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Kündigung des Vermieters als strafbare Handlung

AG Frankfurt – Az.: 33 C 1821/16 (93) – Urteil vom 09.11.2016

Die Beklagte wird verurteilt, die im Anwesen XXX, XXXXX Frankfurt am Main im zweiten Obergeschoss (Dachgeschoss) gelegene Wohnung mit 75 qm Nutzfläche bestehend aus 3 Zimmern, Küche, Diele, Bad/WC, Gäste- WC und Abstellraum (Kellerraum, Balkon) zu räumen und an die Kläger herauszugeben.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 663 Euro nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.7.2016 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich der Räumung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5400 Euro abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckungssicherheit in gleicher Höhe leisten.

Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31.3.2017 gewährt.

Der Streitwert wird auf 11.463 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Beklagte war Eigentümerin der Liegenschaft XXX in Frankfurt am Main. Mit notariellem Kaufvertrag vom 30.7.2015 verkaufte sie die Liegenschaft an die Kläger. In diesem notariellen Kaufvertrag wurde für die Beklagte ein dingliches Wohnrecht vereinbart. Dieses dingliche Wohnrechts hoben die Parteien mit notariellem Vertrag vom 6.10.2015 wieder auf. Am 12.9.2015 schlossen die Parteien einen Mietvertrag über die streitgegenständliche Wohnung. Vereinbart wurden eine Nettomiete von einem Euro sowie eine Betriebskostenvorauszahlung von 220 Euro monatlich. Die Beklagte zahlte die Mieten für April, Mai und Juni 2016 nicht. Die Kläger kündigten das Mietverhältnis fristlos mit Schreiben vom 12.5 2016 und 6.6.2016. Die Räumungsklage wurde der Beklagte am 26.7.2016 zugestellt, mit Schreiben vom 13.9.2016 erklärte die Stadt Frankfurt am Main in die Übernahme der Mietschulden.

Jedenfalls vom 5.9.2016 bis zum 7.9.2016 bezog die Beklagte ihren Strom über eine Steckdose im Treppenhaus. Die Kläger erklärten daraufhin mit Schreiben vom 15.9.2016 erneut die fristlose Kündigung.

Die Kläger behaupten, die Beklagte habe fast 3 Monate ihren Wohnungsstrom vom Allgemeinstrom bezogen.

Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, die im Anwesen XXX, XXXXX Frankfurt am Main im zweiten Obergeschoss (Dachgeschoss) gelegene Wohnung mit 75 qm Nutzfläche bestehend aus 3 Zimmern, Küche, Diele, Bad/WC, Gäste- WC und Abstellraum (Kellerraum, Balkon) zu räumen und an die Kläger herauszugeben an die Kläger als Gesamtgläubiger 663 Euro nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.7.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie sei bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages sowie bei Abschluss der Vereinbarung über die Aufhebung des dinglichen Wohnrechts nicht geschäftsfähig gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Kläger haben gegen die Beklagte gem. § 535 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung der ausstehenden Mieten für die Monate April, Mai und Juni 2016 in Höhe von je 221 Euro.

Die Kläger haben gegen die Beklagte gem. § 546 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung.

Die Wirkung der fristlosen Kündigungen vom 12.5.2016 und 6.6.2016 ist durch die Übernahmeerklärung der Stadt Frankfurt am Main vom 12.9.2016 geheilt.

Das Mietverhältnis ist aber durch die fristlose Kündigung vom 15.9.2016 beendet worden.

Der Stromdiebstahl jedenfalls über 2 Tage berechtigte die Kläger gemäß § 543 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 BGB auch ohne Abmahnung zur fristlosen Kündigung.

Stromdiebstahl stellt eine Straftat dar und eine schwere Störung des Hausfriedens. Eine Abmahnung vor der Kündigung ist daher nur in den Ausnahmefällen erforderlich, in denen der behauptete Stromverbrauch durch den Mieter so gut wie nicht messbar ist (KG Berlin NZM 2005, 254 ). So liegt der Fall hier aber nicht. Die Beklagte hat jedenfalls über 2 Tage ihrer gesamten Stromverbrauch durch die Steckdose für Allgemeinstrom im Treppenhaus gedeckt. Dies ist ein schwerer Vertrauensbruch und berechtigt zur fristlosen Kündigung.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, sie sei nach wie vor Eigentümerin der streitgegenständlichen Liegenschaft und daher zum Besitz berechtigt. Der Vortrag der Beklagten, sie sei bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages vom 30.7.2015 geschäftsunfähig im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB gewesen, daher sei ihre Willenserklärung gem. § 105 Abs. 1 BGB nichtig, ist unsubstantiiert. Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung ist nur zu bejahen, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Für einen Ausschluss der freien Willensbestimmung besteht auch dann keine Vermutung, wenn der Betroffene seit längerem an geistigen Störungen leidet. Bloße Willensschwäche oder leichte Beeinflussbarkeit genügen nicht, ebenso wenig das Unvermögen, die Tragweite der abgegebenen Willenserklärung zu erfassen (Palandt Bürgerliches Gesetzbuch § 104 Rn. 5). Die Beklagte hat lediglich vorgetragen, sie leide an einer schweren psychischen Erkrankung (Borderline Syndrom, Suchterkrankung) und habe bei Abschluss des Kaufvertrages die Tragweite ihrer rechtsgeschäftlichen Handlungen nicht erkennen können. Dies ist nicht ausreichend.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, das für sie bestellte dingliche Wohnrecht berechtige sie zum Besitz. Die Parteien haben mit notariellem Vertrag vom 6.10.2015 das dingliche Wohnrecht aufgehoben. Auch hier ist der Vortrag der Beklagten, sie sei bei Unterzeichnung des notariellen Vertrages geschäftsunfähig gewesen, ihre Willenserklärung sei nichtig, unsubstanziiert. Auch hier ist der Vortrag, sie habe die Tragweite ihrer Entscheidung krankheitsbedingt nicht erkennen können und sie sei zudem von den Klägern beeinflusst worden, nicht ausreichend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.

Im Hinblick auf die Erkrankung der Beklagten wurde ihr zur Vermeidung von Obdachlosigkeit eine Räumungsfrist gem. § 721 ZPO bis zum 31.3.2017 gewährt.

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