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Mieterhöhungsverfahren nach § 558 BGB

AG Schöneberg, Az.: 16 C 50/17, Urteil vom 12.06.2017

1. Der Beklagte wird verurteilt, der Erhöhung der Nettokaltmiete für die von ihm innegehaltene Wohnung im G. Platz, 1.OG rechts, … B. mit Wirkung zum 01.01.2017 von 309,32 € um 22,78 € auf 332,10 € zuzustimmen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 7% und der Beklagte 93% zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Mit Mietvertrag vom 19.09.1991 mietete der Beklagte von der Rechtsvorgängerin der Klägerin eine Wohnung im Hause G. Platz in … B.. Mit Schreiben vom 20.10.2016 begehrte die Klägerin über ihre Hausverwaltung die Erhöhung der Nettokaltmiete ab dem 01.01.2017 um 22,78 € monatlich. Zur Begründung der Mieterhöhung stützte sich die Klägerin auf den Berliner Mietspiegel 2015. Ferner heißt es in dem Schreiben:

„(…)Ihre Zustimmungserklärung muss spätestens am Ende des zweiten Kalendermonats, der auf den Zugang dieses Schreibens folgt, also bis zum 31.12.2016 bei uns eingegangen sein. Anderenfalls lässt uns der Gesetzgeber leider nur den Weg, Klage auf Zustimmung zu erheben (…) !“.

Nachdem der Beklagte auf dieses Schreiben nicht reagierte, erinnerten die von der Klägerin beauftragten Prozessbevollmächtigten den Beklagten mit Schreiben vom 24.01.2017 an die Zustimmung zur Mieterhöhung unter erneuten Hinweis auf eine ansonsten notwendig werdende Klage. Zugleich stellten sie dem Beklagten für das Schreiben vom 24.01.2017 eine Kostenrechnung über 21,42 €.

Unter dem 03.03.2017 reichte die Klägerin über ihre Prozessbevollmächtigten Klage ein, die dem Beklagten am 08.04.2017 zugestellt worden ist.

Mit der Klage begehrt die Klägerin,

1. den Beklagten zu verurteilen, der Erhöhung der Nettokaltmiete für die von ihm innegehaltene Wohnung im G. Platz, 1.OG rechts, … B. mit Wirkung zum 01.01.2017 von 309,32 € um 22,78 € auf 332,10 € zuzustimmen,

2. den Beklagten ferner zu verurteilen, an die Klägerin 21,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat keine Verteidigungsabsicht angezeigt.

Entscheidungsgründe

Mieterhöhungsverfahren nach § 558 BGB
Foto: TeroVesalainen/Bigstock

Die zulässige Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete für die von diesem innegehaltene Wohnung im G. Platz, 1.OG rechts, … B. um 22,78 € mit Wirkung ab dem 01.01.2017 zu, § 558 BGB. Der fristgerechten Klage (§ 558b Abs.2 BGB) liegt ein formgerechtes Mieterhöhungsverlangen gem. § 558a BGB zugrunde. Einer weiteren Begründung des Urteilsausspruchs zu 1. bedarf es nicht, da die Entscheidung insoweit aufgrund des Säumnisses des Beklagten ergangen ist, §§ 313 b Abs.1, 276 , 495 ZPO.

Soweit die Klägerin darüber hinaus die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten begehrt, ist die Klage unbegründet. Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten 21,42 € zu. Insbesondere scheiden Schadenersatzansprüche aus §§ 280 Abs.1 und 2 BGB i.V.m. § 286 BGB aus. Zwar stellt die nicht fristgerechte Zustimmung des Mieters zu einer berechtigten Mieterhöhung gem. § 558 BGB sowohl eine vertragliche Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs.1 BGB wie auch eine verzögerte (Nicht-)Leistung im Sinne des § 280 Abs.2 BGB dar, da die Zustimmungsfrist des § 558b Abs.2 S.1 BGB eine weitere Mahnung gem. § 286 Abs.2 Nr. 2 BGB entbehrlich macht (vgl. Staudinger, Mietrecht, § 558b Rn.10; Spielbauer/Schneider, Mietrecht, § 558b Rn.33; Lützenkirchen, Mietrecht, 2.Aufl., § 558b Rn.48d), gleichwohl stehen der Klägerin als Vermieterin keine Schadensersatzansprüche zu. Denn die Einschaltung eines Anwalts war im vorliegenden Fall weder erforderlich noch geboten. Die Kosten der Rechtsverfolgung sind im Lichte der §§ 249, 254 BGB nur dann zu erstatten, wenn sie nach Eintritt des Verzuges – wie es hier der Fall war – entstanden sind, und sie aus der Sicht des Gläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren, vgl. BGH, Urteil vom 17.09.2015, IX ZR 280/14, BGH Urteil vom 8. November 1994 – VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 350; vom 23. Oktober 2003 – IX ZR 249/02, NJW 2004, 444, 446; vom 18. Januar 2005 – VI ZR 73/04, NJW 2005, 1112; vom 6. Oktober 2010 – VIII ZR 271/09, WuM 2010, 740; vom 23. Januar 2014 – III ZR 37/13, BGHZ 200, 20 Rn.48. Letzteres war vorliegend indes nicht der Fall. Unabhängig davon, dass die Klägerin als Großvermieterin rechtlich bewandert war und unschwer selbst weitere Mahnungen und Hinweise auf ein sich abzeichnendes Gerichtsverfahren hätte verfassen können (vgl. für den Fall von nicht zu erstattenden Anwaltskosten bei Kündigung von Wohnraum durch Großvermieter, BGH Urteil vom 06.10.2010, VIII ZR 271/09), hatte der Beklagte als Mieter im Vorfeld keinerlei Einwendungen gegen die Mieterhöhung erhoben. Es galt daher nicht, sich mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten des Mieters auseinander zu setzen. Das anwaltliche Schreiben diente lediglich dem Zweck, den Beklagten als Mieter auf die sich aus § 558 b Abs.2 BGB ergebende Gesetzeslage, d.h. die drohende Klage, hinzuweisen. Solch einen Hinweis enthielt aber bereits das Mieterhöhungsverlangen selbst, so dass das anwaltliche Schreiben vom 24.01.2017 nicht geeignet war, dem Erfüllungsverlangen der Klägerin Nachdruck zu verleihen, vgl. auch BGH , Urteil vom 17.09.2015, IX ZR 280/14 Rn.9. Die auf Zustimmung zur Mieterhöhung gerichtete Klage war unabhängig von der Einschaltung eines Anwalts zwingende Folge der mangelnden – fristgerechten – Zustimmung des Beklagten. Dies war der Klägerin – wie sich aus dem Mieterhöhungsverlangen ergab – auch bewusst. Ihr standen keine unterschiedlichen rechtlichen Optionen zur Durchsetzung ihres Anspruchs zur Verfügung, die eine anwaltliche Beratung und Tätigkeit erforderlich gemacht hätten. Angesichts vorgenannter Umstände und der Tatsache, dass der Verzug des Beklagten nach Ablauf der Klagefrist automatisch geendet hätte, war die Einschaltung eines Rechtsanwalts weder erforderlich noch geboten. Damit scheidet die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten zumindest in solchen Fällen aus, in denen der Mieter vorprozessual keine Einwendungen gegen die Mieterhöhung erhoben hat, vgl. auch AG Schöneberg, Urteil vom 31.05.2017, 3 C 17/17; a.A. AG Schöneberg, Urteil vom 15.05.2017 – 5 C 50/17, AG Köln, ZMR 2012, S. 454; Lützenkirchen Mietrecht, 2. Aufl., § 558b Rn. 48e; Spielbauer, Mietrecht, § 558b Rn. 33; wohl auch Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11.Aufl., § 558b Rn.7a.

Mangels Hauptanspruchs stehen der Klägerin auch nicht die hierauf geltend gemachten Zinsen zu. Diese Nebenforderungen teilen das rechtliche Schicksal der Hauptforderung.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 92 Abs.1 S.1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr.2 ZPO. Soweit die Klägerin lediglich wegen der geltend gemachten vorprozessualen Anwaltskosten unterlegen ist, waren ihr gleichwohl anteilig die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Zwar wirkt sich die Geltendmachung von Nebenforderungen gemäß § 4 ZPO nicht auf die Höhe des Streitwertes aus, jedoch hat dieser Umstand keinen Einfluss auf eine Kostenquote. Die Vorschrift des § 92 ZPO differenziert hinsichtlich des Obsiegens und Unterliegens nicht zwischen Haupt- und Nebenforderungen. Demgemäß kommt eine Kostenquotelung auch dann in Betracht, wenn eine Partei lediglich mit geltend gemachten Nebenforderungen unterliegt. Korrektiv dabei ist lediglich die in § 92 Abs.2 Nr.1 ZPO normierte „verhältnismäßige Geringfügigkeit“. Insoweit setzt das erkennende Gericht die Geringfügigkeitsgrenze von 5% eines zu bildenden fiktiven Gesamtstreitwertes an. (vgl. Herget, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage, § 92 Rz. 11 m.w. Nachw., AG Kerpen, Urteil vom 12.07.2011 – 104 C 12/11; LG Mönchengladbach, Urteil vom 28.04.2009, 5 S 159/08 ). Unter Berücksichtigung der Nebenforderungen ist ein „fiktiver“ Streitwert zu bilden. Sodann ist das Teilunterliegen in ein Verhältnis zu diesem fiktiven Streitwert zu setzen. Für den vorliegenden Fall errechnet sich so ein Teilunterliegen der Klägerin in Höhe von 7 % (21,42 € : 294,78 € (= 21,42 € + 273,36 €)).

Die Berufung war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, wann vorprozessuale Anwaltskosten in einem Mieterhöhungsverfahren einen erstattungsfähigen Schaden darstellen, zuzulassen, § 511 Abs.4 ZPO.

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