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Mieter im Sozialleistungsbezug kann nicht selbst überzahlte Mieten zurückfordern

Teilweiser Erfolg für Vermieterin im Berliner Mietwucher-Fall

In einem Rechtsstreit um eine sittenwidrig überhöhte Miete und einen Verstoß gegen die Mietpreisbremse hat das Landgericht Berlin das Urteil des Amtsgerichts Köpenick teilweise geändert. Die Klage des Mieters wurde abgewiesen.

Direkt zum Urteil: Az.: 64 S 190/21 springen.

Streit um Rückzahlung der Miete

Der Kläger verlangte die Rückzahlung der im Zeitraum September 2018 bis Juni 2020 gezahlten Miete für eine 49,04 m² große Zweizimmerwohnung in Berlin. Er argumentierte, die Miete sei sittenwidrig überhöht und verstoße gegen die Mietpreisbremse gemäß §§ 556d ff. BGB. Zudem sei die Miete wegen eines Wasserschadens vollständig gemindert gewesen.

Urteil des Amtsgerichts Köpenick teilweise geändert

Das Landgericht Berlin hat das Urteil des Amtsgerichts Köpenick teilweise geändert und die Klage abgewiesen. Die Mietvereinbarung sei gemäß § 138 BGB teilweise nichtig, da die verlangte Miete wucherisch gewesen sei. Dennoch stehe der Beklagten zumindest die nach §§ 556d ff. BGB höchstzulässige Neuvermietungsmiete und nicht nur die ortsübliche Miete zu. Die vollständige Minderung der Miete aufgrund des Wasserschadens wurde nicht anerkannt.

Berufung und Forderungen

Die Berufung ist zulässig und begründet, da die geltend gemachten Forderungen dem Kläger oder seinem Mitbewohner nicht zustehen. Obwohl die Mietzahlungen größtenteils vom Jobcenter stammen, handelte dieses auf Weisung der Mieter. Die Forderungen, die im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis entstanden sind, wurden gemäß § 33 Abs. 1 SGB II auf das zuständige Jobcenter übertragen, da der Kläger und sein Mitbewohner zum Zeitpunkt der Entstehung der Forderungen Sozialleistungen bezogen.

Forderungsübergang und Jobcenter

Der gesetzliche Forderungsübergang betrifft Zahlungsansprüche des Hilfebedürftigen gegen Dritte, deren pünktliche Erfüllung die gewährten Sozialleistungen entbehrlich gemacht hätten. Die Ansprüche auf Rückzahlung rechtsgrundlos gezahlter Miete fallen in den Zeitraum des Leistungsbezugs des Klägers und seines Mitbewohners. Die Klage ist ohne weitere Sachprüfung abzuweisen, da die Forderungen auf das Jobcenter übergegangen sind. Der Kläger argumentiert, dass die Jobcenter bereits mit ihren Kernaufgaben überlastet seien und nicht in der Lage, Tausende von Mietrechtsstreitigkeiten zu führen. Jedoch sieht die Kammer keinen Spielraum, die Norm des § 33 Abs. 1 SGB II so auszulegen, dass der Kläger für die erhobenen Ansprüche aktiv legitimiert wäre.

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Das vorliegende Urteil

LG Berlin – Az.: 64 S 190/21 – Urteil vom 19.04.2023

Mieter im Sozialleistungsbezug kann nicht selbst überzahlte Mieten zurückfordern
(Symbolfoto: Grand Warszawski/Shutterstock.com)

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Köpenick – 2 C 260/20 – vom 4. Juni 2021 teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision des Klägers wird zugelassen.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf bis zu 13.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten nach Beendung eines Wohnungsmietverhältnisses um die anteilige Rückzahlung der im Zeitraum September 2018 bis Juni 2020 geleisteten Miete. Der Kläger macht geltend, die Miete sei sittenwidrig überhöht gewesen, er beruft sich außerdem auf einen Verstoß gegen die „Mietpreisbremse“ gemäß §§ 556d ff. BGB und meint, die Miete sei im Zeitraum 15. September 2019 bis 23. März 2020 wegen eines Wasserschadens vollständig auf null gemindert gewesen. Die Mietzahlungen für den Kläger und seinen damaligen Mitmieter wurden ganz überwiegend durch das zuständige Jobcenter erbracht; die Beklagte meint deshalb, dass die geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht dem Kläger zustünden, sondern gemäß § 33 Abs. 1 SGB II auf das Jobcenter übergegangen seien.

Die Beklagte vermietete dem Kläger und Herrn A… mit Vertrag vom 22. August 2018 eine 49,04 m² große Zweizimmerwohnung im Seitenflügel eines Miethauses in Berlin-P.. Es wurde eine Nettokaltmiete von 850,00 Euro (entsprechend 17,33 Euro/m²) nebst Nebenkostenvorschüssen vereinbart, sodass sich eine monatliche Gesamtmiete von 984,86 Euro ergab. Der Kläger und sein Mitbewohner bildeten keine Bedarfsgemeinschaft, sondern führten in der Wohnung getrennte Haushalte. Der hälftige Mietanteil des Klägers von monatlich 492,43 Euro wurde für September 2018 von ihm selbst und im Zeitraum Oktober 2018 bis Juni 2020 von dem für ihn zuständigen Jobcenter bezahlt.

Das Amtsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger und seinen ehemaligen Mitbewohner insgesamt 11.513,77 Euro nebst Zinsen zurückzuzahlen. Die Mietvereinbarung sei gemäß § 138 BGB teilweise nichtig, denn die von der Beklagten verlangte Miete sei wucherisch. Mietwucher liege nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 135, 269) schon vor, wenn die vereinbarte Miete die angemessene Miete um mehr als 50% übersteige. Vorliegend übersteige die vereinbarte Miete von 17,33 Euro/m² sogar das Doppelte der ortsüblichen Vergleichsmiete, die auf Grundlage des Berliner Mietspiegels 2019 und der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung auf 7,14 Euro/m² geschätzt werde. Die Vereinbarung über die Miethöhe habe sittenwidrigen Charakter, denn die Beklagte habe die Verhandlungsunterlegenheit des Klägers ausgenutzt, der zuvor in einer Flüchtlingsunterkunft gelebt habe und auf öffentliche Hilfe angewiesen sei. Rechtsfolge des Verstoßes sei die Anpassung der Miethöhe auf das angemessene Maß. Als angemessen sei die ortsübliche Vergleichsmiete anzusehen, sodass der Beklagten monatlich lediglich 350,54 Euro an Nettokaltmiete zugestanden habe; den darüber hinaus vereinnahmten Betrag von insgesamt 9.488,60 Euro müsse die Beklagte zurückzahlen. Für den Zeitraum 15. September 2019 bis 23. März 2020 sei die verbleibende wirksam vereinbarte Miete darüber hinaus vollständig gemindert gewesen, da die Wohnung nicht nutzbar gewesen sei; den insoweit erlangten Mietbetrag von insgesamt 2.025,17 Euro müsse die Beklagte ebenfalls erstatten. Die Rückzahlungsansprüche stünden weiterhin dem Kläger sowie seinem Mitbewohner zu und seien nicht nach § 33 Abs. 1 SGB II auf das Jobcenter übergegangen. Die Beklagte habe dem Kläger und seinem Mitmieter keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts geschuldet, deren rechtzeitige Erfüllung die Inanspruchnahme von Leistungen des Jobcenters entbehrlich gemacht hätten; die Voraussetzungen für den gesetzlich vorgesehenen Forderungsübergang hätten daher nicht vorgelegen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der im ersten Rechtszug zur Entscheidung gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, das der Beklagten am 14. Juni 2021 zugestellt worden ist. Die Beklagte hat am 13. Juli 2021 Berufung eingelegt und diese am 13. August 2021 begründet.

Die Beklagte trägt vor, dem Kläger fehle die Aktivlegitimation; die geltend gemachten Ansprüche stünden nicht ihm zu, sondern seien gemäß § 33 Abs. 1 SGB II von Gesetzes wegen auf das Jobcenter übergegangen. Ohnehin liege kein Mietwucher vor. Es fehle schon objektiv an einem auffälligen Missverhältnis zwischen Miete und Gegenleistung; schließlich habe ja auch das Jobcenter den Wohnbedarf des Klägers geprüft und als angemessen anerkannt. Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte jedenfalls subjektiv davon ausgehen dürfen, dass ihre Mietforderungen nicht grob überzogen seien, zumal sie erhebliche Mittel in der Größenordnung von 28.900,00 Euro für die Modernisierung der Wohnung sowie weitere 7.264,70 Euro für den Anbau eines Balkons aufgewandt habe. Selbst wenn eine sittenwidrige Mietüberhöhung vorläge, stünde der Beklagten zumindest die nach §§ 556d ff. BGB höchstzulässige Neuvermietungsmiete und nicht nur die ortsübliche Miete zu. Keineswegs sei die Miete im Zeitraum ab 15. September 2019 vollständig gemindert gewesen. Es habe wohl mehrere Wassereinbrüche gegeben, wobei ein ernsthafter Schaden erstmals durch einen Wassereinbruch am 2. Dezember 2019 eingetreten sei.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Die Klageforderungen seien nicht nach § 33 Abs. 1 SGB II auf das Jobcenter übergegangen. Würde die Norm dahin ausgelegt, dass jegliche Ansprüche auf Rückzahlung zu Unrecht vereinnahmter Miete von den Mietern auf den Leistungsträger übergingen, würde dies nicht zu der seitens des Gesetzgebers angestrebten Entlastung der Sozialkassen führen, sondern es würde genau das Gegenteil erreicht. Die Sozialleistungsträger seien mit ihren Aufgaben gegenwärtig ohnehin schon überfordert und wären gar nicht in der Lage, sich auch noch um die auf sie übergegangenen Forderungen zu kümmern, wozu sie eine Vielzahl von Mietrechtsstreitigkeiten führen müssten. Leidtragende wären in erster Linie die Leistungsempfänger, die Ansprüche gegen ihre Vermieter beispielsweise wegen eines Wasserschadens oder wegen Mietüberhöhung nicht mehr effektiv durchsetzen könnten. Der vorliegende Fall illustriere dies, denn der Kläger habe das Jobcenter Treptow/Köpenick über den Rechtsstreit informiert und mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 29. September 2021 vorsorglich darum gebeten, etwa übergegangene Ansprüche entsprechend § 33 Abs. 4 SGB II dem Kläger vorsorglich rückabzutreten. Obwohl sein Prozessbevollmächtigter das Jobcenter mit Emails vom 7. Oktober 2021 und vom 27. Oktober 2021, mit Schreiben an die Geschäftsführung vom 30. Januar 2023 und mit Email vom 6. Februar 2023 an die Beantwortung seiner Abtretungsbitte erinnert habe, habe das Jobcenter bis zur mündlichen Verhandlung nicht über die Rückabtretung der Ansprüche entschieden. Die Sittenwidrigkeit der Mietvereinbarung sei nicht zu bezweifeln, insbesondere sei die Beklagte in Bezug auf die Abweichung von der angemessenen Miete nicht gutgläubig gewesen. Zum einen sei die Beklagte durch eine als GmbH kaufmännisch tätige professionelle Hausverwaltung vertreten gewesen, zum anderen – das ist unstreitig – sei sie vom 28. August 2017 bis 8. August 2018 selbst Geschäftsführerin der Hausverwaltung gewesen. Soweit die Beklagte bestreite, dass der Kläger aus Syrien stamme, als Flüchtling nach Berlin gelangt sei und ihr in den Vertragsverhandlungen unterlegen gewesen sei, sei dies durch die als Anlage K 16 eingeführte Passkopie und die mangelnden Deutschkenntnisse des Klägers hinreichend belegt. Tatsächlich sei es so, dass die Beklagte im Immobilienmarkt besonders geschäftserfahren sei und gezielt an im Leistungsbezug stehende Flüchtlinge vermietet habe, denn auf diese Weise seien einerseits besonders hohe Mieterträge erzielbar, für die zudem der Steuerzahler als sicherer Schuldner aufkommen würde, zum anderen sei eine Gegenwehr der Mieter kaum zu erwarten, weil die Leistungen im Falle der Rückforderung an die Bundesagentur für Arbeit weiter geleitet werden müssten; letzteres werde den Mietern auch bei jeder Mängelanzeige mitgeteilt. Der erst nachträglich angebaute Balkon könne für die Ermittlung der höchstzulässigen Miete nicht berücksichtigt werden; dieser sei für den Kläger und seinen Mitmieter bis zum Ende des Mietverhältnisses niemals zugänglich gewesen.

Die Kammer hat den Parteien mit Beschluss vom 18. Januar 2023 Hinweise erteilt; sie hat unter anderem auf eine Entscheidung des LG Hamburg hingewiesen, wonach der gesetzliche Forderungsübergang nach § 33 Abs. 1 SGB II jegliche Forderung aus einem Mietverhältnis betreffe, die während des Bezugs von Sozialleistungen fällig wird und die der Leistungsberechtigte im Falle ihrer Erfüllung zur Deckung seines Lebensbedarfs hätte verwenden müssen (vgl. LG Hamburg – 333 S 17/21 -, Urt. v. 31.03.2022).

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 517, 519, 520 ZPO.

2. Die Berufung ist auch begründet, denn die geltend gemachten Forderungen stehen dem Kläger oder seinem Mitbewohner nicht zu; der Kläger ist nicht aktiv legitimiert.

Das gilt allerdings nicht schon deswegen, weil der Kläger eine Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 1. Alt. BGB geltend macht und die Mietzahlungen ganz überwiegend nicht unmittelbar von ihm selbst stammen, sondern durch das Jobcenter erbracht wurden. Denn das Jobcenter wollte durch die Zahlungen ersichtlich Unterstützungsleistungen an den Kläger und seinen Mitbewohner erbringen, mithin an diese leisten; es überwies die Mietzahlungen nur deswegen unmittelbar an die Beklagte, weil der Kläger und sein Mitbewohner dies entsprechend beantragt hatten. Auch aus Sicht der Beklagten war offensichtlich, dass das Jobcenter mit seinen Zahlungen ihr gegenüber keinen eigenen Leistungszweck verfolgte, sondern bloß auf Weisung der Mieter handelte und durch die Zahlung deren Ansprüche als Leistungsempfänger befriedigen wollte; Leistende und deswegen Inhaber eines Rückzahlungsanspruchs nach § 812 Abs. 1 1. Alt. BGB waren deswegen aus Sicht der Beklagten der Kläger und sein Mitbewohner, nicht aber das Jobcenter.

Soweit solche Forderungen in der Person des Klägers und seines Mitbewohners entstanden, gingen sie aber auf Grund besonderer gesetzlicher Anordnung gemäß § 33 Abs. 1 SGB II auf das Jobcenter Treptow/Köpenick als den für den Kläger und seinen damaligen Mitbewohner zuständigen Leistungsträger über, da beide im Zeitpunkt der Entstehung der Forderungen Sozialleistungen bezogen. Die Kammer teilt die Ansicht des Landgerichts Hamburg, wonach der gesetzliche Forderungsübergang nach § 33 Abs. 1 SGB II jegliche Forderung aus einem Mietverhältnis betrifft, die während des Bezugs von Sozialleistungen fällig wird und die der Leistungsberechtigte im Falle ihrer Erfüllung zur Deckung seines Lebensbedarfs hätte verwenden müssen (vgl. LG Hamburg – 333 S 17/21 -, Urt. v. 31.03.2022; LG Hamburg – 316 S 81/15 -, Urt. v. 31.05.2016, GE 2016, 917 ff.; AG Nürnberg – 16 C 127/16 -, Urt. v. 22.03.2017, WuM 2017, 398 f.; vgl. auch Flatow/Knickrehm, WuM 2018, 465 ff., unter D.II.3.b)).

Die Norm § 33 Abs. 1 SGB II lautet wie folgt: „Haben Personen, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen Anderen, der nicht Leistungsträger ist, geht der Anspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach diesem Buch über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des Anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären.“ Der gesetzliche Forderungsübergang betrifft also insbesondere Zahlungsansprüche des Hilfebedürftigen gegen Dritte, deren pünktliche Erfüllung die gewährten Sozialleistungen für den Zeitraum der Fälligkeit der Zahlungsforderung – ganz oder teilweise – entbehrlich gemacht hätten.

Die Kammer hat erwogen, ob es sich bei den vorliegend in Rede stehenden Ansprüchen auf Rückzahlung der von den Mietern rechtsgrundlos überwiesenen Mietanteile deswegen um nicht dem Forderungsübergang unterfallende Ansprüche handeln könnte, weil es sich bei diesen ursprünglich gar nicht um Zahlungsansprüche handelte. Soweit die Miete sittenwidrig überhöht oder gemindert war, lag ursprünglich schlicht eine anteilige Zuvielforderung der Beklagten vor, sodass ein Anspruch der Mieter zunächst lediglich dahin ging, dass die Beklagte sich der Erhebung der überhöhten Forderung enthalten möge. Zahlungsansprüche des Klägers und seines Mitmieters entstanden erst durch ihre rechtsgrundlosen Zahlungen, die ihnen nur durch die gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts möglich waren: Während in der typischen Konstellation des § 33 Abs. 1 SGB II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gerade deshalb gewährt werden müssen, weil der Dritte die ihm obliegenden Leistungen an den Hilfebedürftigen nicht rechtzeitig erbracht hat, geht es vorliegend um den Fall, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von vorne herein insoweit gar nicht hätten erbracht werden müssen, als die Miete unzulässig überhöht oder gemindert war; ein Anspruch nach § 812 BGB auf Rückzahlung rechtsgrundlos geleisteter Miete gegen den Vermieter als „Dritten“ entstand erst durch die Auszahlung materiell zu Unrecht gewährter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Darauf kommt es aber nicht an, denn von § 33 Abs. 1 SGB II werden jegliche Ansprüche jeder Art erfasst, solange der Anspruchsschuldner nicht selbst Leistungsträger und der Anspruch wirtschaftlich verwertbar ist; umfasst sind insbesondere auch Bereicherungsansprüche nach §§ 812 ff. BGB (vgl. GK-SRB/Ehmann, 3. Aufl. 2023, SGB II § 33 Rn. 11; Eicher/Luik/Harich/Silbermann, 5. Aufl. 2021, SGB II § 33 Rn. 31; Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Schütze, 7. Aufl. 2021, SGB II § 33 Rn. 8; Münder/Geiger, SGB II § 33 Rn. 15 f.).

Die Ansprüche auf Rückzahlung rechtsgrundlos gezahlter Miete fallen in den Zeitraum des Leistungsbezugs des Klägers und seines Mitbewohners, denn sie wurden gemäß § 271 BGB sofort im Zeitpunkt der jeweiligen Mietzahlung fällig. Es steht schließlich auch außer Frage, dass das Jobcenter seine monatlichen Leistungen an den Kläger und dessen Mitbewohner entsprechend herabgesetzt hätte, wenn die Beklagte die ihr nicht zustehenden Mietanteile unverzüglich zurückgezahlt hätte. Gemäß § 22 Abs. 3 SGB II mindern solche Rückzahlungen im jeweiligen Folgemonat den der Leistungsgewährung zu Grunde liegenden Bedarf für Unterkunft und Heizung, ziehen also unmittelbar eine entsprechende Leistungskürzung nach sich. Gingen die von dem Kläger geltend gemachten Rückzahlungsansprüche mithin gemäß §§ 33 Abs. 1, 22 Abs. 3 SGB II jeweils im Folgemonat nach ihrer Entstehung auf den Leistungsträger, hier also auf das Jobcenter Treptow/Köpenick über, so stehen sie dem Kläger nicht (mehr) zu und ist die Klage ohne weitere Sachprüfung abzuweisen.

Dem Kläger ist zuzugeben, dass dieses Ergebnis sicher nicht der mit der Einführung des § 33 Abs. 1 SGB II verfolgten Intention des Gesetzgebers entspricht, die Sozialkassen zu entlasten und die Position der Leistungsträger zu stärken. Dass die Klage nunmehr ohne weitere Prüfung der von dem Kläger erhobenen Ansprüche abzuweisen ist, liegt aber nicht an der gesetzlichen Regelung, sondern ist auf die von dem Kläger vorgetragene Passivität des Jobcenters zurückzuführen; hätte dieses ihm die Ansprüche, wie von dem Kläger angeregt, entsprechend § 33 Abs. 4 SGB II zur gerichtlichen Geltendmachung rückabgetreten oder ihn womöglich auch nur ermächtigt, die Forderungen selbst in gewillkürter Prozessstandschaft geltend zu machen und durchzusetzen, hätte das Verfahren nicht ohne weitere Sachprüfung der Ansprüche geendet und wäre nicht vergeblich geführt worden.

Der Einwand des Klägers, die Jobcenter seien bereits mit ihren Kernaufgaben überlastet und nicht in der Lage, darüber hinaus Tausende oder gar Millionen von Mietrechtsstreitigkeiten zu führen, vermag an der gesetzlichen Regelung nichts zu ändern; die Kammer sieht keinen Spielraum, die Norm des § 33 Abs. 1 SGB II so auszulegen, dass der Kläger für die erhobenen Ansprüche aktiv legitimiert wäre. Die Kammer hält aber auch nicht für plausibel, dass die Jobcenter durch die nach § 33 Abs. 4 SGB II gesetzlich ja ausdrücklich vorgesehene Rückabtretung einzuklagender Forderungen überfordert würden. Schließlich gehört es zu den originären Aufgaben der Jobcenter, sich auch um die Rückgewinnung materiell zu unrecht ausgekehrter Leistungen zu kümmern, und die oben zitierten Entscheidungen das Landgerichts Hamburg zeigen auch, dass die Jobcenter über die notwenigen Ressourcen verfügen, um diese Aufgabe effektiv wahrzunehmen. Die von dem Kläger geschilderte Passivität des Jobcenters Treptow/Köpenick deutet eher darauf hin, dass die Norm des § 33 Abs. 1 SGB II dort für die tägliche Praxis bisher keine Rolle gespielt hat, sodass bisher kein Geschäftsprozess existiert, um zeitnah auf Anfragen wie diejenige des Klägers reagieren zu können; vorstellbar ist auch, dass das Jobcenter davor zurückgeschreckt sein könnte, den Kläger nach § 33 Abs. 4 Satz 2 SGB II von Kostenrisiken freizustellen, nachdem das Verfahren bereits seit mehreren Jahren anhängig gewesen ist und kurz vor der Entscheidung des Berufungsgerichts gestanden hat.

3. Die Kostenentscheidung folgt § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gemäß § 543 Abs. 2 ZPO ist die Revision zuzulassen. Die Frage, ob der gesetzliche Forderungsübergang nach § 33 Abs. 1 SGB II jegliche Forderung eines Leistungsbeziehers aus einem Mietverhältnis betrifft, die während des Bezugs von Sozialleistungen fällig wird und die im Falle ihrer pünktlichen Erfüllung gemäß § 22 Abs. 3 SGB II den Leistungsbezug des Folgemonats gemindert hätte, hat grundsätzliche Bedeutung. Die Kammer hat häufig über Ansprüche auf Rückzahlung rechtsgrundlos geleisteter Miete zu entscheiden, die von Kunden eines Jobcenters geltend gemacht werden; nicht selten werden solche Ansprüche auch im Wege der Aufrechnung geltend gemacht, so etwa wenn ein Vermieter einen im Leistungsbezug stehenden Mieter wegen Zahlungsverzugs auf Räumung und Herausgabe der Wohnung verklagt. Treffen die obigen Erwägungen zum gesetzlichen Forderungsübergang nach § 33 Abs. 1 SGB II zu, so hätte die Kammer künftig in all diesen Fällen womöglich sogar von Amts wegen zu klären, ob die Mieter sich auf die notwendige Mitwirkung des zuständigen Jobcenters stützen und die Forderung im eigenen Namen geltend machen können.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2, 47 GKG, 3 ZPO.

 

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