Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- LG Paderborn: Kündigungen wegen Holzdiebstahl und Zahlungsverzugs unwirksam – Mieter muss Wohnung nicht räumen
- Ausgangslage: Streit um Räumungsklage nach mehreren Kündigungen in Paderborn
- Streitpunkte im Berufungsverfahren: Von Holzdiebstahl bis Zahlungsverzug – Die Kündigungsgründe des Vermieters
- Entscheidung des Landgerichts Paderborn: Berufung zurückgewiesen – Keine Räumungspflicht für den Mieter
- Kündigung wegen Holzdiebstahls (§ 242 StGB): Kein Nachweis einer Straftat durch den Mieter
- Kündigung wegen verspäteter Mietzahlung (§ 543 BGB, § 573 BGB): Keine ausreichende Pflichtverletzung für Kündigung
- Kündigung wegen Datenschutzverstoßes: Vorwurf des Vermieters nicht ausreichend dargelegt
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann kann ein Vermieter einem Mieter fristlos kündigen?
- Welche Rolle spielt die Beweislast bei einer Kündigung wegen einer Straftat des Mieters?
- Kann ein Vermieter eine Kündigung auf Gründe stützen, die erst nach Klageerhebung entstanden sind?
- Welche Rechte hat ein Mieter, wenn er eine Nebenkostenabrechnung für fehlerhaft hält?
- Was bedeutet „vorläufige Vollstreckbarkeit“ eines Urteils und wie kann sich der Vermieter bzw. Mieter dagegen schützen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 1 S 77/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Paderborn
- Datum: 03.07.2024
- Aktenzeichen: 1 S 77/23
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Mietrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Vermieter, der die Räumung und Herausgabe einer Wohnung sowie den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten begehrte und dies auf verschiedene Kündigungen stützte.
- Beklagte: Der Mieter, der die Vorwürfe des Vermieters bestritt und die Rechtmäßigkeit der Kündigungen anzweifelte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Der Vermieter begehrte vom Mieter die Räumung einer im September 2021 angemieteten Wohnung in Paderborn und stützte sich dabei auf mehrere Kündigungen wegen angeblicher Pflichtverletzungen des Mieters (u.a. Holzdiebstahl, verspätete Mietzahlung, Datenschutzverstöße, Prozessbetrug, Sachbeschädigungen, Nichtzahlung einer Nebenkostenabrechnung, Mietrückstand). Das Amtsgericht wies die Klage ab. Der Vermieter legte Berufung ein und führte im Berufungsverfahren weitere Kündigungen an. Der Mieter bestritt alle Vorwürfe und legte Einspruch gegen die Zulassung der neuen Kündigungsgründe im Berufungsverfahren ein.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob das Mietverhältnis durch eine der vom Vermieter ausgesprochenen Kündigungen wirksam beendet wurde und dem Vermieter deshalb ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten zusteht.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Landgericht Paderborn hat die Berufung des Vermieters gegen das Urteil des Amtsgerichts zurückgewiesen. Damit wurde die Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten endgültig abgewiesen.
- Begründung: Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass keine der vom Vermieter ausgesprochenen Kündigungen das Mietverhältnis wirksam beendet hat. Ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe besteht daher nicht. Die Kündigung wegen Holzdiebstahls sei unwirksam, da nach Beweisaufnahme feststehe, dass dem Mieter die Nutzung des Holzes gestattet wurde und ihm der für Diebstahl erforderliche Vorsatz fehle. Die Kündigung wegen verspäteter Mietzahlung sei ebenfalls unwirksam, weil die Abmahnung nicht ausreichend Zeit zur Umstellung des Zahlungsverhaltens gab und das vorherige Zahlungsverhalten keine erhebliche Pflichtverletzung darstellte. Der Vorwurf des Verstoßes gegen den Datenschutz wurde vom Vermieter nicht ausreichend dargelegt und bewiesen. Der Vorwurf des Prozessbetruges wurde vom Gericht verneint, da die Behauptung des Mieters zur Holznutzung nach dem Beweisergebnis zutraf. Die im Berufungsverfahren neu geltend gemachten Kündigungen (wegen Sachbeschädigung, Nichtzahlung Nebenkosten, Mietrückstand Mai/Juni 2024) wurden als unzulässige Klageänderung im Berufungsverfahren angesehen, da der Mieter widersprach und die Einführung neuen Streitstoffs nicht sachdienlich sei. Zudem fehlte es dem Vortrag des Vermieters zu diesen Punkten an Substanz oder es lag kein kündigungsberechtigender Zahlungsrückstand vor.
- Folgen: Das Mietverhältnis zwischen Vermieter und Mieter besteht fort. Die Klage des Vermieters auf Räumung, Herausgabe und Zahlung von Anwaltskosten wurde endgültig abgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens muss der Kläger tragen.
Der Fall vor Gericht
LG Paderborn: Kündigungen wegen Holzdiebstahl und Zahlungsverzugs unwirksam – Mieter muss Wohnung nicht räumen
Das Landgericht Paderborn hat in einem Berufungsverfahren entschieden, dass ein Mieter seine Wohnung in Paderborn nicht räumen muss. Der Vermieter hatte über einen längeren Zeitraum mehrere Kündigungen ausgesprochen, die auf unterschiedliche Vorwürfe gestützt wurden.

Das Gericht kam jedoch zu dem Schluss, dass keine dieser Kündigungen das seit September 2021 bestehende Mietverhältnis wirksam beendet hat. Damit wurde die Räumungsklage des Vermieters, die bereits vom Amtsgericht Paderborn abgewiesen worden war, endgültig zurückgewiesen.
Ausgangslage: Streit um Räumungsklage nach mehreren Kündigungen in Paderborn
Zwischen den Parteien, einem Vermieter und seinem Mieter, bestand seit September 2021 ein Mietvertrag über eine Wohnung in Paderborn. Der Vermieter verlangte vom Mieter die Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie den Ersatz von Kosten für seine Anwälte, die er vor dem Gerichtsverfahren eingeschaltet hatte. Seine Forderung stützte er auf verschiedene Pflichtverletzungen, die der Mieter begangen haben soll. Bereits in der ersten Instanz vor dem Amtsgericht Paderborn hatte der Vermieter mehrere Kündigungsgründe angeführt: eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 15. März 2023 wegen eines angeblichen Diebstahls von Brennholz des Vermieters durch den Mieter. Weitere Kündigungen datieren vom 24. Januar 2023 (wegen verspäteter Mietzahlungen) und ebenfalls vom 15. März 2023 (wegen angeblicher Datenschutzverstöße und versuchten Prozessbetrugs). Das Amtsgericht wies die Klage jedoch ab, da es keinen wirksamen Kündigungsgrund feststellen konnte; insbesondere sah es den Vorwurf des Holzdiebstahls als nicht bewiesen an. Gegen dieses Urteil legte der Vermieter Berufung beim Landgericht Paderborn ein.
Streitpunkte im Berufungsverfahren: Von Holzdiebstahl bis Zahlungsverzug – Die Kündigungsgründe des Vermieters
Im Berufungsverfahren hielt der Vermieter an seinen ursprünglichen Kündigungsgründen fest, insbesondere am Vorwurf des Holzdiebstahls. Zusätzlich brachte er im Laufe des Berufungsverfahrens weitere Kündigungen ins Spiel, die auf neuen Vorwürfen basierten. Diese Kündigungen wurden in Schriftsätzen vom 20. November 2023, 29. Dezember 2023, 04. Januar 2024, 05. Februar 2024 und 07. Juni 2024 ausgesprochen. Die neuen Vorwürfe umfassten:
- Angeblicher (versuchter) Prozessbetrug des Mieters in erster Instanz, weil dieser behauptet hatte, die Erlaubnis zur Nutzung des Holzes gehabt zu haben.
- Angebliche Beschädigungen des Ökopflasters auf dem Grundstück und des Haustürschlosses durch den Mieter oder seine Gäste.
- Die Nichtzahlung einer Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2022.
- Einen Zahlungsrückstand bei der Miete für die Monate Mai und Juni 2024.
Der Mieter bestritt alle Vorwürfe. Er erklärte, dass ihm bei Abschluss des Mietvertrages durch einen anwesenden Übersetzer die Erlaubnis des Vermieters zur Nutzung des Brennholzes erteilt worden sei. Er bestritt ebenfalls, das Pflaster oder das Schloss beschädigt zu haben. Gegen die Nebenkostenabrechnung erhob er Einwände und bestritt auch, dass ein Mietrückstand bestehe, der eine Kündigung rechtfertigen würde. Im Berufungsverfahren widersprach der Mieter zudem ausdrücklich der Berücksichtigung der neuen, erst nach Klageerhebung ausgesprochenen Kündigungen durch das Gericht, da dies eine unzulässige Änderung der Klage darstelle.
Entscheidung des Landgerichts Paderborn: Berufung zurückgewiesen – Keine Räumungspflicht für den Mieter
Das Landgericht Paderborn wies die Berufung des Vermieters gegen das Urteil des Amtsgerichts Paderborn (Az.: 55 C 26/23) mit Urteil vom 03. Juli 2024 (Az.: 1 S 77/23) vollständig zurück. Dies bedeutet, dass die Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten endgültig abgewiesen wird. Der Mieter muss die Wohnung nicht verlassen. Die Kosten des Berufungsverfahrens muss der Vermieter tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Kündigung wegen Holzdiebstahls (§ 242 StGB): Kein Nachweis einer Straftat durch den Mieter
Das Gericht führte eine umfangreiche Beweisaufnahme durch, bei der sowohl der Vermieter und der Mieter persönlich angehört als auch mehrere Zeugen vernommen wurden. Nach sorgfältiger Prüfung kam das Gericht zu dem Schluss, dass es nicht davon überzeugt ist, dass der Mieter einen Diebstahl im Sinne des Strafgesetzbuches (§ 242 Abs. 1 StGB) begangen hat.
Entscheidend war die Frage, ob der Mieter das Holz heimlich und gegen den Willen des Vermieters weggenommen hat. Der Mieter hatte vorgetragen, dass ihm bei Abschluss des Mietvertrages im August 2021 auf der Terrasse des Mietobjekts in Anwesenheit des Vermieters, zweier Zeugen (L und S) und eines Übersetzers („M“) durch eben diesen Übersetzer im Namen des Vermieters die Erlaubnis zur Nutzung des im Schuppen gelagerten Brennholzes erteilt wurde. Diese Darstellung schilderte der Mieter detailliert und nachvollziehbar. Die Zeugen L und S bestätigten diesen Vorgang im Wesentlichen. Zeuge L gab an, der Vermieter habe dem Mieter die Nutzung erlaubt. Zeuge S sagte aus, der Übersetzer habe ihm auf Nachfrage bestätigt, dass der Vermieter zugestimmt habe. Das Gericht hielt die Aussagen dieser Zeugen für glaubhaft.
Ein Diebstahl setzt voraus, dass der Täter fremdes Eigentum wegnimmt, um es sich anzueignen, und dabei weiß, dass er keine Erlaubnis dazu hat (Vorsatz). Wenn der Eigentümer aber zustimmt, liegt keine widerrechtliche Wegnahme vor. Selbst wenn der Mieter irrig angenommen hätte, er dürfe das Holz nehmen, würde dies den Vorsatz ausschließen (§ 16 StGB). Da die Beweisaufnahme ergab, dass dem Mieter die Nutzung durch den Übersetzer als Erklärung des Vermieters gestattet wurde, fehlte es am notwendigen Vorsatz für einen Diebstahl.
Die Behauptung des Vermieters, er sei bei Vertragsschluss gar nicht anwesend gewesen und habe die Nutzung nie erlaubt, wertete das Gericht als nicht glaubhaft und lebensfremd. Es sei unwahrscheinlich, dass der Vermieter, dessen eigenes Haus neben der vermieteten Wohnung liegt, seinen neuen Mieter über drei Monate nicht getroffen haben will. Auch konnte der Vermieter nicht plausibel erklären, wie der Mieter dann an die Schlüssel und die Wohnung gekommen sein soll. Ein vom Vermieter benannter Zeuge (O) bestätigte sogar beiläufig, dass der Vermieter ihm gegenüber erwähnt hatte, der Vertrag sei am Mietobjekt abgeschlossen worden – was die Version des Mieters stützte.
Da somit kein Diebstahl nachgewiesen werden konnte, war die auf diesen Vorwurf gestützte Kündigung vom 15.03.2023 unwirksam. Die Darlegungs- und Beweislast für eine Straftat als Kündigungsgrund liegt beim Vermieter.
Kündigung wegen verspäteter Mietzahlung (§ 543 BGB, § 573 BGB): Keine ausreichende Pflichtverletzung für Kündigung
Auch die Kündigung vom 24.01.2023 wegen angeblich wiederholt verspäteter Mietzahlungen hielt der gerichtlichen Prüfung nicht stand. Eine Außerordentliche fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs nach § 543 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter unzumutbar ist. Bei unpünktlichen Zahlungen ist hierfür in der Regel eine vorherige Abmahnung erforderlich. Zwischen der Abmahnung und der nächsten fälligen Zahlung muss dem Mieter jedoch ausreichend Zeit gegeben werden, sein Zahlungsverhalten anzupassen. Eine Frist von nur wenigen Tagen, wie hier zwischen der Abmahnung vom 24.12.2022 und der Anfang Januar 2023 fälligen Miete (insbesondere über die Weihnachtsfeiertage), ist laut Gericht zu kurz.
Eine ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen einer nicht unerheblichen, schuldhaften Pflichtverletzung kann zwar auch bei wiederholt unpünktlicher Zahlung möglich sein, erfordert aber eine gewisse Erheblichkeit der Pflichtverletzung. Hier begann das Mietverhältnis im September 2021. Der Mieter zahlte im Jahr 2022 unbestritten jeweils zur Monatsmitte. Selbst wenn die Miete früher fällig gewesen wäre, sah das Gericht darin nach über einem Jahr der Duldung durch den Vermieter keine ausreichend gewichtige Pflichtverletzung. Auch die Zahlung zur Monatsmitte im Januar 2023, kurz nach der Abmahnung Ende Dezember 2022, begründete angesichts des kurzen Zeitraums und der langen Duldung zuvor keinen Kündigungsgrund.
Kündigung wegen Datenschutzverstoßes: Vorwurf des Vermieters nicht ausreichend dargelegt
Der Vorwurf des Vermieters, der Mieter habe sich unter Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen Kontoauszüge des Vermieters verschafft, wurde als Kündigungsgrund ebenfalls verworfen. Der Vermieter hatte diesen Vorwurf weder ausreichend konkret dargelegt noch Beweise dafür angeboten. Zudem war er der Erklärung des Mieters nicht entgegengetreten, dass der Vermieter ihm selbst erlaubt habe, die Kontoauszüge abzufotografieren. Dies ging zu Lasten des Verm
Die Schlüsselerkenntnisse
Die Entscheidung zeigt, dass Vermieter für eine wirksame Kündigung konkrete Pflichtverletzungen des Mieters nachweisen müssen – bloße Behauptungen reichen nicht aus. Bei vorgeworfenen Straftaten (wie dem angeblichen Holzdiebstahl) trägt der Vermieter die volle Beweislast und muss auch den Vorsatz des Mieters belegen können. Für Kündigungen wegen Zahlungsverzugs sind vorherige Abmahnungen mit angemessenen Fristen nötig, wobei lange geduldete Zahlungsmuster nicht plötzlich als Kündigungsgrund herangezogen werden können. Das Urteil stärkt den Kündigungsschutz für Mieter und verdeutlicht die hohen Anforderungen an einen wirksamen Kündigungsgrund.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann kann ein Vermieter einem Mieter fristlos kündigen?
Ein Vermieter darf Ihnen nicht einfach so fristlos kündigen. Eine fristlose Kündigung beendet das Mietverhältnis sofort, ohne Einhaltung der üblichen Kündigungsfristen. Dies ist nur unter strengen Voraussetzungen möglich.
Die wichtigste Voraussetzung ist ein „wichtiger Grund“. Das steht so im Gesetz (§ 543 Bürgerliches Gesetzbuch). Ein solcher Grund liegt vor, wenn Ihnen als Mieter eine schwerwiegende Vertragsverletzung vorgeworfen wird und es dem Vermieter unter Abwägung aller Umstände und der Interessen beider Seiten nicht mehr zugemutet werden kann, das Mietverhältnis bis zum Ablauf der normalen Kündigungsfrist fortzusetzen. Einfach gesagt: Es muss etwas Ernsthaftes vorgefallen sein, das eine sofortige Beendigung des Mietvertrags rechtfertigt.
Was ist ein „wichtiger Grund“?
Ein wichtiger Grund ist nicht jede Kleinigkeit oder Meinungsverschiedenheit. Es muss sich um erhebliche Pflichtverletzungen handeln. Ob ein Grund „wichtig“ genug ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Gerichte prüfen dies sehr genau.
Die Unzumutbarkeit für den Vermieter ist dabei entscheidend. Das bedeutet, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter – selbst für die Dauer einer normalen Kündigungsfrist – unerträglich wäre.
Typische Beispiele für wichtige Gründe
Hier einige Beispiele, die häufig zu einer fristlosen Kündigung führen können:
- Erheblicher Zahlungsverzug mit der Miete: Dies ist einer der häufigsten Gründe. Das Gesetz nennt hierfür klare Regeln (§ 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB):
- Wenn Sie für zwei aufeinanderfolgende Monate gar keine oder nur einen Teil der Miete zahlen und der Rückstand mehr als eine Monatsmiete beträgt.
- Oder: Wenn Sie über einen längeren Zeitraum immer wieder Teile der Miete nicht zahlen und der Gesamtrückstand die Höhe von zwei Monatsmieten erreicht.
- Erhebliche Störung des Hausfriedens: Wenn Sie wiederholt und nachhaltig den Frieden im Haus stören. Dazu zählen zum Beispiel ständige laute Musik bis spät in die Nacht trotz Ermahnungen, schwere Beleidigungen oder Bedrohungen gegenüber dem Vermieter oder anderen Mietern. Einzelne Vorfälle reichen meist nicht aus.
- Unerlaubte Nutzung der Wohnung: Wenn Sie die Wohnung entgegen den Vereinbarungen im Mietvertrag nutzen, z.B. ein Gewerbe darin betreiben, obwohl nur Wohnnutzung erlaubt ist, oder wenn Sie die gesamte Wohnung ohne Erlaubnis untervermieten.
- Erhebliche Gefährdung oder Beschädigung der Wohnung: Wenn Sie die Wohnung stark vernachlässigen, sodass schwere Schäden entstehen (z.B. Schimmel durch dauerhaft falsches Lüften trotz Hinweisen) oder wenn Sie die Wohnung mutwillig beschädigen.
Was ist noch zu beachten?
- Abmahnung meist erforderlich: Bevor der Vermieter fristlos kündigen kann, muss er Sie in den meisten Fällen zuerst abmahnen. Die Abmahnung ist wie ein „Warnschuss“. Sie soll Ihnen die Möglichkeit geben, das vertragswidrige Verhalten zu ändern. Nur bei sehr schwerwiegenden Vorfällen (z.B. Straftaten gegen den Vermieter) oder wenn eine Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht, kann sie entfallen. Beim Zahlungsverzug ist eine Abmahnung in der Regel nicht notwendig.
- Schriftform und Begründung: Eine fristlose Kündigung muss immer schriftlich erfolgen. Der Vermieter muss in dem Kündigungsschreiben den wichtigen Grund genau angeben, der zur Kündigung führt. Ohne diese Begründung ist die Kündigung unwirksam.
Für Sie bedeutet das: Eine fristlose Kündigung ist ein schwerwiegender Eingriff und nur bei wirklich gravierenden Vertragsverstößen zulässig.
Welche Rolle spielt die Beweislast bei einer Kündigung wegen einer Straftat des Mieters?
Bei einer Kündigung des Mietvertrages, zum Beispiel wegen des Vorwurfs einer Straftat wie Diebstahl, liegt die Beweislast grundsätzlich beim Vermieter. Das bedeutet, der Vermieter muss beweisen, dass der Kündigungsgrund, den er anführt, tatsächlich vorliegt.
Stellen Sie sich vor, der Vermieter behauptet, Sie hätten etwas gestohlen und kündigt Ihnen deshalb. Er ist derjenige, der diese Behauptung aufstellt und daraus Rechte ableiten möchte (nämlich die Beendigung des Mietvertrages). Deshalb muss er die Tatsachen beweisen, die seine Kündigung stützen. Eine bloße Vermutung oder ein Verdacht reichen dafür nicht aus.
Der Vermieter muss also konkrete Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich ergibt, dass Sie die ihm vorgeworfene Handlung (z.B. den Diebstahl) begangen haben. Zudem muss diese Handlung so schwerwiegend sein, dass sie eine Kündigung – möglicherweise sogar eine fristlose – rechtfertigt.
Welche Beweise kann der Vermieter nutzen?
Um seiner Beweispflicht nachzukommen, kann der Vermieter verschiedene Beweismittel vor Gericht vorlegen. Dazu gehören zum Beispiel:
- Zeugenaussagen: Personen, die etwas beobachtet haben und dies vor Gericht bestätigen können.
- Fotos oder Videos: Aufnahmen, die den Vorfall oder dessen Folgen dokumentieren.
- Schriftliche Unterlagen: Das können zum Beispiel Polizeiberichte sein (auch wenn ein Strafverfahren noch läuft oder vielleicht eingestellt wurde), Abmahnungen, die sich auf den Vorfall beziehen, oder andere relevante Dokumente.
- Sachverständigengutachten: In bestimmten Fällen kann auch die Einschätzung eines Experten erforderlich sein.
Das Gericht prüft dann die vorgelegten Beweise und entscheidet, ob es davon überzeugt ist, dass der Kündigungsgrund (also z.B. der Diebstahl) tatsächlich vorliegt. Es ist wichtig zu verstehen, dass für eine Kündigung nicht zwingend eine strafrechtliche Verurteilung des Mieters erforderlich ist. Das Gericht im Mietprozess bildet sich eine eigene Überzeugung auf Basis der vorgelegten Beweise.
Was passiert, wenn der Beweis nicht gelingt?
Kann der Vermieter die behauptete Straftat oder das schwerwiegende Fehlverhalten nicht ausreichend beweisen, sodass das Gericht nicht davon überzeugt ist, dass der Kündigungsgrund wirklich vorliegt, trägt er die negativen Folgen. Das bedeutet für Sie: Die Kündigung ist in der Regel unwirksam, und das Mietverhältnis besteht weiter.
Auch im Mietrecht gilt ein wichtiger Grundsatz, der dem „Im Zweifel für den Angeklagten“ aus dem Strafrecht ähnelt: Bestehen nach der Prüfung aller Beweise noch erhebliche Zweifel daran, ob der Mieter die ihm vorgeworfene Handlung tatsächlich begangen hat, gehen diese Zweifel zulasten des Vermieters. Der Vermieter hat seine Behauptung dann nicht ausreichend bewiesen.
Kann ein Vermieter eine Kündigung auf Gründe stützen, die erst nach Klageerhebung entstanden sind?
Ja, ein Vermieter kann unter bestimmten Umständen eine Kündigung auch auf Gründe stützen, die erst entstanden sind, nachdem er bereits Klage auf Räumung eingereicht hat. Das Hinzufügen solcher neuer Gründe wird oft als „Nachschieben von Kündigungsgründen“ bezeichnet. Dies ist jedoch an klare Regeln gebunden.
Neue Kündigung erforderlich
Entscheidend ist: Wenn nach der ursprünglichen Kündigung und sogar nach Einreichung der Räumungsklage neue Tatsachen auftreten, die eine Kündigung rechtfertigen (z.B. weitere erhebliche Pflichtverletzungen durch den Mieter), kann der Vermieter diese nicht einfach der alten Kündigung hinzufügen.
Der Vermieter muss vielmehr eine neue, separate Kündigung aussprechen, die auf diesen neuen Gründen basiert. Diese neue Kündigung muss alle formalen Anforderungen erfüllen, die auch für die erste Kündigung galten. Dazu gehört insbesondere, dass sie schriftlich erfolgt und die neuen Kündigungsgründe klar benannt und erläutert werden.
Einbeziehung neuer Gründe in den laufenden Prozess
Liegt eine solche neue, wirksame Kündigung vor, kann der Vermieter versuchen, diese in das bereits laufende Gerichtsverfahren einzubeziehen. Dies geschieht in der Regel durch eine Erweiterung der bestehenden Klage. Der Vermieter beantragt dann beim Gericht, die Räumung nicht nur aufgrund der ursprünglichen Kündigung, sondern auch oder hilfsweise aufgrund der neuen Kündigung anzuordnen.
Stellen Sie sich vor, der ursprüngliche Prozess läuft bereits. Nun kommt es zu einem neuen Vorfall, der eine Kündigung rechtfertigt. Der Vermieter schickt Ihnen deswegen eine neue Kündigung. Er kann dann das Gericht bitten, auch über diese neue Kündigung im selben Verfahren zu entscheiden.
Berücksichtigung im Berufungsverfahren
Auch im Berufungsverfahren, also wenn eine Partei mit der Entscheidung des ersten Gerichts nicht einverstanden ist und die nächste Instanz anruft, können grundsätzlich neue Kündigungsgründe noch eingebracht werden. Hier gelten jedoch strengere prozessuale Regeln.
Neue Tatsachen und Beweismittel (dazu zählt auch eine neue Kündigung samt den zugehörigen Gründen) werden im Berufungsverfahren nur unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen. Das Gericht prüft zum Beispiel, ob die neuen Gründe unstreitig sind oder ob es keine Nachlässigkeit der Partei war, diese nicht schon früher vorzubringen. Die genauen Regeln finden sich in der Zivilprozessordnung (ZPO). Es ist also nicht automatisch gesagt, dass neue Gründe in der Berufung noch berücksichtigt werden.
Was bedeutet das für Sie als Mieter?
Wenn Ihr Vermieter im laufenden Gerichtsverfahren (auch in der Berufung) plötzlich neue Kündigungsgründe vorbringt, bedeutet das nicht, dass diese automatisch gültig sind oder vom Gericht berücksichtigt werden.
- Prüfen Sie die neue Kündigung: Ist sie formell korrekt (schriftlich, mit Begründung)?
- Prüfen Sie die neuen Gründe: Sind die vom Vermieter genannten neuen Vorfälle tatsächlich passiert und rechtfertigen sie eine Kündigung?
- Prozessuale Zulässigkeit: Sie können im Verfahren bestreiten, dass die neuen Gründe überhaupt noch berücksichtigt werden dürfen, insbesondere im Berufungsverfahren aufgrund der strengeren Regeln.
- Inhaltliche Verteidigung: Sie können sich inhaltlich gegen die neuen Vorwürfe verteidigen und darlegen, warum diese keine Kündigung rechtfertigen.
Es ist also möglich, dass neue Kündigungsgründe im Laufe eines Gerichtsverfahrens relevant werden. Dies erfordert aber eine neue Kündigungserklärung und die Einhaltung prozessualer Spielregeln für deren Einbeziehung in den Prozess. Als Mieter haben Sie die Möglichkeit, sich sowohl gegen die formelle Zulässigkeit als auch gegen die inhaltliche Berechtigung dieser neuen Gründe zu wehren.
Welche Rechte hat ein Mieter, wenn er eine Nebenkostenabrechnung für fehlerhaft hält?
Wenn Sie Ihre Nebenkostenabrechnung erhalten und Zweifel an deren Richtigkeit haben, stehen Ihnen bestimmte Rechte zu. Sie müssen eine fehlerhafte Abrechnung nicht einfach akzeptieren.
Ihr Recht auf Prüfung und Belegeinsicht
Sie haben das Recht, die Nebenkostenabrechnung gründlich zu prüfen. Dazu gehört auch das Recht, die Originalbelege einzusehen, auf denen die Abrechnung basiert. Das sind zum Beispiel die Rechnungen der Versorger (Wasser, Heizung), der Versicherung oder des Hausmeisters.
Die Belegeinsicht findet in der Regel in den Geschäftsräumen des Vermieters oder der Hausverwaltung statt. Sie dürfen sich Notizen machen oder auf eigene Kosten Kopien oder Fotos von den Belegen anfertigen. Der Vermieter muss Ihnen die Einsichtnahme in alle relevanten Unterlagen ermöglichen, die zur Überprüfung der abgerechneten Kosten notwendig sind.
Einwendungen gegen die Abrechnung erheben
Finden Sie nach der Prüfung Fehler in der Abrechnung, können Sie schriftlich Einwendungen dagegen erheben. Das bedeutet, Sie teilen Ihrem Vermieter genau mit, welche Punkte Sie für falsch halten und warum (z.B. Rechenfehler, falscher Verteilerschlüssel, nicht vereinbarte Kosten).
Für diese Einwendungen haben Sie genügend Zeit: Die Frist beträgt zwölf Monate nach Erhalt der Abrechnung. Versäumen Sie diese Frist, können Sie spätere Einwendungen in der Regel nicht mehr geltend machen, es sei denn, Sie trifft kein Verschulden an der Verspätung. Der Vermieter muss Ihre Einwendungen prüfen und gegebenenfalls die Abrechnung korrigieren.
Zahlung der Nachforderung trotz Einwendungen?
Dies ist ein wichtiger Punkt, da eine Nichtzahlung unter Umständen zu einer Kündigung führen kann. Grundsätzlich gilt: Eine Nachforderung aus der Nebenkostenabrechnung ist erst einmal fällig.
Ob und wie viel Sie zahlen müssen, wenn Sie Einwendungen haben, hängt von der Art der Fehler ab:
- Bei offensichtlichen und leicht nachweisbaren Fehlern: Stellen Sie zum Beispiel einen klaren Rechenfehler fest oder wurde ein offensichtlich falscher Verteilerschlüssel angewendet, können Sie den Teil der Nachforderung zurückhalten, der auf diesem Fehler beruht. Den unstrittigen Teil der Nachforderung sollten Sie jedoch fristgerecht zahlen, um keinen Kündigungsgrund zu liefern.
- Bei komplexeren oder schwerer nachweisbaren Fehlern: Ist der Fehler nicht auf den ersten Blick ersichtlich oder bestreitet der Vermieter den Fehler, kann es sicherer sein, die gesamte Nachforderung zunächst unter Vorbehalt zu zahlen. Teilen Sie dem Vermieter bei der Zahlung ausdrücklich und schriftlich mit, dass die Zahlung unter dem Vorbehalt der Rückforderung erfolgt, weil Sie die Abrechnung für fehlerhaft halten und noch klären möchten. So vermeiden Sie das Risiko eines Zahlungsrückstands, der zur Kündigung führen könnte, behalten aber die Möglichkeit, das Geld später zurückzufordern, wenn sich der Fehler bestätigt.
Es ist wichtig, einen erheblichen Zahlungsrückstand zu vermeiden. Denn erreicht der Rückstand aus der Nachforderung oder laufenden Zahlungen eine bestimmte Höhe (gesetzlich genau definierte Grenzen, oft im Bereich von ein bis zwei Monatsmieten), kann dies den Vermieter unter Umständen zu einer fristlosen Kündigung berechtigen. Durch die Zahlung des unstrittigen Teils oder die Zahlung unter Vorbehalt können Sie dieses Risiko minimieren, während Sie Ihre Rechte wahrnehmen.
Was bedeutet „vorläufige Vollstreckbarkeit“ eines Urteils und wie kann sich der Vermieter bzw. Mieter dagegen schützen?
Ein Urteil, das als „vorläufig vollstreckbar“ bezeichnet wird, kann sofort umgesetzt werden. Das bedeutet: Die Partei, die den Prozess gewonnen hat (die sogenannte „obsiegende Partei“), kann die im Urteil festgelegten Ansprüche direkt durchsetzen, zum Beispiel Geld eintreiben oder eine Handlung erzwingen.
Dies gilt auch dann, wenn die unterlegene Partei das Urteil noch anfechten möchte, indem sie ein sogenanntes Rechtsmittel einlegt (zum Beispiel Berufung). Das Urteil ist also noch nicht endgültig („rechtskräftig“), kann aber schon Wirkungen entfalten. Stellen Sie sich vor, es ist wie eine vorläufige Anweisung des Gerichts, die sofort befolgt werden muss, auch wenn die endgültige Entscheidung noch aussteht.
Was bedeutet das konkret?
- Für die Partei, die gewonnen hat: Sie muss nicht warten, bis alle möglichen Rechtsmittel ausgeschöpft sind. Sie kann sofort versuchen, das zu bekommen, was ihr laut Urteil zusteht. Hat beispielsweise ein Mieter auf Rückzahlung einer Kaution geklagt und gewonnen, kann er versuchen, das Geld sofort vom Vermieter zu erhalten, auch wenn der Vermieter gegen das Urteil vorgeht.
- Für die Partei, die verloren hat: Sie muss damit rechnen, dass die Gegenseite sofort die Zwangsvollstreckung einleitet. Das kann bedeuten, dass zum Beispiel ein Gerichtsvollzieher beauftragt wird oder Konten gepfändet werden. Sie muss der Anordnung im Urteil vorläufig nachkommen, obwohl sie das Urteil vielleicht für falsch hält und anfechten möchte.
Wie kann man sich gegen die sofortige Vollstreckung schützen?
Die Partei, die verloren hat, ist der sofortigen Vollstreckung nicht schutzlos ausgeliefert. Es gibt Möglichkeiten, die Vollstreckung vorübergehend zu stoppen oder aufzuschieben:
- Sicherheitsleistung: Sehr häufig ordnet das Gericht an, dass die Vollstreckung nur gegen oder durch eine Sicherheitsleistung erfolgen darf.
- Wenn der Gewinner vollstrecken will: Oft muss der Gewinner zuerst eine Sicherheit (meist Geld) hinterlegen, bevor er vollstrecken darf. Diese Sicherheit dient dazu, den Verlierer abzusichern, falls das Urteil später doch noch aufgehoben oder geändert wird und dem Verlierer durch die vorläufige Vollstreckung ein Schaden entstanden ist.
- Wenn der Verlierer die Vollstreckung abwenden will: Oft kann der Verlierer die Vollstreckung stoppen, indem er selbst eine Sicherheit (meist in Höhe des Betrags, um den es geht, plus möglicher Kosten) hinterlegt. Das Geld wird sicher verwahrt, bis endgültig über den Fall entschieden ist.
- Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung: Die unterlegene Partei kann beim Gericht beantragen, die Zwangsvollstreckung vorläufig einzustellen oder zu beschränken. Das ist aber meist nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Oft muss dargelegt werden, dass die sofortige Vollstreckung einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bringen würde (eine sogenannte „unbillige Härte“). Das Gericht prüft dann im Einzelfall, ob die Vollstreckung vorerst gestoppt wird, eventuell gegen Leistung einer Sicherheit.
Beispiel aus dem Mietrecht
- Urteil zugunsten des Mieters (z.B. Rückzahlung von Nebenkosten): Ist das Urteil vorläufig vollstreckbar, kann der Mieter sofort versuchen, das Geld vom Vermieter zu bekommen (z.B. durch Pfändung), auch wenn der Vermieter Berufung einlegt. Der Vermieter könnte die Vollstreckung eventuell durch Hinterlegung einer Sicherheit abwenden.
- Urteil zugunsten des Vermieters (z.B. Räumung der Wohnung): Ist ein Räumungsurteil vorläufig vollstreckbar, könnte der Vermieter grundsätzlich sofort die Räumung durch einen Gerichtsvollzieher veranlassen, auch wenn der Mieter Berufung einlegt. Für Mieter gibt es hier aber oft besondere gesetzliche Schutzregelungen (z.B. die Möglichkeit, eine Räumungsfrist zu beantragen oder Vollstreckungsschutz wegen besonderer Härte zu verlangen). Auch hier kann die Vollstreckung oft nur gegen oder durch Sicherheitsleistung erfolgen.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit soll sicherstellen, dass Urteile nicht durch lange Verfahrenswege blockiert werden, gleichzeitig gibt es aber Mechanismen, um die unterlegene Partei vor unumkehrbaren Nachteilen zu schützen, bis eine endgültige Entscheidung gefallen ist.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Außerordentliche fristlose Kündigung
Die außerordentliche fristlose Kündigung ist eine Kündigungsart, bei der der Vermieter das Mietverhältnis sofort – ohne Einhaltung der üblichen Kündigungsfrist – beendet. Dies ist nur erlaubt, wenn ein so schwerwiegender Kündigungsgrund vorliegt, dass dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses selbst bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist nicht zuzumuten ist (§ 543 BGB). Ein Beispiel wäre ein erheblicher Mietrückstand oder eine schwere Vertragsverletzung. Vor einer solchen Kündigung ist in der Regel eine Abmahnung erforderlich, damit der Mieter die Möglichkeit bekommt, sein Verhalten zu ändern.
Vorsatz (§ 16 StGB)
Vorsatz bedeutet im Strafrecht das bewusste und gewollte Handeln einer Person. Ein Straftatbestand – etwa Diebstahl (§ 242 StGB) – setzt voraus, dass der Täter wusste, dass sein Verhalten rechtswidrig ist, und dies wollte. Im Mietrechtskontext ist Vorsatz wichtig, um zu beurteilen, ob eine Kündigung wegen einer Straftat wirksam ist. Liegt etwa eine Erlaubnis vor oder handelt der Mieter fälschlich davon aus, eine Erlaubnis zu haben, fehlt der notwendige Vorsatz, sodass eine strafrechtlich begründete Kündigung scheitert.
Beispiel: Wenn jemand irrtümlich annimmt, dass er das Holz des Vermieters nutzen darf, fehlt der Vorsatz für Diebstahl, obwohl das Holz ohne ausdrückliche Erlaubnis genutzt wurde.
Beweislast
Die Beweislast beschreibt die Pflicht einer Partei im Rechtsstreit, Tatsachen zu beweisen, die ihre Ansprüche stützen. Im Kündigungsrecht liegt die Beweislast für die Umstände, welche eine Kündigung rechtfertigen, grundsätzlich beim Vermieter. Das bedeutet, er muss nachweisen, dass der Mieter eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen hat, etwa eine Straftat oder einen erheblichen Zahlungsverzug. Wenn der Vermieter diese Beweise nicht erbringt, bleibt die Kündigung unwirksam.
Nachschieben von Kündigungsgründen (Erweiterung der Klage)
Das Nachschieben von Kündigungsgründen bezeichnet das Vorbringen neuer Kündigungsgründe durch den Vermieter, die erst nach Einreichung der Räumungsklage entstanden sind. Hierfür ist stets eine neue, separate Kündigung erforderlich, die alle gesetzlichen Formvorschriften erfüllen muss. Die neuen Gründe können dann im laufenden Gerichtsverfahren in Form einer Klageerweiterung eingebracht werden. Im Berufungsverfahren gelten jedoch strengere Regeln, und das Gericht lässt neue Kündigungsgründe nur unter engen Voraussetzungen zu, um den Prozess nicht zu verlängern oder zu behindern.
Beispiel: Wenn der Mieter während eines Gerichtsverfahrens erneut nicht zahlt, kann der Vermieter diese Pflichtverletzung nicht einfach der ursprünglichen Kündigung hinzufügen, sondern muss eine neue Kündigung aussprechen.
Vorläufige Vollstreckbarkeit eines Urteils
Vorläufige Vollstreckbarkeit bedeutet, dass ein Urteil schon umgesetzt werden kann, obwohl es noch nicht endgültig ist und noch Rechtsmittel, wie eine Berufung, eingelegt werden können. Das heißt, die obsiegende Partei darf z.B. eine Räumung oder Zahlung sofort durchsetzen. Dies schützt den Anspruchsberechtigten vor Verzögerungen. Gleichzeitig gibt es Schutzmechanismen, etwa die Möglichkeit, durch Sicherheitsleistungen oder Anträge die Vollstreckung vorübergehend zu stoppen, um eine unbillige Härte für die unterlegene Partei zu vermeiden.
Beispiel: Ein Vermieter, der ein vorläufig vollstreckbares Räumungsurteil hat, kann die Wohnung räumen lassen, auch wenn der Mieter noch Berufung einlegt, es sei denn, der Mieter beantragt Vollstreckungsschutz.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 242 StGB (Diebstahl): Definiert den Straftatbestand des Diebstahls und verlangt, dass der Täter fremdes Eigentum ohne Erlaubnis entwendet und vorsätzlich handelt. Für eine wirksame Kündigung wegen Diebstahls muss dieser Vorsatz nachgewiesen werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte fest, dass der Mieter die Erlaubnis zur Nutzung des Holzes besaß, was den Vorsatz eines Diebstahls ausschließt, weshalb die Kündigung wegen Holzdiebstahls unwirksam ist.
- § 543 BGB (Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund): Ermöglicht die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen, wenn eine Fortsetzung für den Vermieter unzumutbar ist, etwa bei erheblichem Zahlungsverzug. Eine vorherige Abmahnung und eine gewisse Erheblichkeit des Verstoßes sind Voraussetzung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die verspäteten Mietzahlungen des Mieters wurden als nicht gravierend und aufgrund kurzer Frist zwischen Abmahnung und Fälligkeit als unzureichend für eine außerordentliche Kündigung angesehen, sodass diese Kündigung unwirksam blieb.
- § 573 BGB (Ordentliche Kündigung wegen Eigenbedarf oder sonstiger Gründe): Regelt die ordentliche Kündigung von Wohnraum, die nur bei berechtigtem Interesse des Vermieters und unter Berücksichtigung der Interessen des Mieters zulässig ist. Eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs verlangt eine erhebliche und schuldhafte Pflichtverletzung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die geringe und vom Vermieter über lange Zeit geduldete Zahlungsverzögerung begründet keine ausreichende Pflichtverletzung für eine ordentliche Kündigung.
- Beweislast im Kündigungsrecht: Der Vermieter trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes, insbesondere wenn das Kündigungsrecht auf einer Straftat basiert. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte fest, dass der Vermieter den Nachweis des Diebstahls nicht erbringen konnte, was zur Unwirksamkeit der darauf gestützten Kündigung führte.
- Prozessrechtliche Vorschriften zu Klageänderung (§ 263 ZPO): Änderungen der Klage nach Klageerhebung sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, insbesondere darf die Änderung den Gegner nicht unangemessen beeinträchtigen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht akzeptierte die nach Klageerhebung ausgesprochenen neuen Kündigungen nicht, da der Mieter diese als unzulässige Klageänderung beanstandete.
- Allgemeines Mietrecht (§§ 535 ff. BGB): Regelt die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag, insbesondere die Zahlungspflicht des Mieters und die Pflichtverletzungen, die eine Kündigung rechtfertigen können. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die umfassende Prüfung der Pflichtverletzungen und der vertraglichen Grundlagen führte dazu, dass keine der vom Vermieter angeführten Kündigungen als wirksam anerkannt wurde.
—
Das vorliegende Urteil
LG Paderborn – Az.: 1 S 77/23 – Urteil vom 03.07.2024
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.