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Mieter verstorben – Darf Vermieter Sachen im Wege des Selbsthilfeverkaufs verwerten?

AG Hamburg-St. Georg, Az.: 923 C 181/13

Urteil vom 27.02.2014

1. Es wird festgestellt, dass die Kläger berechtigt sind, die in dem in der Anlage A (Grundriss des Kellergeschosses des Kontorhauses …) rot schraffierten Kellerraum befindlichen Gegenstände durch das Auktionshaus … oder einen anderen vereidigten und öffentlich bestellten Versteigerer im Wege der öffentlichen Versteigerung zu verwerten, sowie berechtigt sind, Sachen, die nicht verwertet werden können, insbesondere bei denen ein Verwertungserlös nicht zu erwarten ist, zu vernichten.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Reche und Pflichten aus einem inzwischen beendeten Mietverhältnis.

Mieter verstorben – Darf Vermieter Sachen im Wege des Selbsthilfeverkaufs verwerten?
Foto: Ralf Broskvar/Bigstock

Die Beklagten sind die unbekannten Erben der am 13.12.2011 verstorbenen … Die Kläger waren die Vermieter der Verstorbenen für die Erdgeschosswohnung (nebst Stellplatz) … Der monatliche Mietzins in Höhe von 3.380,01 € (und 48,57 € für den Stellplatz) blieb seit 11/2011 unbezahlt. Die Kläger hatten noch zu Lebzeiten der … Amtsgericht Hamburg – St. Georg (Az.: 914 C 232/11) einen Räumungs- und Zahlungsrechtsstreit gegen diese (und den Sohn …) wegen angeblicher mietvertraglicher Pflichtverletzungen der Mieterin, die zu fristlosen und ordentlichen Kündigungserklärungen der Kläger geführt hatten und wegen Mietrückständen eingeleitet. Nach dem Tod der Mieterin am 13.12.2011 haben die Kläger am 02.03.2012 den Antrag auf Bestellung eines Nachlaßpflegers gestellt.

Am 12.04.2012 erhielten die Kläger von den Kindern der Erblasserin, die das Erbe ausgeschlagen haben, sämtliche Schlüssel für die bis dahin nicht geräumte Wohnung ausgehändigt. Am 24.04.2012 wurde als Nachlasspflegerin Frau … gerichtlich bestellt, die sich mit Schreiben vom 25.04.2012 – unter Hinweis auf fehlende Nachlass mittel – wegen der Wohnungsöffnung an die Kläger wandte (Anlage K 4). Die Kläger wiesen die Nachlasspflegerin mit Schreiben vom 29.04.2012 (Anlage K 5) auf die bereits erfolgte Beauftragung des (auf Antiquitäten spezialisierten) Auktionshauses … mit der Auflistung und dem Abtransport der in der gegenständlichen Wohnung befindlichen Gegenstände mit Versteigerungswert hin und legten eine Liste dieser Gegenstände bei. Wegen der übrigen Gegenstände hieß es in dem Schreiben: „Für alle sonst noch in der Wohnung befindlichen Gegenstände, haben wir geplant, daß sie am 03.05.2012 in Bausch und Bogen abgeholt und in einen uns zur Verfügung stehenden Kellerraum im … zwischengelagert werden, bis Sie darüber verfügt haben bzw. dieselben wegen Fehlens einer Disposition Ihrerseits innerhalb angemessener Frist entsorgt werden.“ Über diese Gegenstände verhält sich der vorliegende Rechtsstreit.

Mit Fax-Schreiben vom 30.04.2012 (Anlage B 1 / B 2) forderte die Nachlasspflegerin die Kläger auf, die eigenmächtige Räumung der Wohnung zu stoppen und ihr eine Durchsicht sämtlicher Unterlagen und Dokumente in der Wohnung zu gewähren. Mit Fax-Schreiben vom 01.05.2012 erläuterten die Kläger, dass sie sich zur Inbesitznahme der Wohnung nach Rückgabe sämtlicher Schlüssel durch die Kinder der Erblasserin für berechtigt hielten und dass sie zwecks alsbaldiger Neuvermietung im Interesse der Schadensgeringhaltung bereits mit der Räumung begonnen hätten; zugleich erklärten sie die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs und machten ihr Vermieterpfandrecht an den in die Wohnung eingebrachten Gegenständen geltend (Anlage K 6). Mit Fax-Schreiben des Klägers zu 1. persönlich vom 02.05.2012 (Anlage K 7) wurde die Nachlasspflegerin zu dem für den Folgetag (03.05.2012, 09:00 Uhr) angekündigten Abtransport der hier streitgegenständlichen Sachen in das Zwischenlager eingeladen und ihr die Besichtigung und Durchsuchung der Sachen im Zwischenlager angeboten. Am 03.05.2012 erfolgte der Transport der Sachen aus der Wohnung … in das Zwischenlager (Kellerraum im …), ohne Beisein der Nachlasspflegerin. In der Folgezeit korrespondierten die Parteien vielfach, jedoch im Ergebnis ohne Erfolg über den Verbleib bzw. die Möglichkeit der Nachlasspflegerin zur Durchsicht der in dem Zwischenlager eingelagerten Sachen der Verstorbenen. Ein Termin zur Durchsicht der von den Klägern bei den Sachen gefundenen Unterlagen und Dokumente (Akten, Inhalt des Safes, Post, etc.) der Verstorbenen durch die Nachlasspflegerin fand am 30.05.2012 statt. Auf die in diesem Zusammenhang eingereichten Anlagen (K 8 bis K 19 bzw. B 3 bis B 7) wird Bezug genommen.

Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Hamburg – St. Georg vom 24.01.2013, Az.: 914 C 232/11 (Anlage K 1), auf das Bezug genommen wird, wurde u.a. festgestellt, dass die Kläger zur Verwertung der dort streitgegenständlichen, beim Versteigerer … befindlichen Sachen mit Versteigerungswert berechtigt sind. Zugleich wurden die hiesigen Beklagten zur Zahlung restlicher Mieten und Nutzungsentschädigungen aus dem bis zum 01.05.2012 fortbestehenden Mietverhältnis in Höhe von 14.000,86 € verurteilt. Die Kläger konnten sich in der Folgezeit aus den Versteigerungserlöser jener Sachen wegen sämtlicher Forderungen aus dem Mietverhältnis vollständig befriedigen und haben weitergehende Erlöse bereits an die Nachlasspflegerin ausgekehrt (vgl. Anlagen K 2; K 3, K 12 und K 20).

Die Kläger meinen, sie seien berechtigt, die von ihnen im Rahmen ihres Vermieterpfandrechts zwischengelagerten Sachen der verstorbenen Mieterin nunmehr zu verwerten oder ggf. zu vernichten, nachdem die Beklagten bisher stets abgelehnt hätten, einer Verwertung zuzustimmen.

Die Kläger beantragen, festzustellen, dass die Kläger berechtigt sind, die in dem in der Anlage A (Grundriss des Kellergeschosses des Kontorhauses …) rot schraffierten Kellerraum befindlichen Gegenstände durch das Auktionshaus … (vereidigte und öffentlich bestellte Versteigerer, … oder einen anderen vereidigten und öffentlich bestellten Versteigerer im Wege der öffentlichen Versteigerung zu verwerten, sowie berechtigt sind, Sachen, die nicht verwertet werden können, insbesondere bei denen ein Verwertungserlös nicht zu erwarten ist, zu vernichten.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen und vorsorglich für den Fall des Unterliegens den Vorbehalt der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass – auch hinsichtlich der Kosten – in das Urteil aufzunehmen.

Die Beklagten meinen, angesichts der eigenmächtigen Inbesitznahme der Nachlassgegenstände durch die Kläger zu einem Zeitpunkt, als das Mietverhältnis noch nicht beendet war, seien diese nunmehr verpflichtet, der Nachlasspflegerin die Durchsicht der zwischengelagerten Sachen in einem separaten Raum auf Kosten der Kläger zu ermöglichen.

Für die weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).

I.

Die Kläger haben ein rechtliches Interesse daran, dass ihre Verwertungsbefugnis an den im … zwischengelagerten Nachlassgegenständen der verstorbenen … durch richterliche Entscheidung festgestellt wird, weil die Nachlasspflegerin der Beklagten sowohl prozessual, als auch vorprozessual die dafür erbetene Zustimmung stets verweigert hat, § 256 ZPO.

II.

Die Kläger haben gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zustimmung zur Verwertung derjenigen Nachlassgegenstände die sie in der Mietwohnung der verstorbenen … vorgefunden und im Kellergeschosses des Kontorhauses … zwischengelagert haben, weil sich die Beklagten insoweit im Annahmeverzug mit ihrer Rücknahmeverpflichtung befinden, §§ 372 Satz 1, 383 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. §§ 562, 1257, 1252, 1223 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 293 ff. BGB.

Angesichts der nach den Feststellungen in dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Hamburg – St. Georg vom 24.01.2013 alleine in der Zeit von 11/2011 bis 04/2012, also in dem laufenden Mietverhältnis, bereits aufgelaufenen Mietrückstände – nur – für die Wohnung in Höhe von 20.280,06 € hatten die Kläger als Vermieter aus dem Mietverhältnis zunächst ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Mieters, § 562 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dass die hier streitgegenständlichen Sachen im Eigentum der … standen ist zwischen den Parteien unstreitig und die insoweit darlegungspflichtigen Beklagten haben nichts dazu vorgetragen, dass diese Sachen nicht der Pfändung unterlegen hätten (§ 562 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Nachdem sämtliche Forderungen der Kläger aus dem Mietverhältnis jedoch zwischenzeitlich aus den Erlösen der Pfand-Versteigerungen des Auktionshauses … befriedigt werden konnten (Pfandverkauf, §§ 1228, 1247 BGB), ist das Pfandrecht der Kläger erloschen und sie sind zur Rückgabe der verbliebenen Pfandsachen an die Beklagten verpflichtet, §§ 562, 1223 Abs. 1, 1252, 1257 BGB. Die Beklagten (in Person der Nachlasspflegerin) sind demgegenüber – spiegelbildlich – zur Rücknahme der verbliebenen Pfandsachen verpflichtet (vgl. § 1223 Abs. 2 BGB). Die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses, insbesondere die Inbesitznahme des Nachlasses gehört im übrigen zu den Hauptpflichten des Nachlasspflegers, § 1960 BGB.

Nachdem die Beklagten durch ihre Nachlasspflegerin jedoch sowohl vorprozessual, als auch in diesem Rechtsstreit stets auf dem Standpunkt standen, sie seien weder zur Abholung der zwischengelagerten Sachen aus dem … noch zur Sichtung „in einem vollgestellten Kellerraum“ verpflichtet und vor Ermöglichung einer Sichtung unter – klägerseits zu gewährleistenden – zumutbaren Bedingungen auch keiner Verwertung durch die Kläger zustimmen wollten, befinden sie sich im Annahmeverzug mit ihrer Rücknahmeverpflichtung gem. §§ 292 ff. BGB, denn für ein solches Gegenrecht der Beklagten ist keine Anspruchsgrundlage ersichtlich. Auch aus einer – wie die Beklagten meinen – „verbotenen Eigenmacht“ der Kläger im Rahmen der „vorzeitigen“ Räumung der Mietwohnung und „eigenmächtigen“ Zwischenlagerung im … läßt sich kein der artiger Anspruch der Beklagten ableiten. Bei der Rückgabe der Pfandsachen nach dem Erlöschen des Pfandrechts handelt es sich ohnehin um eine Holschuld (Palandt-Bassenge, BGB, 73. Auflage, 2014, § 1223 RN 1 m.w.N.).

Nachdem die Kläger ihre Rückgabepflicht hier praktisch nicht durch Hinterlegung erfüllen können, sind sie zur öffentlichen Versteigerung der Sachen am Leistungsort (Hamburg) im Wege des sog. Selbsthilfeverkaufs berechtigt, §§ 372 Satz 1, 383 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Erlös gebührt – unstreitig – den Beklagten. Sachen, die dabei nicht verwertet werden können, können analog § 885a Abs. 4 Satz 4 ZPO vernichtet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass konnte insoweit nicht Vorbehalten werden, weil die Beklagten hier erst im Rahmen der Verwaltung bzw. Abwicklung des Nachlasses als Erben selbst in Anspruch genommen werden und für die daraus entstehenden sog. Nachlasserbenschulden aus ihrem eigenen Vermögen unbeschränkt haften, wie jeder andere auch, der durch Rechtsgeschäfte Verbindlichkeiten eingeht (Palandt-Weidlich, BGB, 73. Auflage, 2014, § 1967, RN 8 f.). Die Prozesskosten sind auch nicht vom Standpunkt eines sorgfältigen Verwalters oder Nachlasspflegers in ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses eingegangen worden und deshalb als Nachlassverbindlichkeit zu behandeln, denn ein sorgfältig handelnder Nachlassverwalter oder -pfleger hätte es schon zu diesem Rechtsstreit nicht kommen lassen, ihn jedenfalls nach den Ausführungen des Amtsgerichts in seinem PKH-Beschwerde-Nichtabhilfe-Beschluss vom 12.11.2013, des Landgerichts in seinem Beschluss vom 04.12.2013 und des amtsgerichtlichen Hinweises in der Ladungsverfügung vom 18.12.2013 durch Anerkenntnis beendet.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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