Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Vorkaufsrecht des Mieters: Gilt es auch, wenn der Vermieter statt Wohnungseigentum nur Teileigentum begründet?
- Der Streit um eine Stuttgarter Wohnung: Eine verpasste Frist und die Klage auf 205.000 Euro Schadensersatz
- Das juristische Rüstzeug: Vorkaufsrecht, Teileigentum und die Macht einer Ausschlussfrist
- Die Entscheidung des BGH: Warum der Mieter ein Recht hatte, es aber dennoch verlor
- Was das Urteil für Mieter und Vermieter bedeutet
- Einschätzung des Experten: Was jetzt wichtig ist
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was ist das Vorkaufsrecht von Mietern an ihrer Wohnung?
- Gilt das gesetzliche Vorkaufsrecht für Mieter auch dann, wenn die gemieteten Räume als Teileigentum verkauft werden?
- Was ist der Unterschied zwischen Wohnungseigentum und Teileigentum im Kontext der Immobiliennutzung?
- Welche Fristen gelten für die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch Mieter, und welche Bedeutung haben sie?
- Was passiert, wenn eine gesetzliche Ausschlussfrist für die Geltendmachung eines Rechts versäumt wird?

Das Wichtigste in Kürze
- Der Kläger war Mieter von zu Wohnzwecken vermieteten Räumen, an denen der Beklagte Teileigentum begründete und diese an einen Dritten verkaufte.
- Der Bundesgerichtshof wies die Revision des Klägers zurück, der Schadensersatz wegen vermeintlicher Vereitelung seines Vorkaufsrechts forderte.
- Das Gericht stellte fest, dass das Vorkaufsrecht des Mieters gemäß § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB analog auf zu Wohnzwecken vermietete, in Teileigentum umgewandelte Räume anwendbar ist.
- Die zweimonatige Ausübungsfrist für das Vorkaufsrecht ist eine Ausschlussfrist, die nach ihrem Ablauf nicht mehr der Disposition der Parteien unterliegt.
- Da der Kläger sein Vorkaufsrecht erst nach Ablauf dieser Ausschlussfrist ausübte, war die Ausübung unwirksam, und Schadensersatzansprüche wurden verneint.
Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Mai 2025, Az.: VIII ZR 201/23
Vorkaufsrecht des Mieters: Gilt es auch, wenn der Vermieter statt Wohnungseigentum nur Teileigentum begründet?
Ein Mieter bewohnt seit Jahren eine Wohnung, die plötzlich verkauft werden soll. Um ihn vor einer Verdrängung zu schützen, hat der Gesetzgeber ein starkes Instrument geschaffen: das Vorkaufsrecht. Es gibt dem Mieter die Chance, die Wohnung selbst zu erwerben, wenn sie in Eigentum umgewandelt und an einen Dritten veräußert wird.
Doch was passiert, wenn ein Vermieter einen juristischen Kniff anwendet und die zu Wohnzwecken vermieteten Räume nicht als klassisches „Wohnungseigentum“, sondern als „Teileigentum“ – eine Form, die eigentlich für Gewerberäume gedacht ist – ins Grundbuch eintragen lässt? Verliert der Mieter dadurch seinen Schutz? Und was geschieht, wenn der Mieter eine entscheidende Frist verstreichen lässt, aber der Verkäufer ihm danach signalisiert, er könne es sich „noch überlegen“? Mit diesen hochbrisanten Fragen, die für Tausende von Mietverhältnissen in Deutschland relevant sind, musste sich der Bundesgerichtshof (BGH) in einem wegweisenden Urteil befassen. Der Fall offenbart ein Spannungsfeld zwischen dem Schutzinteresse des Mieters, dem Gestaltungsspielraum des Eigentümers und der unerbittlichen Natur juristischer Fristen. Am Ende stand eine Entscheidung, die Mietern zwar ein wichtiges Recht zuspricht, aber gleichzeitig eine klare Botschaft über die Eigenverantwortung sendet.
Der Streit um eine Stuttgarter Wohnung: Eine verpasste Frist und die Klage auf 205.000 Euro Schadensersatz
Der Ausgangspunkt des Rechtsstreits ist ein langjähriges Mietverhältnis in Stuttgart. Seit September 2006 bewohnte der spätere Kläger eine Wohnung in einem Mehrparteienhaus. Nach dem Tod der ursprünglichen Vermieterin wurde ein Testamentsvollstrecker, der Beklagte, für die Verwaltung des Nachlasses eingesetzt. Dieser leitete einen entscheidenden Schritt in die Wege: Im Dezember 2017 ließ er das gesamte Gebäude in einzelne Eigentumseinheiten aufteilen. Die vom Kläger bewohnte Einheit wurde dabei jedoch nicht als „Wohnungseigentum“, sondern als Teileigentum im Grundbuch eingetragen. Die Teilungserklärung enthielt allerdings eine Klausel, die es dem zukünftigen Eigentümer gestattete, dieses Teileigentum später in Wohnungseigentum umzuwandeln.
Kurz nach dieser Aufteilung, am 28. Dezember 2017, verkaufte der Testamentsvollstrecker ein Paket von neun Einheiten, darunter auch die des Klägers, für einen Gesamtpreis von 2,98 Millionen Euro an eine GmbH. Der auf die Wohnung des Klägers entfallende Kaufpreisanteil wurde im Vertrag mit 504.000 Euro beziffert.
Nun begann für den Mieter eine Phase der unklaren und scheibchenweisen Information. Im Januar 2018 informierte ihn die Käuferin über den Erwerb und teilte ihm mit, dass ihm ein Vorkaufsrecht zustehe, welches er binnen zwei Monaten ausüben müsse. Dieser Mitteilung lag jedoch nur eine teilweise geschwärzte Kopie des Kaufvertrags bei. Erst im März 2018 erhielt der Mieter vom beklagten Verkäufer die vollständige Teilungserklärung und den Aufteilungsplan – also alle Dokumente, die für eine fundierte Entscheidung notwendig sind.
Monate vergingen. Im Juli 2018 wurde die Käuferin als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Dann, am 18. Dezember 2018, und damit lange nach Ablauf der ursprünglichen Zwei-Monats-Frist, schrieb der beklagte Verkäufer dem Mieter erneut und teilte ihm mit, er könne es sich „noch überlegen“, ob er die Wohnung erwerben wolle. Erst über acht Monate später, am 30. August 2019, erklärte der Mieter schließlich schriftlich, er übe sein Vorkaufsrecht aus.
Zu diesem Zeitpunkt war es jedoch zu spät. Die Käuferin hatte die Wohnung bereits für 560.000 Euro weiterverkauft; die neuen Eigentümer wurden im Juli 2021 ins Grundbuch eingetragen. Der Mieter fühlte sich getäuscht und um eine Chance betrogen. Er argumentierte, der Verkäufer habe durch die Umwandlung in Teileigentum sein Vorkaufsrecht bewusst vereitelt. Alternativ sei er durch die unklare Kommunikation und den vermeintlich überhöhten Kaufpreisanteil an einer fristgerechten Ausübung gehindert worden. Aus der Differenz zwischen dem Weiterverkaufspreis (560.000 Euro) und dem von ihm geschätzten wahren Wert der Wohnung (355.000 Euro) errechnete er einen Schaden von 205.000 Euro und verklagte den Testamentsvollstrecker auf Zahlung dieser Summe.
Das juristische Rüstzeug: Vorkaufsrecht, Teileigentum und die Macht einer Ausschlussfrist
Um die Argumentation des Bundesgerichtshofs nachvollziehen zu können, ist es unerlässlich, die drei zentralen juristischen Konzepte zu verstehen, die diesem Fall zugrunde liegen. Sie sind der Werkzeugkasten, mit dem die Richter den Sachverhalt bewertet haben.
Der Schutzschild des Mieters: Das Vorkaufsrecht nach § 577 BGB
Das deutsche Mietrecht ist stark vom Gedanken des Mieterschutzes geprägt. Eine der größten Sorgen für Mieter ist der Verlust der Wohnung nach einem Eigentümerwechsel, insbesondere durch eine Kündigung wegen Eigenbedarfs. Dieses Risiko steigt erheblich, wenn ein Mietshaus in einzelne Eigentumswohnungen aufgeteilt und diese stückweise verkauft werden. Der neue Eigentümer einer einzelnen Wohnung hat oft ein stärkeres Interesse daran, diese selbst zu nutzen oder an Familienmitglieder zu vergeben, als ein Investor, dem das ganze Haus gehört.
Genau hier setzt § 577 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) an. Er gewährt dem Mieter ein gesetzliches Vorkaufsrecht, wenn die von ihm gemietete Wohnung, nachdem er eingezogen ist, in Wohnungseigentum umgewandelt und dann an einen Dritten verkauft wird. Das bedeutet: Der Mieter hat das Recht, in den bereits ausgehandelten Kaufvertrag zwischen dem Vermieter und dem Dritten einzutreten und die Wohnung zu exakt denselben Konditionen zu erwerben. Der Zweck ist klar: Der Mieter soll die Möglichkeit erhalten, selbst Eigentümer zu werden und sich so vor einer möglichen Verdrängung durch den neuen Eigentümer zu schützen.
Wohnungseigentum vs. Teileigentum: Ein feiner, aber entscheidender Unterschied
Auf den ersten Blick klingen die Begriffe „Wohnungseigentum“ und „Teileigentum“ sehr ähnlich. Juristisch gesehen gibt es jedoch eine klare Trennung, die im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) definiert ist:
- Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung, also an Räumen, die dem Wohnen dienen. Damit verbunden ist stets ein Miteigentumsanteil am Gemeinschaftseigentum des Gebäudes (z. B. Treppenhaus, Dach, Fundament).
- Teileigentum ist das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes. Klassische Beispiele sind Büros, Arztpraxen, Läden oder Lagerräume. Auch hier ist das Sondereigentum mit einem Miteigentumsanteil am Gemeinschaftseigentum verbunden.
Der Gesetzestext des § 577 BGB spricht explizit nur von der Umwandlung in Wohnungseigentum. Die entscheidende Frage im Stuttgarter Fall war daher: Gilt dieser Schutz auch, wenn der Vermieter die zu Wohnzwecken vermieteten Räume formaljuristisch als Teileigentum deklariert? Dies könnte eine Lücke im Gesetz sein, die Vermietern erlaubt, das Vorkaufsrecht gezielt zu umgehen.
Die unerbittliche Deadline: Was eine Ausschlussfrist bedeutet
Das Recht nützt nichts, wenn man es nicht rechtzeitig geltend macht. Für die Ausübung des Vorkaufsrechts setzt das Gesetz eine klare Frist. Der Verkäufer muss dem Mieter den Inhalt des mit dem Dritten geschlossenen Kaufvertrags mitteilen. Ab dem Empfang dieser Mitteilung hat der Mieter bei Grundstücken und Immobilien zwei Monate Zeit, sein Vorkaufsrecht auszuüben.
Diese Frist ist jedoch keine gewöhnliche Frist. Juristen bezeichnen sie als Ausschlussfrist. Dies hat eine gravierende Konsequenz: Wird die Frist versäumt, erlischt das Recht endgültig und unwiederbringlich. Im Gegensatz zu einer Verjährungsfrist, deren Lauf unter bestimmten Umständen gehemmt oder unterbrochen werden kann, ist eine Ausschlussfrist absolut. Sie kann nach ihrem Ablauf nicht durch eine Vereinbarung der Parteien verlängert oder „wiederbelebt“ werden. Auch eine verspätete Ausübung kann nicht nachträglich genehmigt werden. Die Ausschlussfrist dient der Rechtssicherheit: Nach zwei Monaten sollen Verkäufer und Käufer endgültig wissen, ob der Kaufvertrag zwischen ihnen bestehen bleibt oder ob der Mieter an die Stelle des Käufers tritt.
Die Entscheidung des BGH: Warum der Mieter ein Recht hatte, es aber dennoch verlor
Nachdem die Vorinstanzen (Amtsgericht und Landgericht Stuttgart) die Klage des Mieters bereits abgewiesen hatten, landete der Fall zur endgültigen Klärung vor dem VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs.
Die Richter mussten zwei zentrale Fragen beantworten:
- Erstens, hatte der Mieter überhaupt ein Vorkaufsrecht, obwohl nur Teileigentum begründet wurde?
- Und zweitens, falls ja, hat er es rechtzeitig ausgeübt? Die Antwort des BGH war ein juristisches Meisterstück, das die Rechte von Mietern in einem Punkt stärkte und in einem anderen ihre Eigenverantwortung betonte.
Erste Hürde: Gibt es ein Vorkaufsrecht bei Teileigentum? Die analoge Anwendung des § 577 BGB
Der BGH stellte zunächst klar, dass eine direkte Anwendung des § 577 BGB ausscheidet. Der Wortlaut des Gesetzes ist eindeutig und nennt nur das „Wohnungseigentum“. Der Gesetzgeber hatte bei der Schaffung der Norm den Fall des Teileigentums nicht explizit mitgeregelt.
Doch damit war die Prüfung für die Richter nicht beendet. Sie fragten sich, ob die Vorschrift nicht analog angewendet werden müsse. Eine Analogie ist ein juristisches Verfahren, um eine unbeabsichtigte Lücke im Gesetz zu schließen. Sie ist unter zwei Voraussetzungen zulässig:
- Es muss eine planwidrige Regelungslücke vorliegen. Das bedeutet, der Gesetzgeber hat einen bestimmten Fall nicht geregelt, obwohl er es bei einer umfassenden Betrachtung hätte tun sollen. Er hat es also nicht bewusst offengelassen, sondern schlicht nicht bedacht.
- Es muss eine vergleichbare Interessenlage zwischen dem geregelten und dem nicht geregelten Fall bestehen. Der Schutzzweck der Norm muss also auf den ungeregelten Fall übertragbar sein.
Der BGH bejahte beide Voraussetzungen. Er fand in den Gesetzesmaterialien keine Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber den Fall der Umwandlung von Wohnraum in Teileigentum bewusst vom Mieterschutz ausnehmen wollte. Es lag also eine planwidrige Lücke vor.
Noch entscheidender war die Analyse der Interessenlage. Der BGH argumentierte, dass der Schutzzweck des § 577 BGB – der Schutz des Mieters vor Verdrängung – bei der Umwandlung in Teileigentum in exakt gleicher Weise betroffen ist wie bei der Umwandlung in Wohnungseigentum. Auch ein Erwerber von Teileigentum, das zu Wohnzwecken vermietet ist, kann dem Mieter wegen Eigenbedarfs kündigen. Die Gefahr für den Mieter ist identisch. Zudem zeigte die Klausel in der Teilungserklärung, dass eine spätere Umwandlung in Wohnungseigentum sogar vorgesehen war. Das Interesse des Mieters, in seinen vertrauten vier Wänden zu bleiben, ist völlig unabhängig davon, ob die juristische Hülle „Wohnungseigentum“ oder „Teileigentum“ heißt.
Daher kam der Senat zu einem klaren Ergebnis: § 577 BGB ist auf den Verkauf von zu Wohnzwecken vermietetem Teileigentum analog anzuwenden. Dies ist eine erhebliche Stärkung der Mieterrechte und schiebt einem potenziellen Umgehungsversuch durch Vermieter einen klaren Riegel vor. Der Kläger hatte also dem Grunde nach ein Vorkaufsrecht.
Die zweite, fatale Hürde: Die versäumte Ausübungsfrist
Mit dieser Feststellung hatte der Kläger die erste, grundsätzliche Hürde genommen. Doch nun wandte sich das Gericht der zweiten, für den konkreten Fall entscheidenden Frage zu: der Frist.
Das Gericht stellte fest, dass der Mieter spätestens im März 2018 alle notwendigen Informationen für die Ausübung seines Vorkaufsrechts in Händen hielt – sowohl die Mitteilung über den Verkauf als auch die vollständigen Vertragsunterlagen. Ab diesem Zeitpunkt begann die zweimonatige Ausschlussfrist des § 469 Abs. 2 BGB zu laufen. Sie endete demnach im Mai 2018.
Die Ausübungserklärung des Mieters erfolgte jedoch erst am 30. August 2019 – also mehr als 15 Monate nach Fristablauf. Damit war die Sache für den BGH klar: Der Kläger hatte sein Vorkaufsrecht nicht rechtzeitig ausgeübt.
Kann eine abgelaufene Frist wiederbelebt werden? Die klare Absage des Gerichts
Der Kläger hatte jedoch noch ein Argument in der Hinterhand: das Schreiben des Verkäufers vom 18. Dezember 2018, in dem ihm mitgeteilt wurde, er könne es sich „noch überlegen“. Konnte diese Aussage das bereits erloschene Recht wieder aufleben lassen?
Hier erteilte der BGH dem Kläger eine unmissverständliche Absage. Unter Verweis auf seine jahrzehntelange, ständige Rechtsprechung bekräftigte der Senat den unumstößlichen Charakter der Ausschlussfrist. Ein einmal durch Fristablauf erloschenes Recht kann nicht durch eine einseitige Erklärung oder eine private Vereinbarung wiederhergestellt werden. Die Frist dient der allgemeinen Rechtssicherheit und entzieht sich der Disposition der Parteien. Das Schreiben des Verkäufers war daher rechtlich bedeutungslos. Es konnte allenfalls als ein neues, unabhängiges Kaufangebot verstanden werden, nicht aber als eine Verlängerung der gesetzlichen Vorkaufsfrist.
Da der Mieter sein (durch Analogie bestehendes) Vorkaufsrecht nicht fristgerecht ausgeübt hatte, war es im Moment der Erklärung bereits erloschen. Folglich konnte der Verkäufer auch keine Pflichten aus diesem Vorkaufsrecht mehr verletzen. Ein Schadensersatzanspruch wegen Vereitelung des Rechts schied damit aus.
Der Vorwurf der Preismanipulation: Ein nicht haltbares Argument
Zuletzt prüfte das Gericht den Vorwurf des Klägers, der Verkäufer habe ihn durch einen überhöhten, manipulierten Kaufpreisanteil für seine Wohnung von der Ausübung des Rechts abgehalten. Auch hier fanden die Richter keine Anhaltspunkte. Einem Kaufvertrag, der ein Paket von neun Einheiten umfasste, lasse sich ein solches auffälliges Missverhältnis nicht ohne Weiteres entnehmen. Da keine konkreten Beweise für eine bewusste Täuschung oder sittenwidrige Preisgestaltung vorlagen, wurde auch dieses Argument verworfen.
Im Ergebnis wurde die Revision des Klägers zurückgewiesen. Er hatte keinen Anspruch auf Schadensersatz und musste die Kosten des gesamten Verfahrens tragen.
Was das Urteil für Mieter und Vermieter bedeutet
Die Entscheidung des BGH hat weitreichende und sehr konkrete Konsequenzen, die sowohl Mieter als auch Vermieter kennen sollten.
Für Mieter:
- Ihr Vorkaufsrecht ist stärker als gedacht: Das Urteil stellt klar, dass Ihr Vorkaufsrecht auch dann besteht, wenn Ihre Wohnung in Teileigentum umgewandelt wird. Lassen Sie sich von dieser formalen Bezeichnung nicht verunsichern. Der Schutzzweck des Gesetzes steht über dem reinen Wortlaut. Das BGH-Urteil vom 21. Mai 2025 macht sehr deutlich, dass eben dieser Schutzzweck des § 577 BGB auch bei der Umwandlung in Teileigentum greift. Die formale Unterscheidung zwischen Wohnungs- und Teileigentum ist für das Vorkaufsrecht des Mieters nicht mehr entscheidend
- Handeln Sie sofort: Sobald Sie eine Mitteilung über den Verkauf Ihrer Wohnung erhalten, beginnt die Zeit zu laufen. Die Zwei-Monats-Frist ist absolut und unerbittlich. Zögern Sie nicht, sammeln Sie alle Unterlagen und suchen Sie umgehend rechtlichen Rat bei einem Rechtsanwalt für Mietrecht oder einem Mieterverein.
- Verlassen Sie sich nicht auf mündliche oder informelle Aussagen: Eine vage Bemerkung des Verkäufers wie „überlegen Sie es sich noch“ hat nach Ablauf der Frist keine rechtliche Wirkung. Verlassen Sie sich ausschließlich auf die Einhaltung der gesetzlichen Fristen.
- Prüfen Sie die Unterlagen genau: Stellen Sie sicher, dass Sie den vollständigen, ungeschwärzten Kaufvertrag und alle zugehörigen Dokumente (wie die Teilungserklärung) erhalten. Nur dann können Sie eine fundierte Entscheidung treffen und nur dann beginnt die Frist rechtssicher zu laufen.
Für Vermieter und Verkäufer:
- Der „Teileigentum-Trick“ ist keine Option: Der Versuch, das Vorkaufsrecht des Mieters durch die Begründung von Teileigentum statt Wohnungseigentum zu umgehen, ist gescheitert. Der BGH hat dieser Praxis einen klaren Riegel vorgeschoben.
- Erfüllen Sie Ihre Mitteilungspflicht korrekt: Sie sind gesetzlich verpflichtet, den Mieter vollständig und korrekt über den Inhalt des Kaufvertrags zu informieren. Fehler oder Verzögerungen bei dieser Mitteilung können den Beginn des Fristlaufs hinauszögern und zu Rechtsunsicherheit führen.
- Klarheit schafft Sicherheit: Nach Ablauf der zweimonatigen Ausschlussfrist haben Sie und der Käufer Gewissheit. Dieses Prinzip schützt auch Sie vor einem späten und unerwarteten Eintritt des Mieters in den Kaufvertrag.
Einschätzung des Experten: Was jetzt wichtig ist
Als Rechtsanwalt für Mietrecht bewerte ich dieses BGH-Urteil als wegweisend für die Praxis, da es eine wichtige Schutzlücke für Mieter schließt und gleichzeitig die Bedeutung prozessualer Disziplin unterstreicht. Die analoge Anwendung des § 577 BGB auf Teileigentum verhindert künftig erfolgreich Umgehungsversuche durch Vermieter, die das Vorkaufsrecht ihrer Mieter durch geschickte Grundbuchgestaltung aushebeln wollten.
Besonders praxisrelevant ist jedoch die kompromisslose Haltung des Gerichts zur Ausschlussfrist: Auch wohlmeinende Signale des Verkäufers können eine einmal versäumte Frist nicht wiederbeleben, was Mieter zur sofortigen und sachkundigen Reaktion bei Verkaufsmitteilungen zwingt. Diese Entscheidung stärkt letztendlich das Bewusstsein dafür, dass effektiver Mieterschutz nicht nur starke Rechte, sondern vor allem deren konsequente und fristgerechte Wahrnehmung erfordert.
Im Wortlaut: Die Begründung des Vorkaufsrechts bei Teileigentum
Denn in beiden Fällen steht dem Mieter nach einem Verkauf ein neuer Vermieter gegenüber, der sich – soweit die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind – auf Eigenbedarf oder ein sonstiges zur Kündigung berechtigendes Interesse berufen kann (vgl. Senatsurteil vom 28. Mai 2008 – VIII ZR 126/07, aaO). Dieses verschärfte Risiko einer Eigenbedarfskündigung entfällt auch nicht etwa deshalb, weil an zu Wohnzwecken überlassenen Räumen Teileigentum (§ 1 Abs. 1 Halbs. 2, Abs. 3 WEG) begründet wird. Denn die damit getroffene Zweckbestimmung führt nicht etwa dazu, dass die von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB für eine Eigenbedarfskündigung vorausgesetzte Nutzung dieser Räume als Wohnung (nunmehr) ohne weiteres unzulässig wäre. Jedenfalls kann die Zweckbestimmung nachträglich geändert werden und die Änderung sogar durch den Erwerber allein ohne Zustimmung der übrigen Gemeinschaftsmitglieder erfolgen, wenn – wie hier – die Teilungserklärung im weiteren Sinn (genauer: die Gemeinschaftsordnung; vgl. BGH, Urteile vom 23. März 2018 – V ZR 307/16, NZM 2018, 754 Rn. 6; vom 16. Juli 2021 – V ZR 284/19, NZM 2021, 717 Rn. 19) einen entsprechenden Änderungsvorbehalt enthält (BGH, Urteil vom 16. Juli 2021 – V ZR 284/19, aaO Rn. 19, 23). Auch das vom Gesetzgeber anerkannte Interesse des Mieters, durch Ausübung eines Vorkaufsrechts selbst Eigentümer der von ihm bewohnten Räumlichkeiten zu werden, ist vor diesem Hintergrund im Fall einer Umwandlung in Teileigentum nicht geringer als im Fall einer Umwandlung in Wohnungseigentum (vgl. Senatsurteil vom 28. Mai 2008 – VIII ZR 126/07, aaO; BVerfG, NZM 2011, 479 Rn. 26; jeweils zur Realteilung).
BGH, Urteil vom 21. Mai 2025 – VIII ZR 201/23, Rn. 31
Stellen Sie sich die Situation vor, dass Ihr Vorkaufsrecht nach einer Teileigentumsumwandlung abgelaufen ist. Fordern Sie jetzt eine unverbindliche Ersteinschätzung für Ihren speziellen Fall an.)
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist das Vorkaufsrecht von Mietern an ihrer Wohnung?
Was ist das Vorkaufsrecht von Mietern an ihrer Wohnung?
Das Vorkaufsrecht von Mietern ist ein gesetzliches Recht, das es ihnen ermöglicht, ihre gemietete Wohnung zu kaufen, wenn der Vermieter sie an jemand anderen verkaufen möchte. Dies bedeutet konkret, dass der Mieter die Möglichkeit erhält, anstelle des externen Käufers in den bereits ausgehandelten Kaufvertrag einzutreten und die Wohnung zu exakt den gleichen Bedingungen und Preisen zu erwerben.
Der Hauptzweck dieses besonderen Rechts ist der Schutz des Mieters vor einer möglichen Verdrängung. Wenn ein vermietetes Gebäude in einzelne Wohnungen aufgeteilt und verkauft wird, steigt das Risiko für den Mieter, seine vertraute Wohnung zu verlieren, zum Beispiel durch eine Kündigung wegen Eigenbedarfs des neuen Eigentümers. Das Vorkaufsrecht gibt dem Mieter die wichtige Chance, diese Gefahr abzuwenden, indem er selbst Eigentümer wird.
Dieses Schutzrecht entsteht in der Regel dann, wenn eine Mietwohnung, die vom Mieter bereits bewohnt wird, durch eine Umwandlung in eine Eigentumswohnung aufgeteilt und danach an eine dritte Person verkauft werden soll. Es ist ein fundamentales Instrument des deutschen Mietrechts, das die Position von Mietern in solchen Verkaufsprozessen stärkt.
Gilt das gesetzliche Vorkaufsrecht für Mieter auch dann, wenn die gemieteten Räume als Teileigentum verkauft werden?
Ja, das gesetzliche Vorkaufsrecht für Mieter gilt auch dann, wenn die zu Wohnzwecken vermieteten Räume als Teileigentum verkauft werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Regelung auf solche Fälle ausgeweitet.
Obwohl das Gesetz (§ 577 BGB) das Vorkaufsrecht nur für umgewandeltes „Wohnungseigentum“ vorsieht, wenden die Gerichte diese Vorschrift auf Teileigentum analog an. Eine analoge Anwendung bedeutet, dass eine gesetzliche Regelung auf einen nicht ausdrücklich genannten Fall übertragen wird, wenn eine vergleichbare Situation vorliegt und der Gesetzgeber diese Lücke nicht bewusst gelassen hat.
Der BGH begründete dies damit, dass der Zweck des Vorkaufsrechts – der Schutz des Mieters vor einer Verdrängung – bei zu Wohnzwecken vermietetem Teileigentum in gleicher Weise betroffen ist wie bei Wohnungseigentum. Die Gefahr einer Kündigung durch Eigenbedarf des neuen Eigentümers besteht unabhängig von der formalen Bezeichnung als Wohn- oder Teileigentum.
Diese Auslegung ist ein wichtiger Schutz für Mieter und verhindert, dass Vermieter das Vorkaufsrecht durch die bloße Deklaration als Teileigentum umgehen können.
Was ist der Unterschied zwischen Wohnungseigentum und Teileigentum im Kontext der Immobiliennutzung?
Der entscheidende Unterschied zwischen Wohnungseigentum und Teileigentum liegt im primären Nutzungszweck der jeweiligen Räume, der im Grundbuch festgeschrieben ist. Beide Begriffe beschreiben Formen von Sondereigentum an Gebäudeteilen, die jeweils mit einem Miteigentumsanteil am sogenannten Gemeinschaftseigentum des Hauses, wie zum Beispiel am Treppenhaus oder dem Dach, verbunden sind.
Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung, also an Räumen, die dazu bestimmt sind, dem Wohnen zu dienen. Dies ist die geläufige Form einer Eigentumswohnung.
Im Gegensatz dazu ist Teileigentum das Sondereigentum an Räumen, die nicht für Wohnzwecke, sondern für andere Nutzungen vorgesehen sind. Klassische Beispiele hierfür sind gewerblich genutzte Flächen wie Büros, Arztpraxen, Ladenlokale oder Lagerräume. Der Hauptunterschied besteht somit in der juristisch festgelegten Zweckbestimmung: Wohnen versus Nicht-Wohnen. Auch wenn Teileigentum faktisch zu Wohnzwecken vermietet sein kann, ist die im Grundbuch eingetragene Bestimmung ausschlaggebend für die rechtliche Einordnung.
Welche Fristen gelten für die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch Mieter, und welche Bedeutung haben sie?
Für die Ausübung eines Vorkaufsrechts haben Mieter eine gesetzliche Frist von zwei Monaten. Diese Frist beginnt, sobald ihnen der vollständige und korrekte Inhalt des Kaufvertrags mitgeteilt wurde, den der Vermieter mit einem anderen Käufer abgeschlossen hat.
Diese zweimonatige Zeitspanne ist juristisch als „Ausschlussfrist“ klassifiziert. Das bedeutet, sie ist von besonders strenger Natur. Im Gegensatz zu anderen Fristen, die unter Umständen gehemmt oder unterbrochen werden können, ist eine Ausschlussfrist absolut und unabänderlich. Ihr Hauptzweck ist die Schaffung von Rechtssicherheit für alle Beteiligten nach einer klar definierten Zeitspanne.
Wird diese Frist versäumt, hat dies gravierende Folgen: Das Vorkaufsrecht des Mieters erlischt dann endgültig und kann nicht mehr geltend gemacht werden. Eine nachträgliche Vereinbarung der Parteien kann das einmal erloschene Recht nicht wiederbeleben oder die Frist verlängern. Dies gewährleistet, dass nach zwei Monaten Klarheit darüber besteht, ob der Mieter in den Kaufvertrag eintritt oder nicht, und sichert so die Planungssicherheit für Verkäufer und Drittkäufer.
Was passiert, wenn eine gesetzliche Ausschlussfrist für die Geltendmachung eines Rechts versäumt wird?
Wird eine gesetzliche Ausschlussfrist für die Geltendmachung eines Rechts versäumt, erlischt dieses Recht unwiederbringlich. Das bedeutet, dass die Möglichkeit, das betreffende Recht durchzusetzen, endgültig verloren ist.
Solche Ausschlussfristen sind darauf ausgelegt, schnell für Rechtsklarheit und Sicherheit zu sorgen. Nach ihrem Ablauf soll für alle Beteiligten endgültig feststehen, ob ein bestimmtes Recht noch besteht oder nicht.
Im Gegensatz zu anderen Fristen, wie etwa einer Verjährungsfrist, die unter bestimmten Bedingungen gehemmt oder unterbrochen werden kann, ist eine Ausschlussfrist absolut. Sie kann nach ihrem Ablauf nicht mehr durch eine nachträgliche Vereinbarung der Parteien oder durch eine verspätete Geltendmachung „wiederbelebt“ werden.
Die strikte Einhaltung dieser Fristen ist daher von entscheidender Bedeutung, da die formale Beachtung von Zeitvorgaben über den Erfolg bei der Durchsetzung eines Rechts entscheidet. Der Fall zeigt exemplarisch, wie ein Recht zwar dem Grunde nach bestehen kann, aber bei verspäteter Geltendmachung unwiderruflich verloren geht.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.