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Mahnbescheid – Ersatzansprüche des Vermieters

Hinreichende Individualisierung der Ansprüche

OLG Stuttgart – Az.: 5 U 540/19 – Beschluss vom 06.03.2020

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 11.10.2019, Az. 17 O 557/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 3.4.2020.

Gründe

I.

Der Kläger verfolgt gegen die Beklagte Ersatzansprüche aus einem beendeten gewerblichen Mietvertrag. Die Beklagte wendet im Wesentlichen die Verjährung der Ansprüche ein. Der Kläger ist Eigentümer von im ersten Obergeschoss des Bürogebäudes R. Straße .. in O. gelegenen Büroflächen. Mit Vertrag vom 4./11.6.2012 (Anl. K1) vermietete er diese an die Beklagte.

Am 16.5.2018 gab die Beklagte die Mietsache an den Kläger zurück. Anlässlich der Rückgabe fertigten die Parteien ein von beiden Parteien unterzeichnetes Protokoll (Anl. K2), das in Ziff. 3 die Feststellung bestimmter Mängel enthielt. Zudem war ihm eine handschriftliche Anlage beigefügt, in der die Mängel nochmals beschrieben worden sind. Mit anwaltlichem Schreiben vom 2.8.2018 (Anl. K3) forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zur Beseitigung der Mängel sowie zur Entfernung eines Serverschranks und einer Küchenzeile auf. Für den Fall des Fristablaufes kündigte der Kläger an, die Mängel selbst beseitigen zulassen. Für Art und Umfang der geltend gemachten Mängel wird auf dieses Schreiben sowie das Übergabeprotokoll verwiesen. Mit weiterem Schreiben vom 27.9.2018 (Anl. K5) forderte der Kläger nochmals erfolglos zur Mangelbeseitigung auf. Zugleich kündigte er an, dass die Beklagte andernfalls mit Ersatzvornahmekosten i. H. v. ca. EUR 10.000,00 zu rechnen habe. Zudem habe sie den Mietausfall zu tragen.

Am 16.11.2018 beantragte der Kläger beim Amtsgericht Stuttgart den Erlass eines Mahnbescheides. Die Hauptforderung i. H. v. EUR 17.283,00 bezeichnete er in dem Mahnantrag mit „Schadensersatz aus MIET-Vertrag vom 2.11.2018“. Das Amtsgericht erließ den Mahnbescheid am 19.11.2018. Er wurde der Beklagten am 22.11.2018 zugestellt. Am 23.11.2018 ging ein Widerspruch der Beklagten ein.

Am 3.4.2019 wurde das Verfahren deshalb antragsgemäß an das Landgericht Duisburg abgegeben, welches das Verfahren mit Beschluss vom 22.5.2019 an das Landgericht Stuttgart verwies.

Der Kläger trug vor, dass die in dem Übergabeprotokoll benannten Mängel tatsächlich bestünden. Ihre Beseitigung werde Kosten i. H. v. EUR 17.283,00 verursachen. Er war ferner der Auffassung, dass seine Schadensersatzansprüche nicht verjährt seien. Der Mahnantrag vom 16.11.2018 sei hinreichend individualisiert gewesen.

Der Kläger beantragte:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag i. H. v. EUR 17.283,00 netto nebst 9 %-Punkte über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

Sie war der Auffassung, dass die Schadensersatzansprüche aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht bestünden. Im Übrigen erhob sie die Einrede der Verjährung. Die Verjährungsfrist habe mit dem Tag der Rückgabe, dem 16.5.2018, begonnen. Gemäß § 548 Abs. 1 S. 1 BGB betrage die Verjährungsfrist sechs Monate. Das von dem Kläger durchgeführte Mahnverfahren habe die Verjährung nicht hemmen können. Die behaupteten Schadensersatzansprüche seien in dem Mahnantrag nicht hinreichend individualisiert worden.

Wegen des Vortrags der Parteien im Übrigen wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts vom 11.10.2019 verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche gemäß § 214 Abs. 1 i. V. m. § 548 Abs. 1 S. 1 BGB verjährt seien. Die in § 548 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmte Verjährung der Ersatzansprüche des Vermieters finde auf die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche Anwendung. Die Verjährung sei bis zur Klageerhebung am 8.5.2019 nicht gehemmt gewesen. Eine wirksame Hemmung folge nicht aus § 203 BGB. Denn eine Hemmung wegen Verhandelns sei in jedem Fall mit Verstreichenlassen der von dem Kläger in seinem weiteren Schreiben vom 27.9.2018 bis zum 15.10.2018 gesetzten Frist zur Mangelbeseitigung beendet. Unter Hinzurechnung der Frist des § 203 S. 2 BGB habe die Hemmung am 25.1.2019 geendet.

Auch der Mahnbescheid vom 16.11.2018 habe die Verjährung nicht hemmen können. Denn der Mahnantrag habe den geltend gemachten prozessualen Anspruch nicht gem. § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hinreichend bezeichnet, d. h. nicht hinreichend individualisiert. Für die Beklagte sei aufgrund des Mahnbescheids nicht erkennbar gewesen, welche Ansprüche geltend gemacht würden.

Zwar habe sie gewusst, dass der Kläger Ansprüche auf Schadensersatz und Mängelbeseitigung geltend mache. Allerdings sei aus Sicht der Beklagten offen gewesen, welche Mängel oder Schäden von der Geltendmachung genau erfasst gewesen seien. Ferner sei für die Beklagte unklar geblieben, mit welcher Höhe die jeweiligen Ansprüche von dem Kläger in Ansatz gebracht worden seien. Zudem sei der Unterschied zwischen den im Mahnverfahren verfolgten EUR 17.283,00 und den zuvor angekündigten Kosten i. H. v. ca. EUR 10.000,00 für die Beklagte nicht erkennbar gewesen. Denkbar wäre es aus der Perspektive der Beklagten auch gewesen, dass der Kläger weitere, der Beklagten bislang nicht bekannte Schadensersatzpositionen in seine Forderung einbeziehe.

Wenn ein Mahnantrag mehrere Einzelansprüche zu einer Summe zusammenfasse, müssten die jeweiligen Einzelansprüche individualisierbar sein. Es habe auch kein vorprozessuales Anspruchsschreiben oder eine sonstige Forderungsaufstellung des Klägers gegeben, auf das in einer zur Individualisierung geeigneten Weise Bezug genommen worden sei. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts Bezug genommen. Mit seiner Berufung vom 6.11.2019 verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Der Kläger beantragt: unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 11.10.2019, Az. 17 O 557/19, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag i. H. v. EUR 17.283,00 nebst 9 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Er stellt das Urteil des Landgerichts Stuttgart zur vollen Überprüfung durch das Berufungsgericht. Das Landgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass ein Schadensersatzanspruch des Klägers verjährt sei. Die Verjährung sei durch den Mahnbescheid wirksam gehemmt gewesen. In dem Mahnantrag sei der Anspruch so hinreichend unterschieden und abgegrenzt worden, dass der Beklagten die Beurteilung möglich sei, ob und wie sie sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen wolle oder nicht. Da es sich bei dem Mietverhältnis um das einzige zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis gehandelt habe und der Beklagten die streitgegenständlichen Mängel infolge des außergerichtlichen Schriftwechsels bekannt gewesen seien, sei ihr auch bekannt gewesen, um was für Ansprüche es sich gehandelt habe. Einer weiteren Individualisierung habe es im Mahnantrag nicht bedurft. Im Übrigen wird auf das weitere Vorbringen des Klägers in seiner Berufungsbegründung vom 15.1.2020 verwiesen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers seien verjährt. Durch die Zustellung des Mahnbescheids habe die Verjährung nicht gehemmt werden können. Zum einen sei der Mietvertrag in dem Mahnantrag falsch bezeichnet worden. Zum anderen seien die Einzelforderungen in dem Mahnantrag nicht hinreichend individualisiert worden. Zwar könne zur Individualisierung auch eine Bezugnahme auf Schriftstücke geeignet sein; diese müssten dem Mahnbescheid dann jedoch in Abschrift beigefügt oder dem Gegner bereits zugegangen sein. Beides sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Namentlich habe es kein vorgerichtliches Schreiben des Klägers gegeben, auf das er zur Individualisierung seiner Ansprüche hätte Bezug nehmen können. Bei den geltend gemachten Ansprüchen handele es sich um mehrere Einzelansprüche, bei den zur hinreichenden Individualisierung gehöre, dass ihre Zusammensetzung aus dem Mahnbescheid erkennbar sei. Im Übrigen vertieft und wiederholt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Vortrag.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers hat nach übereinstimmender Auffassung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg; die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts und eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO). Eine offensichtlich fehlende Erfolgsaussicht ist dann anzunehmen, wenn für jeden Sachkundigen ohne längere Nachprüfung erkennbar ist, dass die vorgebrachten Berufungsgründe das Urteil nicht zu Fall bringen können. Nach diesem Maßstab ist die Berufung des Klägers offensichtlich unbegründet.

Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Ansprüche des Klägers auf Schadensersatz wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache gemäß §§ 546, 280 Abs. 1 BGB – ihr Bestehen unterstellt – verjährt sind.

a) Die Verjährungsfrist richtet sich vorliegend nach § 548 Abs. 1 S. 1 BGB. Bei den von dem Kläger verfolgten Schadensersatzansprüchen handelt es sich um solche wegen Veränderung und verschuldeter Verschlechterung der Mietsache im Sinne dieser Vorschrift. Jeder der vorgetragenen Ansprüche ist entweder auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, auf die Erfüllung einer von der Beklagten übernommenen Instandhaltungspflicht bzw. auf Schadensersatz wegen deren Nichterfüllung gerichtet. Diese Ansprüche fallen in den gegenständlichen Anwendungsbereich von § 548 Abs. 1 S. 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 08. Januar 2014 – XII ZR 12/13 –, Rn. 15, juris, BGH, Urteil vom 23. November 1994 – XII ZR 150/93 –, Rn. 18, juris).

b) Gemäß §§ 548 Abs. 1 S. 2, 200 S. 1 BGB beginnt die Verjährung mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass dies am 16.5.2018 der Fall war. Der Rückgabezeitpunkt folgt zudem aus dem von den Vertretern beider Parteien unterzeichneten Übergabeprotokoll vom 16.5.2018 (Anl. K2).

c) Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 548 Abs. 1 S. 1 BGB sechs Monate. Ohne Berücksichtigung von Hemmungstatbeständen wäre der Anspruch mithin gem. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 S. 1 ZPO bereits mit Ablauf des 16.11.2018 verjährt.

d) Die Verjährung vermochte nicht gemäß § 203 S. 1 BGB durch zwischen den Parteien schwebenden Verhandlungen wirksam gehemmt zu werden. Inwieweit dies zwischen den Parteien aufgrund ihrer vorgerichtlichen Korrespondenz der Fall war, kann im Ergebnis dahinstehen. Denn nach § 203 S. 1 BGB wird die Verjährung durch schwebende Verhandlungen nur so lange gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Der Verweigerung durch eindeutige Erklärung steht das Einschlafenlassen der Verhandlungen gleich, bei dem die Verjährungshemmung zu dem Zeitpunkt endet, zu dem unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben mit dem nächsten Verhandlungsschritt der anderen Seite zu rechnen gewesen wäre (BGH, Urteil vom 08. November 2016 – VI ZR 594/15 –, Rn. 16, juris, BGH, Urteil vom 05. Juni 2014 – VII ZR 285/12 –, Rn. 16, juris). Vorliegend hat die Beklagte dem Kläger bereits mit Schreiben vom 15.8.2018 (Bl. 30) mitgeteilt, dass sie dessen Forderung nach der Beseitigung von Mängeln und zur Durchführung von Restarbeiten zurückweise und davon ausgehe, dass die Angelegenheit hiermit ihr Bewenden gefunden habe. Wenn der Kläger die Beklagte sodann in Kenntnis dieses Schreibens mit weiterem Schreiben vom 27.9.2018 (Anl. K5) nochmals unter Fristsetzung bis zum 15.10.2018 zur Beseitigung der Mängel aufforderte, so musste er spätestens mit erfolglosem Ablauf dieser Frist erkennen, dass die Beklagte – wie mit Schreiben vom 15.8.2018 ausdrücklich angekündigt – auf ihrer Position besteht und weitere Verhandlungen ablehnt. Der Ablauf der Frist entspricht damit dem in § 203 S. 1 BGB bezeichneten Zeitpunkt, in dem eine Partei die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert, so dass die Hemmung mit Ablauf des 15.10.2018 endete. Die in § 203 S. 2 BGB bestimmte Ablaufhemmung vermochte den Hemmungszeitraum nicht zu verlängern. Denn beim Schweben von Verhandlungen wirkt der Beginn der Hemmung auf den Zeitpunkt zurück, in dem der Gläubiger seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend gemacht hat (vgl. MüKoBGB/Grothe, BGB, 8. Aufl. 2018 Rn. 8). Dies ist vorliegend der 2.8.2018, der Zeitpunkt, in dem der Kläger seine Ansprüche der Beklagten erstmals mitgeteilt hat. Und in diesem Zeitpunkt waren erst ca. zweieinhalb Monate der Verjährungsfrist abgelaufen, so dass nach dem Ende der Hemmung noch ca. dreieinhalb Monate verblieben. Sind bei Ende der Hemmung noch mehr als drei Monate der Verjährungsfrist offen, findet § 203 S. 2 BGB keine Anwendung (vgl. MüKoBGB/Grothe, a. a. O., Rn. 9, Palandt/Ellenberger, BGB, 19. Aufl. 2020, § 203 Rn. 5). Bis zum endgültigen Ablauf der Verjährungsfrist hat der Kläger sodann keine weiteren verjährungshemmenden Maßnahmen mehr ergriffen.

e) Die Verjährung des Anspruchs war auch nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 Fall 1 BGB durch die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren gehemmt. Denn zur Hemmung der Verjährung führt der Mahnbescheid nur unter der Voraussetzung, dass der auf seinen Erlass gerichtete Mahnantrag die gemäß § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erforderliche Bezeichnung des Anspruchs unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung enthält. Der auf den Erlass des Mahnbescheids gerichtete Antrag muss mithin ausreichend individualisiert sein. Dies folgt daraus, dass der Mahnbescheid als Grundlage eines Vollstreckungsbescheids dienen soll, der selbst der Rechtskraft zugänglich ist. Zudem soll er – und dies ist vorliegend entscheidend – dem Schuldner die Beurteilung ermöglichen, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will oder nicht (Musielak/Voit/Voit, 16. Aufl. 2019, ZPO § 690 Rn. 6a, MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl. 2018, BGB § 204 Rn. 32, jeweils m. w. N.). Für die Individualisierung ist keine Substantiierung des mit dem Mahnantrag geltend gemachten Anspruchs oder gar seine Begründung erforderlich. Vielmehr genügt die Bezeichnung des Anspruchs unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung. Der Anspruch muss durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen unterschieden und abgegrenzt werden können (BGH, Urteil vom 23. Januar 2008 – VIII ZR 46/07 –, Rn. 13, juris).

aa) Ausgehend vom Wortlaut des § 690 Abs. 1 S. 3 ZPO kommt es darauf an, dass der Mahnantrag die „Bezeichnung des Anspruchs“ enthält. Anspruch im Sinne dieser Vorschrift ist der den Streitgegenstand bildende prozessuale Anspruch, der aus einem konkreten Lebenssachverhalt abgeleitet ist (BGH, Versäumnisurteil vom 18. Mai 2017 – VII ZR 122/14 –, Rn. 20, juris, BGH, Urteil vom 04. Mai 2005 – VIII ZR 93/04 –, Rn. 15, juris, Staudinger/Peters/Jacoby (2019) BGB § 204, Rn. 13, MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl. 2018, BGB § 204 Rn. 32). Hieraus folgt, dass dann, wenn mit einem Mahnbescheid mehrere prozessuale Einzelansprüche unter Zusammenfassung in einer Summe geltend gemacht werden, die jeweiligen Einzelforderungen nach Individualisierungsmerkmalen und Betrag bestimmt sein müssen (BGH, Urteil vom 23. Januar 2008 – VIII ZR 46/07 –, Rn. 19, juris, BGH, Urteil vom 17. November 2010 – VIII ZR 211/09 –, Rn. 14, juris, BGH, Urteil vom 17. November 2010 – VIII ZR 211/09 –, Rn. 14, juris). Macht der Kläger demgegenüber eine einheitliche Schadensersatzforderung geltend, die sich lediglich aus mehreren unselbständigen Rechnungsposten zusammensetzt, so bedarf es einer Aufschlüsselung der einzelnen Rechnungsposten im Mahnantrag nicht; solange der Schadensersatzanspruch selbst hinreichend individualisiert ist (BGH, Urteil vom 17. November 2010 – VIII ZR 211/09 –, Rn. 14, juris).

bb) Ob mehrere Einzelansprüche oder ein einheitlicher Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden, hängt im Einzelfall von dem jeweiligen Entstehungsgrund der Forderungen ab. Verfolgt ein Kläger Ersatzansprüche wegen verschiedener Mängel, so liegen in aller Regel mehrere Einzelansprüche vor, so dass, um dem Erfordernis der Individualisierung zu genügen, die einzelnen Mängel, aus denen die Ansprüche resultieren, im Mahnantrag zu bezeichnen sind. Sie dürfen nicht lediglich in einer Summe zusammengefasst werden. Einzelne Mängel, auch wenn sie aus ein und demselben Vertragsverhältnis resultieren, sind keine Rechnungsposten eines einheitlichen Anspruchs, sondern Gegenstand verschiedener, aus dem Vertrag abgeleiteter Einzelansprüche. Sie müssen individualisiert werden (BGH, Urteil vom 12. April 2007 – VII ZR 236/05 –, Rn. 45, OLG Celle, Urteil vom 20. März 2014 – 16 U 57/13 –, Rn. 42, juris, Staudinger/ Peters/Jacoby (2019) BGB § 204, Rn. 55, Schmidt-Räntsch in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 204 BGB, Rn. 13, Seibel in: Zöller, 33. Aufl. 2020, § 690 ZPO, Rn. 13, s. auch Grothe, NJW 2015, 17 ff.).

Vorliegend hat der Kläger der Beklagten im Vorfeld des Mahnverfahrens mit Schreiben vom 2.8.2018 die dort genannten sieben Mängel mitgeteilt und zur Beseitigung derselben aufgefordert. Zudem hatte er die Beklagte aufgefordert, den Serverschrank und die Küchenzeile zu entfernen. Hierbei handelt es sich jeweils um unterschiedliche „Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache“ i. S. v. § 548 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie betreffen jeweils unterschiedliche tatsächliche Entstehungssachverhalte (behauptet fehlerhafte Malerarbeiten, behauptete Beschädigungen von im Eigentum des Vermieters stehenden Sachen, behauptete Verunreinigung von im Eigentum des Vermieters stehenden Sachen, Rückbauverpflichtung). Die Entstehungssachverhalte sind miteinander auch nicht durch ein bestimmtes, sie auslösendes Ereignis miteinander verknüpft, wie es z. B. bei einem Unfallereignis, aus dem mehrere Schadenspositionen geltend gemacht werden, der Fall ist. Vielmehr erfolgte die Entstehung der einzelnen Ansprüche gegenständlich und zeitlich jeweils voneinander unabhängig.

Hinzu kommt, dass der Kläger auch in rechtlicher Hinsicht verschiedene „Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache“ verfolgt. So handelt es sich bei dem Anspruch wegen der behaupteten mangelhaften Malerarbeiten um einen solchen wegen fehlerhafter Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsarbeiten (Schönheitsreparaturen), bei dem Ansprüchen wegen der beschädigten Gegenstände um einen Ersatzanspruch wegen vertragswidrigen Gebrauchs in Form der Beschädigung der Mietsache, bei dem die Küche und den Serverschrank betreffenden Positionen um Ansprüche auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands (siehe hierzu die Übersicht bei: Lützenkirchen in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 548 BGB, Rn. 11).

Nach alldem verfolgte der Kläger mit seinem Mahnantrag verschiedene Einzelansprüche im Sinne der vorbezeichneten Differenzierung. Die Möglichkeit der Geltendmachung mehrerer Einzelansprüche ist in § 548 Abs. 1 S. 1 BGB im Übrigen bereits begrifflich angelegt, indem dort die Rede davon ist, dass der Verjährung „die Ersatzansprüche“ unterliegen. Die Norm geht mithin davon aus, dass anlässlich der Rückgabe der Mietsache Ansprüche unterschiedlichster Art und unterschiedlichstem Inhalt gegenüber dem Mieter in Betracht kommen. Im Ergebnis war es der Beklagten nach der Formulierung des Mahnantrages „Ansprüche aus dem MIET-Vertrag vom 2.11.2018“ nicht möglich, zu erkennen, welche Ansprüche in welcher Höhe gegen sie geltend gemacht wurden. Ebenso wenig war es ihr möglich, sich bspw. durch gezielte Einlegung eines Teilwiderspruchs gegen den Mahnbescheid in der Weise zur Wehr zu setzen, dass sie sich lediglich gegen bestimmte Ansprüche zu verteidigt, um andere hingegen gegebenenfalls zu akzeptieren.

cc) Der Kläger kann auch nicht darauf verweisen, dass der Beklagten die Einzelansprüche durch die vorgerichtliche Korrespondenz bereits bekannt gewesen seien. Zwar kann in einem Mahnantrag auf bestimmte Unterlagen, namentlich gerade die vorgerichtliche Korrespondenz Bezug genommen werden. Dabei ist es nicht zwingend erforderlich, dass die in Bezug genommenen Unterlagen dem Mahnantrag tatsächlich in Abschrift beigefügt werden. Für die erforderliche Individualisierung ist es vielmehr hinreichend, dass sich aus der Bezugnahme ergibt, welche Unterlagen gemeint sind. Allerdings muss der Antragsgegner dann auch tatsächlich im Besitz der maßgeblichen Unterlagen sein (BGH, Urteil vom 23. Januar 2008 – VIII ZR 46/07 –, Rn. 18, juris, BGH, Urteil vom 08. Mai 1996 – XII ZR 8/95 –, Rn. 21, juris, Seibel in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 690 ZPO, Rn. 13). Auf all dies kommt es vorliegend jedoch nicht an, da der Kläger eine solche Bezugnahme in seinem Mahnantrag gerade nicht vorgenommen hat. Der Hinweis auf den Mietvertrag selbst – dessen fehlerhaft angegebener Abschlusstag für sich genommen unerheblich ist (BGH, Versäumnisurteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 229/09 –, Rn. 11, juris) – ist insoweit nicht hinreichend, da sich die streitgegenständlichen Forderungen aus diesem nicht ergeben.

Das Erfordernis der Bezugnahme entfällt vorliegend auch nicht etwa deshalb, weil zwischen den Parteien lediglich ein einziges Mietverhältnis bestanden hat und deshalb schlechterdings nur Ansprüche aus diesem in Betracht kommen. Denn der Bezugspunkt der Individualisierung ist nicht das maßgebliche Vertragsverhältnis, sondern der prozessuale Anspruch. Und insoweit hat der Kläger vorgerichtlich bereits selbst darauf hingewiesen, dass anlässlich der Beendigung des Mietverhältnisses mehrere solche prozessuale Ansprüche in Betracht kommen: Bereits im Protokoll vom 16.5.2018 (Anl. K2) hat er darauf hingewiesen, dass er Kläger erwägt, einen Gutachter zu beauftragen, woraus ggf. ein Anspruch auf Aufwendungsersatz resultieren kann. Im Schreiben vom 2.8.2018 verwies der Kläger sodann auf die Kosten der einer beabsichtigten Ersatzvornahme. Und in dem weiteren vorgerichtlichen Schreiben vom 27.9.2018 wies der Kläger schließlich darauf hin, dass er beabsichtige, der Beklagten auch einen eventuellen Mietausfall in Rechnung zu stellen. Der Kläger kündigte mithin bereits vorgerichtlich mehrere voneinander verschiedene prozessuale Ansprüche an, für deren Individualisierung die bloße Bezugnahme auf den Mietvertrag nicht hinreichend ist.

dd) Schließlich tritt eine Individualisierung auch nicht dadurch ein, dass die mit dem Mahnantrag geltend gemachte Forderung des Klägers höher ist als diejenige, die er vorgerichtlich gegenüber der Beklagten in seinem Schreiben vom 27.9.2018 mit einer ungefähren Höhe von EUR 10.000,00 angekündigt hat. Insoweit kann sich der Kläger nicht etwa darauf berufen, dass die höhere Forderung auf der geringeren, angekündigten Forderung beruht und sich quasi als deren Fortschreibung der Höhe nach darstellt. Denn diese Schlussfolgerung ist keineswegs zwingend: Gerade infolge der um ca. zwei Drittel über dem angekündigten Betrag liegenden Forderungshöhe war es der Beklagten nicht möglich, die gegen sie gerichteten Ansprüche eindeutig zuzuordnen.

Der Beklagten blieb es auf diese Weise in Gänze verborgen, welche Umstände zur Erhöhung der angekündigten Forderung geführt haben. So kann ein höherer Betrag daraus resultieren, dass die Beseitigung bzw. die Ersatzvornahme der bekannten Mängel zu jeweils höheren Forderungsbeträgen führen. Ebenso erscheint es denkbar, dass die Erhöhung daraus resultiert, dass der Kläger weitere Mängel festgestellt hat. Möglich erscheint ferner, dass gänzlich andere Ansprüche – vorliegend kommt hierfür der Mietausfall bzw. die Gutachterkosten in Betracht – an der Geltendmachung im Mahnverfahren teilnehmen sollen. All dies sind Umstände, die sich der Beklagten jedenfalls nicht deshalb erschließen müssen, weil der Kläger ihm vorgerichtlich eine bestimmte – geringere – Anspruchshöhe mitgeteilt hatte.

III.

Dem Kläger wird im Hinblick auf die damit verbundene Kostenersparnis (Ermäßigung der Gerichtsgebühr von einer 4,0- auf eine 2,0-Gebühr gemäß Nr. 1221a KV-GKG, entspricht bei einem Streitwert von bis zu EUR 19.000,00 [EUR 638,00]) anheimgestellt, die Berufung innerhalb der gesetzten Frist zurückzunehmen.

 

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