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Mieterhöhung bei fehlendem Zugang eines Mieterhöhungsverlangens

LG Berlin – Az.: 65 S 39/19 – Urteil vom 28.06.2019

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 19. Dezember 2018 – 17 C 45/18 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a, 540 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist begründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete für die von diesem inne gehaltene Wohnung aus §§ 558 Abs. 1, 558a BGB. Es fehlt am Zugang des Mieterhöhungsverlangens.

Ist dem Mieter kein (wirksames) Erhöhungsverlangen zugegangen, ist die Klage auf Zustimmung zu der vom Mieter begehrten Mieterhöhung unzulässig (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.2013 – VIII ZR 413/12, WuM 2014, 33, nach juris Rn. 9).

§ 558b Abs. 2 BGB kann der Vermieter auf Erteilung der Zustimmung zur Mieterhöhung (erst) klagen, wenn der Mieter nicht bis zum Ablauf des zweiten Kalendermonats nach dem Zugang des Verlangens der Mieterhöhung zustimmt.

Einem vorgerichtlich nicht zugegangenen Erhöhungsverlangen kann der Mieter (mangels Kenntnis) nicht zustimmen. Es wird – als empfangsbedürftige Willenserklärung – gar nicht wirksam, § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB. Hinzu kommt, dass im Fall des fehlenden Zugangs auch die besonderen Prozessvoraussetzungen des § 558b Abs. 2 BGB nicht gegeben sind, die Klage unzulässig ist (vgl. auch Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 13. Aufl., 2017, § 558b Rn. 80ff.,163; MüKoBGB/Artz, 7. Aufl. 2016, § 558b 11).

Dass das Mieterhöhungsverlangen dem Beklagten nicht zugegangen ist, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht fest. Zweifel an der Richtigkeit der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen und/oder ihrer Vollständigkeit ergeben sich nicht, § 529 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO.

Teilweise wird unter Bezugnahme auf § 558b Abs. 3 Satz 1 BGB vertreten, dass (auch) der fehlende Zugang eines Mieterhöhungsverlangens vor Klageerhebung im Zustimmungsprozess durch Einreichen eines Schriftsatzes nachgeholt werden kann, der eindeutig erkennen lässt, dass es sich um ein neues Erhöhungsverlangen handelt (vgl. LG Berlin, [ZK 63] – 63 S 523/08, nach juris Rn. 27).

Übersehen wird dabei, dass die „Heilung“ nach § 558b Abs. 3 Satz 1 BGB dem Wortlaut der Regelung nach ein der Klage vorausgegangenes Erhöhungsverlangen verlangt. Daran fehlt es, wenn die Erklärung mangels Zugangs gar nicht abgegeben worden ist, §§ 558a Abs. 1, 130 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. MüKoBGB/Artz, 7. Aufl. 2016, § 558b 18; Hinz, NZM 2002, 633, [634]; so wohl auch: BGH, Urt. v. 20.01.2010 – VIII ZR 141/09, WuM 2010, 161, nach juris Rn. 19).

Der Wortlaut des § 558b Abs. 3 Satz 1 BGB beschränkt das Nachhol- bzw. Mängelbehebungsrecht des Vermieters ausdrücklich auf die Einhaltung der in § 558a BGB genannten Formalien; fehlt es an der Abgabe der Erklärung, ist das Nachholen oder die Mängelbehebung nicht möglich (Hinz, NZM 2002, 633, [634]).

Dem Wortlaut entsprechen die aus den Gesetzesmaterialien ersichtlichen Motive des Gesetzgebers für die sprachliche Neufassung des § 558b Abs. 3 BGB. Klargestellt werden sollte (gegenüber § 2 Abs. 3 Satz 2 MHG), dass die Nachholmöglichkeiten nur dann bestehen, wenn der Zustimmungsklage überhaupt ein in welcher Form auch immer abgegebenes Mieterhöhungsverlangen vorausgegangen ist. Das Erfordernis eines – wenngleich formunwirksamen – Mieterhöhungsverlangens sollte sicherstellen, dass der Mieter sich in jedem Fall vor einer Klageerhebung auf die begehrte Mieterhöhung und die gegebenenfalls folgende Klage einstellen können soll (vgl. BT-Drs. 14/4553, S. 56). Eben diese Möglichkeit hat der Mieter nicht, wenn ihm ein Erhöhungsverlangen nicht zugegangen ist.

Die Klage bleibt jedoch auch dann ohne Erfolg, wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, dass auch ein nie zugegangenes Mieterhöhungsverlangen nach § 558b Abs. 3 Satz 1 BGB im Prozess nachgeholt werden kann.

Das (allein in Betracht kommende) Nachholen des Erhöhungsverlangens setzt nach einhelliger Ansicht ein gänzlich neues Erhöhungsverlangen voraus. Der Vermieter kann außerhalb des Klageverfahrens ein neues Zustimmungsverlangen zustellen und schriftsätzlich in den Prozess einführen oder während des Prozesses in einem Schriftsatz erklären. Im letztgenannten Fall ist entscheidend, dass der Schriftsatz für den Mieter (als Erklärungsempfänger) klar und eindeutig erkennen lässt, ob er ein neues materiell-rechtliches Erhöhungsverlangen enthält oder ob damit nur ein früheres Erhöhungsverlangen weiterverfolgt und durchgesetzt werden soll (vgl. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 13. Aufl., 2017, § 558b Rn. 164, mwN; MüKoBGB/Artz, 7. Aufl. 2016, § 558b 18; Hinz, NZM 2002, 633, [634]; LG Berlin [ZK 63], Urt. v. 14.07.2009 – 63 S 523/08, nach juris Rn. 27).

Hier ergibt sich nach dem Inhalt der Klageschrift eindeutig, dass die Klägerin lediglich das dem Beklagten nicht zugegangene Mieterhöhungsverlangen vom 28. August 2017 mit der Klage weiterverfolgt und durchsetzen will. Sie nimmt ausdrücklich und ausschließlich auf den Inhalt des Erhöhungsverlangens Bezug, macht (nur) diesen zu ihrem Vortrag im Rechtsstreit. Weitere Erhöhungsverlangen werden nicht erklärt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

3. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.

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