LG Berlin – Az.: 63 S 60/18 – Urteil vom 18.01.2019
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Schöneberg vom 14.02.2018, Az. 6 C 472/16, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Schöneberg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
I. Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthaft und die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer ist erreicht. Die Form- und Fristvorschriften der §§ 517, 519 und 520 ZPO sind erfüllt. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig.
II. Die Berufung ist indes unbegründet. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten der vom Amtsgericht zuerkannte Anspruch auf Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustands der Wohnung gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Danach hat der Vermieter die Mietsache während der Mietzeit in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind erfüllt:
Die streitgegenständliche Wohnung befindet sich nicht mehr in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand. Denn das einzige Zimmer der Wohnung ist seit 2010 nicht mehr beheizbar. In diesem Jahr hat die Beklagte den Schornstein, an dem auch der Kohleofen der Klägerin angeschlossen war, abreißen lassen. Die Beklagte hat sich dabei Zutritt zu der Wohnung verschafft, indem sie die Wohnungseingangstür von einem Schlüsseldienst öffnen ließ. Dies hatte zur Folge, dass seit diesem Tag auch das Sicherheitsschloss der Wohnungseingangstür derart defekt ist, dass sich die Tür nicht mehr verschließen lässt.
Einer vorherigen Wohnungsbesichtigung bedurfte es insoweit nicht, da die Beklagte die Mängel hier ausweislich des Schreibens ihrer Baubetreuung vom 14.02.2010 im Zuge des Dachgeschossausbaus selbst herbeigeführt hat.
Hinsichtlich der Mängel an der Klingelanlage und an der Balkontür konnte die Beklagte das Vorliegen der Mängel nicht wirksam bestreiten, da es sich dabei um unzulässiges Bestreiten mit Nichtwissen handelte. Die Klägerin hat der Beklagten die Mängel auch angezeigt. Wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat, ergibt sich aus dem gesamten Vorbringen kein konkreter Versuch der Beklagten, die von der Klägerin aufgezeigten Mängel in Augenschein zu nehmen und den gebrauchsgemäßen Zustand wiederherzustellen. Es wäre die Aufgabe der Beklagten gewesen, der Klägerin Termine mitzuteilen, um von ihrem Besichtigungsrecht Gebrauch machen zu können. Dies ist vorliegend unterblieben.
Das Amtsgericht hat auch zu Recht den Vortrag der Beklagten nach Schluss der mündlichen Verhandlung, in dem unter anderem erstmalig das Funktionieren der Klingel sowie die Abschließbarkeit der Wohnungstür dargelegt worden sind, gemäß § 296 a ZPO unberücksichtigt gelassen, da dies einen Vortrag mit neuen Angriffs- und Verteidigungsmitteln darstellt. Diese können nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, nicht mehr vorgebracht werden. Das Amtsgericht hat insoweit auch ermessensfehlerfrei gehandelt, da ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 20.12.2017 keine Stellungnahmefrist im Sinne von § 283 ZPO beantragt worden ist. Den Parteien wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung lediglich Gelegenheit gegeben, bis zum 20.01.2018 mitzuteilen, ob sie den vorgeschlagenen Vergleich abschließen wollen bzw. die Möglichkeit eröffnet, einen eigenen Vergleichstext einzureichen. Auch im Rahmen der Berufungsbegründung unterließ die Beklagte diesbezüglich jeglichen Vortrag, die ein Nichtvorliegen der dargestellten Mängel darlegen.
Die Instandsetzungsansprüche der Klägerin sind weder verjährt noch verwirkt. Bei der Hauptleistungspflicht des Vermieters aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB handelt es sich um eine in die Zukunft gerichtete Dauerverpflichtung. Eine solche vertragliche Dauerverpflichtung kann während des Bestehens des Vertragsverhältnisses schon begrifflich nicht verjähren, denn sie entsteht während dieses Zeitraums ständig neu, auch soweit sie darauf gerichtet ist bereits aufgetretene Mängel zu beseitigen (BGH Urteil vom 17.02.2010, VIII ZR 104/09, juris). Da das Mietverhältnis vorliegend unstreitig fortbesteht, konnte die Hauptleistungspflicht des Vermieters aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB hier nicht verjähren.
Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechts setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass zu dem Zeitablauf besondere auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (BGH Urteil vom 17.02.2010, VIII ZR 104/09, juris). Die Klägerin hat hier durch ihre Mängelanzeigen im Jahre 2013 und 2014 indes zum Ausdruck gebracht, dass sie gerade nicht bereit ist, die Mängel hinzunehmen. Auch die Tatsache, dass die Klägerin fortwährend die ungeminderte Miete gezahlt hat, vermag insoweit kein Umstandsmoment zu begründen, denn allein aufgrund eines vertragstreuen Verhaltens der Klägerin kann die Beklagte ein schutzwürdiges Vertrauen nicht stützen (Jauernig/Mansel, 17. Aufl. 2018, BGB § § 242 Rn. 61, beck-online).
Die umfangreich gerügten Verfahrensfehler bzw. etwaige Verstöße gegen das rechtliche Gehör können hier unberücksichtigt bleiben, da sie sich auf die Entscheidung in der Sache nicht auswirken. Es unterblieb insbesondere im Rahmen der Berufungsbegründungsschrift jedweder Sachvortrag, der eine andere Rechtsauffassung zu begründen vermag.
Es bestand zum Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts aus den vorstehend dargelegten Gründen die notwendige Entscheidungsreife. Ein weiterer Besichtigungstermin war nicht erforderlich, da die Beklagte selbst darlegte, sowohl für die fehlende Beheizbarkeit, wie auch die fehlende Funktionstauglichkeit des Sicherheitsschlosses verantwortlich zu sein. Hinsichtlich der Mängel an der Klingelanlage und der Balkontür hätte die Beklagte konkrete Terminvorschläge unterbreiten müssen, dies unterblieb unterdessen. Das Amtsgericht war auch nicht gehalten, das Verfahren nach § 156 Abs. 2 ZPO wiederzueröffnen. Denn dies ergibt sich vorliegend weder aus einer Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht, noch aus einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Eine etwaige Verletzung der Hinweispflicht ergibt sich hier insbesondere nicht aus einem vermeintlich gefällten Überraschungsurteil. Das Amtsgericht hat hier im Termin vom 20.12.2017 den Parteien einen nur unwesentlich vom späteren Urteil abweichenden Vergleichsvorschlag unterbreitet. Das Urteil konnte für die Beklagte daher schon nicht überraschend sein. Dass das Urteil hingegen von dem seitens der Beklagten eingereichten Vergleichsvorschlag abweicht, ist insofern unschädlich. Die Tatsache, dass das Amtsgericht den Parteien hier einen Vergleichsvorschlag unterbreitet hat, vermag auch keinen Verstoß gegen den Grundsatz auf rechtliches Gehör zu begründen. Vielmehr ist nach § 278 Abs. 2 ZPO erforderlich, dass der mündlichen Verhandlung zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung vorauszugehen hat, es sei denn, es hat bereits einen Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Beides war hier nicht der Fall. Hinsichtlich der unterbliebenen Tatbestandsberichtigung kann insoweit auf den zutreffenden Beschluss des Amtsgerichts vom 13.04.2018 verwiesen werden, dem insoweit nichts hinzuzufügen ist.
III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 Satz 2, 713 ZPO.
IV. Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, bestanden nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es ist nicht erforderlich, die Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.