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Mieter: Anspruch auf Reparaturmaßnahmen an hausinternen Telefonleitungen

Mieter: Anspruch auf Reparaturmaßnahmen an innerhalb eines Mehrfamilienhauses verlegten hausinternen Telefonleitungen

LG Göttingen, Az.: 5 S 53/12

Urteil vom 11.12.2013

1. Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.08.2012 verkündete Urteil des Amtsgerichts Göttingen (Az. 27 C 86/12) wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Wiedereinsetzung.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

6. Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 1.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Rahmen eines Wohnraummietverhältnisses um die Pflicht der Beklagten als Vermieterin, innerhalb des Mehrfamilienhauses verlegte Telefonleitungen zu reparieren. Die Firma J, die von der Klägerin mit dem Anschluss an das Telekommunikationsnetz beauftragt worden ist, nutzt die in dem streitgegenständlichen Wohngebiet (und auch die innerhalb des streitgegenständlichen Mehrfamilienhauses) verlegten Leitungen der K.

Mieter: Anspruch auf Reparaturmaßnahmen an hausinternen Telefonleitungen
Foto: Eldar Nurkovic/bigstock

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Göttingen, verkündet am 30.08.2012 und dem Klägervertreter zugestellt am 05.09.2012 (Empfangsbekenntnis Bl. 69 d. A.), durch das die Klage abgewiesen wurde (Bl. 62-65 d. A.). Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Netzbetreiber das Telekommunikationssignal an einem Netzabschlusspunkt zur Verfügung zu stellen habe, der gem. § 3 Nr. 12a TKG der physische Punkt sei, an dem dem Teilnehmer (der Klägerin) der Zugang zum Telekommunikationsnetz zur Verfügung gestellt werde; Teilnehmer sei der Mieter, nicht der Vermieter. Die Beklagte treffe als Vermieterin lediglich die mietvertragliche Pflicht, es der Klägerin zu ermöglichen, über einen Telekommunikationsanschluss zu verfügen, weshalb gem. § 76 TKG ihre Duldungspflicht bestehe.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 05.10.2012 eingelegten Berufung, die sie mit am 06.11.2012 per Faxschreiben bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründete und gleichzeitig die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragte (Bl. 85-88 d. A.). Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags trägt die Klägerin folgenden durch eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten Frau L (Anlage zur Berufungsbegründung und zum Wiedereinsetzungsantrag vom 06.11.2012, Bl. 89 d. A.) bestätigten, unstreitigen Sachverhalt vor: Der Klägervertreter Rechtsanwalt M legte seiner Büroangestellten Frau L, die seit 10 Jahren in dessen Kanzlei fehlerlos tätig ist und den Fristenkalender führt, am 02.10.2012 das streitgegenständliche Urteil erster Instanz vor, forderte sie auf, eine entsprechende Akte anzulegen und die Berufungseinlegungsfrist für den 05.10.2012 zu notieren. Als die Klägerin am 05.10.2012 entschied, dass Berufung eingelegt werden sollte, und Frau L auftragsgemäß am selben Tag im Beisein des Klägervertreters eine Berufungsschrift fertigte, die dieser auch sofort unterzeichnete, notierte sie entgegen des Auftrags des Rechtsanwalts weder in der Akte noch im Fristenkalender das Ende der Berufungsbegründungsfrist und der Vorfrist für den 02.11.2012 zur Vorlage der Akte an den Rechtsanwalt. Erst im Rahmen der allgemeinen Aktenbearbeitung am 06.11.2012 fiel der Büroangestellten die Akte und das Versäumnis auf.

Die Klägerin behauptet, die Telefonleitungen im Haus seien defekt. Hierzu trägt sie vor, am 15.12.2011 habe ein Techniker der K eine defekte Verkabelung zwischen dem Verteilerpunkt im Keller und der klägerischen Wohnung im Haus festgestellt.

Die Klägerin beantragt, das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Göttingen vom 30.08.2012 (Az. 27 C 86/12) aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für die Wohnung N in 37081 Göttingen die Telefonleitung dergestalt zu reparieren, dass die Klägerin über einen Telekommunikationsanschluss („Festnetz“) verfügen kann,

sowie ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen bzw. den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Ansicht, die Telefonleitungen seien nicht mitvermietet, gem. § 45 d Abs. 1 TKG sei ausschließlich der Netzbetreiber für die Herstellung von Telefonanschlüssen zuständig, da gem. § 3 TKG die Telefonleitungen im Haus zum öffentlichen Telefonnetz gehören würden, das nicht am Verteilerpunkt im Keller, sondern am Netzabschlusspunkt in der jeweiligen Wohnung des Teilnehmers ende. Die Beklagte bestreitet wie in erster Instanz, dass die Telefonleitungen defekt seien, zudem sei vom Vormieter keine Mangelanzeige erfolgt. Die Beklagte legt eine Email der Bundesnetzagentur vom 18.07.2012 (Bl. 117 ff. d. A.) vor, in der diese von der Pflicht des Netzbetreibers (der K) zur Beseitigung von Störungen gem. § 45 b TKG ausgeht, da die Endleitung und der TAE-Anschluss Bestandteile des Teilnehmeranschlusses seien. Ferner ist die Beklagte der Ansicht, dass der Klägerin hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei, da das Verschulden des Klägervertreters bereits darin zu sehen sei, dass er am 02.10.2012 nur die Berufungsfrist und nicht auch die Berufungsbegründungsfrist notieren ließ. Zudem ergebe sich aus dem klägerischen Vortrag nicht, dass die Einzelweisung zur Notierung der Berufungsbegründungsfrist schriftlich erfolgt sei. Da die Einzelweisung einen so wichtigen Vorgang wie die Notierung einer Rechtsmittelfrist betraf, hätten angesichts der nur mündlichen Erteilung ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen werden müssen, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät, welche jedoch unterblieben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

Der Klägerin war hinsichtlich der versäumten Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 233 Satz 1 ZPO zu gewähren. Die Berufungsbegründungsfrist, die gem. § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO zwei Monate ab Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils beträgt, lief am 05.11.2012 ab. Der Berufungsbegründungsschriftsatz ging erst am 06.11.2012 beim Landgericht Göttingen ein.

a) Die formalen Voraussetzungen des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen vor. Die Wiedereinsetzungsfrist gem. § 234 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO von zwei Wochen ab dem Tag, an dem das Hindernis behoben wurde, wurde eingehalten, da der Antrag am selben Tag, als das Fristversäumnis festgestellt worden war, am 06.11.2012 beim Landgericht einging. Auch die versäumte Prozesshandlung, die Berufungsbegründung, wurde fristgerecht gem. § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO mit demselben Schriftsatz nachgeholt. Die Schriftform wurde gewahrt (§§ 236, 520 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Durch die eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten Frau L wurden die Tatsachen des Wiedereinsetzungsgrundes gem. § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht.

b) Die Klägerin war auch materiell gem. § 233 Satz 1 ZPO ohne ihr Verschulden gehindert, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Es liegt kein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten vor, das sie sich gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsste.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Rechtsanwalt eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insbesondere einen Fristenkalender führen. (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2013 – XII ZB 559/12 – NJW-RR 2013, 572, 573, zitiert nach Juris). Der Rechtsanwalt hat alles ihm Zumutbare zu tun und zu veranlassen, damit die Fristen zur Einlegung und Begründung eines Rechtsmittels gewahrt werden (BGH, Beschluss vom 05. Juni 2012 – VI ZB 76/11, NJW-RR 2012, 1206, 1207, zitiert nach Juris). Nur von der routinemäßigen Fristberechnung und Fristenkontrolle kann er sich durch Übertragung dieser Tätigkeit auf eine gut ausgebildete, als zuverlässig erprobte und sorgfältig überwachte Bürokraft entlasten, soweit nicht besondere Gründe gegen deren Zuverlässigkeit sprechen (BGH, Beschluss vom 17. Februar 2009 – VI ZB 75/08, Schaden-Praxis 2010, 30). Hiervon ist die Prüfung des Fristablaufs im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Sache zu unterscheiden, den der Rechtsanwalt eigenverantwortlich nachzuprüfen hat, wenn ihm die Sache zur Vorbereitung der fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt wird (BGH, Beschluss vom 05. Juni 2012 – VI ZB 76/11, NJW-RR 2012, 1206, 1207, zitiert nach Juris).

So beschränkt sich die Überwachungspflicht des Rechtsanwalts, dem die Handakten zwecks Fertigung der Berufungsschrift vorgelegt werden, nicht nur auf die Prüfung, ob die Berufungsfrist zutreffend notiert ist, sondern erstreckt sich auch auf die ordnungsgemäße Notierung der Berufungsbegründungsfrist, die nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils zu laufen beginnt und deren Ablauf daher im Zeitpunkt der Fertigung der Berufungsschrift bereits feststeht (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2011 – 6 ZB 4/11, JurBüro 2011, 447, zitiert nach Juris). Der Rechtsanwalt hat die Einhaltung seiner Anweisung zur Berechnung und Notierung laufender Rechtsmittelfristen einschließlich deren Eintragung in den Fristenkalender eigenverantwortlich zu prüfen, wobei er sich grundsätzlich auf die Prüfung der Erledigungsvermerke in der Handakte beschränken darf. Diese anwaltliche Prüfungspflicht besteht auch dann, wenn die Handakte zur Bearbeitung nicht zugleich mit vorgelegt worden ist, so dass in diesen Fällen die Vorlage der Handakte zur Fristenkontrolle zu veranlassen ist (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – III ZB 47/12, BRAK-Mitt. 2013, 118, 119, zitiert nach Juris).

Auch bei einem so wichtigen Vorgang wie der Notierung der Berufungsbegründungfrist und der diesbezüglichen Vorlagefrist darf der Rechtsanwalt seiner zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilen, deren Ausführung er grundsätzlich nicht mehr persönlich überprüfen muss (vgl. zur Anfertigung einer Rechtsmittelschrift BGH, Beschlüsse vom 5. Juni 2013 – XII ZB 47/10 – MDR 2013, 1061 Rn. 12; vom 30. Oktober 2008 – III ZB 54/08 – FamRZ 2009, 109Rn. 9 f., zitiert nach Juris). Wird die Anweisung nur mündlich erteilt, müssen allerdings ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die Erledigung in Vergessenheit gerät (BGH, Beschlüsse vom 5. Juni 2013 – XII ZB 47/10 – MDR 2013, 1061 Rn. 12; vom 8. Februar 2012 – XII ZB 165/11 – FamRZ 2012, 623Rn. 31, zitiert nach Juris). Auch in diesem Fall genügt die klare und präzise Anweisung, die Erledigung sofort vorzunehmen, insbesondere wenn zudem eine weitere allgemeine Büroanweisung bestand, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen auszuführen. Die Gefahr, dass eine solche sofort auszuführende Weisung sogleich vergessen oder aus sonstigen Gründen nicht befolgt wird, macht eine nachträgliche Kontrolle ihrer Ausführung dann nicht erforderlich (BGH, Beschlüsse vom 5. Juni 2013 – XII ZB 47/10 – MDR 2013, 1061 Rn. 12; vom 25. März 2009 – XII ZB 150/08 – FamRZ 2009, 1132Rn. 20, zitiert nach Juris).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seinen Überwachungs- und Überprüfungspflichten gerecht geworden. Bei der Notierung der Berufungsbegründungsfrist in der Handakte und dem Fristenkalender handelt es sich um eine routinemäßige Fristberechnung und Fristenkontrolle, die einer gut ausgebildeten, zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft übertragen werden können. Die Büroangestellte des Klägervertreters Frau L arbeitet seit 10 Jahren fehlerlos in der Kanzlei, sie führt den Fristenkalender und ist damit als gut ausgebildete, zuverlässig erprobte und sorgfältig überwachte Bürokraft anzusehen. Nach Auffassung der Kammer liegt – entgegen der Ansicht der Beklagten – ein der Klägerin zurechenbares Verschulden ihres Rechtsanwalts nicht bereits darin, dass er am 02.10.2012 anlässlich der Vorlage des erstinstanzlichen Urteils nur die Berufungsfrist und nicht auch die Berufungsbegründungsfrist notieren ließ. Der Klägervertreter hat am 05.10.2012, als ihm die Klägerin mitteilte, dass Berufung eingelegt werden sollte, bei der Fertigung der Berufungsschrift in seinem Beisein die Weisung erteilt, dass die Berufungsbegründungfrist auf den 05.11.2012 und eine Vorfrist zur Vorlage der Akte an ihn auf den 02.11.2012 zu notieren ist. Zu einer weiteren Überprüfung der Fristeneintragung durch nochmalige Vorlage der Handakten war der Klägervertreter nicht verpflichtet. Es ist zwar nicht bekannt, ob im Büro des Klägervertreters eine allgemeine Büroanweisung bestand, einen Auftrag zur Eintragung einer Rechtsmittel- und Vorlagefrist stets vor allen anderen auszuführen. Unabhängig davon war jedoch die nachträgliche Kontrolle der Befolgung der mündlichen Einzelweisung hier nicht erforderlich, da die Anweisung des Klägervertreters zur Fristeneintragung mit konkreter Datumsnennung klar und präzise war. Zudem ist angesichts des Zusammentreffens dieser Einzelweisung mit der Fertigung der Berufungsschrift durch die Angestellte im Beisein des Rechtsanwalts und dessen Unterzeichnung davon auszugehen, dass die Vordringlichkeit und Bedeutung der Notierung der Berufungsbegründungs- und Vorlagefrist der erfahrenen Büroangestellten L, die seit über 10 Jahren den Fristenkalender der Kanzlei des Klägervertreters fehlerlos führt, hinreichend deutlich war, weshalb auch keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die eine erhöhte Überwachungs- und Überprüfungsintensität ihrer Tätigkeit erfordert hätten.

2. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte weder aus dem Mietvertrag noch aus einem sonstigen rechtlichen Grund ein Anspruch auf Vornahme der Reparatur der Telefonleitung für die Wohnung N in 37081 Göttingen dergestalt zu, dass die Klägerin über einen Telekommunikationsanschluss („Festnetz“) verfügen kann.

Dieser Anspruch resultiert nicht aus dem zwischen den Parteien am 03. bzw. 08.11.2011 geschlossenen Mietvertrag, mit dem die Beklagte der Klägerin die in dem Haus St.-Heinrich-Str. 37, 3. OG links gelegene Wohnung zu Wohnzwecken vermietet wurde.

a) Es kann dahinstehen, ob die hausinternen Telefonleitungen in dem Mehrfamilienhaus, in dem sich die von der Klägerin gemietete Wohnung befindet, tatsächlich defekt sind und ob das einfache Bestreiten der Beklagten vor dem Hintergrund, dass die Klägerin das Schreiben der Firma J v. 29.12.2011 vorgelegt hat, hinreichend substantiiert ist. Dem von Klägerseite angebotenen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens war insoweit nicht nachzugehen, da auch im Fall des bewiesenen Defekts der hausinternen Telefonleitungen ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte, diese zu reparieren, nicht bestünde.

b) Die Frage, ob ein solcher Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte besteht, richtet sich allein nach der schuldrechtlichen Auslegung des Mietvertrags der Parteien, und zwar nach dem Abstraktionsprinzip unabhängig von der Frage, ob die Beklagte als Eigentümerin des Hausgrundstücks auch Eigentümerin der innerhalb des Hauses verlegten Telefonleitungen ist. Von dieser im Hinweisbeschluss der Kammer vom 17.07.2013 geäußerten Rechtsauffassung ist die Kammer – wie der Vorsitzende in der Berufungsverhandlung vom 27.11.2013 mitgeteilt hat – abgerückt.

aa) Nach § 535 Abs. 1 BGB ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter während der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache zu gewähren. Der vertragsgemäße Gebrauch von zu Wohnzwecken vermieteten Räumen umfasst auch die Möglichkeit des Telefonierens über ein Festnetztelefon sowie die Benutzung des Internets über eine Festnetzleitung (AG Neukölln, Urteil vom 2. März 2011 – 5 C 340/10 – Rn. 27 f.; vgl. zur Minderungsquote im Wohnraummietverhältnis bei fehlendem Telefonfestnetzanschluss LG Berlin, Urteil vom 9. Februar 2010 – 65 S 475/10, Grundeigentum 2012, 1379-1381 Rn. 23, jeweils zitiert nach Juris). Das „Wohnen“ umfasst grundsätzlich alles, was zur Benutzung der gemieteten Räume als existentiellem Lebensmittelpunkt des Mieters in allen seinen Ausgestaltungen und mit allen seinen Bedürfnissen gehört. Der Mieter hat aber – sofern dies nicht ausdrücklich vertraglich geregelt ist – keinen Anspruch gegen den Vermieter auf die Ausstattung der Wohnung mit einem Telekommunikationsanschluss. Der Mieter kann jedoch von dem Vermieter verlangen, dass dieser ihm den Zugang ermöglicht, indem er ihm die Zustimmung erteilt, die erforderlichen Installationsarbeiten vornehmen zu lassen, also die erforderlichen technischen Einrichtungen selbst anzubringen oder anbringen zu lassen. Entsprechendes gilt, wenn nicht die erstmalige Verlegung der Leitungen, sondern eine Reparatur in Betracht kommt (AG Neukölln, aaO).

bb) Die Klägerin beantragt jedoch vorliegend nicht die Verurteilung der Beklagten zur Zustimmung zu Reparaturmaßnahmen, sondern zu deren Vornahme. Diese schuldet die Beklagte als Vermieterin hingegen nach Auffassung der Kammer nicht, da die mietvertraglichen Pflichten des Vermieters im Telekommunikationsbereich unter Berücksichtigung der Regelungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) auszulegen sind. Danach trifft die Pflicht zur Reparatur der im streitgegenständlichen Mehrfamilienhaus verlegten Telefonleitungen den Telekommunikationsanbieter, mit dem die Klägerin einen Vertrag über die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen abgeschlossen hat, mithin hier das Unternehmen J, das ggf. zur Erfüllung der ihr gegenüber der Klägerin als Teilnehmer obliegenden Verpflichtungen zur Reparatur des ihr vom Netzbetreiber (hier der K) zur Verfügung gestellten Netzes auf dessen Mitwirkung hinzuwirken hat. Die Kammer tritt der Auffassung des Amtsgerichts bei, dass der Telekommunikationsanbieter das Telekommunikationssignal der Klägerin in den von ihr gemieteten Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen hat, da sie als Teilnehmerin gem. § 3 Nr. 10 TKG anzusehen ist, und sich der Netzabschlusspunkt (der physische Punkt gem. § 3 Nr. 12a TKG, an dem einem Teilnehmer der Zugang zu einem Telekommunikationsnetz gem. § 45 d Abs. 1 TKG bereitgestellt wird) in der von der Klägerin gemieteten Wohnung befindet. Wie die Bundesnetzagentur in ihrer Email vom 18.07.2012 ausführt, ist der Netzabschlusspunkt in der Regel die TAE-Dose beim Endnutzer, die mit einer Endleitung an den Anschlusspunkt Linientechnik (APL) angeschlossen wird, der sich meist im Keller des Hauses befindet. Sowohl die TEA-Dose als auch der APL, also die Endleitung, stellen hiernach Bestandteile des Teilnehmeranschlusses dar. Gem. § 45 d Abs. 1 TKG ist der Zugang zu öffentlichen Telekommunikationsnetzen an festen Standorten an einer mit dem Teilnehmer – also dem Mieter, hier der Klägerin – zu vereinbarenden, geeigneten Stelle zu installieren. Wie die Bundesnetzagentur in ihrer von der Beklagten als Anlage zur Berufungserwiderung vom 01.09.2013 zur Akte gereichten Email vom 18.07.2012 (Bl. 117 f. d. A.) ausführt, haben die Anbieter von Telekommunikationsleitungen, die keine eigenen Teilnehmeranschlussleitungen verlegt haben, Mietverträge mit den Netzbetreibern über die Nutzung von deren Leitungen geschlossen, in denen u. a. das Verfahren im Störungsfall geregelt ist. Wie die Bundesnetzagentur weiter ausführt, hat sie Mitte 2009 angeordnet, dass die K im Rahmen der Bereitstellung der Teilnehmeranschlussleitungen für Wettbewerber (also andere Anbieter wie J), auf dessen Wunsch auch die Endleitung/TAE (Teilnehmeranschlusseinheit) installiert bzw. repariert, wofür die Bundesnetzagentur Entgelte festgelegt hat, die der andere Anbieter der K zu zahlen hat.

cc) Dass der Telekommunikationsanbieter zur Reparatur hausinterner Telefonleitungen verpflichtet ist, ergibt sich auch aus folgenden Vorschriften des TKG: Gem. § 45 a Abs. 3 Satz 1 TKG hat der aus dem Nutzungsvertrag mit dem Grundstückseigentümer berechtigte Anbieter (hier K) einem anderen Anbieter (hier J) auf Verlangen die Mitbenutzung der auf dem Grundstück und in den – hier streitgegenständlichen – darauf befindlichen Gebäuden verlegten Leitungen und angebrachten Vorrichtungen des Anbieters zu gewähren, sofern kein weiterer Nutzungsvertrag des Eigentümers besteht und die Mitbenutzung nicht die Pflichtenerfüllung des Anbieters gefährdet. Überdies kann der Teilnehmer, also die Klägerin, gem. § 45 b TKG von der K direkt verlangen, dass diese unverzüglich der Störung nachgeht, da diese im Gegensatz zum Anbieter J über eine „beträchtliche Marktmacht“ verfügt, worauf die Bundesnetzagentur in ihrer Email vom 18.07.2012 ebenfalls hingewiesen hat. Der Grundstückseigentümer kann gem. § 76 Abs. 1 Nr. 2 TKG die Erneuerung von Telekommunikationslinien (die gem. § 3 Nr. 26 TKG als unter- oder oberirdisch geführte Telekommunikationskabelanlagen einschließlich ihrer zugehörigen Schalt- und Verzweigungseinrichtungen, Masten und Unterstützungen, Kabelschächte und Kabelkanalrohre definiert sind) auf seinem Grundstück insoweit nicht verbieten, als das Grundstück einschließlich der Gebäude durch die Benutzung nicht unzumutbar beeinträchtigt wird.

dd) Dies gilt nach Auffassung der Kammer, wenn – wie hier festgestellt – es sich um althergebrachte Telefonleitungen handelt, die im Mehrfamilienhaus seinerzeit von der K bzw. von deren Rechtsvorgänger(in) verlegt worden sind, und nicht die Beklagte eine eigene hausinterne Verkabelung installiert hat. Auf diesen Umstand hat der Vorsitzende in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 27.11.2013 hingewiesen, dem die Prozessvertreter beider Parteien zustimmten. Zwar wies der Klägervertreter in der Berufungsverhandlung darauf hin,

dass eine hausinterne Verteilungsanlage in dem streitgegenständlichen Mehrfamilienhaus dergestalt existiere, dass von einem Verteilerpunkt im Keller Verteilungskabel in die einzelnen Wohnungen führen. Er ging jedoch ebenfalls davon aus, dass diese hausinternen Telefonleitungen seinerzeit von der K bzw. von deren Rechtsvorgänger(in) verlegt wurden.

ee) Nach den Feststellungen der Kammer kommt auch kein bauseits bedingter Mangel als Ursache für den Defekt der Telefonleitung im streitgegenständlichen Mehrfamilienhaus in Betracht, für den und dessen eventuelle Mangelfolgeschäden der Vermieter im Rahmen des Mietvertrages die Verantwortung treffen könnte (vgl. zum bauseits bedingten Fehlen einer Möglichkeit, einen Telefonanschluss schalten zu lassen, als wichtiger Grund für eine fristlose außerordentliche Kündigung eines Gewerberaummietverhältnisses gem. § 543 Abs. 1 BGB LG Hannover, Urteil vom 9. Januar 2009 – 2 S 71/08, zitiert nach Juris). Der Vorsitzende wies in der Berufungsverhandlung vom 27.11.2013 darauf hin, dass nach dem bisherigen Parteivortrag nicht ersichtlich ist, dass ein durch die Bausubstanz des Gebäudes bedingter Mangel Ursache für den Kabeldefekt ist, woraufhin die Parteivertreter äußerten, dass ihnen hierzu nichts bekannt sei.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 238 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Rechtsfrage, inwieweit die Reparaturpflicht von Telefonleitungen innerhalb eines Mehrfamilienhauses zum Pflichtenkreis des Vermieters oder demjenigen des Telekommunikationsanbieters gehört, wurde bislang in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt. Diese Rechtsfrage ist auch entscheidungserheblich, da kein anderer rechtlicher Gesichtspunkt die Entscheidung – unabhängig von der Beantwortung der Zulassungsfrage – trägt. Die Rechtssache hat insoweit grundsätzliche Bedeutung, als deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Daher erfordert auch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens ergibt sich aus der Beschwer des Rechtsmittelführers durch das angegriffene Urteil (§ 3 ZPO). Die Beschwer für die Klägerin richtet sich mithin nach den geschätzten voraussichtlichen Kosten der Reparatur der Telefonleitungen, da sie aufgrund der Zurückweisung der Berufung die Reparatur von der Beklagten nicht verlangen kann.

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