LG Hamburg – Az.: 316 S 71/18 – Urteil vom 21.12.2018
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 02.08.2018, Az. 40a C 45/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die angefochtene Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.570,21 € festgesetzt.
Gründe
I.
Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird zunächst Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 02.08.2018.
Der Kläger begehrt Nachzahlung von aufgrund Baulärms geminderter Mieten (1 x 42,59 EUR + 4 x 170,37 EUR + 17 x 167,42 EUR = 3.570,21 EUR).
Der Kläger ist Vermieter, die Beklagten sind Mieter von zwei Wohnungen E. Chaussee …, 3. OG links und 3. OG Mitte. Die Gesamtmiete für beide Wohnungen beträgt monatlich 1.326,48 EUR brutto. Der Mietvertrag über die Wohnung im 3. OG links (ca. 63 qm) besteht seit 21.07.1992, der Mietvertrag über die Wohnung im 3.OG Mitte (ca. 50 qm) wurde am 27./30.04.2008 geschlossen. Abreden über die Beschaffenheit des Umfelds sind in den Mietverträgen nicht getroffen worden.
Auf dem Nachbargrundstück wurde im streitgegenständlichen Zeitraum ein mehrstöckiges Gebäude abgerissen und anschließend wurde dort ein neues mehrstöckiges Gebäude errichtet. Es handelte sich um das direkt angrenzende Nachbarwohnhaus zum streitgegenständlichen Mietshaus. Die Bauarbeiten sind unstreitig.
Der Kläger legte am 05.04.2016 einen baurechtlichen Nachbarwiderspruch gegen die erteilten Baugenehmigungsbescheide ein, der erfolglos blieb.
Die Bauarbeiten begannen am 25.04.2016.
Seit der letzten Woche im April 2016 bis Januar 2018 kürzten die Beklagten die Miete aufgrund Baulärms vom Nachbargrundstück (April 2016: 42,59 EUR, Mai, Juni, Juli und August 2016: je 170,37 EUR, ab September 2016 monatlich 167,42 EUR bis einschließlich Januar 2018). Die Minderungsbeträge entsprechen einer Minderungsquote von 15 % bei der direkt zur Baustelle gelegenen Wohnung im 3. OG links sowie von 10 % bei der Wohnung in der Mitte.
Mit Schreiben vom 28.02.2017 wandte sich der Kläger außerdem an die Streitverkündete (Eigentümerin des Nachbargrundstücks) und forderte diese zum Ausgleich der Minderungsbeträge der Mieter auf. Mit Schreiben vom 06.04.2017 lehnte die Streitverkündete die Zahlung einer Entschädigung ab. Außergerichtliche Einigungsversuche mit der Streitverkündeten über Entschädigungszahlungen blieben ohne Erfolg.
Der Kläger ist der Ansicht, aufgrund der sog. Bolzplatzentscheidung des BGH (Urteil vom 29.04.2015, XIII ZR 197/14) stehe fest, dass nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen in Ermangelung einer (negativen) mietvertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung keinen Mangel darstellten. Dasselbe wie für Sportplätze gelte für innerstädtische Bauvorhaben. Die Klägerin meint, weil sich der Vermieter hiergegen nicht wehren könne, seien die für die Vergangenheit geminderten Beträge nachzuzahlen.
Die Beklagten sind der Ansicht, der Kläger müsse die Baumaßnahmen auf dem Nachbargrundstück nicht entschädigungslos hinnehmen. Der Kläger trage hierzu nicht konkret vor. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Kläger die konkreten Maßnahmen nachbarrechtlich entschädigungslos hinnehmen müsse, liege beim Kläger.
Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die Bauarbeiten und die damit einhergehenden Beeinträchtigungen seien unstreitig bzw. nicht substantiiert bestritten. Der Kläger als Vermieter könne sich nicht darauf berufen, dass auch die Beklagten als Mieter die Neubebauung im innerstädtischen Bereich hinzunehmen hätten, weil der Vermieter keinen Einfluss auf die Bebauung des Nachbargrundstücks habe. Der Kläger habe die Möglichkeit, den Eigentümer des Nachbargrundstücks wegen Besitzstörung auf Entschädigung in Anspruch zu nehmen. Die Minderungsquote erscheine moderat.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Berufung.
Der Kläger meint, das Amtsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass er keine Möglichkeit gehabt habe, das Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück zu verhindern. Er meint, bereits dies führe dazu, dass den Mietern kein Minderungsrecht zustehe. Nachträgliche Lärmbelästigungen durch ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück begründeten in einer Großstadt nach Auffassung des Klägers und in Fortführung der sog. Bolzplatzentscheidung des BGH grundsätzlich keinen Mietmangel. Der Kläger behauptet weiter, er hätte die Mietverträge so nicht abgeschlossen, wenn er für jedwede Umfeldveränderung, auf die er keinerlei Einfluss habe, hätte gewährleistungspflichtig sein sollen. Kein wirtschaftlich vernünftiger Vermieter hätte den Beklagten garantiert, dass der neben dem Haus befindliche Altbau nicht eines Tages abgerissen und durch einen modernen und größeren Neubau ersetzt werde. Die Beklagten, die sich für den Reiz der Innenstadtlage entschieden hätten, müssten auch die Nachteile in Kauf nehmen. Mehr als den eingelegten Nachbarwiderspruch habe der Kläger nicht tun können. Die Auslegung der streitgegenständlichen zwei Mietverträge ergebe, dass die hier stattgefundene Umfeldveränderung keinen Mangel der Mietobjekte darstelle. Aus dem Widerspruchsbescheid im Verwaltungsverfahren ergebe sich, dass der Kläger die Baumaßnahmen zu dulden hatte. Die durchgeführten Baumaßnahmen hielten sich innerhalb der erteilten Baugenehmigung und den festgelegten Grenz- und Richtwerten. Der Kläger meint, ein Abwehr- oder Entschädigungsrecht nach § 906 Abs. 1, Abs. 2 BGB bestehe im Streitfall nicht.
Der Kläger ist weiter der Ansicht, da er nun einmal keine Entschädigung erhalten habe, liege kein Mangel vor. Es gehöre zur Darlegung eines Mietmangels, dass zu den Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs gem. § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB vom Mieter weiter vorgetragen werde. Der Kläger habe jedenfalls alles getan, um die von ihm erlittenen Mieteinbußen beim Nachbarn zu realisieren. Einen Entschädigungsprozess gegen die Streitverkündete habe er nicht führen müssen.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 02.08.2018 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Hamburg, Az.: 40a C 45/18, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 3.570,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 42,59 EUR seit 05.04.2016, auf jeweils weitere 170,37 EUR ab 05.05.2016, 06.06.2016, 06.07.2016 und 04.08.2016 sowie auf 2.846,14 EUR seit dem 05.06.2017 (mittlerer Zins) zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen
Die Beklagten meinen, die bloße Duldungsverpflichtung sei nicht das maßgebliche Kriterium. Erforderlich sei vielmehr eine entschädigungslose Duldungsverpflichtung. Hierzu habe der Kläger nicht hinreichend vorgetragen.
Aufgrund der konkreten Einwirkungen durch das Nachbargrundstück liege im Streitfall kein Fall vor, bei dem der Kläger die Maßnahmen habe entschädigungslos hinnehmen müssen. Im Falle einer Duldungspflicht gegen Entschädigung sei das Mietminderungsrecht nach der Entscheidung des BGH (Urteil vom 29.04.2015, a.a.O.) gerade nicht ausgeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 14.12.2018 verweist der Kläger noch auf die „AVV Baulärm“ (die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm – Geräuschimmissionen – vom 19.08.1970) und meint, wenn die dort geregelten Grenz- und Richtwerte eingehalten würden, liege bereits eine unwesentliche nachbarrechtliche Beeinträchtigung gem. § 906 Abs. 1 BGB vor und damit auch kein Mietmangel. Tagsüber dürfe laut der AVV von Baulärm ein Dauerschallpegel von 55 Dezibel ausgehen und zwar auch samstags. Gem. Ziffer 4.1. der vorgenannten AVV Baulärm dürfe sogar eine Überschreitung des Immissionsrichtwertes um 5 db(A) erfolgen, weil der Richtwert in bestimmten Bauphasen nicht einzuhalten sei. Die Beklagten als Mieter müssten Lärmstörungen vortragen, bei denen die Werte der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm überschritten würden. Da der Mieter die Beweislast für einen mietrechtlichen Mangel trage, müsse er auch vortragen, dass die Werte der AVV Baulärm überschritten worden seien. Entsprechende Lärmmessungen könnten bei dem örtlichen Umweltamt veranlasst werden. Der Vermieter sei nicht darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass die Richtwerte nicht überschritten worden seien. Dies würde im mietrechtlichen Verhältnis dem Grundsatz widersprechen, dass der Mieter den Mangel darzulegen und zu beweisen habe. Weiter verweist der Kläger auf eine Entscheidung des LG München vom 15.11.2018 (31 S 2182/18) und regt an, das vorliegende Verfahren bis zu einer Entscheidung über die Revision im Verfahren des LG München auszusetzen bzw. im vorliegenden Streitfall die Revision zuzulassen.
II.
Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Das Amtsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Die Kammer folgt dem Amtsgericht insoweit, als dass den Beklagten aufgrund der Beeinträchtigungen des Wohngebrauchs durch die unstreitig vorhandene Großbaustelle auf dem Nachbargrundstück (Abriss und Neubau eines mehrstöckigen Gebäudes) ein Minderungsrecht aus § 536 Abs. 1 BGB zustand. Zwar fehlt eine ausdrückliche mietvertragliche Beschaffenheitsvereinbarung zu sog. Umfeldfehlern. Jedoch muss auch der Kläger als Eigentümer nachbarrechtlich die streitgegenständlichen Beeinträchtigungen nicht entschädigungslos hinnehmen (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB).
1.
Nach der Bolzplatzentscheidung des BGH (Urteil vom 29.04.2015, XIII ZR 197/14) stellen nachträglich erhöhte Geräuschemissionen durch Dritte dann keinen Mietmangel nach § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, wenn auch der Vermieter die nachträglich erhöhten Geräuschemissionen durch Dritte ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Hiervon ist bei der streitgegenständlichen Baustelle jedoch nicht auszugehen.
Der BGH geht auch in seiner Bolzplatzentscheidung davon aus, dass im Falle einer Duldungspflicht gegen Entschädigung die sich im Rahmen ergänzender Vertragsauslegung des Mietvertrags ergebende Verständigung dahin geht, dass sich ein dann gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehender Ausgleichsanspruch in einer adäquaten Minderung der vereinbarten Miete hätte niederschlagen müssen (BGH, Urteil vom 29.04.2015, a.a.O.). Weiter soll nach einer Entscheidung des LG Berlin (Urteil vom 31.03.2011, 51 S 245/10) einem Grundstückseigentümer, dessen Mieter wegen erheblichen Baulärms auf dem Nachbargrundstück erfolgreich die Miete gemindert haben, ein Ausgleichsanspruch gegen den Nachbarn gem. § 906 Abs. 2 BGB zustehen, wenn die Zumutbarkeitsgrenze für den Grundstückseigentümer überschritten ist.
Die Nutzungsbeeinträchtigung (im Rahmen des § 906 BGB) bei einem selbst bewohnten Haus wird im Wege der hypothetischen Minderung des Mietzinses im Falle der Vermietung ausgeglichen, wobei auf § 287 ZPO zurückgegriffen werden kann (vgl. OLG München, Urteil vom 18.09.2008 – 23 U 2648/08, juris; Staudinger/Roth (2016) BGB § 906, Rn. 264). Bei der Nutzungsbeeinträchtigung eines Wohngrundstücks kann somit die Bemessung eines angemessenen Ausgleichs in Geld (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB) im Rahmen des § 287 ZPO auf den Maßstab einer fiktiven Mietminderung zurückgreifen (vgl. OLG München, Urteil vom 18.09.2008, a.a.O.).
Dies zeigt, dass eine – fiktive – Mietminderung wegen Baulärms bei nachbarrechtlichen Gebrauchsbeeinträchtigungen einen Entschädigungsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auslösen kann.
Nach Auffassung der Kammer ist nicht ersichtlich, dass der BGH in seiner sog. Bolzplatzentscheidung vom Grundsatz, dass eine Nutzungsbeeinträchtigung eines Wohngrundstücks nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB einen Entschädigungsanspruch auslösen kann, hätte abweichen wollen.
Während das LG Berlin (Urteil vom 09.02.2016, 63 S 177/15, juris) und das LG München I (Urteil vom 14.01.2016, 31 S 20691/14, juris; Urteil vom 15.11.2018, 31 S 2182/18, juris) in derartigen Streitfällen die Frage eines Mietmangels gem. § 536 Abs. 1 BGB über die Frage der Darlegungs- und Beweislast eines Entschädigungsanspruchs aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu lösen versuchen, ist nach Auffassung der Kammer die mietrechtliche Betrachtungsweise – um die es im streitgegenständlichen Parteiverhältnis geht – vorrangig.
Wenn sich daraus ein Mietmangel ergibt, kann eine Minderung des Ertragswertes des Grundstückes vorliegen, die wiederum nach § 906 Abs. 2 BGB entschädigungspflichtig ist (zu letzterem: Staudinger/Roth (2016) BGB § 906, Rn. 264: Bei vorübergehenden Beeinträchtigungen der gewerblichen Nutzung eines Grundstücks kann unmittelbar der Ertragsverlust zugrunde gelegt werden, als Beispiel werden geminderte Mieteinnahmen genannt).
2.
Es ist im Einzelfall zu entscheiden, ob sich eigentlich sozialadäquate und hinzunehmende Belästigungen soweit gesteigert haben, dass ein Mietmangel vorliegt und ob dieser die zur Minderung führende Erheblichkeitsschwelle (§ 536 Abs. 1 Satz 3 BGB) überschritten hat (vgl. BeckOGK, BGB, § 536 Rn. 56).
Eine – vorübergehende – Großbaustelle eines Nachbarn an einer direkt angrenzenden Hauswand zum bewohnten Mietshaus über mehrere Monate führt zu einer Beeinträchtigung des Mietgebrauchs, der die Erheblichkeitsschwelle des § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB überschreitet, auch wenn die immissionsschutzrechtlichen Grenzwerte und baurechtlichen Vorschriften eingehalten werden.
Für die mietrechtliche Betrachtungsweise kommt es auf die Beeinträchtigung des Mietgebrauchs im Vertragsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter an. Dass es bei einer derart angrenzenden Großbaustelle zu erheblichen Lärm- und Schmutzemissionen kommt, liegt auf der Hand (vgl. LG München I, Urteil vom 14.01.2016, 31 S 20691/14, juris). Das Amtsgericht hat nach den substantiierten Beklagtenschilderungen zum Ausmaß der Beeinträchtigungen zu Recht eine Beweiserhebung nicht für erforderlich gehalten (vgl. ebenso: LG München I, a.a.O.). Es ist auch nicht zu fordern, dass der Mieter bei einer streitgegenständlichen vorübergehenden Großbaustelle Messungen zu den Immissionen durchführen müsse (vgl. ebenso: LG München I, a.a.O.).
Baustellenlärm kann als Mangel der Mietsache anzusehen sein, soweit er die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch mindert (LG München I, Urteil vom 15.11.2018 – 31 S 2182/18 –, Rn. 29, juris). Ob eine mietrechtliche Gebrauchsbeeinträchtigung vorliegt, richtet sich nicht nach immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen. Die Üblichkeit des Lärms ist nur dann ausschlaggebend, wenn die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages eine Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend getroffen haben, dass der im Rahmen dieser Vereinbarung näher zu definierende übliche Lärm geduldet werden muss; üblicher Baulärm ist nicht grundsätzlich zu dulden (LG München I, Urteil vom 15.11.2018, a.a.O.).
Baustellenlärm ist in Großstädten auch nicht generell hinzunehmen (LG München I, Urteil vom 15.11.2018, a.a.O.). Die Rechtsprechung des BGH zu Straßenbauarbeiten in einer Innenstadtlage, wonach eine vorübergehende, erhöhte Verkehrslärmbelastung aufgrund von Straßenbauarbeiten unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer jedenfalls dann, wenn sie sich innerhalb der in Innenstadtlagen üblichen Grenzen hält, keinen zur Minderung berechtigenden Mangel der vermieteten Wohnung darstellt (BGH, Urteil vom 19.12.2012, Az.: VIII ZR 152/12), steht dem nicht entgegen, denn für Baulärm gilt diese Rechtsprechung nicht. Die Rechtsprechung zu Verkehrslärm ist auf Baulärm nicht übertragbar. In Großstadtlagen ist nicht generell mit Baulärm zu rechnen, im Gegensatz zu Straßenlärm, der dort regelmäßig auftritt (so auch LG München I, Urteil vom 15.11.2018, a.a.O.).
Die im Streitfall vorgenommene pauschalierte Minderungsquote (15 % und 10 %) erachtet auch die Kammer als moderat.
3.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 906 BGB.
Im Grundsatz ist mit dem BGH in seiner sog. Bolzplatzentscheidung davon auszugehen dass § 906 BGB im Verhältnis der Mietvertragsparteien untereinander keine Anwendung findet (BGH, Urteil vom 29.04.2015, a.a.O.). Zwar soll dies nach dem BGH nicht ausschließen, dass die nachbarrechtlichen Ausstrahlungswirkungen dieser Norm zur näheren Bestimmung der mietvertraglichen Rechte und Pflichten der Parteien beachtet werden (BGH, Urteil vom 29.04.2015, a.a.O.). So soll der einem Mieter zukommende Mietgebrauch bei Fehlen entgegenstehender Abreden an der jeweiligen Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks und der aus der Nachbarschaft entstammenden Einwirkungen einschließlich der damit verbundenen Veränderungsrisiken jedenfalls in einem Umfang teilnehmen, den der an § 906 BGB gebundene Vermieter angesichts des ihm danach billigerweise zuzumutenden Gebrauchsüberlassungsrisikos nicht beeinflussen kann (BGH, Urteil vom 29.04.2015, a.a.O.).
Dies führt jedoch nach Auffassung der Kammer nicht dazu, dass ein gem. § 536 Abs. 1 BGB vorliegender Mietmangel wegen Baulärms von einem Nachbargrundstück dann ausscheidet, wenn gem. § 906 Abs. 1 BGB das Bauvorhaben nicht wegen der Einhaltung der verwaltungsrechtlichen Bestimmungen verhindert werden kann. Denn damit wäre bei Baulärm in der Regel keine Mietminderung mehr möglich. Bisher führte eine Mietminderung bei einem nicht verhinderbaren Bauvorhaben gerade zu einem Entschädigungsanspruch gem. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wegen einer damit verbundenen wesentlichen Beeinträchtigung des Ertragswertes des Grundstücks. Die Auffassung des Klägers führt dazu, dass § 906 Abs. 1 BGB doch direkt im Verhältnis der Mietvertragsparteien angewendet werden würde. Nach Auffassung der Kammer ist diese Schlussfolgerung aus der sog. Bolzplatzentscheidung jedoch nicht zu ziehen.
Denn der BGH führt in der sog. Bolzplatzentscheidung an anderer Stelle aus, dass im Falle einer Duldungspflicht gegen Entschädigung die sich im Rahmen ergänzender Vertragsauslegung des Mietvertrags ergebende Verständigung dahin geht, dass sich ein dann gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehender Ausgleichsanspruch in einer adäquaten Minderung der vereinbarten Miete hätte niederschlagen müssen (BGH, Urteil vom 29.04.2015, a.a.O., Rn. 42 bei juris).
Dass vorherige Rechtsprechung zu Mietminderung wegen Baulärm und daraus folgenden Entschädigungsansprüchen des Vermieters gem. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB (vgl. OLG München, Urteil vom 18.09.2008 – 23 U 2648/08, juris; Staudinger/Roth (2016) BGB § 906, Rn. 264) hätte aufgegeben werden sollen, ergibt sich aus der sog. Bolzplatzentscheidung des BGH gerade nicht.
Das Recht der Beklagten zur Mietminderung wird im Streitfall somit nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger als Vermieter die Beeinträchtigungen ohne eigene Abwehr- und Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen müsste. Zwar soll ein Mieter an der Situationsgebundenheit der gemieteten Wohnung bzw. des Grundstücks und der aus der Nachbarschaft entstammenden Einwirkungen einschließlich der damit verbundenen Veränderungsrisiken generell teilnehmen (vgl. ebenso: LG München I, a.a.O.). Jedoch lassen auch nachbarrechtlich zeitweise erhöhte und außergewöhnlich starke Einwirkungen einen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu. Für diese Fälle ist nach der Bolzplatzentscheidung des BGH das Minderungsrecht eines Mieters auch nicht ausgeschlossen, sondern ein dann gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehender Ausgleichsanspruch hätte sich bei einer ergänzenden Vertragsauslegung auch in einer adäquaten Minderung der vereinbarten Miete niedergeschlagen.
Soweit der Kläger die Einhaltung verwaltungsrechtlicher Vorschriften pauschal behauptet bzw. meint, die Beklagten als Mieter hätten darzulegen und zu beweisen, dass immissionsschutzrechtliche Grenzwerte nicht eingehalten worden seien, so kommt es hierauf nach Auffassung der Kammer im Streitfall nicht entscheidungserheblich an.
Zunächst sind Entschädigungsansprüche aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht deshalb ausgeschlossen, weil die vorübergehende Nutzung des Nachbargrundstücks – wie vorliegend – durch eine öffentlich-rechtliche Genehmigung gedeckt ist (vgl. OLG München, Urteil vom 18.09.2008, – 23 U 2648/08 –, Rn. 26, juris). Selbst wenn man annimmt, der von der Baustelle ausgehende Baulärm hätte sich im Rahmen verwaltungsrechtlicher Vorschriften gehalten und darüber hinaus annimmt, diese Wertfestlegungen seien geeignet, die Unwesentlichkeitsvermutung des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB auszulösen, so wäre ein Regelfall im Sinne dieser Vorschrift gleichwohl nicht gegeben. Denn die Intensität der hier streitgegenständlichen Immissionen kennzeichnet sich nicht durch eine einzelne Immissionsquelle, sondern gerade durch deren Vielzahl und längere Einwirkungsdauer (vgl. OLG München, Urteil vom 18.09.2008, – 23 U 2648/08 –, Rn. 26, juris). Die klägerseits zitierten Grenzwerte besitzen insoweit keine hinreichende Aussagekraft (vgl. OLG München, a.a.O.). Es kann vielmehr von der Wesentlichkeit der eingetretenen Immissionen im Sinne von § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgegangen werden (vgl. OLG München, a.a.O.).
2.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 7, 713 ZPO.
III.
Die Revision war nicht zuzulassen. Insbesondere liegt keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vor. Die Kammer hat die Entscheidung des BGH (Urteil vom 29.04.2015, XIII ZR 197/14 – sog. Bolzplatzentscheidung) auf den vorliegenden Streitfall angewendet. Beweislastfragen hielt die Kammer dabei nicht für entscheidungserheblich. Soweit entscheidungserheblich war, ob wesentliche Immissionen i.S.d. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB vorlagen, so erfolgte die Beurteilung anhand des hier vorliegenden Einzelfalls. Somit liegt auch keine Abweichung von höchstrichterlicher oder anderer obergerichtlicher Rechtsprechung vor.