1. Die Beklagte wird verurteilt, die im Hause M…, 1… B…, im Obergeschoss gelegene Wohnung, bestehend aus 3 ½ Zimmern, Küche, Flur, Bad und Kellerraum Nr. 1 zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.
2. Der Beklagten wird bis zum 30. April 2025 eine Räumungsfrist gewährt.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung in der Hauptsache durch Sicherheitsleitung in Höhe von 2.000,00 Euro und hinsichtlich der Kosten in Höhe von 2.100,00 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der jeweiligen Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die von der Beklagten zur Abwendung der Vollstreckung in der Hauptsache zu leistende Sicherheit erhöht sich ab dem Monat Mai 2025 jeweils am 3. Werktag eines jeden Monats um weitere 950,73 Euro.
Beschluss
Der Streitwert des Rechtsstreits wird auf 6.608,76 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die rechtsschutzversicherte Beklagte ist aufgrund eines am 17.11.2009 vereinbarten Mietvertrages – Anlage 1 (Blatt 6 bis 13 der Akte) – seit dem 01.01.2010 alleinige Mieterin einer im ersten Obergeschoss des Hauses M…, 1… B… gelegene 101,81 m² großen Wohnung, bestehend aus 3 ½ Zimmern, Küche, Flur, Bad und dem Kellerraum mit der Nummer 1.
Die Beklagte wohnt dort unstreitig zusammen mit ihrer Tochter – Frau L… A… K…, geboren am 08.08.2006 –, welche noch bis zum Sommer 2024 Schülerin am … Gymnasium in P… war und derzeit ein freiwilliges soziales Jahr absolviert.
In diesen Mietvertrag ist der Kläger – nach Erwerb des Grundstücks – unstreitig eingetreten, so dass der Kläger unbestritten seit dem auch Vermieter dieser Wohnung ist.
Die von der Beklagten geschuldete Miete betrug zuletzt 550,73 €/Monat netto zuzüglich Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 400,00 €/Monat, mithin insgesamt 950,73 €/Monat brutto.
Im Erdgeschoss des Hauses M…, 1… B… wohnt unstreitig die Mutter des Klägers, Frau E… P….
Mit Schreiben vom 18.04.2022 – Anlage K2 (Blatt 14 der Akte) – kündigte der Kläger das mit der Beklagten bestehende Mietverhältnis fristgerecht unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31.01.2023 mit der Begründung auf, dass er die von der Beklagten bewohnte Wohnung für seine Schwester – die Zeugin B… P… –, deren Lebensgefährten – den Zeugen R… K… – und dessen zwei Kinder – B… G… und L… G… – benötige.
Mit Schreiben vom 24.11.2022 – Anlage K3 (Blatt 15 der Akte) – erhob die Beklagte Widerspruch gegen die Kündigung vom 18.04.2022 und verlangte vom Kläger die Fortsetzung des Mietverhältnisses, da die Beendigung für sie eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Zur Begründung der besonderen Härte führte die Beklagte aus, dass dies einen Schulwechsel ihrer Tochter bedeuten würde und sie – die Beklagte – aufgrund ihrer beruflichen Wiedereingliederung / ihrer Tätigkeit auf eine spontane Betreuung angewiesen sei. Zudem sei sie seit Oktober 2020 nach einem ärztlichen Eingriff dauerhaft krank. Dadurch sei sie körperlich und psychisch dauerhaft angegriffen. Ihr momentaner Schwerpunkt bestehe in der Wiedereingliederung in den Beruf; jedoch sei noch nicht absehbar, ob sie es schaffe.
Vorsorglich erklärten die nunmehrigen Prozessbevollmächtigten des Klägers – unter Beifügung einer Originalvollmacht – hiernach mit Schreiben vom 19.04.2023 – Anlage K7 (Blatt 176 bis 178 der Akte) – nochmals die Kündigung des Mietverhältnisses gegenüber der Beklagten wegen Eigenbedarfs.
Der Kläger trägt vor, dass seine 1961 geborene und im Erdgeschoss des Hauses wohnende Mutter – Frau E… P… – im Februar 2022 habe operiert werden müssen, so dass sie auf familiäre Unterstützung bei der Bewältigung ihres Alltags angewiesen sei.
Seine Schwester – die Zeugin B… P… – habe bis zu ihrer Erkrankung mit ihrem Lebensgefährten – dem Zeugen R… K… – in einer 62 m² großen Wohnung im 5. Obergeschoß ohne Fahrstuhl in P… gewohnt und sei derzeitig aufgrund ihrer Erkrankung noch in dem A… Seniorenzentrum …in P… in einem Zimmer untergebracht.
Die beiden Kinder des Lebensgefährten seiner Schwester – B… G… und L…. G… – würden abwechselnd bei ihrer leiblichen Mutter und jedes zweite Wochenende bei ihrem Vater – dem Zeugen R… K… – und der Zeugin B… P… wohnen.
Bereits seit einer Covid-Erkrankung im Januar 2022 sei der Zeugin B… P… das Treppensteigen in ihre Wohnung im 5. Obergeschoss in P… sehr schwer gefallen. Ein Fahrstuhl sei dort auch nicht vorhanden.
Seine Schwester – die Zeugin B… P… – möchte mit ihrem Lebensgefährten, und dessen zwei Kindern zusammen in die streitbefangene Wohnung ziehen, da ihre aktuelle Wohnung mit 62 m² zu klein für zwei Erwachsene und zwei Kinder sei; die streitgegenständliche Wohnung jedoch 101,81 m² große sei und mit 3 ½ Zimmern ausreichend Platz für seine Schwester und ihrer Familie bieten würde.
Wie im Übrigen bereits in der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2024 zu Protokoll gegeben, habe sich seine Schwester – die Zeugin B… P… – aufgrund einer schwerwiegenden Nervenerkrankung im künstlichen Koma befunden. Nachdem seine Schwester dann Anfang Mai 2024 aus dem Koma erwacht sei, habe sie sich einer Rehabilitationsmaßnahme unterziehen müssen.
Seine Schwester – die Zeugin B… P… – wohne nunmehr vorübergehend in einem Zimmer des A… Seniorenzentrum … in P…, da ihr ein Aufenthalt in ihrer aktuellen Wohnung im 5. Obergeschoss in P… aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht mehr möglich sei. Selbst im Oktober 2014 habe seine Schwester noch nicht laufen können. Auch langes Sitzen falle ihr äußerst schwer. Sie besitze derzeit auch einen Dauerkatheter.
Gemäß der ärztlichen Bescheinigung der Frau Dr. med. C… K… vom 22.11.2024 – Anlage K10 (Blatt 338 der Akte) – könne seine Schwester – die Zeugin B… P… – nicht mehr in ihre bisherige Wohnung im 5. Obergeschoss in P… zurückkehren und soll sie zudem so wenig Treppenstufen wie möglich überwinden.
Insofern wolle seine Schwester mit ihrem Lebensgefährten und dessen 2 Kindern auch in die streitbefangene 3 ½ Zimmer-Wohnung – mit einer Wohnfläche von 101,81 m² (welche derzeit von der Beklagten und deren Tochter genutzt würde) –, in die unmittelbare Nähe ihrer Mutter ziehen.
Dieser Eigenbedarf sei auch nicht nachträglich weggefallen. Es mache nämlich einen erheblichen Unterschied, ob sich die Wohnung im 5. Obergeschoss ohne Fahrstuhl befindet (derzeitige Wohnung der Zeugin P…) oder nur im 1. Obergeschoss (streitbefangene Wohnung).
Die Zeugin P… sei derzeitig auch nur vorübergehend auf einen Rollstuhl angewiesen. Im Rahmen der physiotherapeutischen Behandlung werde sie im Treppensteigen aber wieder zunehmend sicherer und werde den Rollstuhl wohl bald nicht mehr benötigen.
Im Übrigen seien die böswilligen Behauptungen der Beklagten an den Haaren herbeigezogen und würden jeglicher Grundlage entbehren. Pauschal und ohne konkrete Anhaltspunkte behaupte die Beklagte nämlich nunmehr, dass seine Schwester – die Zeugin P… – nicht nur vorübergehend an den Rollstuhl gebunden sei. Woraus die Beklagte ihre laienhafte medizinische Diagnose hierfür herleiten will, erschließe sich ihm aber nicht.
Darauf komme es aber auch nicht an, da ein berechtigtes Interesse nicht erfordere, dass der/ die Familienangehörige/r aufgrund einer gesundheitlichen Situation die Wohnung benötige. Auch wenn die Zeugin P… bis ins 5. Obergeschoss ohne gesundheitliche Einschränkungen die Treppen steigen könnte, stelle es gleichwohl ein berechtigtes Interesse dar, wenn er seiner Schwester die streitbefangene Wohnung überlassen möchte.
Aus all´ diesen Gründen möchte er – der Kläger – die von der Beklagten bewohnte Wohnung künftig seiner Schwester, deren Lebensgefährten und den zwei Kindern auch als Wohnung überlassen.
Die pauschalen Unterstellungen der Beklagten, die Zeugin P… habe sich bei ihrer Vernehmung von der Anwesenheit des Klägers beeinflussen lassen und sei ohnehin befangen, würden bloße Behauptungen der Beklagtenseite ins Blaue hinein darstellen, für die keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen. Allein aus der Tatsache, dass es sich bei der Zeugin P… um seine Schwester handelt, könne man eine Befangenheit der Zeugin nicht ableite oder der Zeugin die Glaubwürdigkeit absprechen. Da die Zeugin P… selbst in die streitbefangene Wohnung einziehen will, habe sie auch denklogisch ein Interesse an dem Ausgang des Verfahrens. Dies allein begründe jedoch keine Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit.
Deshalb habe er mit Schreiben vom 18.04.2022 – Anlage K2 (Blatt 14 der Akte) – und vorsorglich nochmals mit Schriftsatz seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 19.04.2023 – Anlage K7 (Blatt 176 bis 178 der Akte) – das Mietvertragsverhältnis gegenüber der Beklagten aufgekündigt.
Die Kündigung vom 18.04.2022 habe das Mietverhältnis seiner Ansicht nach bereits wirksam zum 31.01.2023 beendet. Er – der Kläger – habe nämlich ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietvertrags, da er die Wohnung für seine Schwester – die Zeugin B… P… –, deren Lebensgefährten – den Zeugen R… K… – und dessen zwei Kinder B… und L… G… benötige.
Die Kündigungen würden auch dem Begründungserfordernis genügen. Eine Eigenbedarfskündigung sei nämlich hinreichend begründet, wenn sich aus dem Kündigungsschreiben ergebe, dass der Vermieter die Räume selbst bewohnen oder diese einer begünstigten Person überlassen will und dass hierfür vernünftige Gründe vorliegen. Diesen Anforderungen würden die streitgegenständlichen Kündigungen aber genügen. In beiden Kündigungsschreiben habe die Klägerseite mitgeteilt, dass der Kläger die von der Beklagten bewohnte Wohnung für seine Schwester, die Zeugin B… P…, benötige, da deren derzeitige Wohnung für sich, ihren Lebensgefährten und den zwei Kindern zu klein sei.
Die Beklagte stelle insofern hier zu hohe Anforderungen an die Begründung einer Kündigung. An den formellen Begründungszwang seien nämlich nicht die gleichen Anforderungen zu stellen, wie an die materielle Anspruchsbegründung. Es genüge, wenn der Vermieter den Kündigungsgrund so bezeichne, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Die Anforderungen an die Kündigung dürften nicht dadurch erschwert werden, dass übertriebene Anforderungen an die Substantiierung verlangt werden.
Für die Begründung einer Kündigung wegen Eigenbedarfs genüge somit die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat. Das Begründungserfordernis diene nämlich nicht dazu, dem Mieter durch Angabe von Details eine Überprüfung des vom Vermieter geltend gemachten Bedarfs zu ermöglichen oder ihn schon im Vorfeld eines etwaigen späteren Kündigungsprozesses auf rechtliche Verteidigungsmöglichkeiten hinzuweisen. Ob der angegebene Kündigungsgrund tatsächlich bestehe oder nicht, sei dem entsprechend eine Frage der materiellen Begründetheit des Räumungsanspruchs, was aber ggf. erst im Prozess abschließend zu klären sei.
In den Kündigungsschreiben sei über die Mindestangaben hinaus sogar noch zusätzlich geschildert worden, dass seine Schwester den Umzug in die streitgegenständliche Wohnung auch aus gesundheitlichen und familiären Gründen beabsichtige. Diese Angaben seien jedoch nicht zwingend, sondern seien nur als Ergänzungstatsachen mitgeteilt worden. Selbst wenn seine Mutter nicht hilfs- und pflegebedürftig wäre, bestehe die Absicht seiner Schwester, in die streitbefangene Wohnung einzuziehen, da die ehemals von ihr bewohnte Wohnung zu klein sei.
Das Interesse seiner Schwester, in der Nähe der Mutter zu wohnen, sei auch schützenswert, wenn die Mutter nicht pflegebedürftig wäre. Gleiches gelte für die Erkrankung seiner Schwester. Selbst wenn seiner Schwester das Treppensteigen bis in das 5. Obergeschoss möglich wäre, stelle es ein berechtigtes Interesse dar, wenn sie mit ihrer Familie in die von der Beklagten bewohnten Wohnung einziehen wolle und er – der Kläger – seiner Schwester diese Wohnung überlassen will.
Die Beklagte könne von ihm auch nicht die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, da eine unzumutbare Härte auf Seiten der Beklagten hier seiner Ansicht nach nicht gegeben sei.
Insofern würde er bestreiten, dass der Beklagten eine Beendigung des Mietverhältnisses und ein damit verbundener Umzug krankheitsbedingt nicht zuzumuten sei.
Die Kündigung vom 18.04.2022 könne offensichtlich hier auch nicht kausal für Erkrankungen und Klinikaufenthalte der Beklagten in der Zeit von Oktober 2020 bis Januar 2022 sein.
Auch würde er weiterhin bestreiten, dass sich der gesundheitliche Zustand der Beklagten durch die Kündigung vom 18.04.2022 und den damit verbundenen drohenden Auszug verschlechtert habe. Die behaupteten Erkrankungen der Beklagten würden nämlich bereits seit 2018 bestehen und würden daher nicht im Zusammenhang mit der Kündigung vom 18.04.2022 stehen.
Bei den von der Beklagtenseite als Anlage B 18 eingereichten Unterlagen zum Nachweis der Bemühungen der Beklagten bei der Suche einer Ersatzwohnung sei im Übrigen eine E-Mail vom 24.07.2023 dabei, aus der sich gerade nicht ergebe, dass sich die Beklagte beworben hat oder eine Absage erhalten hätte. In dieser E-Mail habe Herr O… W… nämlich lediglich erklärt, welche Unterlagen die Beklagten für eine Bewerbung einreichen müsse.
Des Weiteren treffe es auch nicht zu und sei darüber hinaus auch abwegig, dass er – der Kläger – allein aufgrund eines Widerspruchs gegen eine Betriebskostenabrechnung dies dann zum Anlass genommen habe, die Kündigung wegen Eigenbedarfs auszusprechen. Diese Vorwürfe und Unterstellungen, die die Beklagte ins Blaue hinein gegen ihn – den Kläger – hier erhebe, seien äußerst fragwürdig, so dass die Beklagte ausdrücklich an die Wahrheitspflicht der Beklagten erinnere.
Es sei auch äußerst weit hergeholt, dass sich ein Vermieter einer unliebsamen Mieterin entledigen wolle, nur weil diese einen Widerspruch gegen eine Betriebskostenabrechnung erhoben hat.
Sofern die Beklagte jedoch selbst meine, dass dadurch eine „Störung der Vertragsbeziehung“ eingetreten sei, komme ein Fortbestand des Mietverhältnisses bei einem derartig gestörten Vertrauensverhältnis auch nach dem Vortrag der Beklagten hier wohl nicht mehr länger in Betracht.
Zudem würde er ausdrücklich bestreiten, dass es zu vermieterseitigen Entgleisungen gekommen sei und er – der Kläger – „mit Schaum vorm Mund“ vor der Beklagten gestanden habe. Durch diese unwahren Tatsachenbehauptungen der Beklagten gegen ihn – den Kläger – sei das erforderliche Vertrauensverhältnis jedoch auch nachhaltig gestört.
Der Kläger beantragt, die im Hause M…, 1… B…, im Obergeschoss gelegene Wohnung, bestehend aus 3 ½ Zimmern, Küche, Flur, Bad und Kellerraum Nr. 1 zu räumen und geräumt an ihn – den Kläger – herauszugeben; hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, die im Hause M…, 1… B…, im Obergeschoss gelegene Wohnung, bestehend aus 3,5 Zimmer, Küche, Flur, Bad und Kellerraum Nr. 1 zum 31.01.2024 zu räumen und geräumt an ihn – den Kläger – herauszugeben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen; hilfsweise, das Mietverhältnis mit der Beklagten auf unbestimmte Zeit oder bestimmt Zeit fortzusetzen; weiterhin hilfsweise, für den Fall der Verurteilung ihr – der Beklagten – zur Räumung eine in das Ermessen des Gerichts gestellt Räumungsfrist, mindestens bis zum 30. August 2024, zu bewilligen.
Die rechtsschutzversicherte Beklagte behauptet, dass die hier gegenständliche Eigenbedarfskündigung des Klägers willkürlich sei und ein Eigenbedarf tatsächlich zu Gunsten des Klägers nicht bestehe.
So sei die zeitliche Koinzidenz der Verwerfungen innerhalb des Mietvertragsverhältnisses durch den von ihr gegen die Nebenkostenabrechnung 2020 erhobenen Widerspruch, die dann folgenden Mahnungen des Klägers wegen vermeintlicher Mietrückstände und die nur drei Wochen später erfolgende Kündigung des Mietvertrages ihrer Ansicht nach hier augenscheinlich. Schon dies spreche ihrer Auffassung nach für einen vorgeschobenen und tatsächlich nicht bestehenden Eigenbedarf; vielmehr scheine der Kläger sich einer unliebsamen Mieterin entledigen zu wollen.
Die Fadenscheinigkeit des Vorgehens des Klägers zeige sich ihrer Meinung nach auch in dem von ihr beschriebenen Kontext zur Erhöhung der Miete im Jahr 2021.
Auch würde sie den von dem Kläger behauptete Eigenbedarf bestreiten. Selbst wenn die Schwester des Klägers durchaus zu dem berechtigten Personenkreis gehören würde, für den Eigenbedarf grundsätzlich geltend gemacht werden könne, so bestünden ihrerseits hier doch erhebliche Zweifel an einem Eigennutzungswillen der Schwester des Klägers.
Zudem würde sie – die Beklagte – bestreiten, dass die Mutter des Klägers einer familiären Unterstützung bedürfe, die einen Umzug der Schwester des Klägers notwendig machen würde.
Auch die Bescheinigung über einen der Mutter des Klägers zugestandenen Grad der Behinderung von 20 sei ihrer Ansicht nach sicherlich kein Beleg für eine Pflegebedürftigkeit; wobei sie an dieser Stelle darauf hinweisen würde, dass ihr – der Beklagten – ein Grad der Behinderung von 50 attestiert worden sei.
Die von der Klägerseite vorgetragenen und behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen der Schwester des Klägers würde sie zudem bestreiten, d.h., dass die Schwester des Klägers nicht mehr in der Lage sei, in ihrer Wohnung in P… im 5. Obergeschoss verbleiben zu können.
Zwar sei die Erkrankung der Schwester des Klägers augenscheinlich schwerwiegend und dauere nunmehr über Monate an; insofern würde sie – die Beklagte – aber bezweifeln, ob mit einer alsbaldigen Genesung der Schwester des Klägers zu rechnen sei.
Tatsächlich dränge sich ihr – der Beklagten – vorliegend der Gedanke eines nachträglichen Wegfalls des mit der Kündigung geltend gemachten Eigenbedarfs auf. Zumindest müsse man aber im Rahmen einer unbedingt notwendigen Abwägung der gegenseitigen Interessen des Klägers bzw. der Schwester des Klägers an der behaupteten Nutzungsabsicht für die streitbefangene Wohneinheit einerseits und ihrem – der Beklagten – erheblich beeinträchtigten Gesundheitszustand an einem Fortbestand des Vertragsverhältnisses andererseits ihrer Ansicht nach hier zu dem Ergebnis kommen müssen, dass ihre – der Beklagten – Interessen hier überwiegen. Selbst wenn der von ihr – der Beklagten – bestrittene Eigenbedarf sich als gegeben erweisen sollte, dürfte ihrer Meinung nach hier jetzt feststehen, dass dieser Eigenbedarf absehbar nicht durch die Schwester des Klägers und dessen Lebensgefährten ausgeübt werden könne und wird.
Die Aussage der Schwester des Klägers – der Zeugin B… P… – vom 07.11.2024 bezüglich der dem angeblichen Willen der Unterstützung und Pflege der Mutter des Klägers, sei zudem unergiebig und nicht verwertbar.
Die Zeugin B… P… sei auch schon aufgrund der angeblichen Gründe für die streitgegenständliche Eigenbedarfskündigung befangen und von einem mutmaßlichen erheblichen Eigeninteresse an dem Ausgang des hiesigen Prozesses geleitet.
Wenn denn der Aussage der Zeugin B… P… ein Gehalt zuzusprechen sei, dann derjenige, dass berechtigte Anhaltspunkte für einen nachträglichen Wegfall derjenigen Gründe hier bestehen, die zunächst Gegenstand der Eigenbedarfskündigung waren. Dies aber führe ihrer – der Beklagten – Auffassung nach dann auch zu einer wenigstens nachträglichen unzulässigen Eigenbedarfskündigung.
Beachtenswert sei ihrer – der Beklagten – Ansicht nach auch, dass die Zeugin B… P…, derzeit und wohl nicht vorübergehend im Rollstuhl sitzend, einerseits vorträgt, ihr sei zukünftig ein Bewohnen einer Wohneinheit im 5. Obergeschoss nicht zumutbar, da zu beschwerlich. Dann aber möchte Sie im Rahmen des streitgegenständlichen Eigenbedarfs die Wohnung der Beklagten beziehen, die wiederum im 1. Obergeschoss liegt. Dies erscheine weder glaubwürdig noch nachvollziehbar.
Unterstellt, die Bekundungen der Zeugin B… P… hätten eine Relevanz, dann eigentlich nur mit der Maßgabe, dass es ihrer – der Beklagten – Meinung sinnvoll erschiene hier nur einen Umzug der Zeugin B… P… in die derzeit von der Mutter des Klägers genutzten Wohnung im Erdgeschoss des Objektes M… in B… vorzunehmen. Sollte dies so sein, so wäre aber jedenfalls der dann in Betracht zu ziehende Umzug der Mutter des Klägers in die hier streitbefangene Wohnung nicht von der streitgegenständlichen Kündigung gedeckt.
Die Eigenbedarfskündigung sei somit ihrer Ansicht nach nicht gerechtfertigt. Selbst wenn man einen Eigenbedarf annehmen wollen würde, wie dieser mit der Kündigung aus 2022 behauptet wurde, so bestünden ihrer – der Beklagten – Ansicht nach auch nach der Darlegung des aus dem gerichtlichen Protokoll vom 07. November 2024 ersichtlichen Gesundheitszustandes der Schwester des Klägers erhebliche Zweifel an einer zeitnahen und innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens realisierbaren Umsetzung des angeblichen Eigenbedarfs. Vor diesem Hintergrund würden hier aber ihrer – der Beklagten – Auffassung nach in jedem Fall ihre – der Beklagten – Interessen an einer Fortsetzung des Mietvertrages überwiegen.
Vage und nicht sicher bestehende Eigenbedarfsgründe könnten ihrer Meinung nach somit nicht zu einer Begründung eines vermeintlichen Eigenbedarfs herangezogen werden.
Ein Eigenbedarf des Klägers bestehe daher hier nicht, weshalb die Kündigung schon aus diesem Grund ihrer Meinung nach unwirksam sei. Die Kündigung sei vielmehr nur vorgeschoben.
Weiterhin könne sie – die Beklagte – soziale Härtegründe für sich in Anspruch nehmen. Selbst wenn man nämlich einen berechtigten Eigenbedarf annehmen wollen würde, so könne sie – die Beklagte – hier die Fortsetzung des Mietvertrages vom Kläger verlangen. Die hier gegenständliche Kündigung bedeute für sie – die Beklagte – nämlich eine soziale Härte, hinter denen die Interessen des Klägers zurückstehen müssten. Auf den Inhalt ihres – insofern schon durch den Kläger vorgelegten – Widerspruchs vom 24.11.2022 – Anlage K3 (Blatt 15 der Akte) – würde sie verweisen.
Sie – die Beklagte – sei nämlich gesundheitlich stark beeinträchtigt. So habe das Landesamt für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg mit Bescheid vom 04.06.2021 – Anlage B10 (Blatt 65 bis 67 der Akte) – bei ihr eine Schwerbehinderung festgestellt, deren Grad der Behinderung (GdB) 50 beträgt.
Insofern leide sie bereits seit 2020 an einer chronischen Schmerzerkrankung des Trigeminusnerven, einer sogenannten Trigeminusneuralgie, und einer Störung des Fettstoffwechsels. Hieraus resultiere auch die Feststellung des Grades der Behinderung durch das Landesamt für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg.
Sie – die Beklagte – leide an einer Trigeminusneuralgie. Dies sei eine neuropathische Schmerzerkrankung mit heftigen, blitzartig einschießenden Gesichtsschmerzen im Versorgungsbereich der Äste des fünften Gehirn-Nervens. Diese Attacken könnten einzeln ggf. bis zu 100 Mal am Tag auftreten.
Hinzu komme eine im Dezember 2021 aufgetretene Lungenentzündung, die bis heute nicht vollständig ausgeheilt sei. Hierdurch sei ihr Gesundheitsbild nachhaltig beeinträchtigt. Sie – die Beklagte – leide insofern an einer chronisch obstruktiven Lungenkrankheit, Dyspnoe etc.
Weiterhin habe sie im Januar 2022 an einer Herzbeutelentzündung gelitten, die ebenfalls zu nachhaltigen Beeinträchtigungen geführt habe.
Im Juli und Oktober 2022 sei sie auch zweimal an Corona erkrankt; seitdem seien die Lungenwerte zusätzlich beeinträchtigt und sei die Funktion ihrer Lunge unterdurchschnittlich in der Leistung.
Auch leide sie an schwerer Arthrose in den Knien und der Hüfte, selbst wenn hier kurzfristig eine Operation anstehe.
Durch diese Vielzahl an Krankheitsbildern und Erkrankungen seien bei ihr auch Depressionen aufgetreten, weswegen sie sich seit Mai 2022 auch in psychotherapeutischer Behandlung befinde. Ihre Erkrankung könnten bei ihr – der Beklagten – auch zu schwersten Depressionen mit ernst zu nehmender Suizidalität führen.
Insgesamt mache ihr „umfangreiches Krankheitsbild“ die Härte deutlich, die mit einem Umzug aufgrund der vorliegenden Eigenbedarfskündigung verbunden wäre.
In diesem Zusammenhang würde sie auch auf ihre tiefe soziale Verwurzelung in ihrem derzeitigen Wohnumfeld verweisen. Diese gebe ihr den notwendigen Rückhalt und die Sicherheit, die für sie notwendig sei.
Durch einen Verlust der hier in Rede stehenden Wohnung bestehe die konkrete Gefahr einer Verschlechterung ihres gesundheitlichen Zustandes. Auch habe die sie behandelnde Fachärztin für Allgemeinmedizin erhebliche gesundheitliche Bedenken an einem möglichen Umzug und dem Verlust des sozialen Umfeldes geäußert.
Alleine ihr bestehendes, in seiner Intensität schwankendes und von äußeren Umständen abhängiges Erkrankungsbild mit der stetig verbundenen Gefahr einer Verschlechterung begründe ihrer Meinung nach bereits eine unzumutbare Härte zu ihren Gunsten.
Die Ungewissheit des Krankheitsverlaufes werde jedenfalls dann zu Verschlechterungen bei ihr führen, wenn die Räumungsklage Erfolg haben sollte.
Weiterhin sei ihre am 08.08.2006 geborene Tochter L… A… K… im Jahr 2023 in die 12. Klasse des … Gymnasiums in P… gekommen und habe dann dort im Jahr 2024 die Abiturprüfung abgelegt. Nunmehr würde ihre Tochter ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren und nach wie vor mit ihr in der streitbefangenen Wohnung wohnen.
Tatsächlich sei adäquater und bezahlbarer Ersatzwohnraum, der ihre Belange und die Belange ihrer volljährigen Tochter L… A… hinreichend berücksichtigt hätte, somit ihrer Meinung nach nicht zu erlangen gewesen. In Betracht sei hier nämlich allenfalls ein Umzug nach P… oder in den unmittelbaren Nahbereich der Stadt P… gekommen.
Insofern würde sie die Rüge des Klägers zu ihrer örtlichen und regionalen Ausrichtung bei der Suche nach Ersatzwohnraum zurückweisen. Es sei nämlich hier geboten gewesen, Wohnraum zu suchen, der einen Schulwechsel und ein Erschweren des Schulweges ihrer Tochter verhindert habe, um den Schulabschluss ihrer Tochter im Jahre 2024 nicht zu gefährden.
Sie – die Beklagte – habe in der Folge der streitgegenständlichen Kündigung zunächst einen Wohnberechtigungsschein bei der Stadt P… beantragt; dieser Antrag sei jedoch negativ beschieden worden.
Die Wohnungsgenossenschaften in P… habe im Juli 2023 Bewerbungen Dritter auch nicht mehr angenommen und würde zudem aufgrund der akuten Unterbringung von Flüchtlingen auch über keinen verfügbaren Wohnraum verfügen.
Zahlreiche Bewerbungen ihrerseits, die diese bezüglich der Anmietung von Ersatzwohnraum abgegeben habe, seien auch negativ beschieden worden. Sie sich seit April 2022 bis Juli 2023 ungeachtet der erheblichen Bedenken, das soziale Umfeld momentan verlassen zu müssen, aber um Ersatzwohnraum bemüht. Insofern würde sie auf die Anlagenkonvoluten B14 (Blatt 71 bis 122 der Akte) und B18 (Blatt 145 bis 170 der Akte) verweisen. Dieses belege ihrer Ansicht nach nachhaltig ihre steten, gleichwohl erfolglosen Bemühungen, Ersatzwohnraum zu finden.
Bis zum Juli 2023 sei sie somit nicht in der Lage gewesen, einen kurzfristigen Umzug zu realisieren.
Ihr Arbeitgeber – die Firma A… D… GmbH & Co. KG – könne ihr auch kein Büro zu Verfügung stellen, wie sich dies aus einer Bestätigung ihres Arbeitgebers vom 22. Mai 2023 – Anlage B15 (Blatt 123 der Akte) – ergebe.
Auch sei ihre Fähigkeit zum Führen eines Kraftfahrzeuges eingeschränkt; es habe zwischenzeitlich sogar mal ein zeitlich beschränktes absolutes Fahrverbot für sie – die Beklagte – bestanden.
Die Klage sei somit abzuweisen.
Nach wie vor würden nämlich bei ihr erhebliche Zweifel an dem behaupteten Eigenbedarf der Klägerseite bestehen; zudem würden die bestehenden Gründe hinsichtlich der von ihr hier vorgetragenen sozialen Härte ihrer Ansicht nach auch die Interessen des Klägers an der behaupteten, zumal aber ungewissen Eigennutzung, überwiegen.
Darüber hinaus seien die Vertragsbeziehungen der Parteien aber auch gestört. Im Dezember 2021 habe der Kläger die erste von ihm erstellte Nebenkostenabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2020 vorgelegt. Gegen diese Jahresabrechnung habe sie – die Beklagte – aber mit Schreiben vom 13. Februar 2022 Widerspruch eingelegt. Sodann habe der Kläger mit Datum vom 10. September 2022 die Nebenkostenabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2021 erstellt. Gegen diese Abrechnung habe sie – die Beklagte – ebenfalls mit Schreiben vom 12. Dezember 2022 Widerspruch eingelegt, so dass die Vertragsbeziehungen der Parteien seit dem gestört seien.
Sollte sie – die Beklagte – gleichwohl zur Räumung verurteilt werden, müsse ihr eine Räumungsfrist bewilligt werden. Sie – die Beklagte bemühe sich nämlich bereits seit April 2022 nachhaltig um Ersatzwohnraum, obwohl die behandelnden Ärzte dringend von einer Veränderung ihres persönlichen Umfeldes abraten würden.
Das Gericht hat nach Maßgabe der Beweisbeschlüsse vom 19.03.2024, vom 29.10.2024 und vom 07.11.2024 Beweis erhoben. Hinsichtlich der Vernehmung der Zeugen Herr R… K…, Frau Dr. Uta Erle, Herr Dr. med. T… F…., Frau Dipl.-Med. S… S… und der Frau B… P… (geboren am 15.08.1984) wird auf den jeweiligen Inhalt der Sitzungsprotokolle verwiesen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird im Übrigen auf die unter Angabe der Blattzahl der Akte angeführten Schriftstücke ergänzend verwiesen. Zudem wird auf die zwischen den Prozessparteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird darüber hinaus auch auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Amtsgerichts ergibt sich aus § 23 Nr. 2 a) GVG in Verbindung mit § 29a ZPO.
Die zulässige Klage ist begründet. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten hier einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Räumlichkeiten aus § 546 BGB zu. Das Mietverhältnis wurde nämlich bereits durch die schriftliche Kündigung des Klägers vom 18.04.2022 – Anlage K2 (Blatt 14 der Akte) – wegen Eigenbedarfs (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) beendet.
Die in § 568 Abs. 1 BGB für die Kündigung vorgesehene Schriftform ist hier sowohl hinsichtlich der Kündigung des Klägers vom 18.04.2022 – Anlage K2 (Blatt 14 der Akte) – als auch bezüglich der vorsorglich von den nunmehrigen Prozessbevollmächtigten des Klägers – unter Beifügung einer Originalvollmacht – hiernach mit Schreiben vom 19.04.2023 erklärten weiteren Kündigung – Anlage K7 (Blatt 176 bis 178 der Akte) – eingehalten.
Diese Kündigungsschreiben erfüllen des Weiteren auch die formellen Voraussetzungen, die an eine derartige Kündigung gemäß § 573 Abs. 3 BGB zu stellen sind. Ein Vermieter muss nämlich nur alle aus seiner Sicht maßgeblichen Gründe kurz und verständlich so konkret darlegen, dass dem jeweiligen Mieter eine sachliche Nachprüfung der Frage, ob die behauptete angemessenen wirtschaftlichen Verwertung bzw. der Eigenbedarf vorliegt, zur hinreichenden Rechtswahrung auf der Grundlage dieser Angaben möglich ist. Ein Vermieter genügt seiner Begründungspflicht bei der Geltendmachung somit bereits dann, wenn er im Kündigungsschreiben hinreichend genaue Angabe von Tatsachen, aus denen sich der Kündigungsgrund bei Eigenbedarf hinsichtlich der Person ergibt, für die er die Wohnung benötigt und er einen konkreten Lebenssachverhalt darlegt, auf den er das Interesse dieser Person an der Erlangung der Wohnräume stützt (BGH, Urteil vom 23.09.2015, Az.: VIII ZR 297/14; BGH, Urteil vom 30.04.2014, Az.: VIII ZR 284/13; BGH, Urteil vom 13.10.2010, Az.: VIII ZR 78/10; BGH, Urteil vom 17.03.2010, Az.: VIII ZR 70/09; BGH, Urteil vom 27. 6. 2007, Az.: VIII ZR 271/06).
Der Zweck des Begründungszwangs besteht nämlich nur darin, einem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Diesem Zweck wird aber im Allgemeinen bereits dadurch Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so benennt, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann (BGH, Urteil vom 23.09.2015, Az.: VIII ZR 297/14; BGH, Urteil vom 30.04.2014, Az.: VIII ZR 284/13; BGH, Urteil vom 13.10.2010, Az.: VIII ZR 78/10; BGH, Urteil vom 17.03.2010, Az.: VIII ZR 70/09; BGH, Urteil vom 27. 6. 2007, Az.: VIII ZR 271/06). Diesen Anforderungen werden die o.g. Kündigungsschreiben der Klägerseite hier aber gerecht.
Dabei brauchte der Kläger/Vermieter die maßgeblichen Gründe auch nicht in allen Einzelheiten und Details darzulegen; vielmehr genügte er den formellen Anforderungen an die Darlegung der Gründe für den Eigenbedarf schon dann, wenn er kurze und verständliche Angaben zu den Umständen machte, warum die Wohnung benötigt wird, um so sein Erlangungsinteresse nachvollziehbar zu begründen. Die Beklagte/Mieterin soll nach den Angaben in den Kündigungsschreiben nämlich nur überschlägig prüfen können, ob eine Rechtsverteidigung ggf. Aussicht auf Erfolg verspricht (LG Bochum, Beschluss vom 16.02.2007, Az.: 10 S 68/06). Diesen Anforderungen genügen die beiden Kündigungsschreiben der Klägerseite jedoch.
Auf Seiten des Klägers besteht nach Überzeugung des erkennenden Gerichts im Übrigen auch in tatsächlicher Hinsicht ein Interesse an der Kündigung in Form von Eigenbedarf im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Dieses Interesse überwiegt auch gegenüber dem Interesse der Beklagten an dem weiteren Fortbestehen des Mietverhältnisses.
Nach § 573 BGB kann ein Vermieter das Mietverhältnis bei Eigenbedarf – d.h. wenn er die vermieteten Räume als Wohnung für sich oder seine Familienangehörigen benötigt – kündigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 09.10.2014, Az.: 1 BvR 2335/14; BVerfG, Urteil vom 14.02.1989, Az.: 1 BvR 308/88) und des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 13.10.2010, Az.: VIII ZR 78/10; BGH, Rechtsentscheid in Mietsachen vom 20.01.1988, Az.: VIII ARZ 4/87) ist der geltend gemachte Eigenbedarf eines Vermieters für sich oder eine privilegierte Person im Sinne des § 573 BGB grundsätzlich gegeben, wenn dieser Wunsch nachvollziehbar, verständlich und vernünftig erscheint. Insoweit ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs nämlich geklärt, dass das grundgesetzlich nach Art. 14 GG geschützte Eigentum seinem Inhaber auch das Recht gewährt, sein Eigentum entsprechend seiner eigenverantwortlichen Lebensgestaltung so zu nutzen, wie er dies nach seinen Plänen für richtig hält.
Das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Eigentum ist in seinem rechtlichen Gehalt durch Privatnützigkeit und die grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet. Es soll ihm als Grundlage privater Initiative und in eigenverantwortlichem privatem Interesse von Nutzen sein (BVerfG, Beschluss vom 20.05.1999, Az.: 1 BvR 29/99; BVerfG, Beschluss vom 03.10.1989, Az.: 1 BvR 558/89; BVerfG, Urteil vom 14.02.1989, Az.: 1 BvR 308/88; BVerfG, Beschluss vom 08.01.1985, Az.: 1 BvR 792/83; BVerfG, Beschluss vom 12.06.1979, Az.: 1 BvL 19/76).
Die grundrechtliche Eigentumsverbürgung umfasst deshalb auch die Befugnis, den Eigentumsgegenstand selbst zu nutzen. Mit einer Vermietung begibt sich der Eigentümer somit noch nicht endgültig dieser Befugnis (BVerfG, Beschluss vom 20.05.1999, Az.: 1 BvR 29/99; BVerfG, Beschluss vom 03.10.1989, Az.: 1 BvR 558/89; BVerfG, Urteil vom 14.02.1989, Az.: 1 BvR 308/88; BVerfG, Beschluss vom 08.01.1985, Az.: 1 BvR 792/83).
Diese Rechtsgrundsätze hatte auch das nunmehr erkennende Gericht hier zu beachten, da es über eine auf Eigenbedarf gestützte Kündigung zu urteilen hat. Das erkennende Gericht muss die Entscheidung der Klägerseite als Eigentümer über den Wohnbedarf der privilegierten Person somit grundsätzlich achten (BVerfG, Beschluss vom 20.05.1999, Az.: 1 BvR 29/99; BVerfG, Beschluss vom 03.10.1989, Az.: 1 BvR 558/89; BVerfG, Urteil vom 14.02.1989, Az.: 1 BvR 308/88; BVerfG, Beschluss vom 08.01.1985, Az.: 1 BvR 792/83).
Denn es unterliegt der alleinigen, sich aus dem Eigentumsgrundrecht ergebenden Befugnis des Vermieters zu bestimmen, welchen Wohnbedarf er für sich und seine Angehörigen als angemessen ansieht (BVerfG, Beschluss vom 20.05.1999, Az.: 1 BvR 29/99; BVerfG, Beschluss vom 03.10.1989, Az.: 1 BvR 558/89; BVerfG, Urteil vom 14.02.1989, Az.: 1 BvR 308/88; BVerfG, Beschluss vom 08.01.1985, Az.: 1 BvR 792/83). Diese Befugnis umfasst auch die Entscheidung darüber, von welchem Zeitpunkt an dieser Bedarf Anlass für eine Eigenbedarfskündigung sein soll.
Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schließt allerdings Beschränkungen des Kündigungsrechts, wie sie die – verfassungsgemäßen (BVerfG, Beschluss vom 20.05.1999, Az.: 1 BvR 29/99; BVerfG, Beschluss vom 03.10.1989, Az.: 1 BvR 558/89; BVerfG, Urteil vom 14.02.1989, Az.: 1 BvR 308/88; BVerfG, Beschluss vom 08.01.1985, Az.: 1 BvR 792/83) – Vorschriften des BGB vorsehen, nicht aus. Diese Beschränkungen tragen dem Umstand Rechnung, dass neben dem Eigentum des Vermieters auch das Besitzrecht des Mieters den Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG genießt (BVerfG, Beschluss vom 20.05.1999, Az.: 1 BvR 29/99; BVerfG, Beschluss vom 03.10.1989, Az.: 1 BvR 558/89; BVerfG, Urteil vom 14.02.1989, Az.: 1 BvR 308/88; BVerfG, Beschluss vom 08.01.1985, Az.: 1 BvR 792/83).
Bei der Auslegung und Anwendung der genannten mietrechtlichen Vorschriften sind deshalb von dem hier erkennenden Gericht neben den Belangen des Klägers/Vermieters und seinem Erlangungsinteresse, auch die Belange der Beklagten/Mieterin und ihr Bestandsinteresse, angemessen zu berücksichtigen, die beiderseitigen Belange gegeneinander abzuwägen und in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen (BVerfG, Beschluss vom 20.05.1999, Az.: 1 BvR 29/99; BVerfG, Beschluss vom 03.10.1989, Az.: 1 BvR 558/89; BVerfG, Urteil vom 14.02.1989, Az.: 1 BvR 308/88; BVerfG, Beschluss vom 08.01.1985, Az.: 1 BvR 792/83).
Zur grundrechtlich verbürgten Verfügungsbefugnis der Eigentümer gehört insbesondere aber auch die Freiheit, diesen Gegenstand – hier also die vermietete Eigentumswohnung – selbst zu nutzen oder durch eine privilegierte Person nutzen zu lassen. Dabei lässt sich der Wunsch, eine bestimmte Wohnung zu nutzen, nicht ausschließlich oder in erster Linie an objektiven Kriterien messen. Dieser hängt vielmehr eng mit dem bisherigen Lebensweg eines Menschen, seinen Zukunftsplänen und seinen persönlichen Vorstellungen und Bedürfnissen zusammen. Unter Berücksichtigung dieser starken personalen Beziehung hat deshalb das hier nunmehr erkennende Gericht bei der Auslegung und Anwendung der Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 BGB den Eigennutzungswunsch des Klägers für seine Schwester als privilegierte Person grundsätzlich zu respektieren, wie auch den Umstand, welchen Wohnbedarf der Kläger für seine Schwester als angemessen ansieht (BVerfG, Beschluss vom 20.05.1999, Az.: 1 BvR 29/99; BVerfG, Beschluss vom 03.10.1989, Az.: 1 BvR 558/89; BVerfG, Urteil vom 14.02.1989, Az.: 1 BvR 308/88; BVerfG, Beschluss vom 08.01.1985, Az.: 1 BvR 792/83).
Die seitens der Klägerseite dargelegten Gründe für den Eigenbedarf sind nach Auffassung des erkennenden Gerichts somit mehr als nur nachvollziehbar und vernünftig. Der Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass der Kläger diese Räume als Wohnung für seine Schwester als privilegierte Person benötigt. Voraussetzung ist zunächst somit nur die ernsthafte Absicht des Klägers, diese Wohnräume für seine Schwester die privilegierte Person zu nutzen (Überlassungswille) und dass diese Absicht auf vernünftigen Erwägungen beruht (Überlassungsinteresse).
Insofern liegen hier aber vernünftige und nachvollziehbare Gründe in dem Wunsch des Klägers seine Schwester und deren Lebenspartner mit dessen zwei Kindern in diese im ersten Geschoß liegende Wohnung im unmittelbaren Bereich der Wohnung seiner Mutter einziehen zu lassen vor (AG Dortmund, Urteil vom 07.10.2003, Az.: 125 C 6414/03, u.a. in: NZM 2004, Seite 499). Die Schwester des Klägers ist nämlich eine Familienangehörige, zu deren Gunsten der Eigenbedarf grundsätzlich geltend gemacht werden kann (BGH, Urteil vom 09.07.2003, Az.: VIII ZR 276/02; BayObLG, Beschluss vom 24.11.1983, RE-Miet. 5/82).
Eine Eigenbedarfskündigung kann sogar dann gerechtfertigt sein, wenn die gekündigte Wohnung für eine Pflegeperson für eine privilegierte Person vorgesehen ist, wie hier die Kündigung der Wohnung im 1. Obergeschoss für eine Pflegeperson für die im Erdgeschoß wohnende betagte Mutter des Klägers/Vermieters (LG Potsdam, Urteil vom 03.11.2005, Az.: 11 S 146/05, u.a. in: Grundeigentum 2005, Seiten 1553 f. = WuM 2006, Seiten 44 f.).
Die zum Zeitpunkt ihrer Vernehmung am 07.11.2024 in einem Rollstuhl sitzende und in einem Zimmer eines Seniorenzentrums wohnende, am 15.08.1984 geborene Zeugin B… P… – d.h. die Schwester des Klägers – hat hierzu auch glaubhaft ausgesagt, dass ihre bisherige Wohnung in P… lediglich eine Wohnfläche von 62 m² hat und sie auf jeden Fall mit ihrem Lebensgefährten – dem Zeugen R… K… – in die hier streitbefangene Wohnung, gelegen M… in B… umziehen möchte. Diese Wohnung in B… sei größer und geräumiger für ihre jetzigen Verhältnisse. Auch für ihre jetzigen, krankheitsbedingten Lebensumstände wäre diese Wohnung besser. Sie sei nämlich gesundheitlich sehr angeschlagen und die streitbefangene Wohnung wäre für ihre Lebensverhältnisse viel besser. In ihre alte Wohnung könne sie nicht zurückkehren. Die alte Wohnung in P… liege nämlich im 5. Obergeschoss und es gebe dort in diesem Haus keinen Fahrstuhl. Insofern könne sie aufgrund ihrer Erkrankung dort auch nicht wieder zurück ziehen. Sie wolle auch in der Nähe ihrer Mutter wohnen, die ebenfalls in dem Haus in B… wohnhaft sei.
Zudem bekundete die Zeugin B… P… sehr glaubhaft und nachvollziehbar, dass sie in dieser Alters-Seniorenresidenz nicht bleiben wolle. Sie könne aber nicht in ihre alte Wohnung in P… im 5. Obergeschoss zurück, da sie dies jetzt nicht mehr schaffen würde aufgrund ihrer angeschlagenen Gesundheit. Aus diesem Grunde möchte sie gern in die streitbefangene Wohnung in der Nähe ihrer Mutter ziehen, zumal diese Wohnung für sie auch aus gesundheitlichen Gründen besser wäre und sie – die Zeugin – dann wieder in einer häuslichen Umgebung mit ihrem Lebensgefährten zusammen leben könnte. Sie – die Zeugin – wolle mit ihrem Lebensgefährten wieder zusammen leben, was hier in der Seniorenresidenz aber überhaupt nicht möglich sei. In der alten Wohnung in P… sei dies aber aus gesundheitlichen Gründen auch überhaupt nicht mehr möglich.
Der Zeuge R… K… hat bei seiner Vernehmung am 19.03.2024 im Übrigen auch glaubhaft ausgesagt, dass die Schwester des Klägers – Frau B… P… – eine Covid-Erkrankung erlitten habe und bereits im Nachgang hierzu – d.h. nach der Covid-Erkrankung – die Zeugin P… auch Atemprobleme hatte. Zudem habe die Schwester des Klägers – Frau P… – auch Asthma. Die von ihm und der Zeugin P… derzeitig bewohnte Wohnung liege aber im 5. Obergeschoss. Zu dieser Wohnung führe kein Fahrstuhl, d.h., dass die Zeugin P… dort die Treppen hoch- und runter laufen müsse, um zu dieser Wohnung oder aus dem Haus zu gelangen.
Zudem bekundete der Zeuge K… auch sehr glaubhaft, dass die Schwester des Klägers – die Zeugin B… P… – am 19.03.2024 sich noch in einem künstlichen Koma befunden habe und sie wohl auch, wenn sie wieder aus dem künstlichen Koma aufgeweckt wird, nicht mehr so sein werde wie früher. Das Kleinhirn von ihr sei wohl angegriffen worden.
Des Weiteren sagte der Zeuge K… glaubhaft aus, dass er selbst zwei Kinder habe. Diese würden jedes zweite Wochenende zu ihm und seiner Lebensgefährtin – der Zeugin B… P… – kommen. Dann sei aber die Schlafsituation in dieser Wohnung in P… erdrückend.
Auch bekundete der Zeuge K… glaubhaft, dass die Schwester des Klägers bereits zuvor den Wunsch gehabt habe zu ihrer Mutter ziehen. Sie habe nämlich, ebenso wie er, gewollt, dass ihre Mutter und sie als Familie mehr zusammen sind.
Wie richtig insofern der Sachvortrag der Klägerseite und die Aussagen dieser beiden Zeugen sind, zeigt sich im vorliegenden Verfahren auch daran, dass ausweislich der ärztlichen Bescheinigung der Frau Dr. med. C… K… der … Poliklinik vom 22.11.2024 – Anlage K10 (Blatt 338 der Akte) – auf Grund des derzeitigen Gesundheitszustandes Frau B… P… (geb. am 15.08.1984) – d.h. der Schwester des Klägers – aus ärztlicher Sicht nicht empfohlen werden könne, dass diese in ihre bisherige Wohnsituation (fünfte Etage, Mehrfamilienhaus, H…-G… in P…) zurückkehrt. Auf Grund des derzeitigen Gesundheitszustandes der Zeugin B… P… würde Frau Dr. med. C… K… nämlich empfehlen, dass die Schwester des Klägers so wenig Treppenstufen wie möglich zu überwinden hat.
Insofern ist hier dann aber auch zugrunde zu legen, dass der Kläger die streitbefangene Wohnung für seine Schwester und deren Lebensgefährten „benötigt“ im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die Schwester des Klägers ist nämlich gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage, aus dem Seniorenzentrum in die von ihr bisher in P… bewohnte Wohnung zurückzuziehen (LG Kaiserslautern, Urteil vom 11.08.1981, Az.: 1 S 133/81).
Dass die Schwester des Klägers zusammen mit deren Lebensgefährten und dessen zwei Kindern die Wohnung streitbefangene Wohnung auch besser geeignet ist, als die im 5. Obergeschoss in P… gelegene, viel kleinere Wohnung, ist daher nicht von der Hand zu weisen. Ein weit überhöhter Wohnbedarf der Schwester des Klägers, deren Lebensgefährten und dessen zwei Kindern ist somit hier gerade nicht festzustellen.
Vielmehr könnte der Kläger hier sogar ggf. den Einwand erheben, dass die streitbefangene Wohnung für die Beklagte viel zu groß sei.
Selbst wenn der insofern hier geltend gemachte Grund wegen Eigenbedarfs nachträglich wegfallen sollte, so wäre dies hier auch nur dann zu berücksichtigen gewesen, wenn dieser Grund noch vor dem Ablauf der Kündigungsfrist entfallen wäre (BGH, Urteil vom 09.11.2005, Az.: VIII ZR 339/04, u.a. in: NJW 2006, Seiten 220 f.).
Das Interesse des Beklagten am Erhalt der Wohnung ist nach der herrschenden Rechtsprechung dabei nicht im Rahmen des § 573 BGB, sondern ausschließlich auf deren Widerspruch gegen die Kündigung nach § 574 BGB ggf. mitzuberücksichtigen.
Ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Beendigung des Mietverhältnisses ist hier somit zu bejahen. Nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt ein solches Interesse des Vermieters unter anderem nämlich dann vor, wenn er die vermieteten Räume als Wohnung für sich selbst und/oder einen Familienangehörigen benötigt. Dabei genügt es, wenn für den Willen des Vermieters eine begünstigte Person dort wohnen zu lassen, ein vernünftiger, nachvollziehbarer Grund besteht (BGH, Urteil vom 22.05.2019, Az.: VIII ZR 180/18; BGH, Urteil vom 13.10.2010, Az.: VIII ZR 78/10; BGH, Rechtsentscheid in Mietsachen vom 20.01.1988, Az.: VIII ARZ 4/87; BGH, NJW 2005, Seite 2395).
Die von der Klägerseite hier vorgetragenen Gründe sind insofern aber vernünftig und nachvollziehbar. Insbesondere hat der Kläger die jetzige Wohnraumsituation seiner Schwester und deren Lebensgefährten sowie dessen zwei Kinder und das entsprechende Bedürfnis nach einer in der Nähe der Wohnung der Mutter des Klägers gelegenen Wohnung hinreichend dargelegt.
Bei dem Nutzungswillen handelt es sich zwar um eine innere Tatsache, die der Kläger als Vermieter im Kündigungsschreiben der Beklagten mitteilen und im Prozess dann auch darlegen mussten. Dies hat die Klägerseite im vorliegenden Fall aber getan.
Damit ist der Eigennutzungswunsch des Klägers für seine Schwester aber auch im vorliegenden Fall im Grundsatz zu respektieren, da bei dem Eigenbedarf im Sinne des § 573 Abs. 2 BGB allein entscheidend ist, ob die geltend gemachten Gründe nachvollziehbar und verständlich sind (BVerfG, NJW 1994, Seiten 309 ff.; BGH, Urteil vom 22.05.2019, Az.: VIII ZR 180/18; LG Bochum, ZMR 2007, Seiten 452 ff.). Die Motive des Eigentümers, die ihn bewegt sein Eigentum von seiner Schwester und deren Lebensgefährten sowie dessen zwei Kindern nutzen zu lassen, sind nämlich grundsätzlich einer gerichtlichen Beurteilung entzogen.
Die Gerichte haben zwar dem Erlangungswunsch eines Vermieters dort eine Grenze zu ziehen, wo dieser nicht tatsächlich ernsthaft verfolgt, vielmehr also vorgeschoben wird oder in anderer Weise rechtsmissbräuchlich ist, etwa weil der geltend gemachte Wohnbedarf – gemessen an objektiven Kriterien – weit überhöht ist oder weil die gekündigte Wohnung die Nutzungswünsche des Eigentümers überhaupt nicht erfüllen kann oder der Wohnbedarf in einer anderen frei gewordenen oder freien Wohnung des Vermieters ohne wesentliche Abstriche befriedigt werden könnte (BVerfG, BVerfGE Band 79, Seiten 292 ff.; BVerfG, NJW 1993, Seiten 1637 ff.; BVerfG, NJW 1994, Seiten 309 f.; BVerfG, NJW 1994, Seiten 310 f.; BVerfG, NJW 1995, Seiten 1480 ff.; BVerfG, NJW-RR 1999, Seite 1097; LG Bochum, ZMR 2007, Seiten 452 ff.).
Liegt ein derartiger Ausnahmefall jedoch – so wie hier – nicht vor, darf das erkennende Gericht auch nicht überprüfen, ob es zur Nutzungsabsicht des Klägers bessere oder sinnvollere Alternativen gibt. Ein Eigentümer ist nämlich aus verfassungsrechtlichen Gründen befugt, selbst über die Nutzung seines Eigentums zu bestimmen. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Nutzungsabsicht des Eigentümers auf unrealistischen Vorstellungen beruht und die Nutzungswünsche des Eigentümers durch die Kündigung überhaupt nicht befriedigt werden können. Diese Ausnahmefälle liegen aber hier ersichtlich nicht vor.
Der Kläger hat sein Eigentumsrecht aus Art. 14 GG auch in Abwägung mit dem ebenfalls von Art. 14 GG geschützten Besitzrecht der Beklagten an der Wohnung (BVerfG, WuM 1993, Seite 377) somit hier nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt. Der Kläger macht mit der Kündigung nämlich keinen so genannten Überbedarf geltend. Nach der Rechtsprechung des BVerfG muss der Kündigungstatbestand von den Gerichten so praktiziert werden, dass das Grundrecht auf Eigentum gewahrt wird. Zur Eigentumsgewährleistung nach Art. 14 GG zählt aber auch das Recht eines Eigentümers, eine vermietete Wohnung zu kündigen, wenn er diese selbst nutzen oder wenn er die Räume privilegierten Angehörigen zur Nutzung überlassen will. Der Vermieter ist bei der Entscheidung, welchen Wohnbedarf er für sich oder seine Angehörigen als angemessen beurteilt, aber grundsätzlich frei, weil ihm weder vom Gericht noch von der bisherigen Mieterin der Wohnung fremde Vorstellungen über angemessenes Wohnen vorgeschrieben werden dürfen (BVerfG, WuM 1985, Seiten 75 ff.).
Dieses Recht der Klägerseite findet im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung mit dem grundrechtlich geschützten Besitzrecht der Beklagten nur dann seine Grenzen, wenn ein weit überhöhter Wohnbedarf geltend gemacht wird. Dies ist hier aber nicht der Fall.
Der hier durch den Kläger geltend gemachte Eigenbedarf ist somit nicht als weit überhöht und auch nicht als nicht nachvollziehbar anzusehen.
Klärungsbedürftig und – soweit ersichtlich – in den bisher veröffentlichen Entscheidungen nicht entschieden ist, anhand welchen Maßstabs sich die Nachvollziehbarkeit des Selbstnutzungswunsches bestimmt (BVerfG, NJW 1993, Seiten 1637 f.: „ohne im übrigen auch nur ansatzweise darzulegen, anhand welcher Maßstäbe es beurteilt, wann eine Wohnung welcher Größe und welchen Zuschnitts für eine zu gründende Familie angemessen ist„; ähnlich BVerfG, NJW 1994, Seiten 2605 f.). Ausgangspunkt ist die allgemeine Ansicht, dass das Gericht die Entscheidung des Eigentümers über seinen Wohnbedarf respektieren muss und ihm nicht fremde Vorstellungen über angemessenes Wohnen aufdrängen darf. Würde man der Entscheidung die Vorstellungen eines „Durchschnittsbürgers“ zugrunde legen, würden dem Eigentümer zwar nicht die persönlichen Ansichten des erkennenden Gerichts aufgedrängt, aber die gemittelte Vorstellung aller Bürger bzw. eines „Durchschnittsbürgers“.
Daher liegt zunächst nahe, die Nachvollziehbarkeit des Selbstnutzungsentschlusses aus der – objektivierten – Sicht des jeweiligen Eigentümers zu beurteilen („individueller Ansatz“). Nachvollziehbar ist demnach die Entscheidung des Eigentümers, wenn ein vernünftiger Dritter an Stelle des Eigentümers sie aus dessen Warte nachvollziehen kann. In diese Richtung lassen sich wohl auch das BVerfG (NJW 1988, Seiten 1075 f. und NJW 1994, Seiten 995 f.) sowie das LG Frankfurt/Main (NJW 1990, Seite 3277) und das AG Hamburg-Barmbek (WuM 2004, Seiten 614 ff. = ZMR 2005, Seiten 202 ff.) verstehen, auch wenn die Nachvollziehbarkeit der Nutzungsentscheidung des Eigentümers in erster Linie anhand eines objektiv-generellen Maßstabs zu überprüfen ist, der jedoch ergänzend besondere Umstände des jeweiligen Falles mitzuberücksichtigen hat.
Anders als die Beklagte der Kündigung vom 18.04.2022 im Übrigen wohl entnehmen will, hatte der Kläger den Eigenbedarf nicht von vornherein nur darauf gestützt, dass seine Schwester seine Mutter bei der Bewältigung ihres Alltags unterstützen soll. Ein solcher Plan war nach dem Vortrag der Klägerseite zwar ursprünglich zunächst auch wohl noch ins Auge gefasst worden, jedoch wird die Kündigung vom 18.04.2022 auch darauf gestützt, dass seine Schwester – damals in P… in einer 62 m²-Wohnung im fünften Stock lebend und bedauerlicherweise im Januar 2022 an Covid-19 erkrankt – seit dem das Treppensteigen in den fünften Stock unzumutbar schwer falle. Auch wurde bereits in diesem Kündigungsschreiben vom 18.04.2022 mit angeführt, dass seine Schwester mit ihrem Lebenspartner – welcher der Vater von zwei Kindern im Alter von 10 Jahren sowie 13 Jahren sei – in eine entsprechend große Wohnung für diese Familienverhältnisse einziehen soll.
Erst später – nach der erfolgten Kündigung des streitgegenständlichen Mietverhältnisses – war dann die weitere, schwere Erkrankung der Schwester des Klägers eingetreten, die sogar dazu geführt hatte, dass sie zeitweise ins künstliche Koma versetzt werden musste. Die Beklagte stellt letztlich aber weder die – durch den tatsächlichen Ablauf bestätigte – Glaubhaftigkeit dieser Bekundungen der Klägerseite noch die persönliche Glaubwürdigkeit der von der Klägerseite benannten Zeugen hier infrage, sondern zieht lediglich ihre eigene Bewertung heran.
Vorliegend sind daher bei der Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Vorschriften des BGB zur Eigenbedarfskündigung die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu wahren und die im Gesetz aufgrund verfassungsmäßiger Grundlagen zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachzuvollziehen, die den beiderseitigen Eigentumsschutz beachtet und unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkungen vermeidet.
Das Mietverhältnis wurde hier auch unstreitig nicht stillschweigend gemäß § 545 BGB verlängert.
Bei der Auslegung und Anwendung der oben genannten mietrechtlichen Vorschriften sind neben den Belangen des Klägers/Vermieters und seinem Erlangungsinteresse, aber auch die Belange der Beklagten/Mieterin, d.h. ihr Bestandsinteresse, angemessen zu berücksichtigen; die beiderseitigen Belange sind gegeneinander abzuwägen und in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen (BVerfG, Beschluss vom 20.05.1999, Az.: 1 BvR 29/99, u.a. in: NJW-RR 1999, Seiten 1097 f.; VerfGH des Landes Berlin, Beschluss vom 16.05.2002, Az.: 124/01, u.a. in: NZM 2003, Seiten 593 ff.). Die Beklagte kann als Mieterin insofern hier also beanspruchen, dass das erkennende Gericht ihren Einwänden in einer Weise nachgeht, die der Bedeutung und Tragweite auch ihres Bestandsinteresses gerecht wird.
Insofern kann die Beklagte/Mieterin nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch verlangen, dass das erkennende Gericht bei der Auslegung der Sozialklausel und namentlich des Begriffs der „Härte“ Gewicht und Tragweite ihres Bestandsinteresses hinreichend erfasst und berücksichtigt (BVerfG, Beschluss vom 09.10.2014, Az.: 1 BvR 2335/14; BVerfG, BVerfGE Band 89, Seiten 1 ff.; VerfGH des Landes Berlin, Beschluss vom 16.05.2002, Az.: 124/01, u.a. in: NZM 2003, Seiten 593 ff.; BGH, Urteil vom 22.05.2019, Az.: VIII ZR 180/18).
Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung ist allerdings im Hinblick auf die vom Gesetzgeber zum Schutz des Mieters eigens geschaffene Härteregelung des § 574 BGB zu beachten, dass die besonderen Belange der Mieterin im Einzelfall (individuelle Härte) erst auf Widerspruch des Mieters und nicht schon bei der Abwägung der gegenseitigen Belange im Rahmen der Beurteilung, ob ein berechtigtes Interesse für die Kündigung vorliegt, zu berücksichtigen sind. Auf Seiten der Mieterin sind daher – anders als bei den Vermieterinteressen, die vollständig einzufließen haben – (nur) die unabhängig von ihrer konkreten Situation bestehenden Belange in die Abwägung einzustellen, also das generell bestehende Interesse, die Wohnung und damit den Lebensmittelpunkt nicht zu verlieren und nicht mit den unbeträchtlichen Kosten und anderen erheblichen Unzuträglichkeiten belastet zu werden, die ein Wohnungswechsel in der Regel mit sich bringt (BGH, Urteil vom 29.03.2017, Az.: VIII ZR 45/16).
Im hier konkreten Fall greifen insoweit die von der Beklagten geltend gemachten Härtegründe gemäß § 574a BGB aber nicht durch, so dass vorliegend auch nicht gemäß § 574a Abs. 2 BGB durch Urteil zu bestimmen war, dass das streitbefangene Mietverhältnis unter den bislang geltenden Bedingungen auf eine bestimmte Zeit fortgesetzt wird. Denn die Beklagte hat hier gemäß § 574 BGB keinen Anspruch gegenüber dem Kläger auf Fortsetzung des Mietverhältnisses.
Die Beklagte hat der Kündigung vom 18.04.2022 – Anlage K2 (Blatt 14 der Akte) – mit Schreiben vom 24.11.2022 – Anlage K3 (Blatt 15 der Akte) – schriftlich noch vor zwei Monaten vor Ablauf der Kündigungsfrist gemäß § 574b BGB – widersprochen.
Die entgegenstehende Interessen der Beklagten/Mieterin sind insofern aber ausschließlich auf deren schriftlichen Widerspruch vom 24.11.2022 gegen die Kündigung zu berücksichtigen (BGH, Rechtsentscheid in Mietsachen vom 20.01.1988, Az.: VIII ARZ 4/87)
Unter Beachtung dessen kann die Beklagte hier aber nicht gemäß § 574a BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses von dem Kläger verlangen.
Der im Widerspruch vom 24.11.2022 durch die Beklagte noch angeführte Grund eines etwaigen Schulwechsels ihrer Tochter ist nämlich wohl nicht mehr gegeben, da die Tochter der Beklagten bereits im Jahre 2024 ihr Abitur ablegen sollte, so dass als einziger Grund aus dem Widerspruch vom 24.11.2022 noch die Erkrankung der Beklagten hier verbleibt.
Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme leidet die Beklagte an einer chronischen Schmerzerkrankung des Trigeminusnerven (einer sogenannten Trigeminusneuralgie), Corona und einer Störung des Fettstoffwechsels.
Die Zeugin Dipl. – med. S… S… hat insofern zwar ausgesagt, dass insbesondere die Trigeminusneuralgie sich ggf. bei der Beklagten verschlechtern könnte, wenn die Beklagte ihre Wohnung räumen müsste, da diese Krankheit auf Stress reagiere. Durch die Operation im Jahre 2024 sei es jedoch bei der Beklagten insofern zu einer Entlastung hinsichtlich der Schmerzen gekommen, so dass derzeitig die Beklagte unter dieser Krankheit etwas schwächer leiden würde, selbst wenn man – trotz der Operation – nicht ausschließen könne, dass wenn die Beklagte aus der Wohnung ausziehen müsse, sie dann auch wieder Stress haben könne, so dass diese Trigeminusneuralgie wieder verstärkt auftreten könne.
Zudem bekundete die Zeugin Dipl. – med. S… aber auch, dass man die Schmerzen der Beklagten abschwächen könne. Bei dieser medikamentösen Einstellung gebe es auch Patienten, die danach schmerzfrei sind. Die Beklagte sei zwar derzeitig noch nicht schmerzfrei; ob bei der Beklagten eine Schmerzfreiheit eintreten werde, könne derzeitig aber noch nicht gesagt werden.
Die Zeugin Dr. Uta Erle hat im Übrigen auch bestätigt, dass die Beklagte unter einer Trigeminusneuralgie leidet. Aktuell liege bei der Beklagten insofern auch noch eine mittelgradige Depression vor. Wenn es um die von der Beklagten bewohnte Wohnung gegangen sei – z.B. nach der Zustellung der Räumungsklage – habe es immer massive Schmerzveränderungen bei der Beklagten gegeben. Auch eine Verschlechterung ihrer Depression sei dann eingetreten.
Auf Vorhalt konnte die Zeugin Dr. Uta Erle jedoch nicht einschätzen, ob – wenn die Beklagte eine schöne neue Wohnung bekommen würde und man ihr alle Hilfe böte für einen Umzug und dergleichen – sich dann der Gesundheitszustand der Beklagten verbessern oder verschlechtern würde.
Der Zeuge Dr. med. T… F… hat eingeräumt, dass er die Beklagte nach der zwischenzeitlich bei ihr durchgeführten Operation nicht mehr gesehen habe, so dass seine Angaben zum Gesundheitszustand der Beklagten sich auf den Zeitraum vor der Operation im Jahre 2024 bezogen. Insofern bestätigte aber auch er, dass die Beklagte zuvor bei ihm wegen einer Trigeminusneuralgie, einem atypischen Gesichtsschmerz und einer Depression in Behandlung gewesen sei. Jedoch räumte auch er ein, dass es durchaus sein könne, dass positiver Stress – z.B. wenn eine perfekte Wohnung zu dem gleichen Preis gefunden wird und jemand der Beklagten den Umzug abnimmt – der Gesundheitszustand der Beklagten besser sein wird als der Stress jetzt mit der Räumungsklage. Er könne dies aber nicht genau einschätzen. Man könnte evtl. aber auch vermuten, dass wenn die Beklagte eine neue Wohnung hat und dort dann einziehen kann und nicht mehr den Stress mit der alten Wohnung habe, dass dies dann eine Verbesserung des Gesundheitszustands der Beklagten bewirken könnte. Er könne dies aber auch nur vermuten.
Entsprechend dem Ergebnis der Beweisaufnahme leidet die Beklagte somit – aufgrund der im Jahre 2024 durchgeführten Operation – jetzt aber wohl nicht mehr so erheblich an dieser Krankheit, so dass sich dies dann sicherlich nunmehr auch hinsichtlich etwaiger Einschränkungen in ihrer Lebensführung widerspiegelt. Sie ist auch unstreitig nicht arbeitsunfähig und bedarf zur Aufrechterhaltung ihrer selbstständigen Lebensführung auch nicht der Hilfe Dritter.
Zwar ist die Möglichkeit, dass eine erzwungene Veränderung des sozialen Gefüges hier zu einem erheblichen Stress für die Beklagte führt, wohl nicht auszuschließen. Ob in einem solchen Fall nachteilige Auswirkungen für den Krankheitsverlauf bei der Beklagten eintreten, ist aber entsprechend dem Ergebnis der Beweisaufnahme gerade nicht mit Sicherheit vorherzusagen. Zwar kann Stress ggf. ein Auslöser für einen neuen Krankheitsschub bei der Beklagten sein, jedoch kann sich ein Wohnungswechsel ggf. auch positiv auf die Beklagte auswirken ist mit einer dauerhaften Verschlechterung des Krankheitsbilds der Beklagten hier aufgrund eines Wohnungswechsels nicht zu rechnen. Vielmehr würde sich eine etwaige Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beklagten wohl nur auf den Zeitraum des konkreten Umzugs – mithin auf wenige Wochen oder Monate – beschränken.
Aus der ärztlich attestierten Erkrankung der Beklagten ist somit entsprechend dem Ergebnis der Beweisaufnahme gerade nicht abzuleiten, dass im Fall des Herauslösens der Beklagten aus ihrem bisherigen Umfeld eine „weitere“ Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ernsthaft zu befürchten steht, da allenfalls der Zeitraum des Umzugs hier eine psychische Belastung für die Beklagte darstellen würde. Wenn die Beklagte dann aber wieder in einer angemessenen (ggf. auch noch renovierte und besser gelegene) Wohnung leben könnte, würden weitere Verschlechterungen ihres Gesundheitszustands wohl hier nach den Aussagen der sie behandelnden Ärzte nicht mehr ernsthaft zu befürchten sein.
Zur sozialen Härte würde die Räumung für die Beklagte aber nur dann, wenn der Wechsel der Mietwohnung für die Beklagte krankheitsbedingt zu besonderen Schwierigkeiten führt, die sich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben; nur dann kommen sie als Härtegrund in Betracht (BGH, Urteil vom 20.03.2013, Az.: VIII ZR 233/12; BGH, Urteil vom 16.10.2013, Az.: VIII ZR 57/13; LG Potsdam, Urteil vom 31.05.2018, Az.: 13 S 68/13). Dies ist der Fall, wenn der Krankheitszustand und Krankheitsverlauf den Verbleib der Beklagten in der Wohnung erfordert, d.h., dass sich nach dem Umzug der Beklagten in eine andere Wohnung der Verlauf ihrer Krankheit maßgeblich verschlechtern würde und damit eine akute, insbesondere psychische Gefahrenlage zu befürchten wäre, weil sich ihre Krankheit auf alle Formen der Lebensführung auswirken kann und ein erzwungener Wohnungswechsel eine Überforderung der Beklagten mit den Folgen physischer und psychischer Konsequenzen darstellen kann (LG Potsdam, Urteil vom 31.05.2018, Az.: 13 S 68/13).
Die hier von der Beklagten als Zeugen benannten Ärzte haben dies aber gerade nicht bestätigt. Vielmehr könnte eine neue Wohnung sich ggf. sogar positiv auf die Erkrankung der Beklagten auswirken, da lediglich der „Stress“ beim Umzug die Gefahr in sich berge, dass sich der Gesundheitszustand der Beklagten während dieses Zeitraums evtl. verschlechtern könnte.
Das erkennende Gericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme somit hier davon überzeugt, dass lediglich der mit dem Umzug für die Beklagte ggf. verbundene Stress für diesen relativ geringen Zeitraum – ggf. nur für wenige Tage – und auch nur evtl. geeignet sein könnte, eine Verschlechterung der bei der Beklagten vorliegenden Erkrankung auszulösen; nicht aber dass die Beklagte dann nach dem Umzug – welcher ggf. nur ein paar Tage dauert – in einer anderen Wohnung lebt.
Dass die Beklagte dies im Übrigen wohl ebenso sieht wird unter anderem daran deutlich, dass sie selbst vorträgt, dass sie bereits seit April 2022 sich um eine andere Wohnung bemüht habe und insofern grundsätzlich also ebenso in eine andere Wohnung umziehen will.
Da somit hier nachteilige Folgen aufgrund eines erzwungenen Wohnungswechsels nicht sicher feststehen und diese etwaigen gesundheitlichen Folgen auch nur für einen relativ überschaubaren Zeitraum verursacht würden, besteht für den Fall einer Räumung vorliegend auch nur die bedingte Gefahr einer zeitweisen Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands der Beklagten.
Die Vertragsbeendigung führt im Übrigen auch unstreitig nicht zu einer unzumutbaren Härte der Beklagten in Form von wirtschaftlichen, finanziellen, familiären oder persönlichen Nachteilen, die infolge der Vertragsbeendigung auftreten können (LG Bochum, Beschluss vom 16.02.2007, Az.: 10 S 68/06, u.a. in: ZMR 2007, Seiten 452 ff.).
Die kündigungstypischen Belastungen im Zusammenhang mit der Räumung der alten und dem Bezug einer neuen Wohnung reichen dafür regelmäßig aber nicht aus. Selbst wenn sich das Bestandsinteresse der Beklagten und das Erlangungsinteresse des Klägers gleichwertig gegenüber stehen sollten, so geht doch das auf dem grundrechtlich geschützten Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) beruhende Erlangungsinteresse des Klägers/Vermieters vor (LG Berlin, MM 1992, Seite 387; LG Hannover, WuM 1992, Seite 609; LG Kaiserslautern, WuM 1990, Seiten 446 f.).
Bei der Interessenabwägung ist zudem auch zu beachten, dass die Miete einem Mieter grundsätzlich nur ein Nutzungsrecht auf Zeit einräumt und kein Dauerwohnrecht. Die gesetzlich zulässigen Härtegründe lassen sich zunächst regelmäßig den folgenden drei Entstehungsbereichen/Umständen zuordnen:
· Umstände, die die gekündigte Wohnung betreffen,
· Umstände, die die Beschaffung neuen Wohnraums betreffen,
· Umstände, die die persönlichen Verhältnisse des Mieters betreffen.
Ein geringes Einkommen und schlechte wirtschaftliche Verhältnisse können insofern zwar ggf. auch zu einem Härtegrund führen, jedoch ergibt sich die Härte hier noch nicht aus dem Einkommen und den wirtschaftlichen Verhältnissen der hiesigen Beklagten/Mieterin. Entscheidend ist vielmehr ein Zusammenwirken mit anderen Umständen wie Alter, Krankheit und vor allem Schwierigkeiten bei der Ersatzraumbeschaffung. Im letzteren Fall kommt es aber darauf an, dass die Beklagte/Mieterin tatsächlich und ernstlich ihrer Pflicht nachgekommen ist, sich um die Beschaffung von Ersatzraum zu bemühen.
Das Fehlen angemessenen Ersatzwohnraums kann zwar ggf. auch eine Härte darstellen, macht also eine Abwägung mit den Interessen des Klägers/Vermieters erforderlich. Eine Ersatzwohnung ist aber bereits dann angemessen, wenn sie im Vergleich zu der bisherigen Wohnung den Bedürfnissen der Beklagten/Mieterin entspricht und vom Preis her für sie noch tragbar ist. Eine bestimmte Belastungsgrenze, etwa in Höhe eines festen Prozentsatzes des Einkommens, kann dabei jedoch nicht angenommen werden, da es hierfür keine gesetzliche Grundlage gibt. Die Beklagte müsste daher in diesem Rahmen auch eine höhere Miete als die bisher gezahlte hinnehmen (LG Stuttgart, WuM 1990, Seite 20). Auch wäre die Möglichkeit des Bezugs von Sozialleistungen – wie dem Wohngeld – in die Beurteilung der Belastbarkeit der Beklagten mit einzubeziehen.
Die Angemessenheit einer Ersatzwohnung setzt des Weiteren auch nicht voraus, dass sie der bisherigen Wohnung vollkommen entspricht. Gewisse Verbesserungen oder Verschlechterungen (LG Hamburg, WuM 1990, Seite 118), verbunden mit einer Änderung der Miethöhe (LG Bremen, WuM 2003, Seite 333; AG Coesfeld, DWW 1989, Seite 230), sind somit von der Beklagten auch hinzunehmen. Ein Mietpreis ist insofern nämlich auch dann noch zumutbar, wenn er dem Wert der Wohnung entspricht und die Beklagte aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse – ggf. auch unter Inanspruchnahme von Wohngeld (LG Itzehoe, WuM 1967, Seite 65; LG Itzehoe, WuM 1968, Seite 34; LG Münster, ZMR 1968, Seite 49) – in der Lage ist, den geforderten Preis zu bezahlen. Für die Angemessenheit des Verhältnisses zwischen dem Mietpreis und dem Wert der Wohnung ist dabei die Höhe der ortsüblichen Miete ein wichtiger Anhaltspunkt. Jedoch ist zu bedenken, dass der Neuvermietungspreis (die Marktmiete) regelmäßig etwas höher ist, als die ortsübliche Miete. Den üblichen Neuvermietungspreis muss die Beklagte hier somit auch akzeptieren.
So kann es aber andererseits zum Ausschluss einer Härte ausreichen, wenn der Kläger als Vermieter der Beklagten als Mieterin zumindest eine geeignete Wohnung nachweist (LG Mannheim, NJW 1965, Seite 2203; OLG Karlsruhe, NJW 1971, Seite 1746; LG Waldshut-Tiengen, WuM 1993, Seite 349; AG Köln, WuM 1989, Seite 250). Eine solche Wohnung darf in einem Rechtsstreit auch nicht von vornherein als unangemessen beurteilt werden, weil es in erster Linie nicht Sache des Klägers als Vermieter, sondern Sache der Beklagten als Mieterin ist, eigenverantwortlich darüber zu entscheiden, ihre Wohnverhältnisse nach ihrem subjektiven Raumbedarf und nach dem objektiv Wünschenswerten einzurichten. Eine Grenze findet die Entscheidungsfreiheit erst bei einer nicht mehr zumutbaren Überbelegung oder an bau- oder polizeirechtlichen Vorschriften (BVerfG, NJW 1992, Seite 1220).
Anderweitiger Ersatzwohnraum ist deshalb auch dann angemessen, wenn er eine geringere, aber immer noch für die hiesige Beklagte ausreichende Wohnfläche aufweist (LG Freiburg, WuM 1990, Seite 152), selbst wenn die Miete höher sein sollte. Hier hat die Beklagte aber unstreitig jedwede Hilfe des Klägers hinsichtlich der Erlangung von Ersatzwohnraum seit dem Jahr 2022 nicht angenommen.
Eine „Härte“ würde somit hier nur dann vorliegen, wenn derartiger Ersatzwohnraum hier „nicht beschafft werden kann“. Aus diesem Gesetzeswortlaut ist nämlich zu schließen, dass sich die Beklagte als Mieterin um eine Ersatzwohnung zu bemühen hat. Es handelt sich um eine Obliegenheit, die die Beklagten zudem sofort nach der Kündigung im Jahre 2022 traf (LG Karlsruhe, DWW 1990, Seite 238; LG München I, WuM 1990, Seite 153; AG Münster, WuM 1998, Seite 731; AG Ansbach, ZMR 2006, Seite 938) und nicht erst nach Erlass eines Räumungsurteils (LG Landau/Pfalz, ZMR 1992, Seite 396).
Die Beklagte genügt als Mieterin dieser Obliegenheit aber nur, wenn sie alles ihr persönlich und/oder wirtschaftlich zumutbare – also auch mit finanziellen Opfern verbundene – unternommen hat oder sich der Hilfe von Verwandten und/oder Bekannten bzw. staatlicher Stellen – wie dem Sozialamt oder der MAiA – bedient hat (AG Remscheid, WuM 1989, Seite 388), um eine Ersatzwohnung zu beschaffen (AG Bochum, WuM 1980, Seite 226; AG Coesfeld, DWW 1989, Seite 230). Hierzu ist es notfalls erforderlich, mehrere Zeitungs- und/oder Internetinserate selbst aufzugeben und/oder – jeweils nach den finanziellen Verhältnissen – auch Makler einzuschalten (LG Aachen, WuM 1985, Seite 265; LG Karlsruhe, DWW 1990, Seite 238; LG Stuttgart, WuM 1991, Seite 198; AG Dortmund, DWW 1991, Seite 28). Dass die Beklagten derartige Inserate geschaltet hat, hat sie jedoch nicht vorgetragen.
Die Ersatzraumsuche muss sich zudem grundsätzlich auf das gesamte Gemeindegebiet erstrecken (Hartmann, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 16. Auflage 2024, § 574 BGB, Rn 34) und nicht nur auf einen begrenzten Ortsteil der Gemeinde. Dass die Beklagte dies im Übrigen ebenso sieht wird daran deutlich, dass sie sich nicht nur im Kreis P…-M… sondern auch in der Stadt P… hinsichtlich geeigneten Ersatzwohnraums umgesehen hat.
Die Notwendigkeit eines Schulwechsels rechtfertigt grundsätzlich aber noch keine Beschränkung der Ersatzraumsuche (LG Hamburg, Urteil vom 25.10.1990, Az.: 307 S 231/90; LG Siegen, Urteil vom 24.11.1988, Az.: 3 S 257/88, u.a. in: WuM 1989, Seite 389; AG Neumünster, Urteil vom 28.04.1989, Az.: 9 C 1717/88; Hartmann, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 16. Auflage 2024, § 574 BGB, Rn 34).
Aber selbst eventuell gegebene Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Ersatzwohnraum genügen nach dem Gesetz noch nicht, um eine Härte zu begründen. So entbinden weder amtliche Auskünfte (LG Berlin, Grundeigentum 1990, Seite 543) noch der Verweis auf eine „allgemeine Lage auf dem Wohnungsmarkt“ den Mieter davon, sich trotzdem zu bemühen, so dass selbst eine derartige Situation allein für sich noch keinen Härtegrund darstellen würde (LG Berlin, Urteil vom 22.03.1990, Az.: 62 S 48/90, u.a. in: Grundeigentum 1990, Seite 491; LG Berlin, Grundeigentum 1990, Seite 1039; LG Düsseldorf, ZMR 1991, Seite 178; LG Karlsruhe, DWW 1992, Seite 22; LG Mannheim, DWW 1993, Seite 140).
Zwar lässt das Gesetz offen, wie intensiv und wie lange sich ein Mieter um Ersatzwohnraum bemühen muss, so dass dies im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit zu entscheiden ist. Unzureichend wäre es aber schon, wenn seit der Kündigung vom 18. April 2022 ggf. nur auf einige Anzeigen seit dem – mithin innerhalb von fast 3 Jahren – geantwortet wird (LG Mannheim, Beschluss vom 03.12.1991, Az.: 4 T 302/91, u.a. in: DWW 1992, Seite 87). Die Beklagtenseite hat hierzu somit aufgrund dieses Zeitraums von fast 3 Jahren aber nicht ausreichend genug substantiiert vorgetragen, zumal die letzten von ihr insoweit hier eingereichten Unterlagen der Anlage B18 auf August 2023 datieren, mithin vor ca. 19 Monaten.
Auch eine günstige Miethöhe vermag grundsätzlich ein berechtigtes Interesse der Beklagten/Mieterin bzw. eine Härte noch nicht zu begründen. Nur wenn die Vermögenseinbuße im Falle des Wohnungsverlustes eine außergewöhnliche Höhe erreicht, kann die Beendigung des Mietverhältnisses nämlich für den Mieter eine Härte darstellen, die auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Klägers/Vermieters nicht zu rechtfertigen wäre (VerfGH Berlin, Beschluss vom 16.05.2002, Az.: VerfGH 124/01, u.a. in: NZM 2003, Seite 593). Dies ist hier aber unbestritten nicht der Fall.
Auch die normalen Umzugskosten sowie Maklergebühren und Renovierungskosten sind von der Beklagten als Mieterin hinzunehmen (LG Düsseldorf, Urteil vom 04.07.1989, Az.: 24 S 3/89, u.a. in: WuM 1989, Seite 414; AG Gelsenkirchen-Buer, DWW 1988, Seite 326; AG Schorndorf, WuM 1989, Seite 20) und können grundsätzlich nicht zu ihren Gunsten berücksichtigt werden.
Wenn die Beklagte mit der bisherigen Wohnung ggf. besondere finanzielle Vorteile verliert, weil die Miete dieser Wohnung als gering anzusetzen ist, so liegt darin noch keine Härte (BayObLG, Rechtsentscheid vom 21.07.1970, Az.: AR 20/70, u.a. in: NJW 1970, Seite 1748; LG Wiesbaden, ZMR 1966, Seite 302; AG Köln, MDR 1973, Seite 139). Es entspricht nämlich nicht dem Sinn der Sozialklausel, etwa Einzelpersonen schlechthin Wohnungen zu erhalten, die zu ihrem angemessenen Wohnbedarf in keinem tragbaren Verhältnis stehen. Es kommt vielmehr darauf an, dem Mieter den seinen Wohnbedürfnissen entsprechenden Raum zu erhalten. Ein finanzielles Interesse des Mieters an einer solch geringen Miete ist somit auf keinen Fall zu berücksichtigen (LG Frankenthal/Pfalz, Urteil vom 11.10.1989, Az.: 2 S 203/89). Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Fall einen Verfassungsverstoß insoweit auch verneint (BVerfG, Beschluss vom 27.01.1994, Az.: 1 BvR 2067/93).
Dass danach bei der Beklagten hier Härtegründe im Sinne von § 574 BGB vorliegen, die grundsätzlich einer Räumung entgegenstehen, weil sie durch den erzwungenen Wohnungswechsel in besonderem Maße betroffen wäre, ist somit schon nicht eindeutig durch die Beklagtenseite nachgewiesen worden.
Auf der anderen Seite hat der Kläger aber ein erkennbares Interesse, seine schwer erkrankte Schwester mit deren Lebensgefährten und dessen zwei Kindern in die streitbefangene Wohnung einziehen zu lassen. Dies ist aber grundsätzlich auch ein gewichtiger Grund. Dieser ist nach Überzeugung des erkennenden Gerichts vorliegend auch so erheblich, dass dieser Grund das Interesse der Beklagten überwiegt.
Die von der Beklagten vorgetragenen Gründe hinsichtlich einer „Härte“ im Sinne von § 574 BGB (Alter, langjährige Verwurzelung, Erkrankung) kommt auf der Grundlage ihrer bislang vorgetragenen Gründe nämlich nicht das von ihr gewollte Gewicht zu, wie oben näher ausgeführt.
Nur wenn sich im Rahmen einer nach den vorstehenden Maßstäben vorgenommenen Abwägung ein Überwiegen der Belange der Beklagten/Mieterin ergibt, kann sie nämlich die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen (BGH, Urteil vom 22.05.2019, Az.: VIII ZR 180/18; BGH, Urteil vom 20.10.2004, Az.: VIII ZR 246/03).
Dabei kommt es zwar nicht auf ein deutliches Überwiegen an. Dies lässt sich sowohl dem Wortlaut als auch dem – sich in den Gesetzesmaterialien zur Vorgängerregelung in § 556 a BGB aF niedergelegten und für die heutige Vorschrift unverändert geltenden (vgl. BT-Drs. 14/4553, 68) – Regelungszweck des § 574 BGB entnehmen. Im Jahr 1967 sollte die damals geltende Vorschrift des § 556 a I BGB aF zur besseren Verständlichkeit, also ohne inhaltliche Änderung, dahin umformuliert werden, dass der Mieter im Fall einer Härte die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen können solle (S. 1), dies aber nicht gelte, wenn der Vermieter ein „überwiegendes berechtigtes Interesse“ an der vertragsgemäßen Beendigung des Mietverhältnisses habe (BT-Drs. V/1743, 4). Von diesem Vorschlag wurde aber im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wieder wegen der Befürchtung Abstand genommen, der Ausdruck „überwiegendes berechtigtes Interesse“ könne den unzutreffenden Eindruck erwecken, nunmehr solle den Interessen der Mieter ein Übergewicht zugebilligt werden (BT-Drs. V/2317, 2). Die damals geplante Umformulierung, mit der eine inhaltliche Veränderung gegenüber der bisherigen Fassung (vgl. BGBl. 1960 I 389) nicht angestrebt wurde, belegt damit, dass der Fortsetzungsanspruch des Mieters nicht erst bei einem deutlichen Überwiegen der Interessen des Vermieters ausgeschlossen sein sollte.
Maßgebend ist daher hier allein, ob sich ein Übergewicht der Belange der Beklagten/Mieterin feststellen lässt, also die Interessenabwägung zu einem klaren Ergebnis führt (BGH, Urteil vom 22.05.2019, Az.: VIII ZR 180/18).
Die so festgestellten Interessen der Klägerseite bzw. der Beklagten hat das erkennende Gericht hinsichtlich der widerstreitenden Interessen abgewogen (LG München I, Urteil vom 23.07.2014, Az.: 14 S 20700/13); hierbei ist das erkennende Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass vorliegend die Interessen der Klägerseite überwiegen, so dass das Mietverhältnis mit der Beklagten nicht fortzusetzen ist.
Es ist zwar – wie oben näher ausgeführt – davon auszugehen, dass aufgrund der fachärztlich attestierten Erkrankung der Beklagten vom Vorliegen einer nicht unerheblichen Erkrankung bei ihr auszugehen ist. Wie schwer dieser sich aus einer Verbindung von mehreren Umständen ergebende Grund aber tatsächlich wiegt, ist von der Beklagtenseite nach Überzeugung des Gerichts aber schon nicht substantiiert genug dargelegt worden.
Eine Depression und eine etwaige Äußerung bei einem Umzug eventuell einen Suizid in Erwägung zu ziehen, reicht nämlich noch nicht aus, um einen Härtefall nach § 574 Abs. 1 BGB zu begründen (AG Aachen, Urteil 20.05.2021, Az.: 121 C 109/19).
Aus diesem Grunde muss eine etwaige Unfähigkeit der Beklagten, aus eigener Kraft oder mit zumutbarer fremder Hilfe eine Konfliktlage situationsangemessen zu bewältigen, in einem umfassend anzustellenden Abwägungsprozess bedacht werden, wobei auch der Frage Bedeutung zukommt, ob eine bei erzwungenem Verlust der (langjährig innegehaltenen) Wohnung bestehende etwaige Suizidgefahr aufseiten der Beklagten/Mieterin ggf. therapeutisch beherrschbar ist und ihr insofern Mitwirkungsbereitschaft abverlangt werden kann (BGH, Urteil vom 10.04.2024, Az.: VIII ZR 114/22).
Insofern hat die Beweisaufnahme hier aber gerade nicht bestätigt, dass die Erkrankung der Beklagten sich bei einem Wohnungswechsel verschlechtern würde. Aus der ärztlich attestierten Erkrankung der Beklagten ist nämlich entsprechend dem Ergebnis der Beweisaufnahme gerade nicht abzuleiten, dass im Fall des Herauslösens der Beklagten aus ihrem bisherigen Umfeld eine „weitere“ Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ernsthaft zu befürchten steht, wie bereits oben näher ausgeführt. Vielmehr wäre wohl nur der Zeitraum ihres Umzugs für die Beklagte gegebenenfalls derartig stressbehaftet, dass hierdurch nur während dieses Zeitraums eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes drohen könnte.
Auch ist wohl ein tatsächlicher Suizid der Beklagten/Mieterin hier zwar nicht völlig auszuschließen, aber wohl auch nicht erhöht wahrscheinlich. Zudem schwächt sich die Wahrscheinlichkeitsprognose über den Zeitverlauf wohl auch ab.
Damit wären die von der Beklagten hier geltend gemachten Erkrankungen und die hieraus im Fall eines erzwungenen Umzugs resultierenden oder drohenden Gesundheitsbeeinträchtigungen aber nur zeitlich begrenzt und zudem auch nicht derart stark, dass ihr für immer und ewig ein Umzug in eine andere Wohnung nicht zuzumuten wäre.
Das erkennende Gericht hat insofern aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme – insbesondere aufgrund der von der Beklagten benannten und sie behandelnden Ärzte – zu der Art, dem Umfang und den konkreten Auswirkungen der Erkrankung auf die Lebensführung der Beklagten im Allgemeinen und im Fall des Verlusts der vertrauten Umgebung die erforderlichen Tatsachen festgestellt. Dabei haben die von der Beklagten als Zeugen benannten Ärzte nicht nur Feststellungen zu der Art und dem Ausmaß der Erkrankung der Beklagten sowie den damit konkret einhergehenden gesundheitlichen Einschränkungen, sondern auch zu den konkret feststellbaren oder zumindest zu befürchtenden Auswirkungen eines erzwungenen Wohnungswechsels getroffen, wobei auch die Schwere und der Grad der Wahrscheinlichkeit der zu befürchtenden gesundheitlichen Einschränkungen Gegenstand der Vernehmung dieser fachkundigen Zeugen war.
Dies versetzt das erkennende Gericht aber vorliegend in die Lage, die Konsequenzen, die für die Beklagte/Mieterin mit einem Umzug verbunden sind, im Rahmen der nach § 574 Abs. 1 BGB notwendigen Abwägung sachgerecht zu gewichten. Insofern ist hier somit auch geklärt, an welchen Erkrankungen die Beklagte konkret leidet, wie sich diese auf ihre Lebensweise, insbesondere auf ihre Autonomie und auf ihre psychische und physische Verfassung auswirken, und ob ihre Erkrankung – gegebenenfalls in Zusammenhang mit anderen Faktoren – bereits grundsätzlich einen Wohnungswechsel ausgeschlossen erscheinen oder zumindest ernsthaft befürchten lassen, dass sich die gesundheitliche und/oder persönliche Situation der Beklagten erheblich verschlechtert.
In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass sich die mit einem Umzug einhergehenden Folgen durch die Unterstützung ihres Umfelds bzw. durch begleitende ärztliche und/oder therapeutische Behandlungen wohl – entsprechend den Aussagen der von der Beklagten als Zeugen benannten Ärzte – mindern lassen.
Dass die Beklagte dies im Übrigen wohl ebenso sieht wird daran deutlich, dass sie erklärt hat – trotz ihres Gesundheitszustandes – freiwillig in eine andere Wohnung umziehen zu wollen.
Mit Erfolg macht die Klägerseite hier aber dem Gegenüber die Interessen des Klägers und seiner Schwester geltend.
Insofern ist vorliegen nämlich zunächst – anders als bei der Frage, ob der Kündigungsgrund des Eigenbedarfs vorliegt – bei der im Rahmen des § 574 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Bewertung und Gewichtung der gegenläufigen Interessen der Parteien die in Art. 14 I GG verbürgte Eigentumsgarantie des Klägers hinreichend mit zu berücksichtigen, d.h., dass dem Kläger als Erwerber einer vermieteten Wohnung nicht weniger schutzwürdiges Interesse zuzubilligen ist als einem Vermieter, der den Mietvertrag abgeschlossen und mit einer Eigenbedarfskündigung geraume Zeit zugewartet hat (BGH, Urteil vom 22.05.2019, Az.: VIII ZR 180/18).
Bei der Auslegung und der Anwendung des § 574 BGB hat das erkennende Gericht aber auch das Bestandsinteresse der Beklagten/Mieterin und das Erlangungsinteresse des Klägers/Vermieters angemessen zu berücksichtigen, die beiderseitigen Belange gegeneinander abzuwägen und in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen (BVerfG, Beschluss vom 20.05.1999, Az.: 1 BvR 29/99; BVerfG, Beschluss vom 26.05.1993, Az.: 1 BvR 208/93; BGH, Urteil vom 22.05.2019, Az.: VIII ZR 180/18). Bei der Bewertung und Gewichtung der widerstreitenden Interessen beider Parteien ist den Wertentscheidungen Rechnung zu tragen, die in den für sie streitenden Grundrechten (insbes. Art. 14 I, 2 II GG) zum Ausdruck kommen.
Dabei ist auf Seiten des Klägers/Vermieters stets das durch Art. 14 I 1 GG gewährleistete Eigentum betroffen, das in seinem rechtlichen Gehalt durch Privatnützigkeit und die gesetzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet ist und auch die Befugnis umfasst, den Eigentumsgegenstand selbst zu nutzen (BVerfG, Beschluss vom 20.05.1999, Az.: 1 BvR 29/99; BVerfG, Beschluss vom 26.05.1993, Az.: 1 BvR 208/93; BVerfG, Beschluss vom 03.10.1989, Az.: 1 BvR 558/89; BGH, Urteil vom 22.05.2019, Az.: VIII ZR 180/18).
Die grundrechtlich verbürgte Eigentumsgarantie, die – wie bereits ausgeführt – auch dann eingreift, wenn der Vermieter die Eigenbedarfssituation – etwa durch den Erwerb einer vermieteten Wohnung – willentlich herbeigeführt hat, ist nicht nur bei der Auslegung und Anwendung des Kündigungstatbestands des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, sondern auch bei der Interessenabwägung nach § 574 BGB zu beachten (BVerfG, Beschluss vom 20.05.1999, Az.: 1 BvR 29/99; BGH, Urteil vom 22.05.2019, Az.: VIII ZR 180/18).
Insofern ist die Frage der mit Blick auf die verfassungsgeschützten Rechte der Mietvertragsparteien im Eigenbedarfsstreit (Eigentum bzw. Besitz an der Mietwohnung) gebotenen Abwägung der gegenläufigen Interessen (hier: Unterbringung der erkrankten Schwester des Klägers/Vermieters auf der Vermieterseite gegen die Erkrankung an Trigeminusneuralgie auf der Mieterseite) zu beantworten gewesen.
Das erkennende Gericht hat aufgrund des unstreitigen Vortrags der Prozessparteien und des Ergebnisses der Beweisaufnahme hier insoweit aber die Überzeugung gewonnen, dass die Schwester des Klägers und ihr Lebensgefährte sowie dessen zwei Kinder in prekären Wohnverhältnissen leben, die aufgrund der Lage der Wohnung im 5. Obergeschoß für die Schwester der Klägerin unzumutbar und mit dem weiteren Heranwachsen der beiden kleinen Kinder ihres Lebensgefährten auch insoweit noch verschärfen wird.
Zudem leidet die 41 Jahre alte Schwester des Klägers unstreitig an einer schwerwiegenden Nervenerkrankung, aufgrund der sie sogar zeitweise in das künstliche Koma versetzt werden musste. Die Schwester des Klägers wohnt nunmehr vorübergehend in einem Zimmer des A… Seniorenzentrum S… in P…, da ihr ein Aufenthalt in ihrer aktuellen Wohnung im 5. Obergeschoss in P… aufgrund ihres Gesundheitszustandes unbestritten nicht mehr möglich ist. Selbst im Oktober 2014 hatte die Schwester des Klägers noch nicht laufen können. Auch langes Sitzen fiel ihr unbestritten äußerst schwer. Sie ist zudem derzeit auch unstreitig einen Dauerkatheter angeschlossen. Derzeitig ist die Schwester des Klägers des Weiteren auch unstreitig – zumindest vorübergehend – auf einen Rollstuhl angewiesen.
Die damit gegebene Dringlichkeit des Eigenbedarfs zugunsten der Klägerseite ist dann aber hier somit als ein gewichtiger Umstand zu werten.
Unter Beachtung der Bedeutung der grundrechtlich verbürgten Eigentumsgarantie ist damit aber dem Umstand, dass der Kläger die vermietete Eigentumswohnung für seine schwer erkrankte Schwester und deren Lebensgefährten in der Nähe der Wohnung seiner Mutter nutzen will, im Rahmen der gebotenen Gewichtung der Interessen des Klägers und der Abwägung der gegenläufigen Belange der Beklagten eine größere Bedeutung zuzusprechen, zumal etwaige gesundheitlichen Folgen der Beklagte hier wohl nur während des überschaubaren Zeitraums ihres Umzugs zu befürchten sind, während die gesundheitlichen Folgen für die Schwester des Klägers – und ggf. auch für die Mutter des Klägers – auf Dauer sehr viel belastender wären.
Die am 15.08.1984 (mithin erst 41 Jahre alte) Schwester des Klägers müsste nämlich ggf. ohne ihren Lebensgefährten und dessen Kinder (mithin ohne ihre „Familie“) – evtl. sogar über einen sehr langen Zeitraum hinweg – mit ihrer Erkrankung allein in einem Zimmer eines Seniorenzentrums leben.
Vorliegend ist somit festzuhalten, dass die Abweisung der Klage zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Lebens und der Gesundheit der Schwester des Klägers führen würde. Insofern muss die schwere Erkrankung der Schwester des Klägers hier im konkreten Fall höher gewertet werde als die nur abstrakte Gefahr der gesundheitlichen Beeinträchtigung der Beklagten während des relativ kurzen Zeitraums eines Umzugs. Es ist rechtlich nämlich nicht vertretbar, das dringende Erlangungsinteresse der Schwester des Klägers an dieser Wohnung zu ignorieren vor dem Hintergrund, dass sie vielleicht ansonsten ggf. ohne ihren Lebenspartner – evtl. sogar für einen längeren Zeitraum – mit ihrer Erkrankung allein in einem Zimmer eines Seniorenzentrums leben muss.
Der Umstand, dass die Schwester des Klägers die Wohnung nicht beziehen soll führt dann nämlich dazu, dass ihr gesamtes – noch relativ junges – Leben erheblich negativ beeinflusst wird. Die Schwester des Klägers würde durch die Abweisung der Klage erheblich daran gehindert ein normales „Familienleben“ zusammen mit ihrem Lebensgefährten und dessen Kinder sowie ihrer Mutter wahrzunehmen. Eine Abweisung der Klage würde also dazu führen, dass das Leben der Schwester des Klägers erheblich auf Dauer erschwert würde und sie nicht mehr zusammen mit ihrem Lebensgefährten in einer Wohnung leben könnte. Dies würde wohl zudem dann auch dazu führen, dass es zu weiteren gesundheitlichen – insbesondere psychischen – Beeinträchtigung auf Seiten der Schwester des Klägers kommen könnte.
Die Rechtsauffassung der Beklagtenseite missachtet insofern die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 20.05.1999, Az.: 1 BvR 29/99; BVerfG, Beschluss vom 26.05.1993, Az.: 1 BvR 208/93) und des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 22.05.2019, Az.: VIII ZR 180/18), die bezüglich der Anwendung und Auslegung des Kündigungstatbestands des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB einerseits und der Sozialklausel des § 574 BGB andererseits dieselben verfassungsrechtlichen Maßstäbe aufgestellt hat.
Weiter weist die Beklagte dem Eigennutzungswunsch des Erwerbers einer Mietwohnung einen geringeren Stellenwert zu als einem Eigenbedarf des ursprünglichen Vermieters. Dies steht aber in Widerspruch dazu, dass auch im Rahmen der Vorschrift des § 574 BGB die vom Vermieter beabsichtigte Lebensplanung grundsätzlich zu respektieren und ihrer Rechtsfindung zugrunde zu legen ist (BVerfG, Beschluss vom 20.05.1999, Az.: 1 BvR 29/99; BVerfG, Beschluss vom 26.05.1993, Az.: 1 BvR 208/93; BVerfG, Beschluss vom 03.10.1989, Az.: 1 BvR 558/89; BGH, Urteil vom 22.05.2019, Az.: VIII ZR 180/18).
Auch im Rahmen der Interessenbewertung der Beklagten sind die verfassungsrechtlichen Anforderungen hinreichend zu berücksichtigen. Auf Seiten der Beklagten ist zwar ebenfalls das – insofern den in Art. 6 I GG geregelten Schutzbereich mitumfassende – Grundrecht des Art. 14 I 1 GG zu beachten. Bei derartig gelagerten Sachverhalten – so wie hier – kann bei der Abwägung je nach Einzelfall aber ein Überwiegen der Interessen des Vermieters oder des Mieters möglich sein (BGH, Urteil vom 22.05.2019, Az.: VIII ZR 180/18).
Bei der Prognoseentscheidung bezüglich eines möglichen Wegfalls der Härtegründe (§ 574 a S. 2 BGB) ist hier auf Seiten der Beklagten nämlich davon auszugehen, dass ihre Tochter zwischenzeitlich nicht mehr das Gymnasium als Schülerin besucht und zudem auch nunmehr volljährig ist.
Nach den in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen, die letztlich auch in die unveränderte Fassung der §§ 574 ff. BGB eingeflossen sind (vgl. BT-Drs. 14/4553, 68), soll im Regelfall die Fortsetzung des Mietverhältnisses aber nur auf bestimmte Zeit erfolgen (BT-Drs. V/2317, 2). Ausgehend hiervon bedarf es gerade in dem Fall, in dem – wie hier – auf Seiten des Vermieters dringender Wohnbedarf besteht, einer sorgfältigen Prüfung, ob eine Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit angeordnet werden soll.
Im gesetzlichen Ausgangspunkt soll die härtefallbedingte Fortsetzung des wirksam gekündigten Mietverhältnisses somit regelmäßig lediglich nur auf bestimmte Zeit erfolgen. Dabei hat das Gericht im Rahmen seiner mit Tatsachen untermauerten Prognose bezogen auf den im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung gegebenen Befund zu einer durch den erzwungenen Wohnungsverlust bewirkten Gesundheitsgefährdung und ihrer Schwere nebst den realistisch zur Verfügung stehenden Möglichkeiten einer Milderung der Gefährdungslage durch begleitende (psychische/psychiatrische) Maßnahmen aber im eigenen Ermessen zu beurteilen, für welchen Zeitraum bei entsprechender Mitwirkung der Mieterin das ihrer Herausgabeverurteilung entgegenstehende Hindernis voraussichtlich andauern wird. Insofern ist jedes der Beklagten/Mieterin zumutbare Bemühen um eine Verringerung der auf ihrer Seite bestehenden Gefahr der Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes zu berücksichtigen und es genügt, wenn die mit dem erzwungenen Wohnungsverlust einhergehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen jedenfalls soweit abgemildert sind, dass sie eine nicht zu rechtfertigende Härte nicht mehr darstellen. Selbst wenn danach ungewiss bleibt, innerhalb welchen Zeitrahmens der festgestellte Härtegrund voraussichtlich wird überwunden werden können, muss das Gericht keineswegs zwingend die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit anordnen (BGH, Urteil vom 10.04.2024, Az.: VIII ZR 114/22).
Da dieser Zeitrahmen hier aber auf Seiten der Beklagten wohl nur für die Dauer des konkreten Umzugs gerechtfertigt wäre, liegt hier somit ein berechtigter Eigenbedarf des Klägers im Sinne des § 573 BGB vor, so dass dem Kläger gegenüber der Beklagten der hier geltend gemachte Räumungsanspruch auch zur Seite steht.
Klarstellend ist im Übrigen anzufügen, dass die für die Schwester des Beklagten vorgesehene und hier streitbefangene Wohnung auch nicht zwingend im Erdgeschoss liegen muss, sofern ein Zugang zu dieser Wohnung – selbst mit einem Rollstuhl – über einen anzubauenden Treppenlift bzw. einen Fahrstuhl möglich ist (LG Bamberg, Urteil vom 21.05.2021, Az.: 3 S 9/19; AG Dortmund, Urteil vom 27.05.1992, Az.: 124 C 2808/92).
Die beklagtenseits gegen die Ernsthaftigkeit des Wunsches des Klägers vorgebrachten Einwände greifen somit hier nicht.
Soweit die Beklagte darauf verweist, dass die Schwester des Klägers in die im Erdgeschoss des Hauses befindliche Wohnung der Mutter des Klägers ziehen könne und der Kläger erst dann für seine Mutter den Eigenbedarf geltend machen könne, kann das erkennende Gericht dieser klägerischen Argumentation nicht folgen. Zum einen ist die Mutter des Klägers hier nicht Prozesspartei und kann ihr wohl auch schlecht von der Beklagten vorgeschrieben werden, dass sie ihre Wohnung freiwillig für ihre Tochter – die Schwester des Klägers – aufgeben soll, damit dann der Kläger hinsichtlich seiner Mutter den Eigenbedarf gegenüber der Beklagten geltend machen soll.
Die Einschätzung der Beklagtenseite hinsichtlich der Nichteignung der hier streitbefangenen Wohnung für die Schwester des Klägers und deren Lebensgefährten sind somit für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar. Wenn die Schwester des Klägers auch vor dem Hintergrund ihrer Erkrankung in die hier streitbefangene Wohnung einziehen möchte, ist dieser Wunsch der Klägerseite grundsätzlich hinzunehmen. Die Gerichte haben nämlich grundsätzlich zu respektieren, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich oder seine Angehörigen als angemessen sieht. Sie sind daher nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters (oder seiner Angehörigen) zu setzen. Der vom Vermieter geltend gemachte Wohnbedarf ist nicht auf Angemessenheit, sondern nur auf Rechtsmissbrauch zu überprüfen (BGH, Urteil vom 04.03.2015, Az.: VIII ZR 166/14; AG Halle/Saale, Urteil vom 11.10.2016 – 95 C 1281/16).
Das erkennende Gericht hat nach vorgenannter Rechtsprechung nämlich die berechtigten Belange beider Parteien abzuwägen. Insofern plant die Schwester des Klägers mit ihrem Lebensgefährten in dieser Wohnung einen gemeinsamen Hausstand zu gründen und sich mit ihrem Lebensgefährten und dessen Kinder ein eigenes Leben aufzubauen. Da die Schwester des Klägers zurzeit auch wohl kaum über ein eigenes Einkommen verfügt, ist sie auf den Eigenbedarf angewiesen. Ihre Belange sind daher als gewichtig zu bewerten (AG Berlin-Schöneberg, Urteil vom 17.10.2022, Az.: 105 C 191/22).
Der Beklagten wäre es nach vorgenannten Ausführungen zuzumuten gewesen, eine Wohnung auch mit einem aus ihrer Sicht schlechten Schnitt bzw. in einer anderen Gemeinde oder Stadt zu nehmen, was sie jedoch seit fast 3 Jahren ablehnten. Problematisch ist auch die Fixierung der Wohnungssuche auf einen Schulwechsel der Tochter der Beklagten, da diese zwischenzeitlich wohl das Gymnasium in P… nicht mehr als Schülerin besucht. Hierdurch wird deutlich, dass der Beklagten scheinbar doch zuzumuten ist, auch eine gewisse Distanz zu der hier streitbefangenen Wohnung in B… bei der Suche nach einer neuen Wohnung auf sich zu nehmen. Insofern wäre es der Beklagten daher auch zuzumuten, innerhalb des Landkreises P…-M… und/oder der Stadt P… Wohnungsbemühungen anzustellen.
Im Übrigen hat die Beklagte namentlich für den Zeitraum seit August 2023 schon nicht substantiiert vorgetragen, dass sie überhaupt der sie fortwährend treffenden Obliegenheit zur ernsthaften und nachhaltigen Suche nach Ersatzwohnraum in hinreichendem Maß nachgekommen war (BGH, Beschluss vom 08.02.2022, Az.: VIII ZR 182/21), so dass die Beklagte seit nunmehr 19 Monaten nicht mehr sich um Ersatzwohnraum bemüht hat, was auch bei der Bemessung der beantragten Räumungsfrist mit zu berücksichtigen ist.
Ein rechtsmissbräuchlicher Erlangungswunsch wird in der Rechtsprechung im Übrigen nur ausnahmsweise angenommen. Grundsätzlich ist dem Eigentümer mit Blick auf die grundrechtlich verbürgte Eigentumsgewährleistung nämlich ein weiter Ermessensspielraum bei der Einschätzung seines Bedarfs einzuräumen (BGH, Urteil vom 04.03.2015, Az.: VIII ZR 166/14). Es reicht, wenn der Nutzungswunsch auf vernünftige und nachvollziehbare Gründe zurückgeht (BGH, Rechtsentscheid vom 20.01.1988, Az.: VIII ARZ 4/87). Die Gerichte sind dabei nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters zu setzen (BGH, Beschluss vom 21.08.2018, VIII ZR 186/17), wie bereits oben näher ausgeführt.
Ein Vermieter handelt insofern somit nur dann ggf. rechtsmissbräuchlich, wenn ihm eine vergleichbare andere Wohnung tatsächlich auch zur Verfügung steht, in der er den konkreten Wohnbedarf seines Familienangehörigen ohne wesentliche Abstriche auch befriedigen kann (BGH, Beschluss vom 23.08.2016, VIII ZR 178/15). Ob der Erlangungswunsch im Einzelfall rechtsmissbräuchlich ist, muss somit immer anhand objektiver Kriterien unter konkreter Würdigung der Einzelfallumstände bestimmt werden.
Eine geeignet und vor allem frei stehende Alternativwohnung steht dem Kläger in dem hiesigen Anwesen aber gerade nicht zur Verfügung, da diese Wohnung im Erdgeschoss seit Jahren von seiner betagten Mutter bewohnt wird. Zudem ist als Grund für den Einzug der Schwester des Klägers in die hier streitbefangene Wohnung gerade auch die Nähe dieser Wohnung zu der von der Mutter des Klägers bewohnten Wohnung von dem Kläger mit angegeben worden, so dass ein Rechtsmissbrauch hier nicht ersichtlich ist.
Insofern konnte hier sogar dahingestellt bleiben, ob vorliegend ein Ausschluss nach § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB vorliegt. Sowohl die Beklagte als auch der Kläger tragen nämlich übereinstimmend vor, dass die Vertragsbeziehung der Parteien nunmehr nicht unerheblich gestört sind und die Vertrauensgrundlage nicht wiederhergestellt werden kann.
Eine sofortige Kündigung ohne Fristsetzung ist gemäß § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BGB aber möglich, wenn aufgrund besonderer Umstände unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ein weiteres Zuwarten nicht möglich oder zumutbar ist. Bei einer Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB ist das u.a. auch der Fall, wenn die Vertrauensgrundlage nicht wiederhergestellt werden kann (sog. Zerrüttungskündigung).
Das kommt insbesondere auch dann in Betracht, wenn die das Schuldverhältnis tragende Vertrauensgrundlage derart zerstört ist, dass unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs nicht mehr zugemutet werden kann (BGH, Urteil vom 15.09.2010, Az.: XII ZR 188/08; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.03.2011, Az.: 24 U 102/10; OLG Celle, Beschluss vom 07.10.2008, Az.: 2 U 99/08). Diese Umstände, die eine sofortige Kündigung rechtfertigen, müssen zum Kündigungszeitpunkt im Übrigen nur tatsächlich gegeben sein, sie müssen aber nicht offenkundig sein (BGH, Urteil vom 06.10.2021, Az.: XII ZR 11/20). Das Widerspruchsrecht lebt dann auch nicht später ggf. wieder auf (AG Lörrach, Urteil vom 24.05.2012, Az.: 4 C 50/12).
Im Übrigen war aber aufgrund der allgemeinen Situation der Beklagten hier die Anordnung nach § 721 ZPO durch Urteil auszusprechen. Insoweit kann ein Gericht nämlich einem ehemaligen Mieter gemäß § 721 ZPO grundsätzlich eine Räumungsfrist von einigen Wochen (LG Berlin, ZMR 2001, Seiten 189 f.) bis zu 2 Monaten (LG Berlin, ZMR 1998, Seite 351) oder bis zu 3 Monaten (LG Berlin, Grundeigentum 2001, Seite 1468) gewähren, um einem ehemaligen Mieter nunmehr die Suche nach einer geeigneten Ersatzwohnung zu ermöglichen, so dass hierdurch eine Obdachlosigkeit des Mieters vermieden wird (LG Berlin, Grundeigentum 2001, Seiten 141 f. = ZMR 2001, Seiten 189 f.; LG Hamburg, WuM 1999, Seite 365).
Angesichts der Wohndauer, der berechtigten Interessen des Beklagten, eine annähernd gleichwertige Wohnung zu finden, der Situation auf dem hiesigen Wohnungsmarkt und der beruflichen und finanziellen Belastungen ist hier eine Suchzeit bis zum 30.04.2025 noch als angemessen, aber auch ausreichend anzusehen (AG Hamburg, Urteil vom 05.06.2009, Az.: 46 C 21/09, u.a. in: „juris“).
Andererseits ist hier aber auch zu berücksichtigen, dass die Kündigungen bereits mit Schreiben vom 18.04.2022 erfolgte, so dass die Beklagten auch Zeit genug hatte, sich auf den Umzug vorzubereiten (LG München I, WuM 2009, Seiten 348 f.). Liegen diesbezüglich aber keine besonderen Umstände vor, so ist dementsprechend grundsätzlich wohl nur noch eine Räumungsfrist in o. g. Zeit durch das Gericht in seinem Urteil zu gewähren, damit sich die Beklagte als Räumungsschuldnerin angemessenen Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen beschaffen kann.
Die insofern hier auf Antrag der Beklagten zu gewährende Räumungsfrist nach § 721 ZPO war somit jetzt im Urteil (LG Rostock, NZM 2002, Seite 213 = NJW-RR 2001, Seite 442; LG Berlin, MM 1993, Seite 111 = WuM 1994, Seite 385) nach Würdigung der Sach- und Rechtslage wie geschehen zum 30.04.2025 auszusprechen, da die Anordnung nach § 721 Abs. 1 ZPO erst nach mündlicher Verhandlung durch Urteil ergehen kann (Musielak/Lackmann, ZPO, 6. Aufl., § 721 ZPO, Rn. 9). Sie ist dementsprechend nunmehr im Urteilstenor mit auszusprechen, wobei sich aus dem Urteilstenor nur das Ende der Räumungsfrist ergeben muss.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits stützt sich auf § 91 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht hinsichtlich der Vollstreckung in der Hauptsache auf § 708 Nr. 7 ZPO und bezüglich der Kosten des Rechtsstreits auf § 708 Nr. 11 ZPO.
Der Wert des Streitgegenstandes des Rechtsstreits ist hier zudem noch durch das Gericht festzusetzen gewesen.