LG Berlin – Az.: 63 S 277/16 – Urteil vom 22.09.2017
Auf die Berufung der Kläger wird das am 27.09.2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg – 16 C 69/16 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger die teilweise Untervermietung eines Zimmers der Wohnung … 6, … Berlin, Vorderhaus, 3. OG links an Herrn A H., …9, 82234 … zu genehmigen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger und Berufungskläger zu 2) 3.316,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06. September2016 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger zu 1. und 2. nehmen die Beklagte als Vermieterin auf Genehmigung der Untervermietung eines Zimmers der von ihnen gemieteten Wohnung … 6, … Berlin, Vorderhaus, 3. OG links an Herrn A H. in Anspruch. Darüber hinaus nimmt der Kläger zu 1. die Beklagte auf Zahlung von entgangenem Untermietzins für Februar 2016 bis September 2016 in Höhe von 3.316,80 EUR (8 x 414,60 EUR) in Anspruch. Widerklagend hat die Beklagte in erster Instanz die Kläger zu 1. und 2. auf Zahlung von Detektivkosten in Höhe von 12.100,00 EUR in Anspruch genommen.
Die Kläger mieteten mit Mietvertrag vom 30.9.2009 von der Beklagten eine 3-Zimmer Wohnung mit 110qm zu einem Gesamtmietzins von zuletzt 483,92 EUR. Laut einer Zusatzvereinbarung vom 1.11.2009 sind u.a. die Gastherme, Heizkörper und der Durchlauferhitzer als Mietereigentum vereinbart.
Die Klägerin zu 1. ist zu einem Zeitpunkt nach Mietbeginn aus der Wohnung ausgezogen und beteiligt sich seither nicht mehr an den Mietzahlungen. Mit Schreiben vom 25.1.2016 forderte der Kläger zu 2. die Beklagte bis zum 30.1.2016 zur Gestattung der Untervermietung von einem Zimmer an Herrn H. auf, wobei er zur Begründung den Auszug der Lebensgefährtin und seine finanzielle Entlastung nannte. Mit Schreiben vom 12.3.2016 wies die Beklagte die Gestattung zurück.
Der Kläger zu 2. hätte ein Zimmer der Wohnung ab dem 1.2.2016 an Herrn H. zu folgendem Untermietzins vermieten können: Nettokaltmiete 271,92 EUR, kalte Betriebskosten 42,68 EUR, Möblierungszuschlag 100,00 EUR, insgesamt 414,60 EUR.
Die Kläger haben beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Untervermietung der Kläger eines Zimmers in der Wohnung … 6, … Berlin, Vorderhaus, 3. OG links zu genehmigen, die Beklagte ferner zu verurteilen, an den Kläger zu 2. 3.316,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und widerklagend, die Kläger zu verteilen, an sie 12.100,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 1.8.2016 zu zahlen.
Die Kläger haben beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte hat ein wirtschaftliches Interesse des Klägers zu 2. an der Untervermietung bestritten und behauptet, durch den Untermietzins von 414,60 € brutto kalt wolle der Kläger bei einer Gesamtmiete von 483,92 € nahezu mietfrei wohnen. Die Beklagte behauptet, beide Kläger seien bereits aus der Wohnung ausgezogen und wohnten gemeinsam mit Kind in einem Haus in Falkensee.
Das Amtsgericht hat die Klage und die Widerklage abgewiesen. Es bestehe kein berechtigtes Interesse der Kläger gemäß § 553 BGB, da die Klägerin zu 1. trotz Auszugs weiterhin als Gesamtschuldnerin dem Kläger zu 2. einen Ausgleich nach § 426 Abs. 2 BGB schulde und der Kläger zu 2. daher wirtschaftlich nicht schlechter stehe als vorher. Ferner könne bei einem Untermietzins von 414,60 EUR nicht mehr von Entlastung, sondern von Freizeichnung von der Miete gesprochen werden, was dem sozialen Schutzzweck von § 553 BGB zuwiderlaufe.
Gegen das am 30.9.2016 zugestellte Urteil des Amtsgericht haben die Kläger mit einem am 30.10.2016 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 12.12.2016 mit einem am 12.12.2016 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihre erstinstanzlichen Anträge modifiziert weiter. Sie tragen vor, ein Rückgriff wegen der Mieten auf die Klägerin zu 1. sei wegen der Vereinbarung zwischen den Klägern ausgeschlossen. Die Höhe des Untermietzinses im Verhältnis zur Hauptmiete erkläre sich daraus, dass die Kläger eine Wohnung ohne Heizung und Warmwasser gemietet hätten und der Kläger zu 2. ein Zimmer mit auf eigenen Kosten bereitgestellter Heizung und Warmwasser vermieten wolle. Aufgrund der Möblierung des zu vermietenden Zimmers und der Gemeinschaftsräume sei ein Möblierungszuschlag von 100,00 EUR angemessen. Er habe für die Nettokaltmiete den Mittelwert des Mietspiegels für eine Wohnung mit Heizung und Warmwasser von 6,18 EUR/qm und die Größe des Zimmers von 44,0 qm zugrunde gelegt.
Die Kläger beantragen, unter Abänderung des am 27.9.2016 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Schöneberg – 16 C 96/16 – die Beklagte zu verurteilen,
1. den Klägern und Berufungsklägern die teilweise Untervermietung eines Zimmers in der Wohnung … 6, … Berlin, Vorderhaus, 3. OG links an Herrn A H., … 9, … Weßling, zu genehmigen,
2. an den Kläger und Berufungskläger zu 2) 3.316,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Das Berufungsgericht hat den Kläger zu 2. persönlich angehört. Es wird Bezug genommen auf das Protokoll vom 22.9.2017.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die Kläger haben einen Anspruch auf Erlaubnis der Untervermietung eines Zimmers an Herrn A H. gemäß § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Gemäß § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Mieter vom Vermieter die Erlaubnis verlangen, einen Teil des Wohnraumes einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, wenn für ihn nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse hieran entsteht. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt, der Wohnraum übermäßig belegt würde oder dem Vermieter die Überlassung aus sonstigen Gründen nicht zugemutet werden kann.
Es fehlt nicht bereits dann an einem berechtigten Interesse des Mieters, wenn er Wohnraum untervermieten will, in dem er nicht seinen Lebensschwerpunkt hat (BGH, Urteil vom 23. November 2005 – VIII ZR 4/05 -; BGH, Urteil vom 11.6.2014 – VIII ZR 349/13 -, zit. nach juris).
Danach kommt es nicht darauf an, dass der Kläger zu 2. – wie von ihm im Termin eingeräumt – seinen Lebensmittelpunkt zu seiner Lebensgefährtin und dem Kind nach Falkensee verlegt hat. Vorliegend ist ferner keine Überbelegung bei der Untervermietung von einem Zimmer einer Dreizimmerwohnung zu besorgen, da in der Wohnung der Untermieter und gelegentlich der Kläger zu 2. wohnen und es sind des Weiteren keine entgegenstehenden wichtigen Gründe in der Person des Dritten bekannt geworden, die einem Untermietverhältnis entgegenstehen können.
Es besteht darüber hinaus ein nach Vertragsschluss entstandenes berechtigtes Interesse der Kläger an der Untervermietung.
Als berechtigt ist jedes, auch höchstpersönliche Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht anzusehen, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang steht (BGH, Urteil vom 23. November 2005 – VIII ZR 4/05 -), d.h. wenn ihm vernünftige Gründe zur Seite stehen, die seinen Wunsch nach Überlassung eines Teils der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen (BGH, Beschluss vom 03.10.1984 – VIII ARZ 2/84 -, NJW 1985, 130). Die Voraussetzungen des § 553 BGB sind unter Berücksichtigung des mieterschützenden Zwecks der Regelung auszulegen. Danach ist ein großzügiger Maßstab anzulegen. Das Mietverhältnis soll gerade auch dann aufrechterhalten werden, wenn der Mieter den Wohnraum teilweise einem anderen zum Gebrauch überlassen möchte. Der Gesetzeszweck, dem Mieter die Wohnung zu erhalten, bestimmt deshalb die Auslegung des Begriffs „berechtigtes Interesse“ und sein Verhältnis zu dem in § 553 Abs. 1 Satz 2 BGB genannten Zumutbarkeitserfordernis (BGH, a.a.O.; BGH, Urteil vom 11.6.2014 – VIII ZR 349/13 -). Soweit durch die beabsichtigte Untervermietung schützenswerte Belange des Vermieters berührt werden, sind diese gemäß § 553 Abs. 1 Satz 2 BGB unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit zu berücksichtigen und gegen die Interessen des Mieters abzuwägen (vgl. BGH, a.a.O.; LG Berlin, Beschluss vom 08. Juli 2014 – 63 S 152/14 – juris). Der Erlaubnis steht nicht entgegen, wenn die Umstände, die zu einem berechtigten Interesse geführt haben, vom Mieter selbst herbeigeführt worden sind, wie hier der Auszug der Klägerin zu 1.
Ein berechtigtes Interesse an der Überlassung der Wohnung an Dritte kann bestehen, wenn es der finanziellen Entlastung des Mieters von der Belastung durch die Miete für die streitgegenständliche Wohnung dient (vgl. AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 1.9.2011 – 14 C 212/11 -). Dabei liegt ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse nicht nur in Fällen vor, in denen eine Doppelbelastung durch Mietausgaben vorliegt oder in denen der Mieter zwingend auf die Einsparung angewiesen ist. Aufgrund des mieterschützenden Regelungszwecks der Norm reicht vielmehr jedes vernünftige Interesse an einer finanziellen Ersparnis aus, sofern es sich nicht im Bagatellbereich bewegt. Einer Klärung der Einkommensverhältnisse der Kläger bedarf es daher nicht.
Vorliegend ist von einem berechtigten Interesse in Form einer Mehrbelastung des Klägers zu 2. auszugehen, da er unwidersprochen nach dem Auszug der Klägerin zu 1. mit dieser vereinbart hat, dass sie keine anteilige Miete mehr entrichtet. Dies entspräche auch ohne eine solche Vereinbarung im Zweifel der Rechtslage bei einem Ausgleich der Gesamtschuldner im Innenverhältnis gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. BGB. Auf die rechtliche Verpflichtung der Klägerin zu 1. im Außenverhältnis gegenüber der Beklagten aus dem Mietvertrag weiter zu haften, kommt es bei der Beurteilung des berechtigten Interesses nicht an.
Ein berechtigtes Interesse an der Untervermietung ist darüber hinaus, auch unabhängig von einem finanziellen Interesse, bereits in dem Auszug der Klägerin zu 1. als Lebensgefährtin/Mitmieterin des Klägers zu 2. zu sehen. Nach der Rechtsprechung des BGH, Rechtsentscheid in Mietsachen vom 03. Oktober 1984 – VIII ARZ 2/84 -, juris, dürfen die Anforderungen an das vom Mieter darzulegende Interesse nicht überspannt werden. Es genügt ein persönliches, wirtschaftliches oder auch familiäres Interesse, wie etwa bei der Verringerung des Raumbedarfs bei Auszug eines Familienangehörigen. Der vorliegende Fall des Auszugs der Lebensgefährtin und Kindesmutter ist aus objektiver Sicht hinsichtlich der Interessenlage mit dem Auszug eines Familienangehörigen gleichzustellen.
Ein berechtigtes Interesse an der Untervermietung besteht ferner auch in der Person der ausgezogenen Klägerin zu 1., da sie nicht aus dem Mietverhältnis entlassen wurde und im Außenverhältnis zur Beklagten weiterhin zur Mietzahlung verpflichtet ist (vgl. LG Berlin, Urteil vom 26. Juni 1992 – 63 S 166/92 -, juris).
Der Kläger zu 2. hat ferner einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von entgangenem Untermietzins für die Februar 2016 bis einschließlich September 2016 in Höhe von 3.316,80 EUR (8 x 414,60 EUR) gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Kläger zu 2. hatte einen Anspruch auf Untervermietung gemäß § 553 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat in Kenntnis des im Aufforderungsschreiben vom 25.1.2016 näher bezeichneten Untermieters mit Schreiben vom 12.3.2016 die Untervermietung verweigert. Dies erfolgte schuldhaft. Die Beklagte hat die gegen sie sprechende Vermutung nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht widerlegt.
Unwidersprochen hätten die Kläger ab 1.2.106 an Herrn H. untervermieten können. Der Untermietzins ist unwidersprochen geblieben.
Die Höhe des Untermietzinses ist nicht als dem Schutzzweck des Gesetzes zuwiderlaufend anzusehen. Die Höhe des Untermietzinses begegnet keinen gesetzlichen Grenzen und wurde im vorliegenden Fall hinsichtlich seiner Zusammensetzung und Berechnung auch nachvollziehbar von den Klägern anhand des Mietspiegels zzgl. Möblierungszuschlag erläutert. Die Kläger sind nicht gehalten, den Untermietzins etwa als Bruchteil des Hauptmietzinses (z.B. nach Zimmern oder Fläche) zu berechnen.
Ein Ausgleich für die Vermieterin in Form eines Untermietzuschlags ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Eine Kostenentscheidung gemäß § 97 Abs. 2 ZPO war nicht veranlasst. Die Kläger haben den Antrag zu 1. in der Berufungsinstanz in zulässiger Weise gemäß § 264 ZPO um den Namen des Untermieters ergänzt. Das Obsiegen beruht jedoch nicht allein auf dem neugefassten Antrag. Zwar bestand kein Anspruch auf eine pauschale Zustimmung zur Untervermietung (vgl. KG Berlin, Rechtsentscheid in Mietsachen vom 11. Juni 1992 – 8 RE Miet 1946/92 -, juris; LG Berlin, Urteil vom 17. Juli 1990 – 63 S 424/89), jedoch war die Benennung des Untermieters in erster Instanz hinfällig, nachdem die Beklagte bereits vorprozessual mit Schreiben vom 12.3.2016 eine Untervermietung generell verweigert hatte (vgl. LG Berlin, Urteil vom 23. September 1997 – 63 S 202/97, juris).
Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 7 und 10, 711, 713 ZPO. Gründe, gemäß 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, lagen nicht vor.