LG Berlin – Az.: 18 S 357/15 – Urteil vom 14.09.2016
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 27. Oktober 2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Spandau – Az. 5 C 267/15 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils Bezug genommen, § 540 ZPO.
Der Kläger begehrt teilweise Rückzahlung von gezahltem Mietzins nach Widerruf seiner Zustimmung zur Mieterhöhung und beruft sich hierfür auf § 312c BGB. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und ihre Anträge im ersten Rechtszug im Einzelnen wird Bezug genommen auf den Tatbestand des am 27. Oktober 2015 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Spandau.
Das Amtsgericht hat die Klage des Klägers mit der Begründung abgewiesen, § 312c BGB sei auf Mietänderungsvereinbarungen nicht anwendbar.
Das Urteil ist dem Klägervertreter am 2. November 2015 zugestellt worden. Mit am 26. November 2015 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger gegen das Urteil Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch den Vorsitzenden bis zum 4. Februar 2016 mit am 3. Februar 2016 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Der Kläger verfolgt seine erstinstanzlichen Anträge weiter und wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
Der Kläger beantragt nunmehr, unter Abänderung des am 27. Oktober 2015 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Spandau – 5 C 267/15 –
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 639,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4. September 2015 zu zahlen
2. festzustellen, dass die Zustimmung des Klägers zum Mieterhöhungsverlangen der Beklagten vom 21. Januar 2015 wirksam widerrufen wurde und die Teilbruttokaltmiete für das von dem Kläger bewohnte Einfamilienhaus in der Stadtrandstr. 550 m, 13589 Berlin, unverändert 853,02 EUR beträgt.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen des Vortrags in der Berufung im übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
1.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 517, 519, 520 ZPO.
2.
Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Amtsgericht die Ansprüche des Klägers und hierbei insbesondere ein Widerrufsrecht nach § 312g BGB verneint.
Zwar liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 312ff. BGB dem Wortlaut nach vor; §§ 312ff. BGB sind auf Mieterhöhungsverlangen nach §§ 558ff. BGB aber nicht anwendbar (so im Ergebnis auch das Amtsgericht unter Bezugnahme auf dort zitierte Literatur und wohl auch AG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. April 2016, Az. 202 C 3/16 (WuM 2016, 360f.), die allerdings das Vorliegen eines Fernabsatzvertrages verneinen).
Denn schon nach Sinn und Zweck ist § 312c BGB auf Mietänderungsvereinbarungen nach §§ 558ff. BGB nicht anzuwenden (vgl. hierzu Schmidt-Futterer-Blank, Mietrecht, 12. Auflage, vor § 535 BGB, Rn. 89ff., insbesondere Rn. 92 mit ausführlicher Begründung; Beuermann, Grundeigentum 2015, 561f.; aA u.a. Pitz-Paal, Grundeigentum 2015, 556-560).
Die Berufung zeigt nicht auf, dass diese Bewertung unzutreffend ist.
Insbesondere ergibt sich dies nicht aus der dort zitierten Begründung des Gesetzgebers. Zwar heißt es dort, dass für spätere Vertragsänderungen, z.B. Abreden über Mieterhöhungen, Satz 1 von § 312 Abs. 4 BGB gelten solle. Diese Aussage ist aber im Kontext der vorherigen Ausführungen zu sehen. Dort wird auf die detaillierte Ausgestaltung des sozialen Wohnraummietrechts hingewiesen und zum Ausdruck gebracht, dass die Richtlinienumsetzung, der die Gesetzesänderung dienen sollte, keine Verschlechterung des Mieters im Vergleich zur bis dahin geltenden Rechtslage bewirken solle. Im Hinblick darauf, dass § 558a BGB dem Vermieter – zum Schutz des Mieters – vorschreibt, das Mieterhöhungsbegehren in Textform zu erklären, und dies in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle per Brief geschieht, geht die Kammer daher davon aus, dass dem Gesetzgeber bei der Einbeziehung von Abreden über Mieterhöhungen andere als die nach §§ 558ff. BGB im einzelnen geregelten vor Augen standen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Mieterhöhungsverlangen nach § 558a BGB, sofern berechtigt, im Klagewege durchgesetzt werden kann und damit eine gänzlich andere Situation betrifft, als die ursprünglich auf den Versandhandel und vergleichbare Geschäfte ausgerichteten §§ 312ff. BGB. So käme es zu abwegigen Ergebnissen, wenn das Widerrufsrecht noch nach Ablauf der Klagefrist von § 558b Abs. 2 BGB bestehen würde bzw. in Fällen wie vorliegend, in denen der Erhöhungsbetrag mehrfach gezahlt wurde und somit eine doppelte Zustimmung – oder jedenfalls eine mehrfach bestätigte Zustimmung – des Mieters vorliegt, die ausdrücklich sowie konkludent erklärt wurde. Auf konkludentes Verhalten finden die §§ 312ff. BGB nämlich keine Anwendung (vgl. Beuermann aaO m.w.N.) So ergibt sich auch aus einer Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz, dass fraglich erscheint, ob der Gesetzgeber ein Widerrufsrecht für Mieterhöhungen nach §§ 558ff. BGB mit der Gesetzesänderung einführen wollte (vgl. Grundeigentum 2015, 563).
Ob §§ 558ff. BGB den §§ 312ff. BGB damit als lex specialis vorgehen (hiergegen Mediger, NZM 2015, 185 aus systematischen Gründen) oder aber die §§ 312ff. BGB teleogisch dahingehend zu reduzieren sind, dass sie für andere Mieterhöhungen als nach §§ 558ff. BGB gelten, kann für das Ergebnis dahinstehen.
Selbst wenn ein Widerruf entgegen der hier vertretenen Ansicht nach §§ 312ff. BGB bestehen würde, stünde dessen Geltendmachung in Fallkonstellationen wie der vorliegenden in der Regel entgegen, dass die Zustimmung zur Mieterhöhung im Kontext von §§ 558ff. BGB zugleich ein deklaratorisches Anerkenntnis des vermieterseitigen Anspruchs auf Mieterhöhung darstellen würde. Ein solches wäre nur nach §§ 812ff. BGB kondizierbar. Der Mieter müßte dann vortragen und beweisen, dass der Anspruch des Vermieters nicht bestand und unterläge zudem den Beschränkungen von § 814 BGB.
3.
Die Kostenentscheidung folgt § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4.
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil es sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 08.04.2003 – XI ZR 193/02, NJW 2003, 2319). So liegt es hier. Die hier entscheidungserhebliche Frage wurde höchstrichterlich bislang nicht entschieden.