Klarheit im Mietrecht: Unwirksamkeit von Kündigungen bei unklaren Mietrückständen
Das Mietrecht ist ein komplexes Rechtsgebiet, das sowohl Vermieter als auch Mieter betrifft. Ein kürzlich ergangenes Urteil des LG Heidelberg hat erneut die Bedeutung klarer und präziser Kommunikation zwischen den Vertragsparteien hervorgehoben, insbesondere wenn es um das heikle Thema Kündigung geht.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Kündigung Wohnraummietvertrag: Unwirksamkeit bei unklaren Mietrückständen.
- LG Heidelberg entschied, dass Kündigungen ohne klare Angaben zu Mietrückständen unwirksam sind.
- Klärungsbedarf: Kündigungsschreiben muss Mieter ermöglichen, Zahlungsrückstand auf Richtigkeit zu überprüfen.
- Formelle Anforderungen: Kündigungen müssen gemäß § 569 Abs. 4 BGB hinreichende Angaben enthalten.
- Problem: Klägerin legte Mietrückstände nicht klar dar, insbesondere den Anfangssaldo.
- Klägerin vs. Beklagte: Klägerin stützte Kündigungen auf unbegründete Mietrückstände; Beklagte wies diese zurück.
- Urteil: Anwendung bereits geklärter höchstrichterlicher Maßstäbe auf den konkreten Fall.
Übersicht
Die Kündigungsproblematik
Das Gericht hatte sich mit einem Fall zu befassen, in dem es um die Kündigung eines Wohnraummietvertrags wegen angeblicher Mietrückstände ging. Die Kündigungen, die am 18.01.2022 und 07.02.2022 ausgesprochen wurden, wurden als formal unwirksam erachtet. Der Hauptgrund hierfür war, dass sie nicht die notwendigen Angaben gemäß § 569 Abs. 4 BGB enthielten. Die Klägerin, in diesem Fall die Vermieterin, hatte es versäumt, die Rückstände monatsbezogen und in Bezug auf verschiedene Posten wie Nettomiete und Vorauszahlungen klar darzulegen.
Die Bedeutung klarer Kommunikation
Ein zentrales Problem war, dass die in den Kündigungsschreiben gemachten Angaben der Mieterin nicht ermöglichten, den behaupteten Zahlungsrückstand auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen. Obwohl die Mieterin genau wusste, welche Miete sie schuldete und welche Zahlungen sie geleistet hatte, waren die Angaben in den Kündigungsschreiben unzureichend. Dies unterstreicht die Notwendigkeit für Vermieter, bei der Kommunikation von Mietrückständen und Kündigungen präzise und transparent zu sein.
Die Tragweite des Urteils
Das Gericht stellte fest, dass die fristlose Kündigung vom 12.08.2022 ebenfalls wirksam war. Es wurde jedoch betont, dass die von der Klägerin vorgelegte Forderungsaufstellung für die betreffenden Monate nicht nachvollziehbar war. Insbesondere konnte die Klägerin nicht klar darlegen, wie sich ein Anfangssaldo zulasten der Beklagten von 3.063,55 Euro zusammensetzte. Dieser Punkt wurde von der Beklagten, der Mieterin, ständig beanstandet.
Darüber hinaus wurde kritisiert, dass die Klägerin den Einwänden der Beklagten gegen die erhöhte Gesamtmiete weder vor Gericht noch außergerichtlich entgegengetreten war. Die Klägerin hat auch nicht erläutert, warum sie Erhöhungen der Vorauszahlungen verlangte, die von den tatsächlichen Abrechnungen erheblich abwichen.
Bedeutung und Auswirkungen
Das Urteil des LG Heidelberg unterstreicht die Bedeutung klarer Kommunikation und Transparenz im Mietrecht. Es betont, dass Vermieter bei der Geltendmachung von Mietrückständen und der Aussprache von Kündigungen präzise und transparent sein müssen. Andernfalls riskieren sie, dass ihre Kündigungen als unwirksam erachtet werden. Dieses Urteil dient als wichtige Erinnerung für Vermieter, ihre Kommunikation und Dokumentation sorgfältig zu handhaben, um rechtliche Komplikationen zu vermeiden.
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✔ Kündigung wegen Mietrückständen – kurz erklärt
Ein Vermieter kann das Mietverhältnis fristlos kündigen, wenn der Mieter mit der Zahlung der Miete in Verzug gerät. Gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3a BGB ist eine fristlose Kündigung möglich, wenn der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist. Dies bedeutet konkret, dass der Mieter mit einem Rückstand von zwei Monatsmieten oder – über einen Zeitraum von zwei aufeinanderfolgenden Terminen – mit mehr als einer Monatsmiete in Verzug sein muss. Eine vorherige Abmahnung des Mieters ist in diesem Fall nicht erforderlich. Es ist jedoch wichtig, dass die Kündigung die Mietrückstände genau benennt und begründet wird.
Das vorliegende Urteil
LG Heidelberg – Az.: 5 S 3/23 – Urteil vom 22.06.2023
In dem Rechtsstreit wegen Räumung und Herausgabe hat das Landgericht Heidelberg – 5. Zivilkammer – am 22.06.2023 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25.05.2023 für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 15.11.2022 – 21 C 51/22 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Heidelberg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um einen von der Klägerin geltend gemachten Räumungsanspruch.
Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagte Mieterin der Wohnung im Dachgeschoss des Anwesens ### in ###. Bis Oktober 2019 betrug die Grundmiete 452,93 Euro zuzüglich einer Betriebskostenvorauszahlung von 81 Euro, einer Heizkostenvorauszahlung von 96 Euro und der Miete für den Stellplatz in Höhe von 8 Euro, in der Summe 627,93 Euro. Die Klägerin erklärte die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses durch Schreiben vom 18.01.2022 (Anlage K2, I 4) und durch Klageschrift vom 07.02.2022. Die Klägerin führte darin aus:
„Der für die Kündigung wegen Zahlungsverzuges maßgebliche reine Mietrückstand beläuft sich auf einen Betrag von 2.088,98 Euro. Die monatliche Mietzinszahlungsverpflichtung beträgt 693,93 Euro. […] Wir weisen zudem darauf hin, dass über den mitgeteilten reinen Mietrückstand hinaus weitere Forderungen aus dem Mietverhältnis (für den Zeitraum 11/2019- 01/2022) offen sind. Die Gesamtforderung unserer Mandantin beläuft sich derzeit auf einen Betrag von 2.427,62 Euro“.
Dem Kündigungsschreiben lag eine Forderungsaufstellung bei, die per 01.12.2021 mit einer Sollstellung zulasten der Beklagten in Höhe von 3.063,55 Euro beginnt und per 03.02.2022 mit einem Abschlusssaldo von 2.456,62 Euro endet (I 6).
Mit Schriftsatz vom 12.08.2022 erklärte die Klägerin erneut eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung wegen eines Mietrückstands von November 2019 bis August 2022 in Höhe von 752,93 Euro (I 41 mit Forderungsaufstellung I 43).
Die Klägerin hat vorgetragen, mit der Betriebskostenabrechnung 2018 vom 14.08.2019 habe sie die Betriebskostenvorauszahlung um 27,00 Euro auf 108,00 Euro monatlich erhöht, so dass ab Oktober 2019 eine Gesamtmiete von 664,93 Euro geschuldet gewesen sei. Mit der Heizkostenabrechnung 2019 vom 20.05.2020 habe sie die Heizkostenvorauszahlung um 29,00 Euro auf 125,00 Euro monatlich erhöht, so dass ab Juli 2020 eine Gesamtmiete von 693,93 Euro geschuldet gewesen sei. Mit der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2021 vom 21.06.2022 habe sie die Betriebskostenvorauszahlung um 7,00 Euro auf 115,00 Euro monatlich erhöht, so dass seit August 2022 eine Nutzungsentschädigung von 700,93 Euro geschuldet gewesen sei.
Die Beklagte hat erwidert, die Kündigungen vom 18.01.2022 und vom 07.02.2022 seien formell unwirksam, weil nicht dargelegt werde, auf welchen Minderzahlungen die Forderung beruhe. Wegen Nachforderungen von lediglich 258,43 Euro (Betriebskostenabrechnung 2018), 100,96 Euro (Heizkostenabrechnung 2019) und 21,87 Euro (Betriebskostenabrechnung 2021) seien die Erhöhungen der Vorauszahlungen nicht begründet und von der Beklagten nicht anerkannt worden. Die Heizkostenabrechnung 2021 habe nach von der Klägerin anerkannten Einwendungen der Beklagten zu einem Guthaben von 7,99 Euro geführt. Die Heizung sei im November und Dezember 2018 weitgehend nicht funktionsfähig gewesen, eine Minderung von 165,45 Euro sei angemessen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Kündigungen vom 18.01.2022 und 07.02.2022 seien bereits formal unwirksam, da sie keine hinreichenden Angaben im Sinne des § 569 Abs. 4 BGB enthielten. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Zeiträume und Erhöhungen von Betriebskostenvorauszahlung und Heizkostenvorauszahlung wäre zu erwarten gewesen, dass die Klägerin jeweils monatsbezogen die Rückstände bei der Nettomiete, bei den Vorauszahlungen sowie die aufaddierten Gesamtrückstände angebe.
Die Angaben im Kündigungsschreiben seien aber unzureichend, da sie der Gekündigten gerade nicht ermöglichten, den Zahlungsrückstand auf seine Stichhaltigkeit hin zu überprüfen. Die fristlose Kündigung vom 12.08.2022 sei materiell unwirksam: Der Rückstand in Höhe von 752,93 Euro setze sich aus Teilbeträgen aus mehreren Monaten zusammen und erreiche keine zwei vollen Monatsmieten. Auch die hilfsweise ordentliche Kündigung sei unwirksam, weil keine erhebliche Pflichtverletzung der Beklagten vorliege. Zwar übersteige der (behauptete) Rückstand von 752,93 Euro eine volle Monatsmiete. Jedoch wäre die Erhöhung der Heizkostenvorauszahlung ab Juli 2020 bis August 2022 aufgrund der Nachforderung von 100,96 Euro nur in Höhe von 8,41 Euro (statt 29 Euro) monatlich berechtigt gewesen. Selbst bei einer Verdoppelung dieses Betrags hätte die Beklagte jedenfalls 12 Euro pro Monat nicht geschuldet. Bei Abzug von 312,00 Euro (26 Monate) würde sich der Mietrückstand auf 440,93 Euro reduzieren und läge damit unter einer vollen Monatsmiete.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Räumungsbegehren weiter. Die Kündigungserklärungen vom 18.01.2022 und 07.02.2022 genügten den Begründungserfordernissen. Es reiche aus, dass der Vermieter den Zahlungsverzug als Grund benenne und angebe, von welchem Mietrückstand er ausgehe. Weitere Informationen benötige die Beklagte nicht, um den Kündigungsgrund auf seine Stichhaltigkeit hin zu überprüfen. Denn sie wisse, welche Miete geschuldet gewesen sei und welche Zahlungen sie erbracht habe. Der Klageschrift sei zudem ein Mieterkontoauszug beigefügt gewesen, aus dem der Gesamtrückstand hervorgegangen sei. Auch im Falle einer schwierigen Sachlage dürften die Anforderungen an die Begründung der Kündigung nicht überspannt werden. Die fristlose Kündigung vom 12.08.2022 sei ebenfalls wirksam. Aus dem (neuen) Mieterkontoauszug (I 43) ergebe sich deutlich, dass ein Rückstand entstanden gewesen sei, der die Summe von zwei Monatsmieten überstiegen habe. Die Beklagte habe den Rückstand zu keinem Zeitpunkt ausgeglichen. Jedenfalls wäre die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung wirksam. Das Zahlungsverhalten der Beklagten erweise sich als erhebliche Pflichtverletzung.
Über Jahre habe die Beklagte die geschuldete Miete nicht wie geschuldet erbracht. Der Mietrückstand erweise sich Monat für Monat als erheblich.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 15.11.2022, 21 C 51/22, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Wohnung im Hause ‚in im Dachgeschoss rechts, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Diele, Bad (70,77 qm) nebst Kellerraum geräumt an die Klägerin herauszugeben, hilfsweise die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, der Kontoauszug der Klägerin beginne mit einer willkürlichen Sollstellung von 3.063,55 Euro, auch der Saldo von 2.088; 98 Euro sei anhand des Kontoauszugs nicht nachvollziehbar.
Die Beklagte habe sich immer wieder – auch gerichtlich – gegen die Forderungsaufstellungen der Klägerin gewehrt und in der Klageerwiderung eine aus ihrer Sicht richtige Forderungsaufstellung vorgelegt, wonach sich ein Saldo in Höhe von 19,52 Euro ergebe (I 16-18). Der behauptete Zahlungsrückstand von 752,93 Euro erreiche keinesfalls die Schwelle von zwei Monatsmieten. Jedenfalls sei wegen der ständigen Korrekturen der Klägerin und des Streits um Minderungen erforderlich darzulegen, auf welche Zeiträume sich die Rückstände jeweils beziehen sollen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien, wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die amtsgerichtliche Akte Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Angriffe der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Wederzeigt die Klägerin auf noch ist sonst ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO) oder dass von der Kammer zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 513 Abs. 1,529 ZPO).
1. Die Kündigungen vom 18.01.2022 und 07.02.2022 sind nicht nur, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, formell, sondern darüber hinaus auch materiell unwirksam. Ein zur Kündigung berechtigender Zahlungsrückstand ist weder formell (§ 569 Abs. 4 BGB) in der Kündigungserklärung (Anlage K2,14) noch materiell (§§ 543 Abs. 2 Nr. 3, 569 Abs. 3 BGB) schlüssig dargelegt.
Die mit der Kündigung übersandte Forderungsaufstellung der Klägerin (I 6) weist für die Monate Dezember 2021 bis Februar 2022 jeweils – insoweit noch nachvollziehbar – eine Differenz von 29 Euro (entsprechend der erhöhten Heizkostenvorauszahlung) aus. Woraus sich jedoch der Anfangssaldo zulasten der Beklagten von 3.063,55 Euro ergeben soll, hat die Klägerin weder dort noch im hiesigen Rechtsstreit ansatzweise dargelegt, obwohl die Beklagte dies durchweg beanstandet hatte. Dementsprechend ist nicht nachvollziehbar, wie sich die als Kündigungsgrund aufgeführten Mietrückstände von 2.088,98 Euro und 2.427,62 Euro errechnen könnten.
Ebenso erkennbar unzutreffend ist die undifferenzierte Angabe in der Kündigungserklärung,“[d]ie monatliche Mietzinszahlungsverpflichtung beträgt 693,93 Euro“. Den Einwendungen der Beklagten gegen die erhöhte Gesamtmiete ist die Klägerin weder vorgerichtlich noch gerichtlich in irgendeiner Weise entgegengetreten. Insbesondere geht sie mit keinem Wort auf die – berechtigten – Einwände der Beklagten gegen die Erhöhungen der Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen ein, sondern legt diese unbeirrt und den umfangreichen vorgerichtlichen Schriftverkehr (Anlagen B1 bis B9, I 19 ff.) gänzlich ignorierend weiterhin ihren Forderungsaufstellungen zugrunde. Nicht ansatzweise, geschweige denn plausibel legt die Klägerin dar, weshalb sie Erhöhungen der Vorauszahlungen verlangt, die von den jeweils zugrundeliegenden Abrechnungen erheblich abweichen (vgl. hierzu BGH NJW 2011, 3642 Rn. 19).
Letztlich bleibt aufgrund des unsubstantiierten, in weiten Teilen durch nichts belegten und auch widersprüchlichen Vortrag der Klägerin mit verschiedenen Mietrückständen und einer im Ausgangspunkt nicht ansatzweise begründeten Sollstellung von 3.063,55 Euro vollkommen unklar, wie hoch der konkrete Zahlungsrückstand, auf den die Klägerin ihre Kündigungen stützt, sein und auf welche Zeiträume sich dieser beziehen soll (zu diesem Erfordernis in Fällen wie dem vorliegenden BGH NJW 2010, 3015 Rn. 37, 39).
2. Auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 12.08.2022 ist mangels erheblichen Zahlungsrückstands (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB) der Beklagten unwirksam. Legt man vielmehr die, wie vorstehend ausgeführt, berechtigten Einwendungen der Beklagten gegen die Vorauszahlungserhöhungen zugrunde, ergeben sich – bereits rein rechnerisch, im Vergleich zu den Nachforderungsbeträgen in den jeweiligen Abrechnungen – monatliche Zuvielforderungen der Klägerin ab Oktober 2019 von 5,46 Euro (27,00 Euro – 21,54 Euro), ab Juli 2020 von weiteren 20,59 Euro (29,00 Euro – 8,41 Euro; Summe 26,05 Euro) und ab August 2022 von weiteren 5,18 Euro (7,00 Euro – 1,82 Euro; Summe 31,23 Euro). So ergibt sich eine Zuvielforderung der Klägerin im Zeitraum Oktober 2019 bis August 2022 von 731,62 Euro. Die Forderungsaufstellung der Klägerin (I 43) mit einem Saldo von 752,93 Euro ist somit weitestgehend obsolet. Ein Zahlungsrückstand beläuft sich auf allenfalls 21,31 Euro – und dies noch ohne Berücksichtigung der von der Beklagten geltend gemachten Minderung. Dieser berechtigt unter keinen Umständen zur Kündigung.
3. Das Gebaren der Klägerin gibt der Kammer Anlass, auf die zivilprozessuale Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) und die strafrechtlichen Folgen der vorsätzlichen Verfolgung nicht bestehender Ansprüche (§§ 240 Abs. 1, Abs. 3, 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB) hinzuweisen. Dies betrifft nicht nur die konkret tätig gewordenen Mitarbeiter, sondern auch die Geschäftsführer der Klägerin, die entweder selbst oder durch Gewährleistung einer geeigneten Organisationsstruktur sicherzustellen haben, dass Ansprüche, vor allem Räumungsansprüche, – erst recht gerichtlich – nur geltend gemacht werden, wenn diese auch bestehen (könnten) und nicht erkanntermaßen ausgeschlossen sind, und schließt auch die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein.
Der Ausspruch von Kündigungen, das vorgerichtliche Räumungsverlangen, die Räumungsklage und die Berufung der Klägerin, die erkennbar substanzlose, durch nichts belegte, willkürlich gegriffen erscheinende Mietrückstände behaupten, sind durch nichts zu rechtfertigen. Dies gilt erst recht, soweit sich diese auf die Erhöhung von Vorauszahlungen stützen, bei denen die Klägerin spätestens aufgrund der vorgerichtlichen Korrespondenz des Beklagtenvertreters positive Kenntnis davon hatte, dass sie offensichtlich unberechtigt waren.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
6. Gründe für die Zulassung der Revision waren nicht gegeben. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das Urteil beruht auf der Anwendung von höchstrichterlich bereits geklärten Maßstäben auf einen konkreten Einzelfall.