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Mieterhöhungsverlangen – vom Mieter geschaffene wohnwerterhöhende Merkmale

AG Schöneberg, Az.: 15 C 142/10, Urteil vom 09.09.2011

1. Die Beklagten werden verurteilt, der Erhöhung der Nettokaltmiete für die Wohnung C.straße in B., Mietvertrags-Nr. 1000/04312-0663-02, von bisher 397,94 € um monatlich 35,43 € auf nunmehr monatlich 415,37 € (4,37 €/m²) ab 1. Januar 2010 zuzustimmen. Die Widerklage wird abgewiesen.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner in Höhe von 12 % und darüber hinaus zu jeweils 44 % tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klage ist auf die Erklärung der Zustimmung zur Mieterhöhung, die Widerklage auf die Feststellung eines Minderungsrechts wegen erheblichen Verkehrslärms gerichtet.

Mieterhöhungsverlangen - vom Mieter geschaffene wohnwerterhöhende Merkmale
Foto: ilixe48/Bigstock

Gemäß Mietvertrag Nr. 1000/04312-0663-02 sind die Beklagten seit dem 1. Dezember 1990 Mieter der Wohnung C.straße in B., die Klägerin ist die Vermieterin. Diese Wohnung des im Jahr 1971 bezugsfertig gestellten Hauses hat eine Größe von 95,05 m², ist mit Sammelheizung, Bad und WC ausgestattet und befindet sich laut Straßenverzeichnis zum Berliner Mietspiegel 2009 in einer als einfach zu qualifizierenden Wohnlage. Im Badezimmer ist eine Schürzenwanne vorhanden. Die Küche ist mit einer Einbauküche mit Ober- und Unterschränken versehen und im Arbeitsbereich wandseitig gefliest. Die Wohnung ist weiterhin mit einem wohnungsbezogenem Kaltwasserzähler, Kunststoffisolierglasfenstern der Schallschutzklasse 3, einem rückkanalfähigem Breitbandkabelanschluss sowie einem separaten zweiten WC ausgestattet und verfügt über einen etwa 5 m² großen Balkon sowie einen Abstellraum. Der Energieverbrauchskennwert für die Wohnung beträgt laut Energieausweis 72,9 kWh (m²a).

In Bad und Küche nahmen die Beklagten im Laufe der Mietzeit auf eigene Kosten Modernisierungsarbeiten vor, bei denen die vorhandene Verfliesung an Wand und Boden ausgetauscht und teilweise erweitert wurde. Zuvor war im Bad nur eine Verfliesung bis zu einer Höhe von 1,48 m vorhanden. Dort wurden darüber hinaus das WC einschließlich des Spülkastens sowie das Waschbecken und die Armaturen ersetzt. In der Küche wurden von den Beklagten einzelne Schränke nachgekauft.

Die Wohnadresse der streitbefangenen Wohnung der Beklagten liegt in einer Entfernung von etwa 50 Meter neben einer viergleisigen Bahntrasse des Fernverkehrabschnitts Berlin-Halle (Anhalter Bahn) und der dort parallel verlaufenden S-Bahn-Strecke (Anhalter Vorortbahn) wenige hundert Meter vor der Landesgrenze zu Brandenburg. Zum Zeitpunkt des Einzugs der Beklagten waren beide Strecken im Bereich der Wohnung zurückgehend auf die deutsch-deutsche Teilung und deren Folgen außer Betrieb genommen. Nach der Wende wurde der Betrieb der Anhalter Vorortbahn im entsprechenden Streckenabschnitt im Jahr 1998 wieder aufgenommen, die Anhalter Bahn befuhr den Streckenabschnitt nach umfassender Erweiterung zu einer ICE-Trasse wieder ab dem Jahr 2006. Die Wohnadresse weist dadurch herrührend eine hohe Verkehrslärmbelastung auf.

Mit Schreiben vom 26. Oktober 2009, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 6 ff. d. A.), verlangte die Klägerin von der Beklagten unter Einordnung der Wohnung in das 0Mietspiegelfeld J7 die Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete von 379,94 € um 35,43 € auf 415,37 € mit Wirkung zum 1. Januar 2010 und begründete ihr Verlangen unter Heranziehung des Berliner Mietspiegels 2009 und dessen Angaben mit einer ortsüblichen Vergleichsmiete von 4,37 €/m²/mtl. Innerhalb der letzten 15 Monate vor dem Erhöhungszeitpunkt wurde die Miete nicht, innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Erhöhungszeitpunkt nicht um mehr als 20 % erhöht. Die Beklagte erteilte die Zustimmung nicht. Die Klägerin erhob daraufhin beim hiesigen Gericht seit dem 31. März 2010 anhängige Klage.

Die Klägerin behauptet, im Keller des Hauses existiere ein von den Mietern zur Unterstellung von Fahrrädern nutzbarer und abschließbarer Raum.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, der Erhöhung der Nettokaltmiete für die Wohnung …straße in B., Mietvertrags-Nr. 1000/04312-0663-02, von bisher 397,94 € um monatlich 35,43 € auf nunmehr monatlich 415,37 € (4,37 €/m²) ab 1. Januar 2010 zuzustimmen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen; widerklagend,

1. festzustellen, dass sie berechtigt sind, die Miete für die streitgegenständliche Wohnung im Haus .straße in B., für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. März 2011 um monatlich 20 % zu mindern,

2. die Klägerin und Widerbeklagte zu verurteilen, für die Zeit Juni 2010 bis November 2010 780,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an Mietminderung an sie zurückzuzahlen.

Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten machen geltend, ohne die von ihnen erbrachten Renovierungsarbeiten hätte eine konkrete Gefahr von Schimmel und Nässe in der Wand bestanden, da insbesondere der alte Fliesenspiegel erhebliche Schäden aufgewiesen habe. Das Vorhandensein eines mieterzugänglichen und abschließbaren Fahrradabstellraums sei ihnen gegenüber nicht angezeigt worden. Der Balkon könne wegen des Verkehrslärms nicht genutzt werden. Auf den angrenzenden Bahnstrecken würden täglich bis zu 184 Züge mit teilweise über 160 km/h Lärmspitzenwerte von 80 dB (A) verursachen. Die Beklagten sind der Auffassung, zum Zeitpunkt ihres Einzugs habe mit der Inbetriebnahme der Strecken und insbesondere dem Anschluss an das transeuropäische Eisenbahnnetz nicht gerechnet werden können.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist auch begründet. Die zulässige Widerklage wird abgewiesen.

Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde vorliegend die besondere Klagefrist des § 558b Abs. 2 S. 2 BGB gewahrt. Die Klage ist weiterhin auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung von 379,94 € um 35,43 € auf 415,37 € mit Wirkung zum 1. Januar 2010 gemäß §§ 558 ff. BGB, weil die verlangte Miete der ortsüblichen Vergleichsmiete entspricht.

Das Mieterhöhungsverlangen ist formell wirksam, insbesondere genügt das schriftliche Ersuchen den Voraussetzungen des § 558 Abs. 1 und 3 BGB und den Begründungsanforderungen des § 558a BGB. Die Wartefrist nach § 558 Abs. 1 BGB und die Kappungsgrenze nach § 558 Abs. 3 BGB wurden vorliegend gewahrt. Weiterhin hat die Klägerin den gesetzlichen Anforderungen des § 558a Abs. 1 bis 4 i. V. m. § 558d BGB genügt, indem sie im Mieterhöhungsverlangen das von ihr für einschlägig erachtete Mietspiegelfeld genannt und zudem im Einzelnen die Erhöhung unter Angabe der prozentualen Spanneneinordnung gemäß der Orientierungshilfe des Mietspiegels sowie des Zuschlags wegen eines Sondermerkmals begründet hat.

Das Mieterhöhungsverlangen ist auch materiell wirksam, denn die Klägerin hat die ortsübliche Vergleichsmiete für die Wohnung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise berechnet. Vorliegend ist der Berliner Mietspiegel 2009 anzuwenden, da das Erhöhungsbegehren hier nach dem Stichtag (1. Januar 2008) und vor dem Stichtag des Mietspiegels 2011 (1. September 2010) erfolgte. Da es sich beim Berliner Mietspiegel 2009 um einen qualifizierten Mietspiegel handelt, gilt die gesetzliche Vermutung des § 558d Abs. 3 BGB, dass die innerhalb der Spanne liegenden Mietwerte den ortsüblichen Vergleichsmietzins für die Wohnungen des jeweiligen Mietspiegelfeldes widerspiegeln. Die Klägerin hat die streitbefangene Wohnung entsprechend ihrer unstreitigen Größe, der hierfür relevanten Ausstattung und dem Datum der Bezugsfertigkeit zutreffend in das Mietspiegelfeld J7 eingeordnet. Dieses sieht eine Spanneneinordnung zwischen 3,72 €/m² bis 4,16 €/m² monatliche Nettokaltmiete bei einem Mittelwert von 4,04 €/m² vor.

Der von der Klägerin vorgenommene Zuschlag von 40 % des Unterschiedsbetrags zwischen Mittelwert und Höchstwert des Spannenfeldes, konkret um 0,05 €/m²/mtl., erscheint hinsichtlich der Merkmale der Wohnung gerechtfertigt.

Von den zur Spanneinordnung heranzuziehenden Merkmalgruppen sind die Gruppe 1 (Bad) neutral, die Gruppen 2 (Küche), 3 (Wohnung), 4 (Gebäude) positiv und die Gruppe 5 (Wohnumfeld) negativ zu bewerten.

Bezüglich der Merkmalgruppen 1 und 2 können die Beklagten sich nicht darauf berufen, die Klägerin dürfe Wohnausstattungsmerkmale, hier die Verfliesung und die Einbauküche, bezüglich derer die Beklagten Modernisierungsleistungen erbracht bzw. Nachkäufe getätigt haben, nicht wohnwerterhöhend berücksichtigen. Denn sie haben insoweit weder vorgetragen, dass eine entsprechende Ausstattung vor erbrachten Arbeiten nicht vorhanden war, noch, dass, soweit der Zustand der Wohnungsausstattung Renovierungsarbeiten zwingend nach sich hätte ziehen müssen, um andere Schäden – insbesondere Schimmelbefall in der Wohnung – abzuwenden, die Klägerin entsprechende Instandsetzungs- und Erhaltungsmaßnahmen auf Verlangen der Mieter verweigert habe. Die Modernisierungsarbeiten erfolgten mithin aus freiem Antrieb. Das Alter allein ist insoweit für die Frage, ob Ausstattungsmerkmale vorhanden sind, unerheblich. Auf das Vorhandensein eines sonderzuschlagsfähigen modernen Bads oder einer modernen Küchenausstattung hat sich die Klägerin nicht berufen. Bei Einzug der Beklagten waren eine verblendete Badewanne, Spülkasten, WC und Wandfliesen in Küche und Bad unstreitig vorhanden. Auch die ursprüngliche Verfliesung des Bades lediglich bis zu einer Höhe von 1,48 m vermag das negative Wohnmerkmal einer nicht überwiegenden Wandverfliesung nicht zu begründen. Eine Schürzenwanne ist keine freistehende Wanne. Bezüglich der Merkmalgruppe 1 werden von den Parteien darüber hinaus weder weitere negative noch positive Wohnmerkmale, bezüglich der Merkmalgruppe 2 keine negativen Wohnmerkmale vorgetragen.

Bezüglich der Merkmalgruppe 3 liegen hier mit dem wohnungsbezogenen Kaltwasserzähler, dem rückkanalfähigen Breitbandkabelanschluss, dem Abstellraum innerhalb der Wohnung und den Schallschutzfenstern unstreitig vier wohnwerterhöhende Merkmale vor, die selbst von dem möglicherweise hier nicht nutzbaren Balkon nicht aufgewogen werden können, so dass die Merkmalgruppe 3 insgesamt positiv zu bewerten ist.

Hinsichtlich der Merkmalgruppe 4 liegt ein Energieverbrauchskennwert vor, der kleiner als 80 kWh (m²a) ist, so dass es für die Bewertung der Merkmalgruppe als insgesamt positiv nicht auf das Vorhandensein eines mieterzugänglichen Fahrradkellers ankommt.

Die Merkmalgruppe 5 ist hier wegen des erheblichen Verkehrslärms unstreitig als insgesamt negativ einzustufen.

Mit dem zweiten WC in der Wohnung liegt hier zudem ein Sondermerkmal vor, das laut Mietspiegel eine Erhöhung der Kaltmiete um 0,28 €/m²/mtl. rechtfertigt.

Da die Klägerin somit ausgehend von dem Mittelwert des Feldes J7 4,04 €/m²/mtl. im Hinblick auf den Spannenhöchstwert 4,16 €/m²/mtl. eine Erhöhung um 40 % (= 0,05 €/m²/mtl.) sowie wegen des Sondermerkmals eine Erhöhung um 0,28 €/m²/mtl. verlangen konnte, ist der von ihr im Erhöhungsverlangen geforderte Mietzins von 4,37 €/m²/mtl., was einer monatlichen Nettokaltmiete für die Wohnung von 415,37 € entspricht, in voller Höhe begründet.

Die Widerklage ist unzulässig, soweit die Beklagten die Feststellung einer Minderung bis einschließlich September 2010 geltend machen, denn den Beklagten ist es möglich, eine Klage auf Rückzahlung der überzahlten Miete zu erheben. Da die Zustimmung zur Mieterhöhung ab dem 1. Januar 2010 erfolgt und die Mietdifferenz noch nicht bezahlt worden ist, besteht ab Januar 2010 ein Feststellungsinteresse.

Die Widerklage ist unbegründet. Der von der Eisenbahnstrecke ausgehende Verkehrslärm kann von den Beklagten als zur Minderung berechtigender Mangel im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB nicht geltend gemacht werden. Weder kann daher anteilige Rückzahlung bereits entrichteter Mieten für den Zeitraum von Juni bis November 2010 verlangt noch die Feststellung getroffen werden, dass die Beklagten berechtigt sind, die Miete für den Zeitraum von Januar 2010 bis März 2011 um monatlich 20 % zu mindern.

Zwar kann ein Mangel auch bei äußeren Einwirkungen vorliegen, die den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache beeinträchtigen. Unerheblich ist insoweit, ob der Vermieter die Möglichkeit zur Beseitigung dieser Einwirkungen hat oder ob er sie gemäß § 906 BGB hinnehmen muss. Einen solchen Mangel der Wohnung der Beklagten stellen die Lärmbelästigungen dar, welche von den die viergleisige Bahntrasse befahrenden Zügen ausgehen. Diese sind nach der Überzeugung des Gerichts auch erheblich. Die Anhalter Bahn ist eine der wichtigsten und vielbefahrensten Fernverkehrsverbindungen von Berlin in Richtung Süden. Auch der Berliner Mietspiegel 2009 weist für die Wohnadresse eine hohe Verkehrslärmbeeinträchtigung aus. Die Ausweisung von Straßen-, Schienen- und Fluglärm ist zwar bei der Anwendung auf eine Wohnung nicht Bestandteil des qualifizierten Mietspiegels, so dass hier nicht unmittelbar bereits auf dessen Vorgaben (Gesamtlärmindex über 65 dB [A] in 24 Stunden und/oder ein Gesamtlärmindex über 55 dB [A] in der Nacht) zurückgegriffen werden kann. Das Gericht hat aber angesichts der trassenzugewandten Lage der Wohnung, des hohen Verkehrsaufkommens und der Indizwirkung des Mietspiegels, welcher die streitgegenständliche Wohnadresse auch allein als verkehrslärmbeeinträchtigt ausweist, keine Zweifel, dass die Wohnung tatsächlich erheblichen Lärmimmissionen ausgesetzt ist, die eine Mietminderung grundsätzlich tragen würden.

Allerdings können die Beklagten vorliegend nach § 536b Abs. 1 BGB kein Recht zur Mietminderung wegen des Verkehrslärms geltend machen, denn sie mussten bereits bei Vertragsschluss mit der Wiederinbetriebnahme der Strecken auch in diesem Umfang rechnen, so dass davon auszugehen ist, dass die Parteien mit dem Bahnbetrieb einhergehende Störungen zumindest stillschweigend bei Vertragsschluss vorausgesetzt haben und im vereinbarten Mietzins entsprechend berücksichtigen konnten.

Die bereits im Jahre 1839 eröffnete Anhalter Bahn gehörte schon vor dem ersten Weltkrieg zu den wichtigsten Fernbahnstrecken in Deutschland. Sie war von vornherein als Fernverbindung nach Sachsen-Anhalt geplant, um sie in Köthen an die parallel erbaute Magdeburger-Leipziger Eisenbahn nach Halle und Leipzig anzuschließen. Hierüber erhielt sie Anbindung an die transnationalen Verbindungsstrecken nach Rom und Athen. Der Bau der Anhalter Vorortbahn und ihrer Eröffnung im Jahr 1901 ging insoweit gerade auf das erhöhte Verkehrsaufkommen auf dieser Strecke zurück, das einen gleichzeitigen Betrieb von Nah- und Fernverkehr um die Jahrhundertwende nicht mehr zuließ. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Strecke elektrifiziert und die S-Bahn ausgebaut. Während der Fernverkehr vom damaligen Anhalter Kopfbahnhof in Richtung Süden startete, wurde über den neu errichteten Anhalter S-Bahnhof die Strecke durch Berlin in Richtung Norden bis Bernau erschlossen.

Trotz einer teilweisen Zerstörung der Streckenanlagen im zweiten Weltkrieg und des Abbaus des zweiten Gleises als Reparationsleistung wurde die Fernverkehrsverbindung nach Berlin bis 1952 zum schwer zerstörten Anhalter Bahnhof befahren und erst dann wurde die Verbindung auf Grund der politischen Entwicklung eingestellt. Danach fuhr die Fernbahn zunächst bis nach Teltow, von wo über die Anhalter Vorortbahn, die seit 1951 auch zwischen Lichterfelde-Süd und Teltow elektrifiziert war und einen S-Bahn-Betrieb ermöglichte, weiterhin Anschluss nach Berlin bestand. Erst durch den Mauerbau 1961, bis zu dem das S-Bahn-Netz in Berlin auch insgesamt noch ausgebaut wurde, wurde auch der S-Bahn-Verkehr zwischen Lichterfelde-Süd und Teltow unterbrochen. Jenseits der Grenze war die Strecke jedoch weiterhin sehr stark frequentiert und gehörte zu den wichtigsten Schienenverbindungen in der DDR.

Weil auch nach der Teilung Deutschlands die Eisenbahn im Westen Berlins von der Deutschen Reichsbahn der DDR betrieben wurde, riefen der damalige Regierende Bürgermeister Willy Brandt und der DGB als Protestmaßnahme gegen den Bau der Berliner Mauer zum Boykott der S-Bahn auf, wodurch die Fahrgastzahlen rapide abnahmen und das Streckennetz bis zur Übernahme durch die BVG im Jahre 1984 stetig verkam und zu Fahrbahnausdünnungen und Streckenschließungen führte. Die Anhalter Vorortbahn wurde daraufhin im Abschnitt Priesterweg und Lichterfelde-Süd außer Betrieb genommen, weil der Senat die Betriebsfortführung als unwirtschaftlich einstufte. Schon vor dem Mauerfall gab es jedoch Initiativen, die Strecke wieder zu befahren, ggf. mit Spurbussen.

Die Öffnung der innerdeutschen Grenze im Herbst 1989 führte zu einer breit geführten Diskussion über die Wiederbelebung der auf die Teilung zurückgehenden Außerbetriebnahme grenzüberschreitender Verkehrswege sowie deren sinnvoller Ergänzung. Zu diesem Zweck vereinbarten der damalige Bundesminister für Verkehr und der Minister für Verkehr der DDR schon am 3 Mai 1990 unter dem Programm „Lückenschlüsse und dringend notwendige Netzverbesserungen“ Sofortmaßnahmen schon vor der Wiedervereinigung (vgl. Ronellenfitsch, Deutsche Einheit und Verkehrsinfrastruktur, in: Heckel u. a. [Hrsg.], Die innere Einheit Deutschlands inmitten der europäischen Einigung, 1996, 79 [81 f.]; ders., Die Wiederinbetriebnahme von Eisenbahnstrecken, VerwArch 1993, 537 [543]). Die technische und organisatorische Zusammenführung der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn ging kurz darauf auch allgemein als Zielbestimmung in Art. 26 Abs. 3 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 ein. Dieser sah bezüglich des dem S-Bahnverkehr dienenden Reichsvermögens in Berlin (West) eine Verwaltung durch das Land Berlin bis 31. Dezember 1993 vor, wobei die beteiligten Träger der Aufgaben- und Finanzverantwortung nach der Bestimmung beauftragt waren, sich bis zu diesem Zeitpunkt über einen länderübergreifenden Verbund des öffentlichen Personennahverkehrs im Raum Berlin zu verständigen (Anlage I Kap XI A III Anlage I Kapitel XI, Sachgebiet A – Eisenbahnverkehr, Abschnitt III, Nr. 3 b) aa)).

Spätestens durch diese Ankündigungen musste im Bereich ehemaliger grenzüberschreitender Schienenverbindungen mit deren Wiederinbetriebnahme gerechnet werden. Es kann deshalb für die Beurteilung, ob ein Mangel bei Vertragsschluss vorlag, vorliegend auch nicht darauf ankommen, dass der damalige Verkehrsminister das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit, das konkret den Ausbau der Fernbahnstrecke von Berlin nach Halle und Leipzig als Nummer 8.3 vorsah und mit dem Anschluss an den neugebauten Berliner Hauptbahnhof erst im Jahr 2006 endgültig realisiert wurde, dem Kabinett erst im April 1991 und damit nach Vertragsschluss vorlegte.

Dies gilt zumal die Schienenwege auch in rechtlicher Hinsicht während ihrer Außerbetriebnahme fortbestanden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verliert eine Betriebsanlage der Eisenbahn ihre planungsrechtliche Zweckbestimmung nur durch einen eindeutigen Hoheitsakt, der für jedermann klare Verhältnisse darüber schafft, ob und welche Flächen künftig wieder für andere Nutzungen offen stehen, soweit sie nicht in Folge der tatsächlichen Entwicklung funktionslos geworden sind (BVerwGE 81, 111 [118]; 99, 166 [168 f.]; 102, 269 [272]; 107, 350 [353]). Für die Wiederinbetriebnahme des Streckenabschnitts der Anhalter Bahn, deren Folgen die Beklagten widerklagend bemängeln, hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 23.10.2002 (Az. 9 A 12/02, abrufbar unter juris) aus diesem Grund konkret festgestellt, dass der diesbezügliche Planfeststellungsbeschluss keinen Neubau einer Bahnanlage vorsehe (a. a. O., Rn. 39). Das Gericht hat dazu ausgeführt, dass der Wegfall eines früheren Ausbaumaßnahmen zu Grunde liegenden Zweckes keinen Schluss auf eine vollständige oder teilweise Funktionslosigkeit des so geschaffenen Ausbauzustandes zulasse und auch die Einstellung des Fernbahnbetriebs infolge der deutschen Teilung und der daraufhin vorgenommene teilweise Abbau der Fernbahngleise […] nicht die Annahme rechtfertige, die Wiederaufnahme der ursprünglichen Nutzung sei durch die vorgegebene tatsächliche Situation ausgeschlossen und daher planungsrechtlich nicht mehr gedeckt (a. a. O., Rn. 40). Die Beklagten können hier deshalb nicht mit dem Einwand gehört werden, sie hätten auf unabsehbare Zeit darauf vertrauen dürfen, dass die Strecke nicht mehr befahren werde (zum „Vertrauen auf die Stillegung“ in einem ähnlich gelagerten Fall AG Spandau, MM 2003, 386; vgl. auch AG Schöneberg, GE 1996, 1499).

Auch dass gerade die Fernbahnverbindung bei ihrer Wiederinbetriebnahme ein beträchtliches Verkehrsvolumen aufweisen würde, war vor dem aufgezeigten historischen Hintergrund der Bahnstrecke, wegen der fortwährenden Nutzung der weiteren Streckenabschnitte in der DDR und der absehbaren Entwicklung Berlins zur zentraleuropäischen Metropolregion bei Vertragsschluss im Jahre 1990 voraussehbar.

Die Beklagten haben auch keinen Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Miete, denn aus den oben genannten Gründen haben die Beklagten ihre Zahlungen mit Rechtsgrund geleistet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs.1, 4 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 3,359,16 € festgesetzt.

Klage: 425,16 €

Widerklage: 2.925,00 € (Feststellungsklage: 2.145,00 €; Zahlungsklage: 780,00 €)

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