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MietenbegrenzungsVO – qualifizierte Rüge des Mieters

LG Berlin, Az.: 67 S 149/17, Beschluss vom 14.09.2017

In dem Rechtsstreit pp. hat die Zivilkammer 67 des Landgerichts Berlin am 14.09.2017 beschlossen:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Klage in Höhe von 706,28 EUR für die den Zeitraum September 2015 bis Februar 2016 betreffenden Ansprüche richtet.

Im Umfang der mit der übrigen Berufung verfolgten Ansprüche in Höhe von 127,54 EUR beabsichtigt die Kammer, den Rechtsstreit auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage einzuholen, ob § 556d BGB in der Fassung des MietNovG vom 21. April 2015 (BGBl. I S. 610) mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.

G r ü n d e :

I.

MietenbegrenzungsVO - qualifizierte Rüge des Mieters
Foto: Piotr Adamowicz/Bigstock

1. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, soweit die Klägerin mit ihr Zahlungsansprüche in Höhe von 706,68 EUR wegen im Zeitraum September 2015 bis Februar 2016 gemäß § 556g Abs. 1 überzahlter Miete verfolgt. Das Amtsgericht hat die darauf gerichtete Klage zutreffend abgewiesen, da die Voraussetzungen der § 556g Abs. 1, Abs. 2 BGB nicht vorliegen.

Unbeschadet der Verfassungsgemäßheit der §§ 556d ff. BGB und der MietenbegrenzungsVO des Berliner Senats vom 28. April 2015 stehen der Klägerin Ansprüche nicht zu, da sie vor diesem Zeitraum entgegen § 556g Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB einen Verstoß gegen die §§ 556d und 556e BGB nicht hinreichend konkret gerügt hat.

§ 556g Abs. 2 Satz 1 BGB schließt Ansprüche, die auf einen Verstoß gegen die §§ 556d und 556e BGB gestützt sind, für Zeiträume vor Ausspruch und Zugang einer qualifizierten Rüge des Mieters aus. An einer solchen Rüge fehlte es hier, auch wenn sich die Klägerin mit Schreiben vom 19. Januar 2016 auf einen Verstoß gegen die „gesetzlichen Vorschriften zur Mietpreisbegrenzung“ berufen hat.

Die in § 556g Abs. 2 Satz 2 BGB begründete Pflicht zur Darlegung konkreter Umstände verlangt, dass der Mieter die Zulässigkeit der vereinbarten Miete vor einer Auseinandersetzung mit dem Vermieter tatsächlich prüft und sich mit den preisbildenden Faktoren in seiner Rüge qualifiziert auseinander setzt (vgl. BT-Drucks. 18/3121, S. 33). Diesen Anforderungen wird das Schreiben der Klägerin vom 19. Januar 2016 nicht gerecht, da es weder die nach ihrer Auffassung zulässige Miete beziffert noch die dafür preisbildenden Faktoren – des Berliner Mietspiegels 2015 – benennt. Nichts anderes folgt aus § 20 Nr. 1 des Mietvertrages vom 20. August 2015, ausweislich dessen im Falle der vollständigen oder teilweisen Unwirksamkeit des Vertrages „die entsprechenden gesetzlichen Regelungen an deren Stelle treten“. Das sind – wie das Amtsgericht zutreffend erkannt hat – die §§ 556d ff. BGB mit ihrer in § 556g Abs. 2 BGB anspruchsbegründend formulierten Verpflichtung zum vorherigen Zugang einer qualifizierten Rüge. Dieser hat die Klägerin nicht genügt. Keine ihr günstigere Beurteilung folgt aus der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB, die nur anwendbar ist, wenn nach Ausschöpfung aller in Betracht kommender Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Auslegungszweifel verbleibt, da mindestens zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar sind (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 14. Juni 2017 – IV ZR 161/16, NJW-RR 2017, 992). Auch daran fehlt es bei der in § 20 Nr. 1 des Mietvertrages getroffenen Regelung.

2. Das Verfahren ist im Übrigen gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen, da die Vorschrift des § 556d Abs. 1 BGB für die mit der Berufung weiter verfolgten und die Monate März bis September 2016 – in Höhe von insgesamt 127,54 EUR – betreffenden Ansprüche entscheidungserheblich und zur Überzeugung der Kammer mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist.

a. Die Frage, ob § 556d Abs. 1 BGB verfassungsgemäß ist, ist für die Entscheidung über die Berufung gegen die Abweisung der von der Klägerin für den Zeitraum März bis September 2016 geltend gemachten Kondiktionsansprüche entscheidungserheblich. Würde die gesetzliche Regelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, wäre die Kammer an einer Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu Gunsten der Klägerin gehindert, während sie der Berufung bei Annahme der Verfassungsmäßigkeit zumindest teilweise stattgeben müsste.

Die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 556g Abs. 1, Abs. 2, 556d Abs. 1 BGB sind für den Zeitraum März bis September 2016 erfüllt. Die Klägerin ist den Anforderungen des § 556g Abs. 2 BGB vor dem genannten Zeitraum gerecht geworden, indem sie die vereinbarte Miethöhe mit den Anwaltsschreiben vom 24. Februar und 6. Juli 2016 hat qualifiziert rügen lassen. Wie die Berufung zu Recht rügt, ist der geltend gemachte Rückforderungsanspruch auch nicht auf die vom Amtsgericht zuerkannte Höhe beschränkt, da für die Ermittlung der gemäß § 556d Abs. 1 BGB zulässigen Miethöhe die ortsübliche Vergleichsmiete maßgeblich ist, für deren Bemessung nicht außer Betracht bleiben durfte, dass die von der Klägerin angemietete Wohnung in Bad und Küche lediglich mit einem Elektroheizkörper ausgestattet war. Da schließlich auch die auf Grundlage des § 556d Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB erlassene MietenbegrenzungsVO des Berliner Senats vom 28. April 2015 (GVBl. 2015, S. 101) trotz der gerügten Begründungsmängel verfassungsgemäß ist (vgl. Bay. VerfGH, Beschl. v. 4. April 2017 – Vf. 3-VII-16, NJW-RR 2017, 777, juris Tz. 27 ff. (zur MiSchuV v. 10. November 2015 (GVBl S. 398, BayRS 400-6-J); LG Berlin, Urt. v. 29. März 2017 – 65 S 424/16, WuM 2017, 666), kommt es für den Erfolg der Berufung, soweit sie den Zeitraum März bis September 2016 betrifft, darauf an, ob § 556d Abs. 1 BGB verfassungsgemäß ist.

b. Die Kammer ist davon überzeugt, dass § 556d BGB gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

Der durch Art. 3 Abs. 1 GG verbürgte allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Zwar ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft und die er so als rechtlich gleich qualifiziert. Diese Auswahl muss er jedoch sachgerecht treffen. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Dabei ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz im Sinne eines stufenlosen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstabs unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (st. Rspr. des BVerfG, vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 29. März 2017 – 2 BvL 6/11, ZIP 2017, 1009 m.w.N.).

Gemessen an diesen Grundsätzen verstößt § 556d BGB zur Überzeugung der Kammer in verfassungswidriger Weise gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Der Gesetzgeber interveniert durch die im MietNovG neu geschaffenen §§ 556d ff. BGB in die Preisbildung bei der Neu- und Wiedervermietung bislang preisfreien Wohnraums. Er hat sich dabei gemäß § 556d Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB auf die Gebiete beschränkt, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist und die zusätzlich von der jeweiligen Landesregierung im Verordnungswege als solche mit angespannten Wohnungsmärkten bestimmt worden sind.

Es kann dahinstehen, ob sich eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung der Vermieter preisfreien Wohnraums bereits daraus ergibt, dass der Bundesgesetzgeber die staatliche Preisintervention zumindest ausweislich des Gesetzeswortlauts nicht allein vom Vorliegen eines angespannten kommunalen Wohnungsmarktes, sondern zusätzlich von der politischen Willensbildung auf Landesebene und der darauf beruhenden Entscheidung der jeweiligen Landesregierung abhängig gemacht hat, von der Ermächtigung des § 556d Abs. 2 Satz 1 BGB zum Erlass einer entsprechenden Verordnung Gebrauch zu machen oder nicht. Diese bloße Verordnungsermächtigung führt im Ergebnis dazu, dass Vermieter in Bundesländern, in denen die Landesregierungen – wie in Sachsen, Sachsen-Anhalt und im Saarland – trotz zumindest nicht auszuschließender Anspannung einzelner kommunaler Wohnungsmärkte weiterhin davon absehen, die bundesgesetzliche Ermächtigung in § 556d Abs. 2 Satz 1 BGB im Verordnungswege umzusetzen oder sich – wie in Nordrhein-Westfalen (vgl. Koalitionsvertrag v. 26. Juni 2017, S. 79) und Schleswig-Holstein (vgl. Koalitionsvertrag v. 16. Juni 2017, S. 93) – sogar dazu entschließen, bereits erlassene Verordnungen wieder aufzuheben, sich gegenwärtig oder zukünftig keiner staatlichen Preisintervention bei der Vermietung preisfreien Wohnraums ausgesetzt sehen. Hingegen unterfallen Vermieter, die wie die Beklagte in einem Bundesland vermieten, in dem die Landesregierung eine auf § 556d Abs. 2 Satz 1 BGB beruhende Verordnung erlassen hat, dem durch § 556d Abs. 1 BGB gesetzlich angeordneten Preisstopp. Ob der Bundesgesetzgeber dadurch in verfassungswidriger Weise gegen das am Gesamtstaat zu messende Gleichheitsgebot verstoßen (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 14. Oktober 2008 – 1 BvF 4/05, BVerfGE 122, 1; Burghardt, in: Leibholz/Rinck, GG, 74. Lieferung Juli 2017, Art. 3 Rz. 221 m.w.N.) und gleichzeitig die Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG sowie die bundesstaatliche Kompetenzverteilung unterlaufen hat, indem er den Landesregierungen als Verordnungsadressaten auch bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 556d Abs. 2 Satz 1 BGB vollständige politische Entscheidungsfreiheit zum Verordnungserlass eingeräumt hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8. Juni 1988 – 2 BvL 9/85, BVerfGE 78, 249), von der die genannten Bundesländer bereits negativ Gebrauch gemacht haben oder voraussichtlich demnächst Gebrauch machen werden, bedarf hier keiner Entscheidung.

Die in § 556d Abs. 1 BGB angeordnete Begrenzung der Neu- und Wiedervermietungsmieten verstößt unabhängig davon, ob bereits die unzureichend gebundene Delegation der Gesetzgebungsmacht des Bundesgesetzgebers auf die Landesexekutive zur Verfassungswidrigkeit führt, in zweifacher Hinsicht und jeweils unabhängig voneinander gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn sie stellt ohne hinreichende sachliche Rechtfertigung einerseits für die Bemessung der zulässigen Neu- und Wiedervermietungsmiete als Bezugsgröße auf die jeweilige – erheblichen regionalen und kommunalen Unterschieden unterworfene – ortsübliche Vergleichsmiete ab und nimmt andererseits gemäß § 556e Abs. 1 BGB diejenigen Vermieter von der Preisintervention des § 556d Abs. 1 BGB bis zur Höhe der Vormiete aus, die die Mietsache vor der Wiedervermietung unter Überschreitung der nunmehr durch § 556d Abs. 1 BGB angeordneten Mietobergrenze vermietet haben.

aa. Die in § 556d Abs. 1 BGB vorgenommene Bemessung der zulässigen Neu- und Wiedervermietungsmiete anhand der ortsüblichen Vergleichsmiete verstößt selbst bei Anlegung eines am Willkürverbot orientierten großzügigen Prüfungsmaßstabs gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Der Gesetzgeber greift durch die in den §§ 556d ff. BGB getroffenen Regelungen in die den Mietvertragsparteien im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit überantwortete Preisbildung ein. Ein solches Vorgehen ist zwar bis hin zur staatlichen Preisfestsetzung grundsätzlich zulässig (vgl. BVerfG, Beschl. v. 22. November 1994 – 1 BvR 351/91, BVerfGE 91, 294), doch sind dabei die Grundrechte der Vertragsparteien einschließlich des durch Art. 3 Abs. 1 GG verbürgten Gleichheitssatzes zu beachten. Dem werden die §§ 556d ff. BGB nicht gerecht.

Staatliche Preisfestsetzung erfolgt in der Regel durch eine Orientierung am Marktpreis, den tatsächlichen Kosten oder durch eine unmittelbare taxmäßige Festsetzung in Gestalt gesetzlich festgelegter Fixwerte (vgl. Blankenagel/Schröder/Spoerr, NZM 2015, 1, 27 m.w.N.). Das vom Gesetzgeber in § 556d Abs. 1 BGB gewählte Modell zur Preisbildung beinhaltet indes weder eine autonome taxmäßige Festsetzung noch orientiert es sich an den Kosten für die Bereitstellung der Mietsache oder an der für Neu- und Wiedervermietungen ortsüblichen Marktmiete, die für die Bemessung der Nutzungsentschädigung gemäß § 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB maßgeblich ist (vgl. BGH, Urt. v. 18. Januar 2017 – VIII ZR 17/16, NJW 2017, 387). Stattdessen stellt § 556d Abs. 1 BGB auf die ortsübliche Vergleichsmiete ab. Diese wird gemäß § 558 Abs. 2 BGB im Wesentlichen gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde in den letzten vier Jahren für vergleichbaren Wohnraum vereinbart oder geändert worden sind. Damit unterwirft § 556d Abs. 1 BGB die Vermieter preisfreien Wohnraums in der von § 556d Abs. 2 BGB erfassten Gebietskulisse einer typisierenden Belastungsregelung, deren wirtschaftliche Folgen die Vermieter in Kommunen mit einer vergleichsweise niedrigen ortsüblichen Vergleichsmiete erheblich härter treffen als die mit einer vergleichsweise hohen. Diese ungleichen Belastungsfolgen stehen in einem krassen Missverhältnis zu den mit der gesetzlichen Typisierung verbundenen Vorteilen und begründen deshalb zur Überzeugung der Kammer einen verfassungswidrigen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Der Gesetzgeber darf sich – wie stets bei der Ordnung von Massenerscheinungen – bei der Ausgestaltung seiner Normen zwar generalisierender, typisierender und pauschalisierender Regelungen bedienen. Er braucht nicht um die Gleichbehandlung aller denkbarer Einzelfälle besorgt zu sein. Er ist vielmehr berechtigt, von einem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den ihm vorliegenden Erfahrungen ergibt. Eine gesetzliche Typisierung darf aber keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren. Auf dieser Grundlage darf er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8. Oktober 1991 – 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 359). Die Typisierung setzt dabei allerdings voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung einer Belastungsregelung darf ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der Belastung stehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12. Oktober 2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224). Da die Sachverhalte in der Lebenswirklichkeit sich nie völlig gleichen, müssen gewisse Verschiedenheiten stets vernachlässigt werden. Jede pauschale Belastungsregelung bringt gewisse Ungleichheiten mit sich; denn sie lässt die individuelle Besonderheit des einzelnen Vorganges außer Acht und begnügt sich mit der „Typengerechtigkeit“ auf Grund eines typischen Tatbestandes. Darin allein liegt noch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12. Oktober 1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1). Wirkt sich jedoch ein Gesetz, das durch eine besonders weite Fassung des typisierten Sachverhalts äußerlich eine ungleiche Behandlung vermeidet, praktisch dahin aus, dass ganze Gruppen von Betroffenen wesentlich stärker belastet sind als andere, und stehen diese ungleichen wirtschaftlichen Folgen in einem Missverhältnis zu den mit der Typisierung verbundenen Vorteilen, genügt das Gesetz dem Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG insbesondere dann nicht, wenn eine andere, der Verfassung besser entsprechende Typisierung genauso möglich ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26. April 1978 – 1 BvL 29/76, BVerfGE 48, 227). So liegt der Fall hier:

§ 556d Abs. 1 BGB begrenzt in der von § 556d Abs. 2 BGB erfassten Gebietskulisse die zulässige Neu- und Wiedervermietungsmiete auf 110% der ortsüblichen Vergleichsmiete. Dabei vermeidet die Vorschrift durch die besonders weite Fassung ihrer Typisierung zwar äußerlich eine ungleiche Behandlung sämtlicher Vermieter im gesetzlichen Geltungsbereich, da sich die zulässige Miete gleichmäßig an der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ orientiert. Tatsächlich jedoch belastet die Regelung Vermieter in Kommunen mit einer vergleichsweise niedrigen ortsüblichen Vergleichsmiete wesentlich stärker als solche in Kommunen mit einer hohen, selbst wenn die unterschiedliche Belastungswirkung wegen der kommunal ebenfalls nicht einheitlichen Höhe der Gestehungskosten und der erzielbaren Marktmiete eine Milderung erfahren kann. Das hat wegen des bundesweit preislich seit langem stark gespreizten Wohnungsmietmarkes zur Folge, dass die gemäß § 556d Abs. 1 BGB zulässige Grenze für Neu- und Wiedervermietungen regional und kommunal ganz erhebliche Unterscheide aufweist:

Während die Mietobergrenze unter Zugrundelegung des im Gesetzgebungsverfahren herangezogenen – und die durchschnittliche ortsübliche Vergleichsmiete im Jahre 2013 betreffenden – Datenmaterials bei Vermietungen in Berlin pro Quadratmeter bei durchschnittlich 6,49 EUR (5,90 EUR + 10 %) lag, belief sie sich in Frankfurt a.M. auf 8,60 EUR (7,82 EUR + 10 %), in Stuttgart auf 9,02 EUR (8,20 EUR + 10%) und in München auf 11,28 EUR (10,25 EUR + 10%) (vgl. BT-Drucks 18/3121, S. 12). Davon ausgehend war es Vermietern in München gemäß § 556d Abs. 1 BGB gestattet, im Vergleich zu Vermietern in Berlin pro Quadratmeter vermieteten Wohnraums wirksam einen um durchschnittlich 4,79 EUR und damit um 73,8 % höheren Mietzins zu vereinbaren. Unter Zugrundelegung der identischen – und aktualisierten – Datenquelle für das Jahr 2016 beläuft sich die gemäß § 556d Abs. 1 BGB maßgebliche Obergrenze für Berlin (West) durchschnittlich auf 7,14 EUR (6,46 EUR + 10 %), für Frankfurt a.M. auf 8,73 EUR (7,94 EUR + 10 %), für Stuttgart auf 10,74 EUR (9,76 EUR + 10%) und für München auf 12,28 EUR (11,16 EUR + 10%) (vgl. F+B Mietspiegelindex 2016, http:/www.f.-und-b.de/beitrag/fb-mietspiegelindex-2016veröffentlicht.html, abgerufen am 12. September 2017). Danach unterscheidet sich die gemäß § 556d Abs. 1 BGB durchschnittlich zulässige Neu- oder Wiedervermietungsmiete für Wohnraum im Vergleich des hauptstädtischen Vermietungsmarktes (Berlin (West)) zum höchstpreisigen großstädtischen Vermietungsmarkt (München) um 5,14 EUR/qm, mithin um 72 %.

Die durch die gewählte Bezugsgröße hervorgerufene – und wesentliche – ungleiche bundesweite Belastung der Vermieter in der von § 556d Abs. 2 BGB erfassten Gebietskulisse lässt sich durch den verfolgten Gesetzeszweck, die mit der Typisierung verbundenen Vorteile und sonstige Sachgründe nicht rechtfertigen. Sie stellt sich vielmehr als gleichheitswidrig dar, da mit Blick auf die vom Gesetzgeber verfolgte Zielsetzung ein einleuchtender Grund für die Hinnahme der evident ungleichen Belastungswirkung fehlt und nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29. März 2017 – 2 BvL 6/11, ZIP 2017, 1009, Tz. 101).

Der Gesetzgeber verfolgt mit den §§ 556d ff. BGB weder die Beseitigung von Wohnungsengpässen noch den abstrakten Selbstzweck, den Mietanstieg in der durch § 556d Abs. 2 BGB festgelegten Gebietskulisse zu dämpfen. Er beabsichtigt vielmehr, einkommensschwächeren Haushalten und Durchschnittsverdienern in angespannten Wohnungsmärkten auch weiterhin die bezahlbare Anmietung von Wohnraum zu ermöglichen und gleichzeitig deren Verdrängung aus ihren bisherigen Mietverhältnissen entgegen zu wirken (vgl. BT-Drucks 18/3121, S. 1, 11, 19; BGH, Urt. v. 4. November 2015 – VIII ZR 217/14, NJW 2016, 476, Tz. 56). Dabei ist er in Kenntnis der erheblich voneinander abweichenden ortsüblichen Vergleichs- und Marktmieten in den genannten Kommunen zu der Überzeugung gelangt, dass die Regelung der §§ 556d ff. BGB, mit der „in erster Linie sozialpolitische Zwecke“ verfolgt werden (vgl. BT-Drucks 18/3121, S. 15), auch in Kommunen mit einer hohen Vergleichs- und Marktmiete geeignet ist, sozial ausgewogene Strukturen zu erhalten, die Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Mieter aus begehrten Wohnlagen zu begrenzen und dort Wohnraum für breitere Bevölkerungsschichten bezahlbar zu halten (vgl. BT-Drucks 18/3121, S. 19). Wenn der Gesetzgeber allerdings davon ausgeht, die verfolgten sozialpolitischen Gesetzesziele zu Gunsten von einkommensschwächeren Haushalten und Durchschnittverdienern in hochpreisigen Kommunen – wie in München – auch bei einer durchschnittlichen Quadratmetermiete von 11,28 EUR (2013) bzw. 12,28 EUR (2016) zu verwirklichen, ist es nicht folgerichtig, Vermietern die Neu- und Wiedervermietung in für Mieter günstigeren Kommunen – wie Berlin – bereits bei einer ganz erheblich darunter liegenden Quadratmetermiete von über 6,49 EUR (2013) bzw. 7,14 EUR (2016) zu versagen. Der Ausgangstatbestand einer Belastungsregelung – wie der §§ 556d ff. BGB – hat zur Wahrung des auf Art. 3 Abs. 1 GG beruhenden Gleichheitsgrundsatzes im Wesentlichen folgerichtig im Sinne von belastungsgleich zu erfolgen. Die Bemessungsgrundlage muss deshalb den erfassten wirtschaftlichen Vorgang sachgerecht aufnehmen und realitätsgerecht abbilden. Ausnahmen von einer belastungsgleichen Ausgestaltung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag (st. Rspr. des BVerfG, vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 29. März 2017 – 2 BvL 6/11, ZIP 2017, 1009, Tz. 104 m.w.N.). Daran indes fehlt es bei den §§ 556d ff. BGB (so auch Blankenagel/Schröder/Spoerr, NZM 2015, 1, 28 (mit abweichender Begründung)).

Das signifikant ungleiche bundesweite Ausmaß der auf die in der Gebietskulisse des § 556d Abs. 2 BGB tätigen Vermieter entfalteten Belastungswirkung entbehrt nicht nur eines besonderen sachlichen, sondern gleichzeitig auch eines sachlich einleuchten Grundes. Tragfähige Sachgründe für die Ungleichbehandlung lassen sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, da der Gesetzgeber, der zur zeitnahen und realitätsgerechten Erfassung der maßgeblichen sozialen Wirklichkeit angehalten war (vgl. BVerfG, Urt. v. 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, BVerfGE 125, 175), im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens die für eine mögliche sachliche Rechtfertigung relevanten einkommensbezogenen Sozialdaten von Mietinteressenten und Bestandsmietern in der zu erfassenden Gebietskulisse nicht erhoben hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23. Juni 2004 – 1 BvL 3/98, BVerfGE 111, 115). Eine sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung ist aber auch sonst nicht ersichtlich. Sie wäre allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn die vom Gesetzgeber adressierten „einkommensschwächeren Haushalte und Durchschnittsverdiener“ in höherpreisigen Mietmärkten – wie München – über ein signifikant höheres „niedriges“ oder „durchschnittliches“ Einkommen verfügten als solche in günstigeren Mietmärkten – wie Berlin – oder wenn zumindest ein Zusammenhang zwischen der kommunal ganz erheblichen Unterschieden unterworfenen Höhe der aus dem Zeitraum der letzten vier Jahre ermittelten ortsüblichen Vergleichsmiete und der jeweiligen Einkommenssituation einkommensschwächerer oder durchschnittlich verdienender Haushalte zum Zeitpunkt der Neu- oder Wiedervermietung bestünde. Dafür allerdings fehlt jeglicher belastbare Anhalt, zumindest ein solcher, der in der Gebietskulisse des § 556d Abs. 2 BGB – auch unter der gebotenen Berücksichtigung unterschiedlicher Gestehungskosten und Markmieten – eine bundesweite Spreizung der zulässigen Neu- und Wiedervermietungsmiete um nahezu 75 % als Folge der vom Gesetzgeber mit den §§ 556d ff. BGB gesamtstaatlich verfolgten sozialpolitischen Ziele rechtfertigen würde.

Der darauf beruhenden Verfassungswidrigkeit stehen mit der vom Gesetzgeber gewählten Typisierung verbundene Vorteile bereits deshalb nicht entgegen, da zur Verwirklichung des verfolgten Gesetzeszwecks mehrere unterschiedliche – auch taxmäßige – Alternativmodelle zur kosten-, markt- oder einkommensbezogenen Preisintervention zur Verfügung standen, mit denen eine Art. 3 Abs. 1 GG und der Verfassung insgesamt besser entsprechende Typisierung genauso möglich gewesen wäre (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26. April 1978 – 1 BvL 29/76, BVerfGE 48, 227; Blankenagel/Schröder/Spoerr, NZM 2015, 1, 27).

Nichts anderes folgt daraus, dass die §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MHG a.F. und 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4. Dezember 1985 – 1 BvL 23/84, BVerfGE 71, 230; BGH, Urt. v. 4. November 2015 – VIII ZR 217/14, NJW 2016, 476, Tz. 51). Zwar belasten auch die genannten Vorschriften zur Erhöhung der Bestandsmiete die Vermieter bundesweit – abhängig von der unterschiedlichen Höhe der jeweiligen ortsüblichen Vergleichsmiete – wirtschaftlich nicht einheitlich intensiv, doch erwächst daraus noch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn dafür wäre eine wesentlich stärkere Belastung einzelner Gruppen von Vermietern erforderlich. An einer solchen indes fehlt es bei isolierter Betrachtung der für die Erhöhung der Bestandsmieten maßgeblichen gesetzlichen Regelungen allein deshalb, weil Vermieter, die in Gemeinden mit vergleichsweise niedriger ortsüblicher Vergleichsmiete tätig sind, nicht daran gehindert sind, die unterschiedliche Belastungswirkung der bundesweit heterogenen ortsüblichen Vergleichsmiete auf die Möglichkeit zur späteren Vergleichsmietenerhöhung im Moment der Begründung des Mietverhältnisses zumindest teilweise dadurch zu kompensieren, dass sie eine Ausgangsmiete vereinbaren, die der örtlichen Marktmiete entspricht oder diese sogar übersteigt. Diese Möglichkeit wird ihnen erstmals durch § 556d Abs. 1 BGB und dessen nochmalige tatbestandliche Anknüpfung an die ortsübliche Vergleichsmiete bei gleichzeitiger Entkoppelung von der Marktmiete genommen. Die dadurch erzeugte Gesamtbelastung führt gegenüber Vermietern, die in Märkten mit einer vergleichsweise hohen ortsüblichen Vergleichsmiete tätig sind, im Ergebnis zu einer weiteren Vertiefung der ohnehin ungleichen Belastungswirkung nicht nur bei der Vereinbarung der Ausgangsmiete (§ 556d Abs. 1 BGB), sondern auch bei der Erhöhung der Bestandsmiete auf die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 558 Abs. 1, Abs. 2 BGB) und bei der Bemessung der Kappungsgrenze (§ 558 Abs. 3 BGB).

bb. Unabhängig davon verstößt § 556d BGB zur Überzeugung der Kammer auch deshalb in verfassungswidriger Weise gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil § 556e Abs. 1 BGB ohne sachliche Rechtfertigung diejenigen Vermieter von der Preisintervention des § 556d Abs. 1 BGB bis zur Höhe der Vormiete ausnimmt, die die Mietsache vor der Wiedervermietung unter Überschreitung der nunmehr durch § 556d Abs. 1 BGB angeordneten Mietobergrenze vermietet haben.

Der allgemeine Gleichheitssatz gilt nicht nur für ungleiche Belastungen, sondern auch für ungleiche Begünstigungen. Verboten ist deshalb auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen hingegen ohne sachliche Rechtfertigung vorenthalten wird (vgl. BVerfG, Urt. v. 30. Juli 2008 – 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08, BVerfGE 121, 317). Daran gemessen ist der generelle Ausschluss aller – nicht von den weiteren Ausnahmetatbeständen der §§ 556e Abs. 2, 556f BGB erfasster – Vermieter, deren Vormiete die Grenzen des § 556d Abs. 1 BGB nicht überschreitet, von der durch § 555e Abs. 1 BGB gewährten Begünstigung nicht gerechtfertigt.

Die hier zu beurteilende Differenzierung zwischen Vermietern im Allgemeinen und solchen, die im Vormietverhältnis eine die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10 % überschreitende Miete vereinbart haben, behandelt Sachverhalte unterschiedlich. Gleichwohl ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von einer strengen Bindung des Gesetzgebers auszugehen, weil die Ungleichbehandlung der Sachverhalte hier eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt, die eine negative Auswirkung auf deren grundrechtlich geschützte Freiheiten hat (vgl. BVerfG, a.a.O.,). Die differenzierenden Regelungen der §§ 556d Abs. 1, 556e Abs. 1 BGB führen dazu, dass nicht privilegierte Vermieter anders als solche i.S.d. § 556e Abs. 1 BGB daran gehindert sind, die Mietsache in einer die Grenzen des § 556d Abs. 1 BGB überschreitenden Höhe zu vermieten. Für diese Ungleichbehandlung fehlt es an hinreichenden Sachgründen (vgl. Blankenagel/Schröder/Spoerr, NZM 2015, 1, 27; a.A. LG Berlin, a.a.O. (ohne nähere Begründung)).

Der Gesetzgeber verfolgt mit den §§ 556d ff. BGB „in erster Linie sozialpolitische Zwecke“ (vgl. BT-Drucks 18/3121, S. 15). Die zu diesem Gesetzeszweck in Widerspruch stehende Begünstigung der durch § 555e Abs. 1 BGB in Höhe der „Vormiete“ privilegierten Vermieter hat er dabei mit Erwägungen des „Bestandsschutzes“ begründet (vgl. BT-Drucks 18/3121, S. 16, 19, 29, 30). Sofern die Vormiete die nach § 556d Abs. 1 BGB zulässige Miete übersteige, solle der Vermieter nicht „gezwungen“ sein, die Miete im nachfolgenden Mietverhältnis zu senken; Gesetzeszweck sei nämlich nicht die „Absenkung bereits vereinbarter Mietentgelte“, sondern die „Unterbindung unangemessener Preissprünge“ bei der Wiedervermietung (vgl. BT-Drucks 18/3121, S. 29, 30).

Diese Gründe sind nicht von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen für Vermieter mit einer die Grenzen des § 556d Abs. 1 BGB übersteigenden Vormiete und den übrigen in der Gebietskulisse des § 556d Abs. 2 BGB tätigen Vermietern rechtfertigen könnten. Zwar steht dem Gesetzgeber bei der Erstreckung des gesetzlichen Geltungsbereichs und der Begründung von Ausnahmetatbeständen ein Spielraum zu; dieser findet jedoch sein Ende, wenn es an einem hinreichenden Zusammenhang zwischen den gesetzlichen Regelungszielen und der Differenzierung fehlt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24. Januar 2012 – 1 BvL 21/11, BVerfGE 130, 131, Tz. 49).

So liegt der Fall hier, in dem bereits die Begründung des durch § 556e Abs. 1 BGB geschaffenen Begünstigungstatbestandes den Gesetzeszweck des MietNovG aus dem Blick verloren hat. Denn dieser lag gerade nicht in der Unterbindung von „Preissprüngen“, sondern in der Marktöffnung für einkommensschwächere Bevölkerungsschichten und in der Verhinderung zunehmender Gentrifizierung. Für die Verwirklichung dieser Gesetzesziele sind gegenüber der Vormiete gesteigerte Wiedervermietungsmieten solange unschädlich, wie die absolute Höhe der neu verlangten Miete der Anmietung des Wohnraums durch einkommenschwächere Mieter nicht entgegen steht oder die Verdrängung von Bestandsmietern begünstigt. Schädlich hingegen sind stabile Wiedervermietungsmieten i.S.d. § 556e Abs. 1 BGB, die zwar zu keinem „Preissprung“ gegenüber der Vormiete führen, jedoch wegen ihrer beträchtlichen absoluten Höhe einkommenschwächere Mieter von einer Anmietung ausschließen oder über ihren Einfluss auf die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete zumindest mittelbar die Verdrängung von Bestandsmietern fördern. Gemessen an den verfolgten Gesetzeszielen entbehrt es deshalb der sachlichen Rechtfertigung, die Vermieter danach zu differenzieren, ob eine Begrenzung der Wiedervermietungsmiete nach § 556d Abs. 1 BGB zu einer „Absenkung bereits vereinbarter Mietentgelte“ führt oder nicht.

Es kommt hinzu, dass die Ungleichbehandlung auch mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise schlichtweg unvereinbar ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29. März 2017 – 2 BvL 6/11, ZIP 2017, 1009, Tz. 101). Denn sie hat zur Folge, dass diejenigen Vermieter, die bislang zu einer maßvollen Miete vermietet und damit dem Gesetzeszweck des MietNovG entsprochen haben, auch einkommensschwächeren Mietern die Anmietung von Wohnraum zu ermöglichen, gegenüber denjenigen Vermietern benachteiligt werden, die Mietverträge in der Vergangenheit unter – maximaler – Ausschöpfung der am Markt erzielbaren Miete abgeschlossen und damit in einem ungleich höheren Maße zu einer Anspannung des betroffenen Wohnungsmarktes beigetragen haben (vgl. Blankenagel/Schröder/Spoerr, NZM 2015, 1, 27). Das gilt erst recht im Verhältnis zu solchen Vermietern, die in einer Gemeinde mit einer höheren ortsüblichen Vergleichsmiete tätig sind, da ihnen nicht nur die ohnehin gleichheitswidrige bundesweite Spreizung der durch § 556d Abs. 1 BGB bestimmten unterschiedlichen Mietobergrenzen zu Gute kommt, sondern über § 555e Abs. 1 BGB auch noch ein vorvermietungsbedingter Zusatzvorteil gewährt wird.

Schließlich sind auch die vom Gesetzgeber ins Feld geführten Erwägungen des „Bestandsschutzes“ nicht geeignet, die durch § 556e Abs. 1 BGB bewirkte Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Bestandschutzregelungen sind gerechtfertigt, wenn ein von einer gesetzlichen Verschärfung berührter Personenkreis im Vertrauen auf einen – durch ein Rechtsverhältnis – geschaffenen Bestand betroffen ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 10. Juni 2009 – 1 BvR 706/08, BVerfGE 123, 186). An einem solchen Bestand fehlt es bei der in einem Vormietverhältnis erzielten „Vormiete“, da ein Vermieter auf den geschaffenen vertraglichen Bestand nach Beendigung des Vertrages nicht mehr berechtigt auch für die Zukunft vertrauen kann. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn bei der Vermietung von Wohnraum stets vom unveränderten Fortbestand der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auszugehen wäre. Ein solches Vertrauen ist aber noch nicht einmal bei einem Bestandsmietverhältnis und damit erst recht nicht bei einer lediglich in Aussicht genommenen Vermietung begründbar (vgl. BGH, Urt. v. 4. November 2015 – VIII ZR 217/14, NJW 2016, 476, Tz. 57 m.w.N.). Die Einführung der §§ 556d ff. BGB war allenfalls geeignet, das Vertrauen in den Bestand der vorherigen Gesetzeslage zu betreffen, auch weiterhin wirksam eine freie und lediglich durch die §§ 134, 138 BGB, 5 WiStG, 291 StGB beschränkte Vereinbarung über die Miethöhe treffen zu können. Dieses Vertrauens indes war nicht allein bei den durch § 556e Abs. 1 BGB privilegierten, sondern bei sämtlichen in der Gebietskulisse des § 556d Abs. 2 BGB tätigen Vermietern berechtigt.

II.

Die Kammer schlägt den Parteien vor dem Hintergrund des erteilten Hinweises und der mittlerweile erfolgten Beendigung des Mietverhältnisses den Abschluss des nachfolgenden Vergleichs vor:

Die Beklagte zahlt an die Klägerin über die erstinstanzliche Verurteilung hinaus weitere 63,77 EUR.

Die Parteien tragen die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz nach Maßgabe der im angefochtenen Urteil getroffenen Kostengrundentscheidung. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz und den Kosten des Vergleichs hat die Klägerin 93 % und die Beklagte 7 % zu tragen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Vergleichsannahme bis zum 18. September 2017, 14:00 Uhr. Im Falle der Vergleichsannahme würde die Kammer unter Aufhebung des Termins gemäß § 278 Abs. 6 ZPO verfahren.

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