Eigenbedarfskündigung: Unwirksamkeit bei fehlender Kündigung gegenüber beiden Mietern
In einem aktuellen Fall forderten die Kläger als Erben die Räumung einer Wohnung aufgrund einer Eigenbedarfskündigung. Dabei ging es vor allem um die Frage, ob die Kündigung wirksam war, da sie lediglich gegen einen der beiden im Mietvertrag genannten Mieter ausgesprochen wurde.
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Übersicht
Vater der Beklagten als rechtlicher Mieter
Der Vater der Beklagten wurde im Mietvertrag neben der Beklagten als Mieter aufgeführt, obwohl er nie in der betroffenen Wohnung lebte. Die Kläger argumentierten, dass der Vater der Beklagten lediglich als Bürge hätte gelten sollen und eine Kündigung gegenüber ihm nicht erforderlich gewesen wäre.
Notwendigkeit einer Kündigung gegenüber beiden Mietern
Das Gericht befand jedoch, dass die Kündigung unwirksam sei, da sie nicht gegenüber beiden Mietern ausgesprochen wurde. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz könnte vorliegen, wenn die Berufung auf die Notwendigkeit einer Kündigung gegenüber dem anderen Mieter treuwidrig wäre. Dies sei hier jedoch nicht der Fall.
Urteil: Klage abgewiesen
Die Klage wurde als zulässig, aber unbegründet abgewiesen. Die Eigenbedarfskündigung war unwirksam, da sie nicht gegenüber beiden Mietern ausgesprochen wurde. Eine treuwidrige Berufung auf die fehlende Kündigung gegenüber dem Vater der Beklagten lag nicht vor.
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Das vorliegende Urteil
AG Ludwigsburg – Az.: 1 C 843/22 – Urteil vom 08.12.2022
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerinnen haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1 10% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 3.540,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Kläger begehren als Erben die Räumung auf der Grundlage einer Kündigung wegen Eigenbedarfs für Im Kern geht es um die Frage der Wirksamkeit der Kündigung, weil die Kündigung nur gegen eine von zwei im Mietvertrag genannten Mietern erklärt wurde.
Die Beklagte schloss am 02.11.2004 bzw. 03.1 1.2004 einen Mietvertrag über die streigegenständliche Wohnung mit der GmbH auf Vemieterseite (Anlage K3, BI. 10 ff. d.A.). Als Mieter ist hier neben der Beklagten noch Herr, jeweils mit der Adresse genannt (Anlage K3, BI. 10 d.A.). Herr hat den Mietvertrag auch als Mieter unterschrieben (Anlage K3, BI. 16 d.A.). Herr ist der Vater der Beklagten und wohnte nie in der im Mietvertrag genannten Wohnung. Er wohnte und wohnt noch heute an der Anschrift in Die Wohnung wurde sodann zunächst von von der GmbH gekauft und diese ging dann im Wege der Erbfolge nach auf die Kläger über. Diese traten damit in den Mietvertrag ein. Am 30.09.2021 kündigten die Kläger, vertreten durch den Klägervertreter, wegen Eigenbedarfs zum 30.06.2022 (Anlage K4, BI. 17 ff.d.A,). Die Kündigung wurde ausschließlich gegenüber der Beklagten ausgesprochen. Eine Kündigung gegenüber Herrn erfolgte nicht. Gegen diese Kündigung legte die Beklagte per E-Mail erst am 15.06.2022, d.h. 2 Wochen vor Ablauf der Kündigungsfrist, Widerspruch ein. Die Beklagte hat wohl erhebliche gesundheitliche Probleme, die einer Räumung entgegenstehen könnten.
Die Kläger sind der Ansicht, eine Kündigung habe nicht gegenüber dem Vater der Beklagten ausgesprochen werden müssen. Dieser sei nicht Mieter, sondern allenfalls Bürge gewesen. Jedenfalls sei die Berufung der Beklagten auf die fehlende Kündigung auch gegenüber ihrem Vater treuwidrig. Denn Herr sollte nie und ist nie während des Mietverhältnisses als Mieter aufgetreten. Auch sei eine Kündigung gegenüber nicht möglich gewesen, weil [[3]] – dessen Adresse nicht bekannt gewesen sei.
Die Kläger beantragen daher, die Beklagte zu verurteilen, die in der gelegene Wohnung Nr. 29 im 2. OG nebst Kellerraum und Tiefgaragenstellplatz Nr. 31 zu räumen und geräumt an die Klägerinnen herauszugeben.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Kündigung sei unwirksam. Es hätte auch gegenüber ihrem Vater gekündigt werden müssen. Treuwidrig sei die Berufung hierauf nicht.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zwar zulässig aber unbegründet.
I.
Den Kläger steht ein Räumungsanspruch gem. SS 546, 985 BGB nicht zu. Die Kündigung vom 30.09.2021 hat das Mietverhältnis nicht beendet. Denn diese ist mangels Kündigung auch gegenüber dem Vater der Beklagten unwirksam. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beklagten hierauf nach Treu und Glauben nicht berufen kann, bestehen nicht.
1. Herr ist rechtlich Mieter der streitgegenständlichen Wohnung. Dies folgt im Wege einer Auslegung des Vertrages nach SS 133, 157 BGB aus dem Mietvertrag.
a) Der Wortlaut von Rubrum und Unterschriftenzeile des Mietvertrages sind eindeutig. Herr wird in beiden Fällen als Mieter bezeichnet.
b) Eine Stellung als Mieter entspricht auch dem wirtschaftlichen Hintergrund. Ziel der Aufnahme des Vaters der Beklagten war es für den damaligen Vermieter einen weiteren, insbesondere solventen, Mietzinsschuldner zu erhalten. Dieses Ziel wird am Besten erreicht, wenn der solvente Schuldner nicht nur Bürge, sondern Mieter ist.
c) Die rechtliche Stellung als Mieter ist zudem nicht davon abhängig, ob der Vater der Beklagten, die Absicht hatte, das Mietobjekt selbst zu nutzen. Denn nach der herrschenden Rechtsprechung und Literatur bestimmt sich, wer Mietpartei ist, allein nach dem Mietvertrag. Die sachenrechtliche Beziehung zur Mietsache (Eigentums-, Besitz- oder sonstige Nutzungsrechte) ist unerheblich (siehe hierzu Zehelein in BeckOK-BGB, Stand August 22, S. 535 Rn. 260 mwN.).
2. Hier hätte auch gegenüber dem Vater der Beklagten die Kündigung ausgesprochen werden müssen.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann ein Mietverhältnis, an dem auf Vermieteroder Mieterseite mehrere Personen beteiligt sind, wirksam nur gegenüber allen Vertragspartnern gekündigt werden (BGH, Urteil vom 16. 3. 2005 – VIII ZR 14/04, NJW 2005, 1715 unter Nur ausnahmsweise kann die Berufung auf die Notwendigkeit einer Kündigung auch gegenüber dem anderen Mieter treuwidrig sein (siehe hierzu BGH Urt. v. 19.9.2018 – VIII ZR 261/17, NZM 2018, 1017 Rn. 20). Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der eine Mieter an einer Vertragsänderung zur Entlassung des anderen Mieters nicht mitwirkt und für die fehlende Mitwirkung auch keine schutzwürdigen Belange existieren (BGH, Urteil vom 16. 3. 2005 – VIII ZR 14/04, NJW 2005, 1715 unter 2).
b) Hier ist vom Grundsatz auszugehen. Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Treu und Glauben bestehen nicht. Der Vater der Beklagten ist ausdrücklich und eindeutig im Mietvertrag als Mieter genannt. Auch ist dort eine Adresse angegeben, die unstreitig auch heute noch korrekt ist. Es wäre daher für die Klägerseite unproblematisch möglich gewesen, die Kündigung auch gegenüber Herrn auszusprechen, Gründe, diesen aus dem Mietverhältnis vorzeitig zu entlassen, bestanden und bestehen zudem nicht. Denn das wirtschaftliche Interesse, einen weiteren, insbesondere solventen Schuldner zu haben, bestand und besteht weiterhin fort. Zudem wurden während der Mietzeit auch von keiner Seite entsprechende Schritte eingeleitet.
Allein die Tatsache, dass Herr nur zu Sicherungszwecken im Mietvertrag als Mieter aufgenommen wurde, begründet den Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht. Denn diese Sicherungsposition besteht allein im Interesse der Vermieterseite.
II.
Die Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in S. 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf S. 709 ZPO.