AG Wedding – Az.: 16 C 610/13 – Urteil vom 07.08.2014
1. Das am 13. Mai 2014 verkündete Versäumnisurteil des Amtsgerichts Wedding – 16 C 610/13 – wird aufrechterhalten.
2. Die Klägerin hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung aus diesem Urteil und dem aufrechterhaltenen Versäumnisurteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.010,- € abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird der Beschluss des Amtsgerichts Wilhelmshaven vom 12.06.2014 aufgehoben. Der Obergerichtsvollzieher wird angewiesen, den Auftrag des Gläubigers vom 14.04.2014 auszuführen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung.
Tatbestand
Die Beklagte war mit der Verwaltung von zwei mit Mietshäusern bebauten Grundstücken von Mitgliedern der früheren Eigentümerin dieser Grundstücke – der Erbengemeinschaft nach … – beauftragt. Die Klägerin erhielt am 3. März 2010 den Zuschlag in der zum Zwecke der Auf-hebung dieser Erbengemeinschaft erfolgten Zwangsversteigerung der Grundstücke. Im März teilte die Klägerin der Beklagten schriftlich mit, die Grundstücke durch Zuschlag erworben zu haben und ihre Verwaltung nunmehr selbst zu übernehmen (Bl. 6 d.A.). Die Klägerin und die Erbengemeinschaft verzichteten am 17. Februar 2012 auf gegenseitige Ansprüche.
Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe in ihrer Eigenschaft als Verwalterin der Grundstücke über den Zeitpunkt des Erwerbs der Grundstücke durch die Klägerin hinaus Mieten vereinnahmt. Sie ist der Ansicht, wegen des Eintritts des neuen Eigentümers in bestehende Mietverhältnisse sei die Beklagte durch diese Mieten ungerechtfertigt bereichert. Die Mieten hätten ihr zugestanden, die Beklagte habe sie deshalb an sie – die Klägerin – auskehren müssen. Im Verhältnis zu den Mietern müsse sie deren Mietzahlungen an die Beklagte gegen sich gelten lassen.
Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Mieter, die ihre Mieten nach dem Eigentümerwechsel an die Beklagte fortzahlten, nicht hinreichend über den Eigentumsübergang unterrichtet worden seien, oder einem Irrtum unterlegen hätten.
Aufgrund der Säumnis der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 13. Mai 2014 hat das Amtsgericht Wedding auf Antrag der Beklagten am selben Tage das die Klage abweisende Versäumnisurteil verkündet. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15. Mai 2014 zugestellt worden. Die Klägerin hat mit dem am 15. Mai 2014 bei Gericht eingegangen Schriftsatz Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt.
Die Klägerin beantragt, das Versäumnisurteil vom 13. Mai 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 1. die einbehaltenen Mieten … der Miet-Einheit … für den Zeitraum April, Mai, Juni 2010 iHv. 1.192, 41 € auszukehren, nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2010;
2 die einbehaltenen Mieten … der Miet-Einheit … für den Zeitraum Mai, Juni, Juli, August 2010 iHv. 1.628,- € auszukehren, nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15. September 2010;
3. die einbehaltenen Nebenkosten der Mieter … der Miet-Einheit … für den Zeitraum Januar, Februar, März 2011 iHv. 597,- € auszukehren, nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15. April 2011.
Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.
Die Beklagte behauptet, die Treuhandkonten für beide Grundstücke zum 30. April 2010 geschlossen und darauf befindliche Guthaben ausgezahlt zu haben.
Sie meint, eine Pflicht, die vereinnahmten Mieten auszukehren, habe lediglich gegenüber ihren Auftraggebern bestanden, nicht hingegen gegenüber der Klägerin.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst den eingereichten Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Aufgrund des zulässigen, insbesondere fristgerechten Einspruchs gegen das Versäumnisurteil wurde gemäß § 342 ZPO der Rechtsstreit in die Lage vor der Säumnis zurückversetzt. Das Versäumnisurteil war aufrechtzuerhalten, § 343 ZPO, denn die Klage ist unbegründet.
Der Anspruch der Klägerin auf Auskehrung von etwaigen Mieten, die nach Erwerb der Grundstücke durch die Klägerin von den Mietern an die Beklagte fortgezahlt wurden, ergibt sich aus keiner denkbaren Anspruchsgrundlage, insbesondere nicht aus §§ 812 ff. oder 677, 681 S. 2, 667 oder 100, 99 Abs. 3 BGB.
So steht der Klägerin keine Leistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB gegen die Beklagte zu. Diese hätte zwar durch die Mietzahlungen auf eines ihrer Konten i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB etwas, nämlich einen Auszahlungsanspruch gegen die kontoführende Bank, erlangt.
Die Klägerin hat jedoch unstreitig keine Leistung an die Beklagte erbracht.
Auch eine Nichtleistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB scheidet aus. Die Beklagte ist nämlich lediglich unselbständige Leistungsmittlerin, die als Bereicherungsschuldner nicht in Betracht kommt (vgl. dazu Wendehorst in Beck’scher Online Kommentar zum BGB, 31. Edition Mai 2014, § 812 Rzi. 165 f. m.w.N.). Die Mieter haben, sofern sie nach Erwerb durch die Klägerin weiterhin Mietzahlungen auf das Konto der Beklagten geleistet haben, nicht an die Beklagte geleistet, sondern an den von ihr vertretenen Vermieter. Die Mieter sind nämlich aufgrund ihres Mietverhältnisses gemäß § 535 Abs. 2 BGB verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten. Diese Verpflichtung erfüllen sie, indem sie die Miete auf ein vom Vermieter benanntes Konto überweisen. Die Tilgungsbestimmung, die einer solchen Leistung zugrunde liegt, ist gemäß den Vorschriften über rechtsgeschäftliche Erklärungen (§§ 133, 157 BGB) auszulegen (vgl. Schwab in MünchKomm-BGB, 6. Aufl. 2013, § 812 Rzi. 49 ff. m.w.N.). Ein objektiver Erklärungsempfänger muss die Überweisung der Miete auf ein vom Vermieter benanntes Konto der hausverwaltenden Gesellschaft daher als Leistung an den Vermieter – nicht hingegen als Leistung an die Hausverwaltung – deuten. Dem die Einziehung der Mieten durch die Hausverwaltung in Auftrag gegeben habenden Vermieter stehen dann in aller Regel sowohl vertragliche als auch gesetzliche (vgl. § 667 BGB) Herausgabeansprüche gegen seinen Auftragnehmer zu. Die in diesem Verhältnis geltenden Besonderheiten, wie etwa vertragliche Abreden oder Einwendungen, unterliefe man, wenn man Dritten Direktansprüche gegen die Hausverwaltung als bloßen Leistungsmittler zuerkannte. Da die Beklagte folglich in diesem Mehrpersonenverhältnis bereicherungsrechtlich lediglich als unselbständige Hilfsperson anzusehen ist, scheidet sie als Bereicherungsschuldner aus.
Etwas anderes könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn – was die Klägerin weder behauptet noch darlegt – die Beklagte bei Abschluss der Mietverträge oder Einziehung der Mieten in eigenem Namen und nicht im Namen des Vermieters aufgetreten wäre (vgl. zu dieser Unterscheidung S. Lorenz in: Staudinger, 2007, § 812 Rzi. 33). Die Zahlungen der Mieter könnten dann als Leistung an die Beklagte anzusehen sein. Voraussetzung eines Direktanspruchs gegen die Beklagte wäre in diesem Fall aber außerdem, dass die von den Mietern an die Beklagte bewirkten Mietzahlungen der Klägerin gegenüber wirksam wären, vgl. § 816 Abs. 2 BGB. Auch dies legt die Klägerin nicht dadurch hinreichend klar, dass sie nicht ausschließt, dass die Mieter nicht hinreichend unterrichtet worden seien oder einem Irrtum unterlegen hätten, Tatsachen trägt sie dazu nicht vor.
Die Klägerin könnte das von den Mietern Geleistete demnach allenfalls gemäß § 816 Abs. 2 BGB von ihrer Rechtsvorgängerin – der Erbengemeinschaft nach … herausverlangen. Wegen des Vorrangs der Leistungskondiktion stünde ein solcher Anspruch aber jedenfalls unter der Voraussetzung, dass die von den Mietern an den alten Vermieter bewirkten Mietzahlungen der Klägerin gegenüber wirksam wären, vgl. § 816 Abs. 2 BGB. Andernfalls bliebe es bei dem eine Nichtleistungskondiktion sperrenden Vorrang der Rückforderung durch die jeweiligen Mieter.
Da die Klägerin jedoch die Erbengemeinschaft weder in Anspruch genommen hat noch – angesichts des Verzichts – in Anspruch zu nehmen vermag, kann dahinstehen, ob eine nachträgliche Genehmigung gemäß §§ 185 Abs. 2, 362 Abs. 2 BGB geeignet wäre, die von § 816 Abs. 2 BGB geforderte Wirksamkeit der Leistung herbeizuführen (vgl. dazu Schwab in MünchKomm-BGB, 6. Aufl. 2013, § 816 Rzi. 89 ff.).
Aus dem Anspruchsverzicht der Klägerin gegenüber der Erbengemeinschaft ergibt sich nichts Anderes. Dass damit der Klägerin nicht untersagt wurde, gegen die Beklagte vorzugehen, führt nicht zu einem Anspruch gegen die Beklagte. Andernfalls würde es sich um einen Vertrag zu Lasten Dritter handeln, der nichtig wäre (vgl. BGH Z 61, 361; BGH NJW 2004, 3326, 3327).
Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag, insbesondere nicht aus den §§ 677, 681 S. 2, 667 BGB. Fraglich ist schon, ob die Entgegennahme von Mietzahlungen, also bloßes Dulden von Leistungen Dritter ein Geschäft darstellt (vgl. dazu Domis in: Erman, 13. Aufl. 2011, § 677 Rzi. 2). Selbst wenn die Beklagte nach dem Eigentumsübergang der Grundstücke in einem fremden Rechtskreis tätig wurde und das Geschäft somit als sog. „auch fremdes Geschäft“ zu beurteilen wäre, steht der Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag entgegen, dass die Beklagte infolge eines Auftragsverhältnisses tätig geworden ist, das die Entgeltfrage umfassend regelte (BGH NJW-RR 2004, 81, 83 m.w.N.). Neben einer derartigen Regelung verbleibt auch im Außenverhältnis kein Raum zur Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (Domis in: Erman, 13. Aufl. 2011, § 677 Rzi. 15; BGH NJW-RR 2004, 956). Ebenso wenig wie die Beklagte für eine etwaige Verwaltung der Grundstücke über den Eigentumswechsel hinaus Aufwendungsersatzansprüche gemäß §§ 683 S. 1, 670 BGB gegen die Klägerin geltend machen kann, kann diese Herausgabeansprüche auf Geschäftsführung ohne Auftrag stützen.
Schließlich steht der Klägerin kein Anspruch aus §§ 990 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 987 BGB auf Herausgabe von Nutzungen (vgl. §§ 100, 99 Abs. 3 BGB) gegen die Beklagte zu. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass die Beklagte über den Zeitpunkt des Erwerbs der Grundstücke durch die Klägerin im Besitz der Grundstücke war. Hierfür ist nichts ersichtlich. Zwar kann ein Hausverwalter grundsätzlich Besitzer des von ihm verwalteten Grundstücks sein (vgl. LG Mannheim, WuM 1974, 60). Es ist aber noch nicht einmal behauptet und oder dargetan, dass die Beklagte über den Zeitpunkt des Eigentumswechsels bzw. ihrer Kenntnis hiervon als Verwalterin des Grundstücks aufgetreten ist. Der Umstand allein, dass einzelne Mieter ihre Mieten auf die Konten der Beklagten fortgezahlt haben, macht die Beklagte nicht zur Besitzerin des Grundstücks. Ein Anspruch aus §§ 990 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 987 BGB scheidet demnach ebenfalls aus.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.