AG Lichtenberg – Az.: 115 C 62/09 – Urteil vom 23.06.2011
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Kläger schlossen am 6.9.2007 einen Mietvertrag mit dem vorherigen Eigentümer Herrn B. 2008 wurde die Beklagte Eigentümerin der Wohnung.
Das Haus ist mit einer Einrohrheizung ausgestattet. Charakteristisch für dieses System ist, dass nicht ein separater Vor- und Rücklauf zu den einzelnen Heizkörpern führt, sondern eine Ringleitung die Wohnungsheizkörper mit Wärme versorgt. Die Ringleitung wird während der Heizperiode ständig mit warmem Heizwasser geströmt, also auch dann, wenn die Kläger ihren Heizkörper auf „0“ bzw. „*“ stellen.
Da die Ringleitung alle angeschlossenen Heizkörper mit Wärme versorgt, muss in der Heizperiode ständig Heizwasser durch sie fließen.
Die Rohre liegen in den Wohnungen offen.
Die monatliche Bruttomiete beträgt 564,13 €.
§ 13 des Mietvertrages lautet auszugsweise wie folgt:
„Sammel- oder Etagenheizung mit Warmwasserversorgung
1. Eine vorhandene Sammel- bzw. Zentralheizungsanlage wird, soweit es die Außentemperatur erfordert … vom Vermieter in Betrieb gehalten. Eine Temperatur von 20 °C in der Zeit von 8 bis 21:00 Uhr in den an die Heizung angeschlossen Wohnräumen gilt als vertragsmäßige Erfüllung …“
Wegen der weiteren Einzelheiten des Mietvertrages wird auf die Anlage K1, Blatt 5 ff. der Akte, Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 6.1.2008 und 10.2.2008 zeigten die Kläger streitige Mängel an.
Mit Schreiben vom 19.2.2008 führte die Beklagte die streitigen Mängel auf die Eigenarten der Einrohrheizung zurück.
Mit Schreiben vom 22.4.2008 wurde die Beklagte unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung aufgefordert.
Die Kläger behaupten, es sei nicht möglich die Heizkörper vollständig abzustellen. Selbst bei abgestellten Thermostat würden im Kinderzimmer Temperaturen von 25 °C und in anderem Zimmern Temperaturen von 23 °C erreicht.
Bei Einzug sei ihnen weder bekannt gewesen, dass es sich um eine Einrohrheizung handele noch dass diese zu den geschilderten Ergebnissen führen würde.
Mit Schriftsatz vom 27.1.2011 behaupteten sie, dass bei geschlossenen Heizventil in der Küche durchschnittlich 23,8 °C, im Wohnzimmer 23,9 °C, im Kinderzimmer 23,1 °C, im Zimmer 4 21,8 °C und im Schlafzimmer 21,5 °C erreicht würden und ein Verbrauch gemessen würde.
Sie würden sich bei Temperaturen von über 20° unwohl fühlen. Beim Öffnen der Fenster würde sich automatisch die Heizleistung erhöhen.
Die Kläger meinen, dass es sich jeweils um ein Mangel der Wohnung handele, dass die Heizungsanlage auch bei der Einstellung „0“ bzw. „*“ heize und die Messgeräte bei dieser Einstellung einen Verbrauch messen würden. Es sei ein Mangel, dass die Wohnräume gegen den Willen der Kläger beheizt würden und zusätzlich überheizt würden.
Die Verbrauchsmesssysteme dürften nur einen Verbrauch anzeigen bei geöffneten Thermostatventilen.
Nach den Regeln der Technik dürften sich die Heizkörper bei geschlossenen Heizkörperventil nicht erwärmen und müsste die Ringleitung gegen Wärmeabgabe gedämmt sein.
Nach § 13 Nr. 1. des Mietvertrages sei eine Raumtemperatur von 20 °C vertragsgerecht.
Die Kläger haben am 6.5.2009 Klage erhoben.
Zunächst haben sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Wohnung der Kläger im Haus B. …, … Berlin in der Weise instandzusetzen, dass sich die Heizkörper in der Küche, im Wohnzimmer, im Kinderzimmer, im Schlafzimmer sowie im Raum 4 nicht erwärmen, sofern das Thermostat am Heizkörper auf „0“ beziehungsweise „*“ eingestellt wird und die Beklagte zu verurteilen, die Heizkörper in der Wohnung der Kläger mit Messgeräten zur Verbrauchserfassung auszustatten, die keinen Verbrauch messen, sofern die Thermostatventile an den Heizkörpern auf die Stellung „0“ beziehungsweise „*“ eingestellt sind.
In der mündlichen Verhandlung vom 25.9.2009 wurde die Klage im Antrag zu 1. bezüglich des Raum 4 zurückgenommen.
Am 6.1.2010 ist das Ruhen des Verfahrens mit Zustimmung der Parteien angeordnet worden. Am 28.1.2011 haben die Kläger die Fortsetzung des Verfahrens beantragt.
Im März 2011 hat das Gericht die Akte des Amtsgericht Hohenschönhausen (jetzt Amtsgericht Lichtenberg, Zweigstelle Hohenschönhausen) zum Az. 2 C 406/08 beigezogen und das dort eingeholte Gutachten, Blatt 62-75 den Parteien als Kopie zur Stellungnahme überlassen.
In der mündlichen Verhandlung vom 9.6.2011 hat der Klägervertreter den Klageantrag zu 1.) wieder um den Raum 4 erweitert.
Die Kläger beantragen nunmehr,
1. die Beklagte zu verurteilen, die Wohnung der Kläger im Haus B., … Berlin in der Weise instandzusetzen, dass sich die Heizkörper in der Küche, im Wohnzimmer, im Kinderzimmer, im Schlafzimmer sowie im Raum 4 nicht über den Frostschutz hinaus erwärmen, sofern das Thermostat am Heizkörper auf „0“ beziehungsweise „*“ eingestellt wird.
2. die Beklagte zu verurteilen, die Heizkörper in der Wohnung der Kläger mit Messgeräten zur Verbrauchserfassung auszustatten, die keinen Verbrauch über dem Frostschutz hinaus messen, sofern die Thermostatventile an den Heizkörpern auf die Stellung „0“ beziehungsweise „*“ eingestellt sind.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, die Erscheinungen seien charakteristisch für das verwendete System. Jedoch würde die Heizkörper bei Abstellung keine Wärme abgeben nur über die Rohre. Diese abgegebene Wärme würde aber nur 10 % des benötigten Wärmebedarfs ausmachen.
Sie meint, die Umsetzung der Klageanträge sei objektiv unmöglich. Die begehrte Leistung würde den Ausbau der Heizanlage und die Installation eines neues System erfordern, was mindestens 200.000,00 € kosten würde.
Schon als Frostschutz müssten die Heizkörper Wärme auch in der Stellung 0 abgeben können, die natürlich auch gemessen werden müsse.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen und die Protokolle zu den mündlichen Verhandlungen vom 25.9.2009 und 9.6.2011 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf die begehrte Instandsetzung.
Die gerügten Erscheinungen sind nicht als Mangel im Sinne des § 535 BGB anzusehen. Danach ist ein Mangel eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten.
1.
Die Tatsache, dass die Heizkörper über den Frostschutz hinaus Wärme abstrahlen, wenn sie auf „0“ gestellt sind, ist nicht als Mangel einzustufen.
Da hier keine diesbezüglichen ausdrückliche Regelungen zum „Soll-Zustand“ der Heizungsanlage getroffen wurden, muss anhand der Auslegung der Willenserklärungen der Parteien unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§§ 133, 157, 242 BGB) geprüft werden, was der Vermieter schuldet bzw. welchen Standard der Mieter aufgrund seines Vertrages vom Vermieter verlangen kann.
Dabei ist die Verkehrsanschauung als Auslegungshilfe heranzuziehen (vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 8. Aufl., § 536 BGB Rn. 7).
In der Regel ist dabei auf den Standard zum Zeitpunkt des Einbaus der Heizungsanlage abzustellen (vgl. KG, KGR Berlin 2008, 682-683), wobei ein Mindeststandard, den der Mieter bei Vertragsschluss erwarten durfte geschuldet ist (vgl. BGH, NJW 2004, 3174-3176; KG, KGR Berlin 2008, 682-683).
a) Die streitgegenständliche Wohnung befindet sich in einem so genannten Plattenbau der ehemaligen DDR. Durch Auslegung des Vertrages nach Treu und Glauben kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Kläger bei Abschluss des Vertrages nur eine Heizungsanlage erwarten konnten, wie sie für vergleichbare Objekte üblich war (vgl. AG Lichtenberg, Grundeigentum 2010, 207-208).
Beim Gebäude, in dem sich die streitgegenständliche Wohnung befindet, ist unstreitig eine Einrohrheizungsanlage installiert, die für diese Art Gebäude im Gerichtsbezirk auch bei Vertragsschluss im Jahre 2007 üblich war.
Unter Berücksichtigung der allgemeinen Feststellungen des Gutachtens aus der beigezogenen Akte des AG Hohenschönhausen zum Az. 2 C 406/08 steht für das Gericht fest, dass bei Einrohrheizungsanlagen systembedingt eine Erwärmung der Heizkörper auch bei einem auf 0 eingestellten Ventil erfolgt. Dieser Feststellung des Gutachters ist auch der Klägervertreter nicht entgegengetreten.
Die Heizkörper der Kläger weisen keine darüber hinaus gehende nachteilige Eigenschaften auf, wenn sie Wärme trotz eines abgestellten Heizventils abgeben.
b) Das verwendete Einrohrheizsystem unterschreitet auch nicht den Mindeststandard den die Kläger bei Vertragsschluss erwarten durften.
Der BGH hat zur Ermittlung des Mindeststandards in der oben zitierten Entscheidung ausgeführt:
„Der Mieter einer Wohnung kann nach der allgemeinen Verkehrsanschauung erwarten, daß die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der der üblichen Ausstattung vergleichbarer Wohnungen entspricht. Hierbei sind insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe des Mietzinses und eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen (KG, WuM 1984, 42; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Kap. II, Rdnr. 13; Lammel, Wohnraummietrecht, 2. Aufl., § 535 BGB, Rdnr. 131 f.). Nicht alles, was bei Neubauten und im modernen Wohnungsbau zwischenzeitlich üblich geworden ist, kann auch bei Altbauten als üblich angesehen oder zum Maßstab gemacht werden. Dementsprechend sind auch die Vorstellungen darüber, welche Ausstattung Altbauten und Neubauten regelmäßig aufweisen, unterschiedlich (BGHZ 117, 217, 225 zu § 541 b Abs. 1 Satz 3 BGB a. F.).“
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien entspricht die Einrohrheizanlage nach Auffassung des Gerichts diesem Mindeststandard, da Plattenbauten dieses Alters und dieser Art auch 2007 üblicherweise eine solche Heizanlage aufwiesen. Aus dem Mietvertrag ergibt sich auch, dass netto 4,73 €/m² und inklusive Neben-, Heiz-, und Warmwasserkosten 6,73 €/m² zu zahlen waren. Bei einem solchen Preisrahmen, der in keine Weise kostenmäßig aus dem Rahmen fällt, kann keine neuere Heizanlage als Mindeststandard geschuldet sein.
Der Einbau einer neuen Anlage würde bereits zu einer deutlich höheren Nettomiete führen ohne dass ersichtlich wäre, dass die Gesamtnebenkosten sich in nennenswerten Umfang reduzieren würden.
2.
Die Tatsache, dass die Verbrauchsmessgeräte auch bei der Einstellung 0 einen Verbrauch über den Frostschutz hinaus anzeigen, ist ebenfalls kein Mangel der Mietsache.
Aufgabe der Messgeräte ist es den tatsächlichen Wärmeverbrauch zu messen, um eine Datengrundlage für mögliche Kostenverteilungen zu haben. Dies wäre aber nicht möglich, wenn tatsächlich angefallener Verbrauch nicht gemessen würde, aber dann bei der Gesamtabrechnung irgendwie zu berücksichtigen wäre ohne dass klar ist wie die Differenz zu Stande kommt. Insofern wäre nur denkbar, dass diese Messungen im Rahmen der Betriebs- und Heizkostenabrechnung eine Rolle spielen könnte.
Ferner wurde nicht vorgetragen, wie der erfasste Verbrauch für die Heizkostenabrechnung berücksichtigt wird.
3.
a) Soweit der Klägervertreter Temperaturen von über 21°C in der Wohnung im Winter generell als Mangel einordnet und vorschlägt die Heizungsrohre zu dämmen, ist dies, wie in der mündlichen Verhandlung vom 9.6.2011 erörtert, für die Klageforderungen in Gestalt der Klageanträge unerheblich.
Dieser Vortrag betrifft die beantragten Klageforderungen nicht, da diese, abgesehen vom Frostschutz, nicht auf die tatsächlichen Zimmertemperaturen und deren Ursachen (wie möglicherweise die ungedämmten Heizungsrohre) gerichtet sind, sondern allein auf die Tatsache, dass sich die Heizkörper erwärmen bzw. ein Verbrauch gemessen wird, wenn das Ventil auf 0 gestellt ist.
Da dieser Vortrag qualitativ ganz andere Instandsetzungsmaßnahmen betreffen würde, handelt es sich, entgegen der im Termin vom 9.6.2011 geäußerten Ansicht des Klägervertreters, auch nicht um ein sog. „weniger“ i. S. d. § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO.
b) Darüber hinaus dürfte allein das Auftreten von Temperaturen bis 25 °C in der Wohnung im Winter nicht ausreichen, um einen Mangel anzunehmen.
Soweit der Klägervertreter hier auf § 13 des Mietvertrages abstellt und meint es sei eine Höchsttemperatur von 21° C vereinbart, kann dem nicht gefolgt werden.
Eine objektive Auslegung schon des Wortlauts ergibt, dass der Vermieter verpflichtet ist, so zu heizen, dass mindestens 20° C erreicht werden können.
Mangels der Vereinbarung von zulässigen Höchsttemperaturen ist bei der Auslegung auf die Verkehrsanschauung abzustellen.
Nach den Arbeitsschutzrichtlinien 6/1.3 Raumtemperaturen sollten bei Außentemperaturen bis zu 26° C in den Innenräumen 25°C nicht überschritten werden (vgl. Sternel, Mietrecht aktuell, VIII Rn. 66). Da man in der eigenen Wohnung seine Bekleidung noch eher an die Temperaturen anpassen kann als auf der Arbeit, sind nach Ansicht des Gerichts diese Temperaturen auch für private Wohnungen zu akzeptieren. Diese Temperaturen werden auch im Sommer ohne weiteres für längere Zeit erreicht.
II.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 analog, 708 Nr. 11, 713 ZPO.