = NJW 1985, 319; BGH, NJW 1985, 855; BGH, Urt. v. 10. Oktober 1991, III ZR 141/90 = NJW 1992, 575 (577)).
Nach § 7 Abs. 2 des Mietvertrages beschränkt sich hier die Ausnahme für unbestrittene, rechtskräftig festgestellte oder entscheidungsreife Forderungen allerdings ausdrücklich auf Forderungen „aus diesem Vertrag“. In Bezug auf nicht aus dem Vertrag stammende Forderungen bleibt es klauselgemäß also bei dem uneingeschränkten Verbot der Geltendmachung von Zurückbehaltungs- und Leistungsverweigerungsrechten.
Im Lichte der nach § 305c Abs. 2 BGB maßgeblichen „vertragspartnerfeindlichen“ Auslegung dieser Klausel würden also sämtliche Zurückbehaltungsrechte – auch unstreitige oder rechtskräftig festgestellte – ausgeschlossen, die nicht ausdrücklich im Mietvertrag geregelt sind. Damit verstößt die Klausel gegen die zuvor dargestellten Maßstäbe und ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
Diese Sichtweise wird auch durch eine Entscheidung des XII. Zivilsenates des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2016 untermauert. Im Rahmen dieser Entscheidung hatte der Senat über eine ähnlich lautende Klausel zu entscheiden, und ausgeführt, dass die klauselmäßige Gestattung der Aufrechnungsmöglichkeit mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen inhaltlich derart eng mit der Beschränkung auf Forderungen aus dem Mietverhältnis selbst verknüpft sei, dass diese bei einem Herausstreichen der Beschränkung inhaltlich umgestaltet und mit einem anderen Inhalt aufrechterhalten würde. Gleiches gelte für die mit gleicher Zielrichtung in einem einheitlichen Satz vereinbarten grundsätzlichen Verbote der Aufrechnung, der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts und der Berufung auf eine Minderung der Miete (BGH, Urt. v. 06. April 2016, XII ZR 29/15 = NZM 2016, 585 (586); vgl. auch Meyer-Abich, NZM 2020, 1017 (1026)).
2. Der Beklagten stand auch ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 320 BGB zu.
Denn nach den zugrunde zulegenden tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts war die Mietsache mangelhaft. Die in diesem Zusammenhang von der Beklagten gerügte Schätzung der Minderungsquote durch den Einzelrichter nach zuvor gemäß §§ 371 ff. ZPO durchgeführtem Ortstermin begegnet insoweit keinen Bedenken. Die Befugnis hierzu leitet sich bereits direkt aus § 287 Abs. 1 S. 2 ZPO ab. Danach kann das Gericht die Beweisaufnahme nach seinem Ermessen anordnen, insbesondere auf die Erhebung des Sachverständigenbeweises verzichten (MüKoZPO/Prütting, 6. Auflage 2020, ZPO § 287 Rn. 23).
Obgleich es sich bei der Frage nach der Höhe der Minderungsquote vorliegend um Vorfragen handelt, sind die mit der Widerklage getroffenen Feststellungen einer Minderungsquote von 20 % hier ohnehin dem Streit entzogen.
Denn die Frage nach der Höhe der Minderungsquote ist ausschließlich im Rahmen der Widerklage von Relevanz gewesen, da das Recht der Beklagten zur Minderung wirksam ausgeschlossen wurde (s. 4.). Der Widerklage wurde jedoch im vollen Umfang entsprochen, sodass es einer weitergehenden Ermittlung der Mangelhaftigkeit nicht bedurfte. Gegen die Stattgabe der Widerklage wurde keine Berufung eingelegt, sodass die getroffenen Feststellungen im Hinblick auf die eingetretene Minderung rechtskräftig sind, § 322 Abs. 1 ZPO. Nach dieser Vorschrift sind Urteile insoweit der Rechtskraft fähig, als über den durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. Die Rechtskraft wird also auf den unmittelbaren Streitgegenstand, das heißt auf die Rechtsfolge beschränkt, die aufgrund eines bestimmten Lebenssachverhalts am Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand der Entscheidung bildet. Nicht in Rechtskraft erwächst die Feststellung der der Entscheidung zugrunde liegenden präjudiziellen Rechtsverhältnisse oder sonstiger Vorfrage, aus denen der Richter den Schluss auf das Bestehen oder Nichtbestehen der von der Klagepartei beanspruchten Rechtsfolge zieht (stRspr., vgl. BGHZ 43, 144 (145ff.); BGHZ 94, 29 (32 ff.)).
Aus dem in der materiellen Rechtskraft liegenden Verbot einer wiederholten Entscheidung über denselben Streitgegenstand folgt allerdings auch eine Bindungswirkung der in einem Vorprozess rechtskräftig getroffenen Entscheidung insoweit, als diese für die Entscheidung in einem Folgeprozess vorgreiflich ist (BGH, NJW 2012, 1964 Rn. 11). Hat ein Gericht daher den in einem Vorprozess bereits rechtskräftig entschiedenen Streitgegenstand nunmehr als Vorfrage zu prüfen, hat es in seinem Urteil den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung zugrunde zu legen (BGH, NJW 2017, 893 Rn. 17), wobei sich die Bindungswirkung auf die rechtskräftig ausgeurteilte Rechtsfolge beschränkt (BGH, Urt. v. 10. April 2019, VIII ZR 39/18 = NJW 2019, 1745 (1746)).
3. Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts ist die Annahme eines Zurückbehaltungsrechts in der Höhe von zumindest zwei Monatsmieten vorliegend angemessen.
Dies nicht nur vor dem Hintergrund der Minderungsquote in Höhe von 20%, sondern auch vor der Feststellung des Landgerichts, dass es „diverse weitere Mängel“ ausdrücklich nicht berücksichtigt hat, weil die „insoweit dieser Entscheidung zugrunde zulegenden Mängel bereits die durch die Beklagte geltend gemachte Minderung rechtfertigen“ (5. 14 GU).
Zwar hat der Bundesgerichtshof wiederholt klargestellt, dass eine schematische Bemessung des Zurückbehaltungsrechts nicht möglich sei (zuletzt mit Urt. v. 10. April 2019, VIII ZR 12/18 = NZM 2019, 533 Rn. 43 ff.). Doch finden sich in der Literatur nach wie vor Stimmen, die für die Höhe des Zurückbehaltungsrechts auf den zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Betrag abstellen (vgl. Schmidt-Futter/Eisenschmid, Mietrecht, 14. Auflage, § 536 Rn. 425 m.w.N.). Eine solche Bemessung lediglich anhand der Mangelbeseitigungskosten verkennt jedoch die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze, wonach die Zurückbehaltungsquote in einer angemessenen Relation zur Bedeutung des Mangels zu stehen hat. Dabei ist diese Quote vom Tatrichter im Rahmen seines Beurteilungsermessens aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben zu ermitteln (BGH, a.a.O.).
4. Unter Berücksichtigung eines Zurückbehaltungsrechts in Höhe von zwei Monatsmieten verbleibt auch ohne Minderungsabzug kein zur fristlosen Kündigung berechtigender Mietrückstand der Beklagten.
Die Forderungslage zum Zeitpunkt der fristlosen Kündigung vom 20.03.2019 stellte sich wie folgt dar: 10.733,80 EUR brutto wurden für die Monate Februar und März 2019 als Mietzins (je 5.366,90 EUR) gefordert. 3.796,90 EUR brutto wurden auf die Februarmiete gezahlt. Es verblieb also eine Forderung von 6.936,90 EUR, mithin weniger als zwei Monatsmieten. Die vom Landgericht angenommene Minderung in Höhe von 20 % wirkt sich insofern hier nicht aus, als das Landgericht zu Recht angenommen hat, dass das Minderungsrecht, geachtet eines möglichen Rückforderungsanspruchs, wirksam im Mietvertrag abbedungen wurde (GU S. 10 f.).
Soweit die Beklagte vorträgt, dass die fristlose Kündigung auch vor dem Hintergrund der Minderung unwirksam sein dürfte, dringt sie mit ihrer Auffassung nicht durch. Denn das Minderungsrecht wurde wirksam durch § 7 Abs. 3 des Mietvertrages ausgeschlossen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass auf dem Gebiet der Gewerberaummiete eine Formularklausel, mit der die Verwirklichung des Minderungsrechts mittels Abzugs vom geschuldeten Mietzins ausgeschlossen und der Mieter insoweit auf eine Bereicherungsklage verwiesen wird, einer Inhaltskontrolle nach den AGB-Vorschriften standhält (vgl. nur BGH, Urt. v. 27. Januar 1993, XII ZR 141/91 = NJW-RR 1993, 519 m.w.N.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 31. Mai 2005, 1-24 U 12/05, 24 U 12/05).
Es kann schließlich dahinstehen, ob das Landgericht die Aufrechnungserklärung vom 25.03.2019 (BI. 69 d. A.) zu Recht an der fehlenden Bestimmtheit der Gegenforderung hat scheitern lassen, weil die fristlose Kündigung mangels eines zur Kündigung berechtigenden Zahlungsverzugs nicht durchgreift.
5. Nicht gefolgt werden kann indessen der im Rahmen der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Klägerin, die Beklagte habe die Einrede des § 320 BGB nicht erhoben. Dies ist zwar nicht ausdrücklich geschehen. Dessen bedarf es aber auch nicht.
Denn nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum ist im Einbehalt des Mietzinses bei gleichzeitiger Mängelanzeige eine konkludente Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts zu sehen (vgl. nur BGH, Beschl. v. 15. November 2011, VIII ZB 95/11 = BeckRS 2011, 26802 Rn. 4; Blank/Börstinghaus-Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Auflage 2020, BGB § 536 Rn. 190 m.w.N.).
Die Beklagte hat die bestehenden Mängel ausweißlich der angefochtenen Entscheidung über Jahre wiederholt angezeigt (S. 14 GU). Es entspricht gerade dem Sinn und Zweck des Zurückbehaltungsrechts, den Vermieter durch den dadurch ausgeübten Druck zur Mangelbeseitigung anzuhalten (BGH, Urt. v. 10. April 2019, VIII ZR 12/18 = NJW 2019, 2308 Rn. 41). Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte aufgrund der teilweise unwirksamen Vereinbarungen im Mietvertrag in einer Situation befand, in der es ihr nicht ohne Weiteres möglich war, ihre Rechte aufgrund der Mangelhaftigkeit des Mietobjekts zu erkennen und ohne die Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung ausdrücklich wahrzunehmen. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt auch der Einwand der Klägerin, dass es bereits zuvor zu verspäteten Zahlungen gekommen sei, keine anderweitige Entscheidung.
6. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten seitens der Klägerin aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB besteht daher mangels Verzugs der Beklagten ebenfalls nicht.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe gern. § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.