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Krankheitsbedingte Räumungsunfähigkeit Mieter

AG München – Az.: 433 C 10588/17 – Urteil vom 18.10.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Das Mietverhältnis zwischen den Parteien über die Wohnung in der … wird auf unbestimmte Zeit fortgesetzt.

3. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.829,60 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beklagte mietete mit Vertrag vom 24.11.1998 vom damaligen Eigentümer eine Wohnung in der … .

Die monatliche Kaltmiete samt Garagenmiete betrug zuletzt 485,80 Euro.

Die Kläger kauften mit Kaufvertrag vom 17.08.2016 die zuvor genannte Wohnung und wurden am 07.10.2016 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Mit Schreiben vom 18.10.2016 kündigten die Kläger das Mietverhältnis mit der Beklagten wegen Eigenbedarfs zum 31.07.2017 und gaben an, dass ihre Tochter, die Zeugin …, am 01.10.2017 ihr Studium an der TU München beginne und zu diesem Zweck im August 2017 in die streitgegenständliche Wohnung ziehen wolle.

Die Beklagtenpartei hat die Kündigungsgründe mit Nichtwissen bestritten.

Die Beklagte bestreitet ebenfalls mit Nichtwissen, dass die Kläger der Beklagten keine andere Wohnung als Ersatzwohnraum anbieten können.

Die Kündigung wurde der Beklagten am 21.10.2016 zugestellt.

Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 23.05.2017 den Widerspruch gegen die Kündigung und begründete diesen u.a. damit, dass sie aufgrund einer rezidivierenden depressiven Störung sowie einer Angststörung nicht in der Lage sei, auf dem freien Wohnungsmarkt eine Alternativwohnung zu suchen und dass der Verlust der Wohnung und der gewohnten Umgebung zu einer akuten weiteren Verschlechterung des medizinischen Zustandes führen würde und auch von akuter Suizidalität auszugehen sei (Anlage B 2), wobei die Erkrankungen der Beklagten durch die Klagepartei mit Nichtwissen bestritten wurden.

Die Beklagte hält einen Hund, wozu ihr aus psychologischer Sicht geraten wurde und bezieht Leistungen nach Hartz IV.

Die Kläger sind der Ansicht, dass im Rahmen der Interessenabwägung i.S.d. § 574 I BGB zu berücksichtigen sei, dass die Tochter der Kläger bei Studienbeginn entweder von Landau nach München pendeln müsse oder sich eine andere Wohnung anmieten müsse, womit ihr Interesse überwiege.

Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, die Wohnung im 6. Stock, rechts, in der … München, bestehend aus einem Zimmer, einer Küche, einem Bad, einem WC, einem Kelleranteil, samt Garagenstellplatz zum 31.07.2017 zu räumen und an die Kläger herauszugeben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortzusetzen und rein vorsorglich, eine angemessene Räumungsfrist nach § 721 ZPO zu gewähren.

Die Beklagte behauptet, dass sie mit der früheren Vermieterin vereinbart habe, dass eine Kündigung wegen Eigenbedarfs nicht ausgesprochen werde.

Sie behauptet weiterhin, dass die Wohnung zum Verkauf an Kapitalanleger angeboten worden sei und dies in den Verkaufsgesprächen mit den Klägern auch so besprochen worden sei.

Die Beklagte behauptet, die Beendigung des Mietverhältnisses bedeute für sie eine unzumutbare Härte, da der Verlust ihrer Wohnung aufgrund ihrer psychischen Erkrankungen zu einer weiteren Verschlechterung des medizinischen Zustandsbildes führen würde und von akuter Suizidalität auszugehen sei.

Sie behauptet, trotz intensiver Bemühungen keine Ersatzwohnung zu finden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin … .

Weiterhin hat das Gericht Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 11.08.2017 (Bl. 38/39 d.A.) durch Vernehmung des Zeugen … .

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahmen wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 18.07.2017 (Bl.31/34 d.A.) und vom 28.09.2017 (Bl. 48/56 d.A.) Bezug genommen.

Das Gericht hat die mündliche Verhandlung vom 28.09.2017 mit einem Beschluss, in dem ein Verkündungstermin bestimmt worden ist, beendet.

Mit Schriftsatz vom 05.10.2017, bei Gericht vorab per Fax eingegangen am 05.10.2017, hat die Klagepartei eine außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses gegenüber der Beklagten wegen eines Vorfalles vom 28.09.2017 erklärt und hat den Räumungsanspruch auch auf diese Kündigung gestützt. Dieser Schriftsatz wurde der Beklagtenvertreterin seitens des Gerichts zugestellt und ging bei ihr am 16.10.2017 ein.

Zur Vervollständigung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Das Amtsgericht München ist gem. §§ 23 Nr. 2 a GVG, 29 a ZPO sachlich und örtlich zuständig.

Die ordentliche Kündigung vom 18.10.2016 hat das Mietverhältnis wirksam zum 31.07.2017 beendet gem. § 573 I, II Nr. 2 BGB.

Das Mietverhältnis ist jedoch gem. § 574 a I, II BGB auf unbestimmte Zeit fortzusetzen.

1. Die Kündigung wegen Eigenbedarfs war gem. § 573 I, II Nr. 2 BGB wirksam.

Das Gericht ist nach der Vernehmung der 21-jährigen Zeugin … davon überzeugt, dass die Kläger die streitgegenständliche Wohnung ihrer Tochter, einer Familienangehörigen i.S.d. § 573 II Nr. 2 BGB, als Wohnung am Studienort in München zur Verfügung stellen wollen und die Tochter in diese Wohnung einziehen möchte.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Tochter der Kläger beabsichtigt und bereits zum Zeitpunkt der Kündigung beabsichtigte, vor ihrem bzw. aufgrund ihres Studienbeginns am 01.10.2017 in die streitgegenständliche Wohnung einzuziehen.

Die Zeugin hat glaubhaft und nachvollziehbar geschildert, dass sie schon seit längerer Zeit plante, nach ihrem Abitur, das sie im Sommer 2017 ablegte, ein Studium an einer der Münchener Universitäten aufzunehmen. Die Zeugin konnte nachvollziehbar darlegen, dass sie sich schon sehr frühzeitig, nämlich vor September 2015, nach Abschluss ihrer Ausbildung und vor Nachholung des Abiturs, mit Plänen für die Zeit nach dem Abitur beschäftigt hat und schon lange vorhatte, nach dem bestandenen Abitur ein Studium an einer der Universitäten in München zu beginnen. Die ruhigen und glaubhaften Schilderungen der Zeugin zu ihrer beruflichen Ausbildung und ihrem beruflichen Werdegang wirkten auf das Gericht sehr stringent und das Gericht zweifelt nicht daran, dass der Plan der Zeugin zu einem Studium in München sowie der Plan, zum Studium nach München in die streitgegenständliche Wohnung zu ziehen, bereits zum Zeitpunkt der Kündigung im Oktober 2016 bestand. Die Zeugin hat glaubhaft angegeben, dass ihre Eltern die Wohnung gekauft hatten, um ihr einen guten Start in das Studium zu ermöglichen.

Die Tatsache, dass die Zeugin die streitgegenständliche Wohnung nicht selbst angesehen hat, erstaunt zwar, ist aber für das Gericht nach der Erklärung der Zeugin, dass sich keine Gelegenheit dazu ergab und dass ihr Vertrauen in ihre Eltern so hoch ist, dass sie auf jeden Fall in eine von ihnen für sie ausgewählte Wohnung ziehen würde, zumindest nachvollziehbar.

Dass die Zeugin ein Studium der Wirtschaftsmathematik an der LMU beginnen wird und nicht wie im Kündigungsschreiben angegeben, ein Studium der technologie- und managementorientierten Betriebswirtschaftslehre an der TU, hat keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Kündigung, denn der Grund für den Eigenbedarf ist die Aufnahme eines Studiums in München, unabhängig von der Auswahl des Studienfaches oder der Universität. Das Gericht zweifelt aufgrund der überzeugenden Aussage der Zeugin Forster nicht daran, dass diese ein Studium der Wirtschaftsmathematik zum 10.10.2017 beginnen wird, zumal sie über die Voraussetzungen zur Aufnahme der einzelnen Fächer bestens informiert war und glaubhaft angegeben hat, dass sie sich für Wirtschaftsmathematik vorangemeldet habe und dies ausreiche, weil es auf diesen Studiengang keinen Numerus Clausus gebe.

Eine Eigenbedarfskündigung war auch nicht unzulässig, denn ein wirksamer Verzicht auf Eigenbedarf lag nicht vor.

Grundsätzlich gilt, dass ein Ausschluss der Eigenbedarfskündigung bei Vertragsschluss für eine bestimmte Zeit oder auf Dauer vereinbart werden kann, allerdings hierfür die Schriftform erforderlich ist, wenn die Ausschlussvereinbarung für längere Zeit als ein Jahr gelten soll (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Auflage 2017, § 573 Rn. 145). Das Gericht hält es für sachgerecht, auch bei Vereinbarungen im Nachhinein vom Schriftformerfordernis auszugehen. Eine schriftliche Vereinbarung liegt jedoch nicht vor. Selbst wenn – wie nicht – nicht vom Schriftformerfordernis ausgegangen würde – ist aus Sicht des Gerichts nach dem Vortrag der Beklagten nicht auszuschließen, dass die Voreigentümerin nur für sich selbst auf die Geltendmachung von Eigenbedarf verzichtet hat.

Weiterhin kam es nicht darauf an, ob den Klägern weitere Wohnungen zur Verfügung standen, die sie der Beklagten hätten anbieten können, denn selbst wenn die Kläger ihre Anbietpflicht verletzt hätten, wäre die Kündigung wirksam und der Beklagten stünde lediglich ein Schadensersatzanspruch in Geld zu (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2016, VIII ZR 232/15).

Die Kündigung war gem. § 573 c I BGB zum 31.07.2017 zulässig.

2.

Trotz der wirksamen Eigenbedarfskündigung ist das Mietverhältnis jedoch aufgrund des Antrags der Beklagten gem. §§ 574 I, 574 a I, II BGB auf unbestimmte Zeit fortzusetzen.

Die Beendigung des Mietverhältnisses bedeutet nach Ansicht des Gerichts für die Beklagte eine unzumutbare Härte, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Kläger nicht zu rechtfertigen ist, § 574 I S. 1 BGB.

Die Beklagte ist räumungsunfähig.

Eine Räumungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Mieter auf Grund seines körperlichen oder geistigen Zustands nicht in der Lage ist, eine Ersatzwohnung zu finden und dorthin umzuziehen oder wenn der Gesundheitszustand oder die allgemeine Lebenssituation des Mieters durch den Umzug erheblich verschlechtert würden, wobei bereits die ernsthafte Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Verschlechterung die Annahme einer unzumutbaren Härte rechtfertigen kann (vgl. Schmidt-Futterer, a.a.O., § 574 Rn. 47).

Das Gericht ist nach der Aussage des Zeugen … davon überzeugt, dass die Beklagte an einer rezidivierenden depressiven Störung sowie einer Angststörung leidet; dass der Verlust der streitgegenständlichen Wohnung dazu führen würde, dass sich das Krankheitsbild der Beklagten weiter verschlechtern würde und dass die von der Beklagten geäußerten Suizidgedanken für den Fall, die streitgegenständliche Wohnung verlassen zu müssen, ernst zu nehmen sind.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Krankheitsbild und zu den Folgen des Verlustes ihrer Wohnung war nach Auffassung des Gerichts nicht erforderlich, denn die Aussage des Zeugen … war nach Auffassung des Gerichts nicht durch ein besonderes Näheverhältnis zur Patientin, sondern von Objektivität sowie Fachkenntnis geprägt.

Dies wurde beispielsweise daran deutlich, dass der Zeuge keine Langzeitprognose für die Beklagte im Fall eines Umzuges abgegeben hat, sondern klar geäußert hat, die langfristige Entwicklung bei einem Umzug der Beklagten nicht voraussagen zu können. Eine solche zurückhaltende Prognose spricht gegen ein besonderes Näheverhältnis. Es waren aus Sicht des Gerichts keine Tendenzen ersichtlich, dass er die Beklagte besonders schützen wollte, indem er beispielsweise ausschließlich Aussagen getroffen hat, die ersichtlich der Beklagten im Prozess helfen sollten. Der Zeuge hat sehr differenziert und überlegt auf die Fragen geantwortet und offen geäußert, wenn er bestimmte Prognosen nicht machen konnte und der Beklagten auch nicht jegliche Fähigkeit und Verantwortung von bestimmten Tätigkeiten, wie z.B. der Wohnungssuche abgesprochen. Es gibt desweiteren keinen Anlass an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln.

Der Zeuge hat sehr sachlich geschildert, an welchen Krankheiten die Beklagte leidet, welche Medikationen oder Therapien in der Vergangenheit – in der Zeit der Behandlung durch ihn seit August 2008 – stattgefunden haben und wie er die Therapiemöglichkeiten in Zukunft einschätzt.

Der Zeuge behandelt die Beklagte seit 2008 und hat aus Sicht des Gerichts aus diesem Grund einen profunden Einblick in die Psyche der Beklagten, den er wertungsfrei und objektiv geschildert hat. Das Gericht hält den Zeugen als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie auch für fachlich in der Lage, die Situation der Beklagten aus ärztlicher Sicht zutreffend einschätzen zu können.

Der Zeuge hat glaubhaft geschildert, dass die Beklagte die Aussicht, ihren Schutzraum, d.h. ihre Wohnung und die gewohnte Umgebung, verlassen zu müssen, als existenzielle Bedrohung wahrnimmt und sich durch einen Umzug ihr Zustand verschlechtern würde, sowohl im Hinblick auf ihre Depression, als auch im Hinblick auf ihre Angststörung.

Auch wenn der Zeuge die Gefahr der Verwirklichung des Suizidgedankens der Beklagten für den Fall, dass sie die Wohnung verlassen müsste, nicht als zu 100% gegeben einschätzen konnte aufgrund diverser unterschiedlicher Faktoren, hat der Zeuge glaubhaft und nachvollziehbar geschildert, dass die Suizidgedanken der Beklagten – auch aufgrund ihrer Vorerkrankungen – ernst zu nehmen sind.

Das Gericht ist aufgrund der sachlichen und nachvollziehbaren Aussage des Zeugen … davon überzeugt, dass sich der Gesundheitszustand der Beklagten und damit einhergehend auch ihre allgemeine Lebenssituation durch einen Umzug erheblich verschlechtern würde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesundheitszustand der Beklagten bereits vor der Kündigung nicht als gut einzustufen war, aber die Tatsache, dass die Krankheitssymptome bei einem Umzug noch weiter zunehmen würden, reicht aus Sicht des Gerichts aus, um von einer erheblichen Verschlechterung auszugehen, zumal die Symptome der Krankheitsbilder der Beklagten vielfältig – sowohl körperlicher als auch psychischer Art – sein können, wie der Zeuge … angegeben hat und die Beklagte aus Sicht des Gerichts erheblich beeinträchtigen könnten.

Hinzu kommt die Suizidgefährdung, die die Beklagte gegenüber dem Zeugen … für den Fall geäußert hat, dass sie die Wohnung verlassen müsse.

Dass im Fall der aktuen Suizidgefährdung die zeitweise Einweisung der Beklagten möglich wäre, die im übrigen einen erheblichen Eingriff in die frei Selbstbestimmung der Beklagten darstellen würde, ändert aus Sicht des Gerichts nichts daran, dass bei einem Umzug mit einer Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands zu rechnen ist, denn selbst wenn während der Zeit der Einweisung der Umzug vorgenommen würde und die Beklagte dann in eine andere Wohnung entlassen würde, müsste sich die Beklagte dann mit der neuen Situation – einem veränderten Wohnumfeld – auseinandersetzen, was ihr krankheitsbedingt schwer fällt und mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes einhergeht. Dasselbe Argument gilt für eine engmaschigere Betreuung durch den behandelnden Arzt während der Zeit des Umzuges.

Dass die seit Jahren bestehenden psychischen Krankheiten der Beklagten während der Zeit, in der sie zur Verhinderung eines Suizids in eine Klinik eingewiesen ist, geheilt werden könnten, hält das Gericht für ausgeschlossen, nachdem in den letzten 9 Jahren trotz diverser Therapien stabile Phasen nur in äußerst überschaubaren Zeiträumen eingetreten sind, wie der Zeuge geschildert hat und nachdem der Zeuge die Erfolgsaussichten einer einjährigen verhaltenstherapeutischen Behandlung prognostisch eher zurückhaltend eingestuft hat.

Entscheidend ist, dass sich der Gesundheitszustand der Beklagten jedenfalls zunächst erheblich verschlechtern würde, so dass aus Sicht des Gerichts jedenfalls nicht entscheidend ist, dass der Zeuge … keine Prognose dazu treffen konnte, ob sich der Zustand der Beklagten in einer neuen Umgebung irgendwann auch wieder verbessern würde.

Letztlich kam es aus Sicht des Gerichts nicht mehr darauf an, ob sich die Beklagte angemessenen Ersatzwohnraum beschaffen konnte oder kann, denn auch wenn im Rahmen der Härte nur die gesundheitlichen Folgen für die Beklagte berücksichtigt werden, überwiegen die Interessen der Beklagten gegenüber denen der Kläger:

Bei der Abwägung der Interessen der Beklagten gegenüber den Interessen der Kläger ist das Interesse der Kläger zu berücksichtigen, die ihrer Tochter durch die Zurverfügungstellung einer Wohnung gute Studienbedingungen schaffen möchten. Das Gericht verkennt nicht, dass die Tochter der Kläger sich ohne die streitgegenständliche Wohnung entweder eine andere Unterkunft in München suchen müsste oder täglich eine erhebliche Strecke zur Universität pendeln müsste von ihrem derzeitigen Wohnort in Landau. Dabei ist allerdings ebenfalls zu bedenken, dass die Tochter der Kläger jung, gesund und tatkräftig ist, so dass das Gericht davon überzeugt ist, dass es ihr im Grundsatz möglich sein wird, sich auch im umkämpften Münchner (Studenten-)Mietmarkt eine Unterkunft zu suchen, um ihr Studium vorantreiben zu können oder eine anderweitige Lösung zu finden, die es ihr ermöglicht, ihr Studium zu absolvieren. Der aus Sicht des Gerichts entscheidende Unterschied zwischen der Tochter der Kläger und der Beklagten ist, dass die 21-jährige Tochter der Kläger keine psychischen Krankheiten hat und sie gerade am Anfang ihres Studienlebens steht, das für gesunde Menschen aus Sicht des Gerichts vielfältige Möglichkeiten bietet. Das Interesse der Kläger an der Erlangung der Wohnung muss daher gegenüber dem Interesse der Beklagten am Erhalt der Wohnung, der maßgeblich dafür ist, dass sich ihre Gesundheit nicht wegen eines Umzuges weiter verschlechtert, zurücktreten.

Eine Vertragsfortsetzung auf unbestimmte Zeit kommt in Betracht, wenn das Ende der Beeinträchtigung noch nicht abgeschätzt werden kann (vgl. Schmidt-Futterer, a.a.O., § 574 Rn. 48).

Ein solcher Fall liegt aus Sicht des Gericht hier vor, denn nach Auffassung des Gerichts ist aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen Dr. Melamed nicht abzusehen, ob eine weitere verhaltenstherapeutische Behandlung, möglicherweise kombiniert mit einem stationären Aufenthalt, zu einer solchen Verbesserung der gesundheitlichen Situation der Beklagten führen würde, dass diese ohne erhebliche Beeinträchtigungen in ein anderes Umfeld ziehen kann. Die Beklagte ist seit vielen Jahren psychisch erkrankt, ohne dass in den letzten 9 Jahren längerfristige Besserung eingetreten ist, so dass nicht vorauszusehen ist, ob oder dass eine weitere Behandlung (längerfristige) positive Auswirkungen bei der Beklagten zeigt.

3.

Der Schriftsatz der Klagepartei vom 05.10.2017 war nicht berücksichtigungsfähig gem. § 296 a S. 1 ZPO, denn er ging nach Schluss der mündlichen Verhandlung ein. Das Gericht hatte die Verhandlung am 28.09.2017 durch Bestimmung eines Verkündungstermins geschlossen. Eine Ausnahme hiervon i.S.d. § 296 a S. 2 ZPO liegt mangels Vorliegen der Voraussetzungen von § 139 V ZPO oder der §§ 156, 283 ZPO nicht vor.

II.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Streitwert wurde gem. § 41 I, II GKG festgesetzt.

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