LG Berlin – Az.: 63 S 469/10 – Urteil vom 05.08.2011
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21.06.2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg – 5 C 99/09 – abgeändert und neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, einer Erhöhung der Nettokaltmiete für die von ihr gemietete Wohnung … 47b, … Berlin, 3. OG rechts, von 317,72 € um 19,77 € auf 337,49 € mit Wirkung ab dem 01.10.2009 zuzustimmen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Von einer Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. Die Berufung ist begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete gemäß § 558 Abs. 1 BGB. Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom 27.07.2009 ist hinsichtlich der dort zu Grunde gelegten Mietstruktur nicht zu beanstanden. Denn die Parteien haben die im Mietvertrag zunächst vereinbarte Bruttokaltmiete einvernehmlich auf eine Nettokaltmiete umgestellt.
Es ist allerdings zweifelhaft, ob eine stillschweigende Vereinbarung einer Nettomiete darin gesehen werden kann, dass die Klägerin der Beklagten beginnend mit der Abrechnungsperiode 1999 Betriebskostenabrechnungen erteilt und diese die angeforderten Zahlungen geleistet hat.
Ein Änderungsvertrag, der eine nunmehr vollständige Umlage sämtlicher Betriebskosten zum Gegenstand hat, kann zwar grundsätzlich auch stillschweigend zustande kommen (vgl. nur BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 279/06, NJW 2008, 283; BGH, Urt. v. 07.04.2007 – VIII ZR 146/03, NJW-RR 2004, 877; BGH, Urt. v. 29.05.2000 – XII ZR 35/00, NJW-RR 2000, 1463). Eine Vertragsänderung durch schlüssiges Verhalten setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 279/06, NJW 2008, 283) voraus, dass der Vermieter nach den Gesamtumständen davon ausgehen kann, dass der Mieter einer Umlage weiterer Betriebskosten zustimmt. Dafür reicht es grundsätzlich nicht aus, dass der Mieter Betriebskostenabrechnungen unter Einbeziehung bisher nicht vereinbarter Betriebskosten lediglich nicht beanstandet. Insbesondere die bloße Übersendung einer Abrechnung stellt sich für den Mieter in der Regel nur als Resultat einer Umsetzung der bisherigen vertraglichen Vereinbarungen dar; der Mieter zahlt den Abrechnungssaldo dann in der Vorstellung, hierzu verpflichtet zu sein. In solchen Fällen kann ein rechtsgeschäftlicher Änderungswille des Mieters nicht angenommen werden (vgl. LG Itzehoe, Urt. v. 30.10.2009 – 9 S 20/08, WuM 2009, 741). Selbst eine jahrelange Zahlung auf ihm übermittelte Betriebskostenabrechnungen wird grundsätzlich nicht zur Annahme einer stillschweigenden Vertragsänderung ausreichen. Ob dann etwas anderes zu gelten hat, wenn es nicht um die Erweiterung der umzulegenden Betriebskostenarten, sondern um die Umstellung der Mietstruktur als solche geht, kann jedoch aus folgenden Gründen dahinstehen.
Jedenfalls mit der Zustimmung der Beklagten zu dem vorangegangenen Mieterhöhungsverlangen vom 01.11.2007, welches ebenfalls von einer Nettomiete ausging, haben die Parteien die Mietstruktur wirksam auf eine Nettokaltmiete nebst Betriebskostenvorauszahlungen umgestellt. Anders als die Zusendung einer Betriebskostenabrechnung handelt es sich bei einem Mieterhöhungsverlangen um eine Willenserklärung, die für den Mieter erkennbar auf Abschluss eines Änderungsvertrags hinsichtlich des bestehenden Mietvertrages gerichtet ist. Stimmt der Mieter einem Begehren des Vermieters zu, welches nicht nur auf eine Erhöhung der Miete, sondern auch auf eine Änderung der Mietstruktur gerichtet ist, so kann die Zustimmung des Mieters vom Vermieter nur so verstanden werden, dass dieser nicht nur mit der erhöhten Miete, sondern auch mit der geänderten Mietstruktur einverstanden ist. Zwar hat der Vermieter in einem solchen Fall gemäß § 558 BGB keinen Anspruch auf Zustimmung des Mieters, da sich der Anspruch allenfalls auf eine Erhöhung der Miete, nicht aber auf eine Änderung der Mietstruktur richtet; dies ändert jedoch nichts an der Wirksamkeit der dennoch erteilten Zustimmung.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.