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Mieterhöhungsverlangen – Wohnlageneinstufung im Wohnlagenverzeichnis

LG Hamburg – Az.: 311 S 22/11 – Urteil vom 20.01.2012

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 05.01.2011 (Az.: 919 C 231/10) wie folgt abgeändert: Die Beklagten werden verurteilt, einer Erhöhung der von ihnen für die Wohnung im Erdgeschoss des Hauses K. … in … H. zu zahlenden Nettomiete auf 609,12 € ab dem 01.06.2010 zuzustimmen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 63 % und die Beklagten zu 37 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

und beschließt:

Der Wert des Streitgegenstands wird für die Berufungsinstanz festgesetzt auf 1.258,20 €.

Tatbestand

I.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Zustimmung zu einer Mieterhöhung für eine Erdgeschosswohnung im Haus K. …, … H..

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung.

Das Amtsgericht hat die Beklagten durch Urteil vom 05.01.2011 verurteilt, einer Erhöhung der Nettokaltmiete für die streitgegenständliche Wohnung auf 674,98 € monatlich ab dem 01.06.2010 zuzustimmen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die verlangte Miete sei als ortsüblich anzusehen, weil sie noch unterhalb des Mittelwertes des Rasterfeldes C8 liege und dieses Rasterfeld anzuwenden sei. Es sei keine normale, sondern eine gute Wohnlage anzunehmen, weil durch die Einordnung im Wohnlagenverzeichnis eine Vermutung für eine gute Wohnlage spreche, welche die Beklagten nicht erschüttert hätten. Dafür spreche insbesondere, dass das neue Wohnlagenverzeichnis die K. in zwei Bereiche einteile und einem Urteil des Landgerichts folgend den oberen Teil der K. der normalen Wohnlage zugeordnet habe, während es für den unteren Teil bei der guten Wohnlage geblieben sei. Hervorzuheben sei hierbei insbesondere die zentrale Lage, die Nähe zur Alster und die Auflockerung durch die Begrünung vor der nahen Kirche.

Gegen das ihren Prozessvertretern am 12.01.2011 zugestellte Urteil des Amtsgerichts haben die Beklagten mit am 09.02.2011 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 21.02.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet. Sie sind der Meinung, substantiiert dargelegt zu haben, warum die Einordnung im Wohnlagenverzeichnis in die gute Wohnlage unzutreffend sei, und verweisen insofern auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Der Umkehrschluss des Amtsgerichts, für den unteren Teil der K. sei behördlicherseits die Einordnung hinterfragt und für richtig befunden worden, sei unzutreffend. Hierüber sei vielmehr gar nicht nachgedacht worden.

Die Beklagten beantragen, das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 05.01.2011 – Az.: 919 C 231/10 – aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Amtsgerichts. Unabhängig von der bestehenden Vermutungswirkung habe das Amtsgericht jedenfalls nicht außerhalb des Beurteilungsspielraums bei der vorgenommenen Schätzung gehandelt und die Erläuterungen zu Ziff. 6.5 des Hamburger Mietenspiegels 2009 berücksichtigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die in dieser Instanz zur Akte gereichten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe

II.

1.

Die gemäß §§ 517, 520 Abs. 2, 511 Abs. 2 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat teilweise Erfolg. Ein Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zur Erhöhung der Miete gemäß § 558 BGB besteht nur bis zu einer monatlichen Nettokaltmiete von 609,12 €, nicht aber darüber hinaus. Die anzunehmende ortsübliche Miete ist auf Grundlage des Parteivortrags und der getroffenen Feststellungen bei dem durchgeführten Ortstermin am 14.11.2011 beim Mittelwert des Rasterfeldes C4/2009 (6,66 €/m²) anzusetzen.

a) Die streitgegenständliche Wohnung liegt nicht in einer guten, sondern in einer normalen Wohnlage, sodass nicht das Rasterfeld C8 (bei Anwendung jenes Rasterfeldes würde die begehrte Miethöhe noch weit unter dem Mittelwert von 8,01 €/m² liegen), sondern C4 anzuwenden ist. Zwar wird die Wohnlage im Hamburger Wohnlagenverzeichnis als gute Wohnlage bezeichnet. Bei dieser Einordnung handelt es sich nach Auffassung der Kammer aber um eine widerlegliche Vermutung, so dass ungeachtet der Regelung des § 558 d Abs. 3 BGB im Einzelfall die Wohnlageneinstufung durch das Gericht zu überprüfen ist, sofern substantiiert dargelegt wird, aus welchen Gründen die vorgenommene Einstufung fehlerhaft erscheint (so auch Landgericht Hamburg, Urteil vom 05.04.2011, Az. 316 S 17/11; Urteil vom 01.06.2007, Az. 311 S 102/06; vgl. Schmidt- Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 10. Auflage, § 558 BGB Rn. 95). In den Erläuterungen zum Hamburger Mietenspiegel 2009 heißt es unter Ziffer 6.5, dass das Hamburger Wohnlagenverzeichnis der Einstufung von Wohnungen in die Wohnlagenkategorien „normal“ und „gut“ als Grundlage zur Erstellung des Hamburger Mietenspiegels dient und diese Wohnlageneinstufungen im Einzelfall anhand der im Mietenspiegel genannten Merkmale in Verbindung mit Ortskenntnissen überprüft werden können.

Nach den Erläuterungen zum Hamburger Mietenspiegel 2009, Ziffer 6.5 werden Wohnlagen als gute Wohnlage bezeichnet, bei denen die Lagevorteile gegenüber der normalen Wohnlage überwiegen. Insbesondere zeichnet sich eine gute Wohnlage aus durch „starken Grünbezug“ und eine „ruhige Lage“, in der inneren Stadt zusätzlich durch „straßenbildprägendes Grün“ und ein „gepflegtes Straßenbild“.

Ein straßenbildprägendes Grün oder einen starken Grünbezug hat die Kammer nicht feststellen können. Im Verlauf der sehr engen Straße im Bereich der Hausnummer… und von dort aus nach Norden hin befinden sich nur vereinzelt kleinere Bäume, die nicht das Straßenbild prägen, sondern der Straße nur einen geringen Grünbezug verschaffen. Prägend sind die sich gegenüberliegenden, mit ca. 5 Stockwerken im Verhältnis zur sehr schmalen, einspurigen Straße hohen Häuserfronten, die nur vereinzelt durch etwas zurückliegende Häuser aufgelockert werden. Der durch die enge Straße bedingte geringe Lichteinfall führt dazu, dass die mit bis zu 5 Stockwerken auch für eine gute Wohnlage grundsätzlich geeignete Geschosshöhe hier bereits eine für eine gute Wohnlage zu erdrückende Dichte aufweist. Einen starken Grünbezug weist nur der Bereich unmittelbar an der Kirche am Anfang der Straße in südlicher Richtung auf. Eine Prägung verleiht dieses Grün allenfalls den direkt dort belegenen Wohnquartieren, nicht aber der streitgegenständlichen Wohnung, aus der heraus man nahezu nur auf nah angrenzende Betonbauten sieht.

Auch ein gepflegtes Straßenbild ist in der K. nicht vorherrschend. Bei den anzutreffenden Häuserfronten wechseln sich einfache Neubaufassaden mit älteren, z. T. ansprechend gestalteten ornamentierten Fassaden ab. Der Sanierungszustand ist unterschiedlich gut, regelmäßig aber nicht unterdurchschnittlich, es handelt sich um eine gemischte Nutzung zu Wohn- und Gewerbezwecken. Die Bebauungsdichte ist sehr hoch. Diese Kriterien sind durchweg charakteristisch für normale Wohnlagen.

Demgegenüber vermögen die Vorteile der überaus zentralen Lage und die dafür verhältnismäßig ruhige Lage der Straße insgesamt nicht einen solchen Stellenwert anzunehmen, dass die Lagevorteile gegenüber der normalen Wohnlage überwiegen. Allein das Ansteigen der Bodenrichtwerte, welche einen erheblichen Anteil an der Einordnung im Wohnlagenverzeichnis haben, bedingt nicht schon per se einen Anstieg der Wohnqualität.

b) Innerhalb des anzuwendenden Rasterfeldes C4 hält die Kammer die Anwendung des Mittelwertes für angemessen. Dabei sind die Lagevorteile positiv zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für die zentrale Lage mit Einkaufsmöglichkeiten und Verbindungen zum öffentlichen Nahverkehr, die fußläufig innerhalb von weniger als fünf Minuten zu erreichen sind. Hinzu kommt die ebenso nah gelegene Außenalster, welche Naherholungsmöglichkeiten bietet.

Negativ ist allerdings die Mikrolage der Wohnung zu berücksichtigen. Hierbei fällt ins Gewicht, dass die Wohnung durch die Lage im Erdgeschoss und die enge Bebauung besonders dunkel erscheint. Außerdem weist die Wohnung außergewöhnlich viele Außenwände auf, denn diese bestehen nicht nur nach vorne und hinten, sondern auch zur Seite zum Durchgang hin. Dadurch ist von einer schwereren Beheizbarkeit auszugehen, ohne dass dicke Mauern diesen Nachteil vollständig beseitigen könnten. Negativ ist auch zu berücksichtigen, dass die Wohnung sich zur K. hin gegenüber einer Tiefgarageneinfahrt befindet und durch deren Frequentierung von zusätzlichen Lärmbelästigungen auszugehen ist, welche die ansonsten relativ ruhige Lage negativ beeinflussen.

Eine Annahme unterhalb des Mittelwertes rechtfertigen diese Nachteile in der Mikrolage der Wohnung allerdings nicht. Soweit zusätzlich Nachteile durch Abluft aus der Wäscherei im Haus K. … angeführt werden, handelt es sich um einen behebbaren Mangel, dessen zu erwartende Intensität im Übrigen eine wesentliche Abwertung kaum zulassen würde. Lärmbelästigungen durch die Müllabfuhr sind selbst in erheblicherem Umfang in der Innenstadt allgemein üblich. Auch eine gewisse Beeinträchtigung durch parkplatzsuchende Anwohner, Besucher der Gaststätten in der Langen Reihe sowie Beeinträchtigungen durch Kriminalität sind in zentralen Innenstadtlagen zu erwarten; dass hier jeweils überdurchschnittliche Belastungen vorliegen, welche eine Herabstufung rechtfertigen, ist weder substantiiert vorgetragen worden noch aufgrund der Lage zu erwarten. Nicht wesentlich ins Gewicht fallen auch Auswirkungen der Beleuchtung des Treppenhauses schräg gegenüber. Die Lage der Wohnung lässt es zwar plausibel erscheinen, dass das Licht wahrnehmbar ist, allerdings liegt das Treppenhaus derart schräg gegenüber der Wohnung, dass es aus der Wohnung heraus nicht unmittelbar einzusehen ist und die Beleuchtung daher nur eine begrenzte Wirkung entfaltet, die in Innenstadtlagen ebenfalls nicht untypisch ist.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht zuzulassen.

 

 

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