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Mieter muss keine Schönheitsreparaturen durchführen bei unrenoviert überlassener Wohnung

LG Berlin, Az.: 18 S 392/16, Urteil vom 02.05.2018

In dem Rechtsstreit hat die Zivilkammer 18 des Landgerichts Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2018 für Recht erkannt:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil das Amtsgerichts Charlottenburg vom 30. November 2016 – 216 C 294/16 – wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision der Kläger wird zugelassen.

Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 7.312,78 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Mieter muss keine Schönheitsreparaturen durchführen bei unrenoviert überlassener Wohnung
Foto: HalfPoint/Bigstock

Die Beklagte ist Vermieterin einer Wohnung, die seit dem 1. März 2002 an die Kläger vermietet ist. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung eines Vorschusses für die Durchführung erforderlicher Schönheitsreparaturen in Anspruch.

Der im Januar 2002 geschlossene formularmäßige Mietvertrag enthält in § 6 Abs. 6.4 und 6.5 (vgl. Bl. 13 d. A.) folgende Regelungen über Schönheitsreparaturen:

6.4 Der Mieter übernimmt die Schönheitsreparaturen der Mieträume.

6.5 Zu den Schönheitsreparaturen gehören […] bei gestrichenen Holzdielen auch das deckende Lackieren der Böden im vorhandenen Ton, [es folgt eine Aufzählung der außerdem vorzunehmenden Arbeiten].

Die Wohnung befand sich bei Übergabe in einem unrenovierten Zustand; wegen der Einzelheiten wird auf das Übergabeprotokoll vom 20. März 2002 Bezug genommen (vgl. Bl. 24 ff. d. A.). Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der im ersten Rechtszug zur Entscheidung gestellten Sachanträge wird im Übrigen auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, soweit die Kläger einen Vorschuss in Höhe von 1.335,18 Euro für die Beseitigung von Mängeln an einem Lampenauslass im Wohnzimmer sowie an der Arbeitszimmertür begehrt haben; insoweit ist das nur im Übrigen angefochtene Urteil rechtskräftig. Den mit der Berufung weiter verfolgten Anspruch der Kläger auf Vorschusszahlung für durchzuführende Schönheitsreparaturen hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Schönheitsreparaturklauseln im Mietvertrag seien wirksam. Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur formularvertraglichen Überwälzung der Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen sei auf die hier vorliegenden Klauseln nicht übertragbar. Diese könnten ihrem Wortlaut nach auf nach Mietbeginn entstehende Abnutzungsspuren beschränkt werden und seien in diesem Sinne auszulegen, da sie nicht auf den Zeitpunkt der Verursachung abstellten. Der Zahlungsanspruch bestünde aber auch dann nicht, wenn die Klauseln als unwirksam angesehen würden. Die Wohnung sei in einem renovierungsbedürftigen Zustand übergeben worden, sodass gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB auch nur ein renovierungsbedürftiger Zustand als vertragsgemäßer Zustand verlangt werden könne. Die von den Klägern beabsichtigten Renovierungsmaßnahmen würden aber eine darüber hinausgehende Verbesserung der Wohnung bewirken, und die Kläger hätten nicht dargetan, welcher Anteil der von ihnen veranschlagten Kosten zur Herstellung des von der Beklagten nur geschuldeten Soll-Zustands erforderlich sei; dieser Kostenanteil könne mangels geeigneter Anknüpfungstatsachen auch nicht geschätzt werden.

Das am 30. November 2016 verkündete Urteil ist den Klägern am 5. Dezember 2016 zugestellt worden. Sie haben am 21. Dezember 2016 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 3. Februar 2017 begründet, der am selben Tag bei Gericht eingegangen ist.

Die Kläger tragen vor, die Unwirksamkeit der Klausel in § 6 Abs. 6.4 ergebe sich gerade aus dem Fehlen jedweder zeitlichen Abgrenzung. Ferner schreibe die Klausel in Abs. 6.5 hinsichtlich des Fußbodens eine Farbwahl für Arbeiten während des laufenden Mietverhältnisses vor. Der Mietvertrag sei dahingehend auszulegen, dass der Soll-Zustand bei Übergabe der Wohnung „renoviert“ lauten sollte. Dabei bedeute „renoviert“ jedoch nicht „frisch renoviert“. Sie begehrten lediglich die Wiederherstellung des Renovierungszustandes, den die Wohnung zu Beginn des Mietverhältnisses aufgewiesen habe. Dieser Zustand lasse sich als „leicht abgewohnt“ bezeichnen. Um genau diesen Zustand wieder herzustellen, seien jedoch höhere Aufwände erforderlich, als durch die von ihnen geplanten Renovierungsarbeiten entstehen würden, da beispielsweise Decken und Wände zunächst weiß gestrichen und anschließend durch zusätzliche Arbeiten in einen „leicht angegrauten“ Zustand versetzt werden müssten. Im Laufe der Jahre habe sich der Renovierungszustand der Wohnung im Vergleich zum Ursprungszustand drastisch verschlechtert; wegen der Schilderung des aktuellen Zustands der Wohnungsdekoration wird auf den Schriftsatz vom 24. August 2016 (vgl. Bl. 50 ff. d. A.) verwiesen.

Die Kläger beantragen, die Beklagte unter Abänderung des am 30. November 2016 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Charlottenburg – 216 C 294/16 – zu verurteilen, an die Kläger weitere 7.312,78 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28. Juli 2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, es handele sich bei den Regelungen in § 6 Abs. 6.4 und 6.5 des Mietvertrages nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Einige Klauseln des Mietvertrages seien individuell ausgehandelt worden.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 517, 519, 520 ZPO.

2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Leistung eines weiteren Vorschusses aus § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB; das Amtsgericht hat die Klage zu Recht in Höhe von 7.312,78 Euro abgewiesen.

Die Mietsache ist aufgrund des von den Klägern vorgetragenen dekorativen Verschleißes der Wohnung nicht im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB mangelhaft geworden. Ein Mangel der Mietsache ergibt sich nach dem subjektiven Fehlerbegriff allein aus den Vereinbarungen der Parteien über den durch den Vermieter zu gewährleistenden vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache. Maßgebend für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Mangels ist somit in erster Linie das, was die Parteien als vertragsgemäß vereinbart haben (vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 13. Aufl., § 536 Rn. 2). Vorliegend übernahmen die Kläger die Wohnung im unrenovierten Zustand und akzeptierten diesen Zustand als vertragsgemäß, sodass sie gegen die Beklagte keinen Anspruch haben, die schon zu Beginn oder kurz nach Beginn des Mietverhältnisses erforderlichen Schönheitsreparaturen durchzuführen und die Wohnung in einen frisch renovierten Zustand zu versetzen.

a) Die Kammer folgt allerdings nicht der Auffassung des Amtsgerichts, der Anspruch der Kläger scheitere bereits daran, dass die in § 6 Abs. 6.4 und 6.5 des Mietvertrages enthaltenen Schönheitsreparaturklauseln wirksam seien. Vielmehr konnte die Beklagte die sie nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB treffende Erhaltungspflicht vorliegend nicht wirksam auf die Mieter abwälzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hält die formularvertragliche Überwälzung der Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen einer dem Mieter unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand, sofern der Vermieter – wie vorliegend – dem Mieter keinen angemessenen Ausgleich gewährt (vgl. BGH, Urt. vom 18. März 2015 – VIII ZR 185/14 -, BGHZ 204, 302 ff.). Die Erwägungen des BGH betreffen entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch die vorliegenden Schönheitsreparaturklauseln, denn die ungerechtfertigte Belastung des Mieters mit der Beseitigung nicht von ihm verursachter Abnutzungserscheinungen ergibt sich im Falle einer anfänglich unrenoviert übergebenen Wohnung regelmäßig schon daraus, dass die Wohnung zu einem früheren Zeitpunkt renovierungsbedürftig wird und sich dann faktisch nicht mehr abgrenzen lässt, inwieweit dies auf das Verhalten der Mieter oder den anfänglichen Dekorationszustand der Wohnung zurückzuführen ist (vgl., auch zur AGB-Relevanz „faktischen Drucks“ und zur Unwirksamkeit „gespaltener Renovierungsklauseln“, Zehelein, NZM 2018, 105 ff.). Soweit sich das Amtsgericht auf frühere Entscheidungen des Bundesgerichtshofes beruft, die die Wirksamkeit der Klauseln auch unter vergleichbaren tatsächlichen Umständen bei Übergabe der Wohnung gebilligt hätten (vgl. etwa BGH, Rechtsentscheid in Mietsachen vom 1. Juli 1987 – VIII ARZ 9/86 -, BGHZ 101, 253 ff.), hat der Bundesgerichtshof in der jüngeren Entscheidung ausdrücklich mitgeteilt, dass er an der bisherigen Rechtsprechung insoweit nicht mehr festhalte.

Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten handelt es sich bei den Regelungen in § 6 Abs. 6.4 und 6.5 auch um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Verwendeten die Parteien bei Mietvertragsschluss ein von der Vermieterin gestelltes Mietvertragsformular, spricht der erste Anschein für das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Trägt der Vermieter als Verwender vor, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen erscheinenden Regelungen seien im Einzelnen ausgehandelt und damit individualvertragliche Abreden, trifft ihn insoweit die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, Beschl. v. 20.11.2012 – VIII ZR 137/12, BeckRS 2013, 05597, zitiert nach beck-online). Die Verhandlung über einen Teil des Mietvertrages führt jedoch nicht dazu, dass der gesamte Mietvertrag als individuell ausgehandelt gilt. Selbst wenn sich die Parteien vorliegend in § 2 Abs. 2.1 und im letzten Absatz nach § 16 des Mietvertrages individualvertraglich über einzelne Aspekte wie etwa den genauen Beginn des Mietverhältnisses geeinigt haben sollten, folgt hieraus noch nicht, dass davon auch hinsichtlich der Schönheitsreparaturklauseln auszugehen wäre; denn dazu hätte die Beklagte als Klauselverwenderin im Rahmen der Vertragsverhandlungen gerade auch die Schönheitsreparaturklausel zur Disposition stellen müssen (vgl. BGH, Beschl. v. 05.03.2013 – VIII ZR 137/12), wofür nichts ersichtlich ist. Die Kammer nimmt hinsichtlich der Unwirksamkeit der Renovierungsklauseln ergänzend auf ihren Hinweisbeschluss vom 31. August 2017, dort Seite 2 (vgl. Bl. 144 d. A.), Bezug.

b) Stellt sich die formularmäßige Überwälzung der Schönheitsreparaturpflicht auf die Kläger als unwirksam dar, so sind sie selbst nicht zur Vornahme erforderlicher Renovierungsarbeiten verpflichtet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift in einem solchen Fall die gesetzliche Regelung und ist mithin der Vermieter nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet, während der Mietzeit den als vertragsgemäß anzusehenden Dekorationszustand der Wohnung, den sie zu Beginn des Mietverhältnisses aufwies, aufrecht zu erhalten. Für eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB sei kein Raum, da gesetzliche Regelungen bestünden und die Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel also nicht zu einer Regelungslücke führe (vgl. BGH, Urt. vom 28.07.2006 – VIII ZR 124/05). Diese Folge der Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel sei für den Vermieter auch nicht deswegen unzumutbar, weil sich die gesetzliche Regelung nicht mehr als angemessene, den typischen Interessen des AGB- Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung darstelle, denn der Verwender einer unzulässigen Formularbestimmung müsse sich im Rahmen dessen, was noch als angemessene, den typischen Interessen der Vertragspartner Rechnung tragende Lösung anzusehen sei, mit der ihm ungünstigeren Regelung begnügen, die der ersatzlose Wegfall der von ihm verwendeten unzulässigen Klausel zur Folge habe (vgl. BGH, Urt. v. 09.07.2008 – VIII ZR 181/07 -, BGHZ 177, 186 ff). Es komme daher nicht darauf an, dass der Vermieter die Kosten der nunmehr ihm obliegenden Schönheitsreparaturen wegen deren beabsichtigen Überwälzung auf den Mieter bei der Mietkalkulation nicht habe berücksichtigen können.

Ob daran festzuhalten ist, kann offen bleiben, da die Klage unabhängig von einer ergänzenden Auslegung des Mietvertrages keinen Erfolg haben kann. Die Kammer gibt jedoch zu bedenken, dass die skizzierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den verbraucherschützenden AGB- Bestimmungen in § 306 f., 139 BGB einen von Vermietern als punitiv empfundenen Charakter verleiht, der den Vorschriften fremd bleiben sollte. Die „Lückenfüllung“ durch Heranziehung der gesetzlichen Regelung führt in Fällen der vorliegenden Art zu einer weiter gehenden Verschiebung des Vertragsgefüges zu Gunsten des Mieters, als dies zur Durchsetzung des gesetzlichen Anliegens erforderlich wäre (vgl. zum Prüfungsmaßstab bei Unwirksamkeit einer Klausel in einem gewerblichen Mietvertrag über die Überwälzung von Nebenkosten KG Berlin, Urt. v. 06.06.2016 – 8 U 40/15 -, GE 2016, 971 ff.). Nach Ansicht der Kammer muss die Unwirksamkeit der Überbürdung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter nicht dazu führen, dass nunmehr den Vermieter eine Pflicht zur regelmäßigen Durchführung von Schönheitsreparaturen trifft. Vielmehr käme es den gegenseitigen Interessen und Vorstellungen der Mietvertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses näher, die durch die Unwirksamkeit der AGB- Regelung entstehende „Vertragslücke“ unberührt zu lassen, sodass keine der Mietvertragsparteien eine einforderbare Verpflichtung trifft, Schönheitsreparaturen durchzuführen, aber beide Teile – der Mieter jederzeit, der Vermieter nur nach Maßgabe des § 555a BGB – dazu berechtigt sind. Nachdem die Überbürdung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter schon seit langer Zeit verkehrsüblich ist (vgl. dazu bereits BGH, Rechtsentscheid vom 01.07.1987 – VIII AZR 9/86 -, BGHZ 101, 253 ff.: „Ebensowenig lässt sich leugnen, dass die Überwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter seit Jahrzehnten weithin üblich ist und eine gegenteilige Vertragsgestaltung die Ausnahme darstellt.“) und ein Mieter deswegen mangels entgegen stehender Absprachen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses typischerweise davon ausgeht, dass er selbst während der Mietzeit für den Dekorationszustand der Wohnung zuständig sein wird, käme die vorgeschlagene Folge der Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel nicht nur den Interessen des Vermieters, sondern auch den billigerweise zu berücksichtigenden Mieterinteressen näher als die Anwendung der gesetzlichen Regelung in § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB. Konsequenz dieser Lückenfüllung ist nämlich auch, dass die Befugnis des Mieters, die Wohnungsdekoration zu ändern, um sie seinem Geschmack anzupassen, Einschränkungen erfährt und der Vermieter im Zuge von Schönheitsreparaturen, die er zur Mangelbeseitigung, nämlich zur Wiederherstellung des geschuldeten Dekorationsniveaus, vornimmt, nicht an die Wünsche und Vorstellungen des Mieters gebunden ist (vgl. dazu Zehelein, NZM 2018, 105, 115 unter V.2.b).

c) Die Klage ist aber selbst dann unbegründet, wenn die Beklagte nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet sein sollte, den als vertragsgemäß anzusehenden Dekorationszustand aufrecht zu erhalten, den die Wohnung zu Beginn des Mietverhältnisses aufwies.

aa) Die Instandhaltungspflicht des Vermieters korrespondiert mit der Mangelhaftigkeit der Mietsache. Ein Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn die Ist-Beschaffenheit der Mietsache negativ von der Soll-Beschaffenheit abweicht. Dies ist nach dem Zustand der Mietsache bei Vertragsschluss sowie etwaiger ergänzender Vertragsabreden der Parteien zu beurteilen. Danach trifft die Beklagte vorliegend gerade keine Instandhaltungspflicht. Denn die Vornahme der von den Klägern verlangten Dekorationsarbeiten würde zu einer deutlich über den vertragsmäßig geschuldeten Zustand der Wohnung hinausgehenden Verbesserung führen, die die Beklagte nicht schuldet.

Die Wohnung befand sich bei Übergabe an die Mieter im März 2002 in einem zumindest unrenovierten Zustand. Unrenoviert ist eine Wohnung, wenn die bei Einzug vorhandenen Gebrauchsspuren aus einem vorvertraglichen Zeitraum so erheblich sind, dass der Gesamteindruck einer unrenovierten Wohnung entsteht (vgl. BGH, Urt. v. 18.03.2015 – VIII ZR 185/14 -, BGHZ 204, 302 ff.). Im Übergabeprotokoll (vgl. Anlage K2, Bl. 24 ff. d. A.) wurde der unrenovierte Zustand der Wohnung von den Parteien dokumentiert. Zwar ergibt sich aus dem Protokoll, dass einige Bereiche, wie etwa die Wände der Zimmer, ordnungsgemäß renoviert wren. Dennoch ergibt sich der Gesamteindruck einer unrenovierten Wohnung, da wesentliche Teile der Wohnung, namentlich die Böden, Decken und Türen, überwiegend in einem „abgenutzten“ Zustand übergeben und von den Klägern so als vertragsgemäß akzeptiert wurden.

In § 7 Abs. 7.1 und 7.2 des Mietvertrages vereinbarten die Parteien genau diesen – teils „abgenutzten“ – Zustand als vertragsgemäß. Aus § 2 Abs. 2.1 des Mietvertrages ergibt sich entgegen der Auffassung der Kläger nichts Abweichendes. Die Auslegung dieser Regelung nach §§ 133, 157, 242 BGB zeigt vielmehr, dass die Wohnung in einem unrenovierten Zustand an die Kläger übergeben werden sollte und diese damit auch einverstanden waren. Die ursprüngliche Formulierung, wonach das Mietverhältnis erst nach Renovierung durch den Vormieter beginnen sollte, wurde einvernehmlich gestrichen und durch ein fixes Datum ersetzt, an welchem das Mietverhältnis beginnen sollte. Die Kläger machen zwar geltend, dass neben dem festen Mietvertragsbeginn zum 1. März 2002 weiterhin – stillschweigend – auch die vorherige Renovierung der Wohnung verabredet worden sei. Gegen diese Würdigung spricht aber, dass die gesamten Passage über die Renovierungspflicht des Vormieters gestrichen wurde und der Mietvertrag danach gerade keine Regelungen mehr über vor der Wohnungsübergabe durchzuführende Renovierungsmaßnahmen enthielt. Die Streichung der Passage im Mietvertrag indiziert, dass die Kläger die Regelung zur Disposition stellten, um sich eines konkreten Mietbeginns zu versichern. Die Darstellung der Kläger, die Passage habe schon vor ihrer Streichung lediglich eine Zeitbestimmung enthalten und ihren Sinngehalt nicht geändert, ist nicht nachvollziehbar. Vor der Streichung war ausdrücklich die Durchführung von Schönheitsreparaturen durch den Vormieter vorgesehen, von denen nach der Änderung keine Rede mehr war.

bb) Die Kammer geht zwar mit den Klägern davon aus, dass sich der Zustand der Wohnungsdekoration nach einer Mietzeit von 14 Jahren im Vergleich zu dem oben beschriebenen, vertragsgemäß unrenovierten Anfangszustand weiter verschlechtert hat. Die Kläger haben zur Verschlechterung gegenüber dem Anfangszustand der Wohnung substantiiert vorgetragen und insbesondere schlüssig dargelegt, dass neben Böden, Decken und Türen inzwischen auch die Wände und die Heizkörper einer Renovierung bedürfen (vgl. insbesondere Schriftsatz vom 24. August 2016, Bl. 50 ff. d. A.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es jedoch auf graduelle Verschlechterungen des Renovierungszustands nicht an, sondern nur darauf, „ob die Mieträume bei Vertragsbeginn den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln“ oder nicht (vgl. BGHZ 204, 302 ff., Rn. 30 f.). Jedenfalls im Rahmen der Prüfung der Renovierungsklauseln ist unerheblich, ob die Mieträume mehr oder weniger abgewohnt waren, ob die Wohnung sich erst als unrenoviert, bereits als renovierungsbedürftig oder gar schon als völlig abgewohnt darstellte (vgl. BGH, Rechtsentscheid vom 01.07.1987 – VIII AZR 9/86 -, BGHZ 101, 253 ff., Rn. 42). In all diesen Fällen akzeptierte der Mieter die (mindestens) unrenovierte Wohnung als vertragsgerecht (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 43) und scheidet ein Anspruch des Mieters gegen den Vermieter auf Vornahme von Renovierungsarbeiten damit von vorne herein aus (vgl. Horst, DWW 2007, 48 ff., unter II. a. E.).

Die gegen diesen „digitalen“ Prüfungsmaßstab erhobene Kritik, wonach eine differenziertere Sichtweise geboten sei, weil auch eine renovierungsbedürftige Wohnung weiter abgenutzt werden und im Verlaufe eines Mietverhältnisses geradezu „verkommen“ könne (vgl. Pfeiffer, DWW 1986, 96 f.), hat der Bundesgerichtshof wahrgenommen (vgl. das Zitat BGH, a. a. O., Rn. 42), aber nicht zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zu korrigieren. Die Kammer hält es vor diesem Hintergrund für konsequent und sachgerecht, den selben Prüfungsmaßstab auch bei der Ermittlung des „Soll-Zustands“ und der Auslegung des Mangelbegriffs in § 536 BGB anzuwenden. Ansprüche der Kläger auf Verbesserung des Dekorationszustands der Wohnung könnten mithin erst dann gegeben sein, wenn die Wohnung inzwischen einen „verkommenen“ Zustand aufwiese, Renovierungsarbeiten also erforderlich wären, um Substanzschäden vorzubeugen. Dafür ist jedoch nichts ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gemäß § 543 Abs. 2 ZPO ist die Revision der Kläger zuzulassen. Die Frage, ob und inwieweit bei Unwirksamkeit einer Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag über eine unrenoviert übergebene Wohnung ein Anspruch des Mieters auf Instandhaltung und Wiederherstellung des vertragsgemäß „unrenovierten“ Zustands gegen den Vermieter besteht, stellt sich in einer Vielzahl von Fällen und hat grundsätzliche Bedeutung. Der Bundesgerichtshof hatte bisher noch keine Gelegenheit, diese Frage zu klären.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG.

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