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Mieterhöhung – Verweis auf Internetportale als Begründung für Mieterhöhungsverlangen

AG Schleswig – Az.: 21 C 76/19 – Urteil vom 05.11.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Der Streitwert wird auf 1.200,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt als Vermieterin die Zustimmung zu einer Mieterhöhung.

Die Parteien sind durch einen Mietvertrag vom 01.11.2010 über eine in der S.-Straße Nr. in K. belegene Wohnung verbunden. In dem Mietvertrag ist als Mietzins 510,00 Euro angegeben. Mit Schreiben vom 26.10.2018 ersuchte die Klägerin die Beklagten um ihre Zustimmung zu einer Mieterhöhung auf 610,00 Euro bis zum 31.12.2018. In dem Schreiben führte sie aus, der derzeitige Mietzins betrage 3,64 Euro/qm, was unterhalb der in K. gezahlten Mieten, welche im Durchschnitt 5,90 Euro/qm betrügen. Zur Begründung verwies die Klägerin auf „z.B. www.meinestadt.de, www.capital.de, www.wohnpreis.de, www.mietcheck.de“. Die Beklagten ließen dieses Mieterhöhungsverlangen zurückweisen.

Die Stadt K. verfügt über keinen Mietspiegel. Auf eine Anfrage bei der Stadtverwaltung teilte man der Klägerin dies mit, erklärte ihr, die Kaltmieten lägen grob geschätzt zwischen 5,90 qm und 8,50 qm und verwies die Klägerin auf drei Immobilien-Onlineportale.

Die Klägerin behauptet, die Wohnung weise eine Wohnfläche von 140 qm auf. Sie ist der Ansicht, dass allein der Verweis auf Internetportale als Begründungsmittel für ein Mieterhöhungsverlangen ausreichend sei. Die Internetportale seien ausreichend, um die zutreffende Miete zu ermitteln.

Sie beantragt, die Beklagten zu verurteilen, der Erhöhung der Nettomiete für die Wohnung S.-Str., K., 2. Stock von bisher 510,00 Euro auf 610,00 Euro mit Wirkung ab 01.01.2019 zuzustimmen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten die Wohnungsgröße und behaupten, dies beliefe sich auf nur 124 qm. Die verwendeten Begründungsmittel im Mieterhöhungsschreiben genügten den gesetzlichen Anforderungen nicht.

Die am 29.03.2019 eingereichte Klage ist am 06.04.2018 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 23.10.2019, bei Gericht eingegangen am 24.10.2019, hat die Klägerseite vier Vergleichswohnungen benannt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist bereits unzulässig, da kein wirksames Mieterhöhungsverlangen vorliegt. Das Fehlen eines wirksamen Mieterhöhungsverlangens führt zur Unzulässigkeit der Klage (BGH, NZM 2004, 581, beck-online). Das Schreiben der Klägerin vom 26.10.2018 stellt ein solches nicht dar, da es nicht den Anforderungen des § 558a Abs. 1 BGB genügt. Es ist nicht im hinreichenden Maße begründet worden, da weder auf eines der Begründungsmittel des § 558 Abs. 2 BGB Bezug genommen wird noch auf ein anderes Begründungsmittel gleicher Eignung.

Mieterhöhung - Verweis auf Internetportale als Begründungsmittel für Mieterhöhungsverlangen
(Symbolfoto: Von New Africa/Shutterstock.com)

Es ist erforderlich, dass die gewählte Begründung dem Mieter konkrete Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens gibt, damit er während der Überlegungsfrist die Berechtigung der Mieterhöhung überprüfen und sich darüber schlüssig werden kann, ob er dem Erhöhungsverlangen zustimmt oder nicht (BGH NJW 2014, 1173). Wie auch bei allen anderen im Gesetz aufgezählten Begründungsmitteln dürfen dabei in formeller Hinsicht im Hinblick auf das Grundrecht des Vermieters aus Art. 14 GG zwar keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (BVerfGE 49, 244, 249; BGH NJW 2004, 1379); allerdings müssen auch die sonstigen Begründungsmittel in formeller Hinsicht Angaben über die Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können (BGH NJW 2014, 1173).

Der Verweis auf die Top-Level-Domains von allgemein bekannten und zugänglichen Internetportalen zur Immobilienvermarktung weist eine solche gleiche Eignung zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens in verschiedener Hinsicht nicht auf.

Mit dem Hinweis auf Internetportale werden schon keine bestimmten Tatsachen vorgetragen. Ihnen ist nämlich technisch eigen, ihren Inhalt fortwährend zu verändern. Die entsprechenden Seiten weisen einen anderen Inhalt auf im Zeitpunkt ihrer Verwendung durch den Vermieter und durch den Mieter während des Ablaufes der Überlegungsfrist. Dies gilt hier aber auch deswegen, da die Klägerin nicht mitgeteilt hat, in welcher Weise und mit welchen Parametern sie die entsprechenden Internetportale bedient hat.

Internetportale, die auf die Vermarktung von Wohnraum ausgerichtet sind und Mietgesuche und -angebote veröffentlichen, beinhalten bereits keine Tatsachen, aus denen sich örtliche Mieten ergeben, da sie aus ihrer Natur heraus nur den einen Teil des Marktgeschehens widerspiegeln, nämlich vor allem die Mietzinsvorstellungen von Vermietern. Es steht nicht fest ob diese Mieten erzielt werden und überprüfbar ist es für den Mieter erst recht nicht, was aber beides notwendig wäre (LG Köln, WuM 1974,10, für Immobilienteile von Tageszeitungen).

Schließlich fehlt es an der Neutralität, einem Schutz vor Manipulation und fehlender redaktioneller bzw. fachlicher Aufarbeitung von Daten. Immobilienportale weisen zwar oberflächlich eine gewisse strukturelle Ähnlichkeit mit Mietspiegeln nach §§ 558c und 558d BGB oder Mietdatenbanken im Sinne des § 558e BGB. Diesen Einrichtungen ist es aber gemein, dass sie von einer neutralen Stelle geführt werden, die eine gewisse Gewähr für die fachliche Eignung und neutrale Darstellung der verwendeten Daten zu dem hier relevanten Zweck bietet. Dies ist aufgrund der grundsätzlich andersartigen Ausrichtung und Zielsetzung eines Immobilienportals, nämlich der Vermittlung von Vertragsabschlüssen, und einer anderen Organisationsform, nämlich der Bedienung durch die Marktteilnehmer selbst, hier gerade nicht der Fall. Auch fehlt es an der Neutralität, da die Betreiber von Immobilienportalen natürlich eigene wirtschaftliche Interesse verfolgen. Schließlich sind von Nutzern bediente Portale per se manipulierbar, da es jedermann in der Hand hat, das Portal mit Scheinangeboten zu beschicken, um es in seinem Sinne zu beeinflussen.

Damit werden der Klägerseite insgesamt auch keine überhöhten Anforderungen aufgebürdet. Der BGH meint in der von der Klägerseite herangezogenen Rechtsprechung nämlich vor allem Anforderungen an die Art und Weise des Umgangs mit den gesetzlichen Begründungsmitteln. Die Rechtsprechung zu den überhöhten Anforderungen räumt dem Vermieter keinen Anspruch auf Zulassung von Begründungsmitteln ein, die kostenlos und ohne jeglichen Aufwand in jedem einzelnen Fall verwendbar wären. Der Ansicht der Klägerin zu folgen hieße vielmehr, die gesetzgeberischen Wertungen des § 558a BGB zu umgehen. Der Gesetzgeber eröffnet neben den Begründungsmitteln, deren Verfügbarkeit der Vermieter nicht beeinflussen kann (Mietspiegel und Mietdatenbank) zwei Begründungsmittel, die immer herangezogen werden können und nimmt dabei in Kauf, dass diese mit eigener Mühewaltung (Vergleichswohnungen) oder Kosten (Sachverständigengutachten) verbunden sind. Die Existenz eines Begründungsmittels welches weder mit dem einen, noch dem anderen verbunden ist, wäre aus Vermietersicht offensichtlich so vorzugswürdig, dass es die gesetzlichen Begründungsmittel verdrängen würde.

Es bedarf hier auch keiner Ausführungen dazu und bedurfte keines Hinweises darauf, ob und inwieweit die Klägerseite ein Mieterhöhungsverlangen jenseits der gesetzlichen Begründungsmittel unter Verwendung von Internetportalen hätte gestalten können. Die Hinweispflicht des § 139 ZPO geht nicht so weit auf alternative Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen. Zwar ist im Rechtsstreit grds. über alles aufzuklären, was im Sinn einer umfassenden Entscheidung des Streitstoffes und Verwirklichung der materiellen Gerechtigkeit der Klärung bedarf, doch legt § 139 ZPO dem Gericht keine allgemeine Beratungs- oder gar Fürsorgepflicht auf (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 14. Aufl. 2019, BGB § 558b Rn. 171).

Von der Möglichkeit, die formellen Mängel nach § 558b Abs. 3 BGB im laufenden Verfahren zu heilen, hat die Klägerseite keinen Gebrauch gemacht. Soweit man den Schriftsatz vom 23.10.2019 als eine solche Nachbesserung ansehen wollte, käme sie materiellrechtlich zu spät, um das laufende, entscheidungsreife Verfahren zu betreffen. Denn eine dadurch ggf. ausgelöste Überlegungsfrist läuft frühestens am 31.12.2019 ab. Das gerichtliche Mieterhöhungsverfahren kann nicht gem. § 148 ZPO ausgesetzt werden, wenn im Laufe des Mieterhöhungsprozesses ein Mieterhöhungsverlangen nachgeholt wird. (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 14. Aufl. 2019, BGB § 558b Rn. 170)

Der Mitteilung der Stadtverwaltung kommt schließlich keine Bedeutung zu. Weder kann sie die Eignung der Begründungsmittel beeinflussen, noch stellt sie selbst eines dar.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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