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Kündigung eines Mieters ohne Wohnberechtigung durch Vermieter bei sozialem Wohnungsbau

Das Amtsgericht Frankfurt am Main entschied, dass die Kündigung des Mietverhältnisses rechtmäßig ist, da der Mieter keine gültige Wohnberechtigung mehr besitzt und der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Sozialwohnung darf nur an Personen mit entsprechender Wohnberechtigung vermietet werden.

→ Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 33 C 2124/21

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse, das Mietverhältnis mit dem Beklagten zu beenden, da es sich um eine Sozialwohnung handelt.
  • Dem Beklagten steht keine Wohnberechtigung für die Sozialwohnung zu, da er 2019 ausgezogen und erst 2019 wieder eingezogen ist.
  • Der Wegzug des Beklagten führte zum Erlöschen seiner Wohnberechtigung, eine neue ist nach dem Wiedereinzug erforderlich.
  • Die zuständige Behörde hat der Klägerin eine Kündigungsanordnung für die Wohnung erteilt.
  • Das Mietverhältnis wurde durch die Klägerin wirksam gekündigt.
  • Dem Beklagten steht kein Umgangsrecht mit seinen Kindern zu, wodurch kein Mehrbedarf für eine 3-Zimmer-Wohnung gerechtfertigt ist.
  • Eine Räumungsfrist wurde nicht gewährt, da die Interessen der Klägerin überwiegen.
  • Die Beklagten wurden als Gesamtschuldner zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt.

Kündigung ohne Wohnberechtigung: Gericht entscheidet zu Gunsten des Vermieters

Wohnen stellt eines der Grundbedürfnisse des Menschen dar. In Deutschland genießt der Schutz des Mieters einen hohen Stellenwert, da viele Menschen auf eine Mietwohnung angewiesen sind. Allerdings gibt es Fälle, in denen der Vermieter berechtigt sein kann, das Mietverhältnis zu beenden. Dies kann beispielsweise eintreten, wenn eine Wohnung im sozialen Wohnungsbau vermietet wird und der Mieter die Voraussetzungen für eine solche Wohnung nicht mehr erfüllt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind in solchen Fällen komplex und stellen für viele eine Herausforderung dar. Im Folgenden wird ein konkreter Gerichtsfall zum Thema Kündigung eines Mieters ohne Wohnberechtigung durch den Vermieter bei sozialem Wohnungsbau vorgestellt und analysiert.

Der Fall vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main im Detail

Wohnungszuweisung bei Sozialem Wohnungsbau vor Gericht

In diesem Fall standen sich ein Vermieter und ein Mieter, der Beklagte zu 1), vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main gegenüber. Der Streitpunkt war die Rechtmäßigkeit der Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter. Der Fall erlangte eine besondere Relevanz, da es sich bei der Mietwohnung um eine Wohnung im sozialen Wohnungsbau handelt und der Mieter die erforderliche Wohnberechtigung nicht mehr erfüllte.

Die streitgegenständliche 3-Zimmer-Wohnung wurde durch den Beklagten zu 1) bereits 2005 mit seiner damaligen Ehefrau angemietet. Im Jahr 2009 zog der Beklagte aus der Wohnung aus, während seine Ehefrau dort wohnen blieb. Nach der Trennung der Eheleute im Jahr 2019 zog der Beklagte zu 1) wieder in die Wohnung ein. Dies geschah jedoch ohne die erforderliche Zustimmung des Vermieters und ohne eine erneute Überprüfung der Wohnberechtigung.

Im Rahmen der Überprüfung der Belegung der Sozialwohnung stellte die zuständige Behörde fest, dass der Beklagte keine gültige Wohnberechtigung mehr besitzt. Die Behörde erließ eine Kündigungsanordnung an den Vermieter, der daraufhin das Mietverhältnis mit dem Beklagten gemäß § 573 Abs.1 BGB zum 30.06.2021 kündigte.

Rechtliche Einordnung der Kündigung bei Sozialwohnungen

In Bezug auf die Kündigung des Mietverhältnisses stellt sich die Frage, ob die Kündigung rechtmäßig ist.

Das Amtsgericht musste in seiner Entscheidung verschiedene Aspekte berücksichtigen. Ein zentraler Punkt war die Frage, ob ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses vorliegt.

Entscheidung des Amtsgerichts: Ordentliche Kündigung ist Rechtmäßig

Das Amtsgericht entschied zu Gunsten des Vermieters und erklärte die Kündigung für rechtmäßig. Nach Auffassung des Gerichts liegt ein öffentliches Interesse an der Kündigung vor, da die Sozialwohnung nur an Personen mit entsprechender Wohnberechtigung vermietet werden darf.

Das Gericht stellte weiterhin fest, dass die Wohnberechtigung des Beklagten mit seinem Auszug aus der Wohnung 2009 erloschen ist. Ein Wiedereinzug setzt somit eine erneute Prüfung der Berechtigung und eine Zustimmung des Vermieters voraus, an der es im vorliegenden Fall fehlte.

Keine Räumungsfrist für den Mieter

Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts legten die Beklagten Berufung ein. Im Berufungsverfahren wurde die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt. Die Berufung der Beklagten wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht sah ebenfalls ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses.

Des Weiteren wurde im Urteil festgestellt, dass dem Beklagten keine Räumungsfrist gewährt werden kann. Die lange Dauer des Rechtsstreits sowie die Umstände, unter denen der Beklagte versuchte, sein vermeintliches Belegungsrecht zu rechtfertigen, ließen die Interessen des Beklagten hinter denen des Vermieters zurücktreten.

✔ FAQ zum Thema: Kündigung Mieter ohne Wohnberechtigung


Was ist eine Wohnberechtigung im sozialen Wohnungsbau?

Eine Wohnberechtigung, auch Wohnberechtigungsschein (WBS) oder Paragraf-5-Schein genannt, ist die zentrale Voraussetzung, um eine geförderte Sozialwohnung anmieten zu können. Sie wird von der zuständigen Behörde wie dem Wohnungsamt ausgestellt und bescheinigt, dass der Haushalt die Einkommensvoraussetzungen für eine Sozialwohnung erfüllt.

Die wichtigsten Punkte zur Wohnberechtigung sind:

  • Sie wird nur erteilt, wenn das Haushaltseinkommen unterhalb bestimmter Einkommensgrenzen liegt. Diese Grenzen variieren je nach Bundesland und Haushaltsgröße, liegen aber typischerweise zwischen 12.000-24.000 Euro Jahreseinkommen für einen 1-Personen-Haushalt.
  • Der WBS enthält Angaben zur maximal zulässigen Wohnungsgröße und Zimmerzahl abhängig von der Haushaltsgröße.
  • Die Gültigkeit des WBS ist in der Regel auf 1 Jahr befristet. Er kann für den Bezug einer Sozialwohnung innerhalb dieses Zeitraums genutzt werden.
  • Vermieter von Sozialwohnungen dürfen nur an Mieter mit gültigem WBS vermieten. Andernfalls drohen empfindliche Geldstrafen bis zu 50.000 Euro.
  • In manchen Fällen sind Sozialwohnungen bestimmten Personengruppen wie Studenten, Senioren oder Behinderten vorbehalten. Dies wird dann im WBS vermerkt.

Die Wohnberechtigung stellt somit sicher, dass der staatlich geförderte Wohnraum nur an wirklich einkommensschwache Haushalte vergeben wird. Sie ist die zentrale Zugangsvoraussetzung für Sozialwohnungen.


Wie erfolgt die Überprüfung der Wohnberechtigung und wer ist dafür zuständig?

Die Überprüfung der Wohnberechtigung für eine Sozialwohnung erfolgt in zwei Phasen und wird von unterschiedlichen Stellen durchgeführt:

1. Vor Anmietung der Wohnung
Die Prüfung, ob ein Haushalt die Voraussetzungen für eine Wohnberechtigung erfüllt, erfolgt vor der Anmietung durch die zuständige Behörde, meist das örtliche Wohnungsamt oder Bezirksamt.

  • Der Mieter muss einen formellen Antrag auf Erteilung eines Wohnberechtigungsscheins (WBS) stellen und Nachweise über Einkommen, Haushaltsgröße etc. vorlegen.
  • Die Behörde prüft anhand gesetzlicher Einkommensgrenzen, ob ein Anspruch auf den WBS besteht und stellt diesen aus.
  • Der WBS ist dann beim Vermieter vorzulegen und Voraussetzung für den Abschluss des Mietvertrags für eine Sozialwohnung.

2. Während der Mietzeit
Eine regelmäßige Überprüfung der Wohnberechtigung während des Mietverhältnisses findet in den meisten Bundesländern nicht mehr statt. Lediglich bei Verdacht auf Unrechtmäßigkeiten kann die Behörde erneut prüfen.

  • Die Mieter sind jedoch verpflichtet, Änderungen ihrer Einkommenssituation dem Vermieter zu melden.
  • Bei deutlicher Einkommensverbesserung kann der Vermieter eine „Fehlbelegungsabgabe“ erheben, die Miete also erhöhen.
  • Vermieter müssen umgekehrt Mieterhöhungen bei Sozialwohnungen der Behörde melden.

Die Hauptprüfung der Wohnberechtigung erfolgt also vor Anmietung durch die Behörde. Während der Mietzeit liegt die Kontrolle vorrangig bei Mietern und Vermietern selbst. Eine engmaschige Überprüfung durch Behörden findet aus Kapazitätsgründen meist nicht mehr statt.


Was versteht man unter einem berechtigten Interesse des Vermieters an der Beendigung eines Mietverhältnisses?

Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung eines Mietverhältnisses liegt insbesondere in folgenden Fällen vor:

Vertragsverletzung durch den Mieter (§573 Abs. 2 Nr. 1 BGB)
Wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, z.B. durch anhaltende Mietrückstände, unerlaubte Untervermietung oder Beschädigung der Wohnung.

Eigenbedarf des Vermieters (§573 Abs. 2 Nr. 2 BGB)
Der Vermieter benötigt die Wohnung als Wohnraum für sich selbst, Familienangehörige oder Angehörige seines Haushalts. Dies ist einer der häufigsten Kündigungsgründe.

Verwertungsinteresse des Vermieters (§573 Abs. 2 Nr. 3 BGB)
Wenn die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter einen erheblichen wirtschaftlichen Nachteil bedeuten würde, z.B. weil er die Wohnung anderweitig deutlich lukrativer vermieten oder veräußern könnte.

Wegfall der Wohnberechtigung bei Sozialwohnungen
Bei öffentlich geförderten Sozialwohnungen kann der Vermieter kündigen, wenn der Mieter nicht mehr zu den wohnberechtigten Personen gehört, z.B. weil sein Einkommen die Grenzen überschreitet.

In allen Fällen muss das Interesse des Vermieters die Interessen des Mieters am Bestandsschutz überwiegen. Die Gerichte nehmen eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall vor. Die Gründe müssen im Kündigungsschreiben konkret angegeben werden.


Welche rechtlichen Folgen hat der Verlust der Wohnberechtigung für den Mieter?

Wenn ein Mieter die Wohnberechtigung für seine Sozialwohnung verliert, hat dies folgende rechtliche Folgen:

Möglichkeit der Kündigung durch den Vermieter
Der Verlust der Wohnberechtigung, z.B. durch Überschreiten der Einkommensgrenzen, stellt einen wichtigen Grund für den Vermieter dar, das Mietverhältnis zu kündigen. Der Mieter gehört dann nicht mehr zum berechtigten Personenkreis für die Sozialwohnung.

Erhebung einer Fehlbelegungsabgabe
In den meisten Bundesländern kann der Vermieter stattdessen eine sogenannte Fehlbelegungsabgabe vom Mieter verlangen. Damit wird die Miete auf das ortsübliche Niveau für eine vergleichbare nicht-geförderte Wohnung angehoben.

Anzeigepflicht des Mieters
Der Mieter ist verpflichtet, Änderungen seiner Einkommenssituation, die zum Verlust der Wohnberechtigung führen, dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Andernfalls drohen unter Umständen Konsequenzen wie Schadensersatzforderungen.

Möglichkeit der Mieterhöhung
Selbst wenn der Vermieter nicht kündigt, kann er nach Verlust der Wohnberechtigung eine Mieterhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete verlangen, da die Preisbindung für Sozialwohnungen dann entfällt.

Ausnahmen bei Alters- oder Behindertenheimen
In Sonderfällen wie Alters- oder Behindertenheimen kann der Mieter trotz Verlusts der regulären Wohnberechtigung in der Wohnung verbleiben, wenn er die speziellen Voraussetzungen erfüllt.

Der Verlust der Wohnberechtigung hat somit schwerwiegende mietrechtliche Konsequenzen. Der Mieter muss mit Kündigung, Mieterhöhung oder Ausgleichszahlungen rechnen, sofern er die Einkommensgrenzen überschreitet.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 573 Abs. 1 BGB – Berechtigtes Interesse des Vermieters an der Kündigung: Die Bestimmung regelt, dass ein Vermieter das Mietverhältnis kündigen darf, wenn ein berechtigtes Interesse an der Beendigung besteht. Im vorliegenden Fall ist das berechtigte Interesse durch die Fehlbelegung der Sozialwohnung gegeben, da der Beklagte keine gültige Wohnberechtigung mehr besitzt.
  • § 4 Abs. 2 HWoBindG – Wohnberechtigung im sozialen Wohnungsbau: Dieses Gesetz bestimmt, dass Wohnungen, die dem sozialen Wohnungsbau unterliegen, nur an Personen mit entsprechender Wohnberechtigung vermietet werden dürfen. Im betrachteten Fall fehlt dem Beklagten diese Berechtigung, was eine wichtige Grundlage für die Kündigung bildet.
  • § 546 BGB – Rückgabe der Mietsache: Nach Beendigung des Mietverhältnisses hat der Mieter die Pflicht, die Mietsache zurückzugeben. Das Gericht verurteilte die Beklagten zur Räumung der Wohnung, da das Mietverhältnis wirksam beendet wurde.
  • § 721 Abs. 1 ZPO – Räumungsfrist: Diese Vorschrift ermöglicht es Gerichten, eine Frist für die Räumung zu gewähren, wenn dies unter Abwägung der Interessen beider Parteien gerechtfertigt erscheint. Im entschiedenen Fall wurde den Beklagten jedoch keine Räumungsfrist gewährt, da die Interessen der Vermieterin Vorrang hatten.
  • § 431 BGB – Gesamtschuldnerische Haftung: Wenn mehrere Personen eine Leistung schulden, die nicht teilbar ist, haften sie als Gesamtschuldner. Im Urteil wurden die Beklagten als Gesamtschuldner zur Räumung verurteilt.
  • § 35 VwVfG – Verwaltungsakt: Ein Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die Kündigungsanordnung an die Vermieterin durch die Behörde ist ein solcher Verwaltungsakt, der zur Kündigung des Mietverhältnisses führte.


➜ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Frankfurt am Main

AG Frankfurt – Az.: 33 C 2124/21 – Urteil vom 24.11.2023

1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner die von ihnen innegehaltene Wohnung in der …Straße 6, 60488 Frankfurt am Main, 1. Obergeschoss/Nr. 3, bestehend aus 3 Zimmern, 1 Küche, 1 Flur, 1 Loggia, 1 Mansarde, 1 Keller, 1 Bad mit WC und 1 Bad mit WC und Badewanne zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

2. Eine Räumungsfrist wird nicht gewährt.

3. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

4. Die Kosten der Nebenintervention haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung hinsichtlich der Räumung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.500,00 EUR abwenden. Wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Die Beklagten können die Vollstreckung im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

6. Der Streitwert wird auf 4.876,20 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die wirksame Beendigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum.

Der Beklagte zu 1) mietete mit Vertrag Bl. 5 ff. d.A. gemeinsam mit einer zwischenzeitlich aus dem Vertrag entlassenen Mieterin eine im 1. Obergeschoss des Hauses …Straße 6, Ffn gelegene 3-Zimmer-Wohnung ab 1.2.2005. Es handelt sich hierbei um eine durch öffentliche Mittel geförderte Wohnung. Im Rahmen einer Belegungskontrolle im Juni 2020 stellte die Nebenintervenientin, fest, dass die Exfrau des Beklagten zu 1) im August 2019 aus der unten näher bezeichneten Wohnung ausgezogen ist, und durch den Beklagten zu 1) allein bewohnt wird. Nach einer Anhörung durch die Nebenintervenientin (Bl. 34 f. d.A.) erhielt die Klägerin mit Schreiben vom 17.08.2020 (Bl. 37 ff. d.A.) eine Kündigungsanordnung. Dieser Anordnung kam die Klägerin mit Schreiben vom 15.09.2020 (Bl. 39 f. d.A.) gegenüber dem Beklagten zu 1) nach. Der Beklagte zu 1) bewohnt die Wohnung aktuell mit seiner neuen Ehefrau, der Beklagten zu 2). Ein Wohnungsbewerbungsverfahren des Beklagten zu 1) läuft noch, wobei diesem ein Anspruch auf eine 2-Zimmer Wohnung mit 60 qm zugewiesen wurde (Bl. 104 d.A.). Gegen diesen Bescheid wurde durch den Beklagten zu 1) Widerspruch eingelegt. Ferner befand sich der Beklagte zu 1) in einem Sorgerechtsstreit um eines seiner beiden Kinder, welches am Amtsgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen … anhängig war. Im diesem Verfahren wurde dem Beklagten zu 1) das Sorgerecht für seine beiden Kinder entzogen. Ein Ergänzungspfleger ist gerichtlich bestellt.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe das Mietverhältnis mit dem Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 15.09.2020 ordentlich zum 30.6.2021 gekündigt, da ein Fall der fehlbelegten Sozialwohnung vorliege. Die Nebenintervenientin vertritt die Ansicht, dass dem Beklagten zu 1) keine Wohnberechtigung für die im klägerischen Antrag näher bezeichnete Wohnung zustehe. Der Beklagte zu 1) sei, ohne dies der Klägerin mitzuteilen, im August 2009 aus der streitgegenständlichen Wohnung ausgezogen, und mit dem Wegzug seiner Ex-Ehefrau wieder in die unten näher bezeichnete Wohnung eingezogen. Durch den Auszug des Beklagten zu 1) sei die Wohnberechtigung für die streitbefangene Wohnung erloschen. Diese sei auch durch den Wiedereinzug in die streitbefangene Wohnung nicht wieder auf erlebt. Eine neue Wohnungsberechtigung könne aufgrund der Größe der Wohnung für den Beklagten zu 1) nicht gewährt werden.

Die Klägerin und die Nebenintervenientin beantragen, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die innegehaltene Wohnung …Str- 6. 1. OG/3, 60488 Frankfurt am Main, bestehend aus 3 Zimmern, Küche, Flur, Loggia, Mansarde, Keller, Bad mit WC und Bad mit WC und Badewanne zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass der Beklagte zu 1) keine Kündigung erhalten habe und auch keine Kündigungsgründe bestünden, da dem Beklagten zu 1) eine Wohnberechtigung hinsichtlich der im klägerischen Antrag näher bezeichnete 3-Zimmer Wohnung zustünde. Er bewohne die oben näher bezeichnete Wohnung nun mit seiner neuen Ehefrau, der Beklagten zu 2) (Bl. 65 f. d.A.). Ferner bestünde ein Umgangsrecht mit seinen zwei Kindern, weshalb der Beklagte zu 1) wegen Mehrbedarfs eine Wohnung mit drei Zimmern für Übernachtungen der Kinder benötige (Bl. 115 f. d.A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zu der Akte gereichten Schriftsätze und Urkunden verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der der im Tenor näher bezeichneten Wohnung gemäß § 546 Abs. 1, Abs. 2 BGB zu. Die Beklagten haften als Gesamtschuldner gemäß § 431 BGB, da sie eine unteilbare Leistung schulden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde das zwischen der Klägerin und dem beklagte n zu1) bestehende Mietverhältnis mit Schreiben vom 15.9.2021 ordentlich gekündigt.

Dieses Schreiben ist dem Beklagten zu 1) auch zugegangen. Das einfache Bestreiten genügt insoweit nicht. Der Beklagte zu 1) hat in seiner schriftlichen Korrespondenz auf den Inhalt des Kündigungsschreibens Bezug genommen und dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er von dessen Inhalt Kenntnis erlangt hatte.

Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne von § 573 Abs. 1 BGB.

Die Kündigung des Mietverhältnisses liegt im öffentlichen Interesse. Schließlich darf die im klägerischen Antrag bezeichnete Wohnung gem. § 4 Abs. 2 HWoBindG nur an solche Wohnungssuchenden zum Gebrauch überlassen werden, die über eine Wohnberechtigung für sozialen Wohnungsbau verfügen. Dass es sich bei der streitbefangenen Wohnung um eine solche handelt, die durch öffentliche Mittel gefördert wird, ist unstreitig.

Eine Wohnberechtigung liegt mit dem Beklagten zu 1) nicht vor. Es steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass der Beklagte zu 1) aus der streitbefangenen Wohnung im Juli 2009 ausgezogen, und erst im Oktober 2019 wieder in die besagte Wohnung eingezogen ist. Dies folgt aus einem Auszug des Melderegisters der Stadt Frankfurt am Main (Bl. 98 d.A.). Der Wegzug des Beklagten zu 1) führte zum Erlöschen seiner Wohnberechtigung für die streitbefangene Wohnung. Das Erlöschen hat zur Folge, dass bei jedem Umzug in eine andere Sozialwohnung, auch wenn es die ursprüngliche Wohnung ist, eine neue Wohnberechtigung erforderlich ist.

Steht die Inanspruchnahme des Wohnraums, wie hier, im öffentlichen Interesse, ist für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes im Sinne des § 573 Abs. 1 BGB zunächst danach zu differenzieren, ob der Vermieter selbst eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ist oder ein privater Vermieter betroffen ist. Bei der Klägerin handelt es sich um eine private Vermieterin. Wird eine private Vermieterin zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben herangezogen, hat diese ein berechtigtes Interesse an einer Kündigung nach § 573 Abs. 1 BGB, wenn sie von einer Behörde als Träger öffentlicher Aufgaben – meist in Form eines Verwaltungsaktes – in Anspruch genommen wird und der Vermieterin bei Fortsetzung des Mietverhältnisses Nachteile – beispielsweise in Form von Bußgeldern oder Ersatzvornahme – drohen. Die Inanspruchnahme wegen Fehlbelegung einer Sozialwohnung durch einen nicht zum Kreis der Wohnberechtigten gehörenden, dient der Erfüllung öffentlicher Aufgaben (OLG Hamm NJW 1982, 2563), sofern die zuständige Behörde vom Vermieter die Kündigung des Mietvertrages verlangt. Mit Schreiben vom 17.8.2020 hat die zuständige Behörde, die Nebenintervenientin, der Klägerin eine Kündigungsanordnung gemäß § 4 Abs. 8 HWoBindG bezüglich der streitbefangenen Wohnung ausgesprochen. Auch handelt es sich hierbei um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG. Der Vortrag des Beklagten, dass ihm im Rahmen des noch laufenden Wohnungsbewerbungsverfahren die streitbefangene Wohnung wieder zugewiesen werden kann, weshalb ein öffentliches Interesse an der Kündigung denkbar entfallen könnte, greift im Ergebnis nicht. Es steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass aktuell kein Umgangsrecht mit den Kindern des Beklagten zu 1) besteht, was einen etwaigen Mehrbedarf von einer 3-Zimmer Wohnung für den Beklagten zu 1) im noch laufenden Wohnungsbewerbungsverfahren rechtfertigen könnte. Dies folgt aus dem Umstand, dass das Familiengericht Frankfurt am Main im Sorgerechtsstreit um die Kinder des Beklagten zu 1), Aktenzeichen …, das Sorgerecht des Beklagten zu 1) entzogen hat. In der mündlichen Verhandlung vom 15.9.2023 führte der Beklagte zu 1) zwar an, dass es nun eine „Regelung“ durch den „Vormund“ der Kinder gäbe, und diese in der Zwischenzeit wieder bei ihm seien. Auf die Frage, ob das Sorgerechtsverfahren weiter betrieben werde, hat der Beklagte zu 1) jedoch keine Aussagen gemacht, sodass das Gericht von der weiterhin bestehenden Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts Frankfurt am Main um das Sorgerecht der Kinder des Beklagten zu 1) ausgeht. Weitere Ausschlussgründe für eine Kündigung sind nicht ersichtlich.

Soweit der Beklagte zu 1) die Anordnung eines Ergänzungspflegers vorlegt, hat diese jedenfalls keine Auswirkung auf die Entscheidung der Nebenintervenientin einerseits. Andererseits ändert dies nichts an dem Ausgang des Sorgerechtsverfahrens.

Die Kündigungsfrist nach § 573 c BGB endete mit Ablauf des 30.6.2021.

Die Gewährung einer Räumungsfrist gemäß § 721 Abs. 1 ZPO kam nicht in Betracht. Die Umstände, unter denen der Beklagte zu 1) versucht, ein Belegungsrecht zu rechtfertigen sowie die Dauer des Räumungsrechtsstreits lassen die Interessen des Beklagten an einer auch nur kurzfristigen Nutzung der Wohnung hinter denjenigen der Klägerin an einer sofortigen Beendigung der Nutzung zurücktreten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 ZPO; die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 7, 711, 709 Satz 2 ZPO.

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