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Mieterhöhungsverlangen – Anforderungen an ein Typengutachten

AG Bremen, Az.: 4 C 228/15, Urteil vom 08.07.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zustimmung zu der mit Schreiben der Klägerin vom 27.04.2015 verlangten Mieterhöhung von 471,24 € um 47,69 € auf 518,93 € ab dem 01.07.2015 aus § 558 Abs. 1 S. 1 BGB.

Der Anspruch auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete setzt gem. § 558a BGB ein formell wirksames Mieterhöhungsverlangen voraus. Dieses erfordert eine Begründung, für die auf ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Bezug genommen werden kann, § 558a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB. Dieses Gutachten muss nicht auf der Grundlage einer Besichtigung der Wohnung der jeweils betroffenen Mietpartei erstellt sein. Vielmehr reicht grundsätzlich auch ein sog. Typengutachten für die formelle Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens aus (BGH, Urteil vom 19.05.2010, VIII ZR 122/09, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 03.02.2016, VIII ZR 69/15, zitiert nach juris). Auch führen etwaige kleinere Mängel des Gutachtens nicht zur Unwirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens aus formellen Gründen (BGH, Urteil vom 03.02.2016, VIII ZR 69/15, zitiert nach juris). Grundsätzlich kann also die Klägerin auf Typengutachten Bezug nehmen. Die Klägerin hat eine Vielzahl von Typengutachten eingeholt und Mieterhöhungen ausgesprochen, wobei die überwiegende Zahl, soweit das Gericht damit befasst war, nicht zu beanstanden ist. Die Klägerin (oder ihre Prozessbevollmächtigten) verkennt aber trotz Hinweis, dass ein Typengutachten Anforderungen unterliegt, die auch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung (auch in der von der Klägerin zitierten Entscheidung) gefordert werden und die in diesem konkreten Fall eben nicht eingehalten sind. So muss das Gutachten, damit der Begründungspflicht des Vermieters Genüge getan wird, Angaben über Tatsachen enthalten, aus denen die geforderte Mieterhöhung hergeleitet wird, und zwar in einem Umfang, der es dem Mieter gestattet, der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und diese zumindest ansatzweise selbst überprüfen zu können. Der Sachverständige muss somit eine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete treffen und die zu beurteilende Wohnung in das örtliche Preisgefüge einordnen (BGH, a. a. O.). Hierbei ist ausreichend, aber eben auch erforderlich, dass der Sachverständige in seinem Typengutachten die Wohnungen der Wohnanlage nach Größe und Ausstattung typisiert und die ortsübliche Vergleichsmiete für jeden Wohnungstyp gesondert ermittelt und die jeweils besichtigte Musterwohnung so genau beschreibt, dass der Mieter erkennen kann, ob sie der Ausstattung der eigenen Wohnung entspricht (vgl. BGH a. a. O.; das Vorliegen der Voraussetzungen hatte das Berufungsgericht dort positiv festgestellt, Rz. 6).

Genau hieran fehlt es vorliegend.

In dem von der Klägerin zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens herangezogenen Gutachten der Sachverständigen W. (Bl. 8 ff. d. A.) heißt es unter Ziffer 3, Ortsbesichtigung und Teilnehmer: „Die Besichtigung der in Rede stehenden Wohnung wurde von den Sachverständigen mit dem zuständigen Vertreter der Auftraggeberin, Herrn W., am 26.03.2015 durchgeführt. Die Wohnungen konnten nicht besichtigt werden, da keine Mieter angetroffen wurden oder sich dazu bereit erklärt haben. Deshalb wird in diesem Gutachten auf frühere Besichtigungen oder den mir zur Verfügung gestellten Besichtigungsdaten des Auftraggebers und Wohnungsbeschreibungen des Auftraggebers Bezug genommen. Es wurden von mir auch schon genügend Wohnungen des Auftraggebers besichtigt, die in der Ausstattung ähnlich sind. Die Wohnung sollten mit der vorhandenen Ausstattung bewertet werden.“ (Hervorhebung durch das Gericht). Unter Ziffer 2., Arbeitsunterlagen, heißt es wiederum: „Der Sachverständigen (im Gutachten SV abgekürzt) wurden von der Auftraggeberin zur Verfügung gestellt: Angaben zur Wohnfläche; das Baujahr der Häuser mit 1925 – bezugsfertig – . Grundrisspläne der Wohnungen standen der SV nicht zur Verfügung.“

Diese gutachterlichen Ausführungen sind widersprüchlich und unverständlich und versetzen den Beklagten als Mieter nicht in die Lage, überprüfen zu können, ob die Musterwohnung/en, welche die Sachverständige zur Typisierung heranzieht, der Ausstattung der eigenen Wohnung entsprechen. Für den Beklagten ist nicht einmal erkennbar, ob Musterwohnung/en überhaupt von der Sachverständigen besichtigt wurden, denn dies wird durch den Gebrauch des Wortes „oder“ gerade offen gelassen. Da nicht einmal klar ist, ob die Sachverständige zur Erstellung des Typengutachtens entsprechende Musterwohnungen besichtigt hat, fehlt in der Konsequenz ebenso eine hinreichend konkrete Beschreibung der besichtigten Wohnungen.

Diese Beschreibung ist auch nicht dadurch entbehrlich, dass die Sachverständige alternativ – im zweiten Halbsatz nach dem „oder“ – auf Besichtigungsdaten und Wohnungsbeschreibungen des Auftraggebers Bezug nimmt. Denn ausweislich ihrer eigenen Angaben unter 2., Arbeitsunterlagen, standen ihr nur Angaben zur Wohnfläche und dem Baujahr, aber keine weiteren Unterlagen, nicht einmal Grundrisspläne zur Verfügung.

Diese erheblichen Unklarheiten, die sich aus den zitierten Textpassagen ergeben, werden auch nicht durch den weiteren Inhalt des Gutachtens beseitigt. Denn auch in den folgenden Gutachtenpassagen fehlen immer wieder Festlegungen auf bestimmte Ausstattungsmerkmale. So heißt es etwa unter 14. Bemessungsgrundlage zur Ausstattung u. a.: „Bad Teilwandverfliesung oder modernisiert“ und „meist Kellerraum“ (Hervorhebung jeweils durch das Gericht).

Nach alledem lässt das Gutachten derart viele Fragen zur Ausstattung der Musterwohnung/en offen, dass die Beklagte als Mieterin nicht in die Lage versetzt wird, der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und diese zumindest ansatzweise selbst überprüfen zu können. Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten ist deshalb nicht nur mit kleineren Mängeln behaftet, sondern derart ungenügend, dass die formellen Voraussetzungen eines wirksamen Mieterhöhungsverlangens nicht erfüllt sind.

Die Klage war nach alledem abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

 

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