AG Charlottenburg – Az.: 203 C 60/18 – Urteil vom 03.07.2018
1. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Zugang zu dem Zähler- und Sicherungsschrank für die Wohnung … Straße 88, … Berlin, … zu gewähren.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist Mieterin, der Beklagte ist Vermieter der Wohnung … Straße 88, … Berlin, …. Der Mietvertrag datiert vom 10.01.1962.
Im Hausflur der streitgegenständlichen Wohnung befindet sich ein Kasten direkt an der Wand, in dem sich der Stromzähler für die Wohnung der Klägerin, sowie sämtliche Stromsicherungen für die Elektroversorgung der Wohnung befinden. Dieser Kasten war in der Vergangenheit durch einen einfachen Riegel verschlossen. Anlässlich einer Stromzählerablesung zu Beginn des Jahres 2016 stellte die Klägerin fest, dass der Kasten durch ein abschließbares Schloss ersetzt worden war. Der Klägerin wurde hierfür kein Schlüssel ausgehändigt.
Die Klägerin ließ den Beklagten mit Schreiben vom 28.06.2016 durch den Berliner Mieterverein auffordern, der Klägerin bis zum 10.07.2016 einen Schlüssel für den Kasten zur Verfügung zu stellen. Der Beklagte reagierte nicht.
Am Samstag 30.09.2017 löste eine durchbrennende Glühbirne einen Kurzschluss in der Wohnung der Klägerin aus. Die Klägerin nahm Kontakt zu den anderen Mietern auf, um den Kasten im Flur zu öffnen und die Stromzufuhr wiederherzustellen. Diese Bemühungen blieben erfolglos. Der Hausmeister war im Urlaub und die Verwaltung war nicht erreichbar.
Die Klägerin rief die Polizei, die mittels eines Werkzeugs die Öffnung des Kastens durchführte.
Die Klägerin ließ den Beklagten mit Schreiben vom 06.10.2017 durch den Berliner Mieterverein erneut auffordern, der Klägerin bis zum 25.10.2017 den Zugang zu gewähren.
Die Klägerin wurde in der Folgezeit von dem Beklagten abgemahnt wegen unerlaubten Eingriffs in die Haustechnik unter Hinweis darauf, dass es den Mietern nicht gestattet sei, in die Elektrik des Hauses einzugreifen.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen. Hierzu gehöre auch, dass die Räume mit Strom versorgt werden könnten. Die Möglichkeit der Stromversorgung umfasse auch den jederzeitigen Zugang zu den Elektrosicherungen.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Zugang zu dem Zähler- und Sicherungsschrank für die Wohnung … Straße 88, … Berlin, …, zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, der Zugang bzw. der Zugriff auf den Sicherungs- und Zählerkasten habe nichts damit zu tun, dass die Klägerin einen Anspruch darauf habe, dass die Räume mit Strom versorgt würden. Der Vermieter sei für den elektrischen Sicherungskasten verantwortlich, er müsse deshalb auch vom Vermieter gewartet werden. Der Mieter selbst habe keinen Anspruch darauf, dass ihm der Zugriff/Eingriff auf technische Anlagen ermöglicht werde. Dies sei allein Sache des Vermieters. Komme es zu einem Ausfall oder einer Störung, habe der Mieter dies zu melden und der Vermieter habe die Störung zu beseitigen. Gegebenenfalls könne der Mieter die Miete mindern. Ein Anspruch der Klägerin bestehe auch deswegen nicht, da in Notfällen die Hausverwaltung und/oder der Hausmeister erreichbar seien. Auch sei es ihm nicht zumutbar, Mietern einen uneingeschränkten Zugang zu den technischen Einrichtungen zu gewähren, weil die Möglichkeit bestünde, dass an den Sicherungen manipuliert werde.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 22.05.2018 (Bl. 35 f. d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung des Zugangs zu dem Stromzähler- und Sicherungskasten aus §§ 535, 241 BGB.
Den Beklagten trifft eine mietvertragliche Nebenpflicht der Klägerin Zugang zu dem Stromzähler- und Sicherungskasten zu gewähren. Der Vermieter ist verpflichtet dem Mieter Zugang zu den Bedien- und Messelementen der Stromversorgung zu ermöglichen, die typischerweise auch zur Benutzung und Einsichtnahme durch einen Laien geeignet und bestimmt sind. Dazu zählen sowohl der Sicherungskasten mit den der Wohnung des Mieters zuzuordnenden Sicherungen, als auch der Stromzähler. Dies folgt bereits daraus, dass es etwa bei Notfällen, möglichen Stromausfällen aber auch bei etwaigen Kleinreparaturen in der Mietwohnung für den Mieter erforderlich sein kann, Zugriff auf die Sicherungen seiner Stromkreise zu haben (AG Celle Urt. v. 25.11.2016 – 151/110 C 1176/16 (5.3), BeckRS 2016, 115149, beck-online).
Entgegen der Ansicht des Beklagten genügt es nicht, dass die Klägerin die Möglichkeit hat in Notfällen die Hausverwaltung und/oder den Hausmeister zu benachrichtigen. Dies zeigt bereits der hier streitgegenständliche Vorfall am 30.09.2017, bei dem die Hausverwaltung und der Hausmeister gerade nicht erreichbar waren. Auch ist es dem Mieter – jedenfalls hinsichtlich des Zugangs zu den Sicherungen – nicht zumutbar auf einen Dritten angewiesen zu sein. Der Mieter muss vielmehr in die Lage versetzt werden, selbst unmittelbar und ohne zeitliche Verzögerung auf die seiner Wohnung zugehörigen Sicherungen zuzugreifen. Dies gilt gerade auch im Hinblick auf etwaige Notfälle wie einen Brand oder auch einen Wasserschaden, in denen es gegebenenfalls geboten sein kann, ohne Zuwarten die Stromzufuhr durch Betätigung der Sicherung abzuschalten. Im Rahmen der Zumutbarkeitserwägungen ist allerdings ein Zuwarten auch dann nicht mehr hinzunehmen, wenn etwa aufgrund einer Überlastung des Wohnungs-Stromkreises durch die Nutzung übermäßig vieler Abnahmegeräte die Sicherung rausspringt und das Problem mit einer kurzen Betätigung der Sicherung behoben wäre. Auch in diesem Fall kann der Mieter nicht darauf verwiesen werden, erst das – zeitlich ungewisse – Erscheinen des Hausmeisters vor Ort abzuwarten (AG Celle Urt. v. 25.11.2016 – 151/110 C 1176/16 (5.3), BeckRS 2016, 115149, beck-online).
Der Einwand des Beklagten, dass der Vermieter für den Sicherungskasten verantwortlich sei, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Dies gilt auch hinsichtlich des Vortrags, dass es dem Beklagten nicht zumutbar sei, einen uneingeschränkten Zugang zu den technischen Einrichtungen zu gewähren, weil die Möglichkeit bestünde, dass an den Sicherungen manipuliert werde. Diese Problematik vermag es nicht zu rechtfertigen, den Zugang der Mieter zu den Sicherungen wie vorliegend zu beschränken. Es geht vorliegend lediglich darum der Klägerin Zugang zu dem Stromkasten zu ermöglichen, der typischerweise auch zur Benutzung und Einsichtnahme durch einen Laien geeignet und bestimmt ist. Die Klägerin hat insbesondere keinen Zugriff auf technische Einrichtungen, die die Versorgung des ganzen Hauses betreffen. Auch bleibt es dem Beklagten überlassen, wie er der Klägerin den Zugang gewährt, insbesondere also, ob er das Schloss entfernt, oder ob er der Klägerin einen Schlüssel für das Schloss aushändigt, um dem von ihm angeführten Problem etwaiger Manipulationen durch Dritte entgegenzuwirken (vgl. AG Celle Urt. v. 25.11.2016 – 151/110 C 1176/16 (5.3), BeckRS 2016, 115149, beck-online).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO i.V.m. § 709 S. 2 ZPO.
Streitwert: 1.000 EUR