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Mietmangel – Einstellung der Versorgung mit Hör- und Sehfunk

AG Dortmund, Az.: 425 C 5770/19,  Urteil vom 08.10.2019

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Dortmund auf die mündliche Verhandlung vom 08.10.2019 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, in der Wohnung der Klägerin im Hause … im zweiten Obergeschoß links einen Fernsehanschluss herzustellen, der den Empfang des ersten, zweiten und des dritten Programms (WDR) ermöglicht. Es wird festgestellt, dass die von der Klägerin geschuldete Miete für die Wohnung … im zweiten Obergeschoß links seit 01.03.2019 um 10% der Bruttomiete gemindert ist, bis der Empfang des ersten, zweiten und des dritten Programms (WDR) wieder möglich ist.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15,68 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.08.2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf 2.811,30 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die 97 Jahre alte Klägerin hat von einer Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Wohnung im Hause … gemietet. Unter Ziffer 1 dieses Mietvertrages heißt es auszugsweise wörtlich:

„Das Haus ist mit folgenden Gemeinschaftseinrichtungen ausgestattet:

– Zentralheizung,

– Antenne für Hör- und Sehfunk, 1. 2. 3. Programm“.

Mietmangel - Einstellung der Versorgung mit Hör- und Sehfunk
Symbolfoto: Von Olexa /Shutterstock.com

Inzwischen ist die Beklagte die Vermieterin der Wohnung. Die Beklagte hat das Gebäude in Wohnungseigentum umgewandelt. Die Fernsehversorgung wird nunmehr durch die Firma Unitymedia zur Verfügung gestellt. Die übrigen Eigentümer/Mieter im Hause haben jeweils eigene Verträge mit Unitymedia zur Versorgung mit dem Fernsehprogramm abgeschlossen. Die Klägerin hat dies nicht getan. Eine Versorgung der Wohnung mit DVB-T2 ist nicht möglich, da das Gebäude nicht in einem entsprechenden Empfangsbereich liegt.

Die Beklagte berechnete der Klägerin einen Zuschlag zur Miete in Höhe von 2,24 Euro pro Monat.

Die Klägerin zahlt eine um 10% geminderte Miete für die Wohnung.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, nachfolgende Mängel in der im Hause … im 2. Obergeschoss links gelegenen und von der Klägerin angemieteten Wohnung wie folgt zu beseitigen, einen Fernsehanschluss herzustellen, der den Empfang des ersten, zweiten und der dritten Programme durch Installation einer dafür ausgelegten Antenne ermöglicht, sowie festzustellen, dass die Klägerin berechtigt ist ab dem 01.03.2019 die Miete in Höhe von 10% für die Wohnung in der … im 2. Obergeschoss links zu kürzen bis der Empfang des ersten, zweiten und der dritten Programme wieder möglich ist, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 15,68 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.08.2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass durch die technische Entwicklung und dem technischen Wandel es der Klägerin zumutbar sei, selbst für die Fernsehversorgung zu sorgen. Immerhin stamme der Mietvertrag aus einer Zeit vor dem Mauerfall.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe:

Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht gemäß § 535 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 des Mietvertrages vom 01.06.1974 ein Anspruch gegenüber der Beklagten auf Versorgung mit Hör- und Sehfunk des ersten, zweiten und des – lokalen – dritten Programms zu.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Anspruch nicht bereits deshalb besteht, weil die Wohnung zum Zeitpunkt der Anmietung mit einem Fernsehanschluss ausgestattet war und die Beklagte schon deshalb die Versorgung mit Fernsehprogrammen schuldet (so BGH Urt. v. 05.12.2018 – VIII ZR 17/18, NZM 2019, 140), zumindest hat die Klägerin aufgrund der Vereinbarung im Mietvertrag einen Leistungsanspruch gegen die Beklagte.

Die Vereinbarung im Mietvertrag ist eindeutig. Danach schuldet der Vermieter die Versorgung mit Hör- und Sehfunk. Das heute diese Begrifflichkeiten so nicht mehr benutzt werden ist dabei unerheblich. Entscheidend ist das Gewollte.

Das erkennende Gericht hat den Tenor nur dahingehend eingeschränkt, dass nur das dritte Programm für das Land NRW, also das vom WDR ausgestrahlte dritte Programm geschuldet wird. Anders als die Klägerin in ihrem Antrag meint, ist auch die Formulierung für das dritte Programm im Singular verfasst, sodass durch Auslegung zu ermitteln ist, welches dritte Programm damit gemeint war. Dies wird das für Nordrhein-Westfalen ausgestrahlte dritte Programm gewesen sein.

Anders als die Beklagte meint ist diese vertragliche Verpflichtung, deren ursprünglichen Bestand die Beklagte selbst ja auch nicht bestreitet, nicht nachträglich nach § 313 BGB entfallen. Es stellt sich schon die Frage, was hier die Geschäftsgrundlage des Vertrages gewesen sein soll, die weggefallen ist. Mit dem Mauerfall, wie die Beklagte meint, hat dies zumindest in den alten Bundesländern nichts zu tun. Auch die Tatsache, dass man heute sprachlich nicht mehr von „Hör- und Sehfunk“ spricht, ändert nichts daran. Die Programme werden heute auch sämtlichst noch ausgestrahlt. Dass sich die technischen Rahmenbedingungen geändert haben, ändert daran aber nichts. Dem Vermieter ist es ohne Weiteres möglich, die Wohnung mit diesen Sendern zu versorgen.

Auch die Tatsache, dass heute häufig die Versorgung von den Mietern selbst durch Individualverträge geregelt wird ändert nichts an der vorliegend vereinbarten Regelung. Das Risiko der technischen Veränderung fällt einseitig in den Risikobereich der Vermieterin.

Auf den Antrag zu 2) war festzustellen, dass die Miete gemäß § 536 Abs. 1 BGB wegen der fehlenden Möglichkeit des Empfangs der drei Fernsehprogramme und des Radioprogramms um 10% gemindert ist. Da die Minderung gemäß § 536 Abs. 1 BGB automatisch bei Eintritt des Mangels, also einer Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit eintritt, hat das erkennende Gericht dies auch so tituliert und nicht die insofern falsche Formulierung des Klägervertreters übernommen. Bei der Minderung handelt es sich um kein Recht des Mieters und der Begriff „kürzen“ ist dem Mietrecht auch fremd.

Das erkennende Gericht bewertet vorliegend die Gebrauchsbeeinträchtigung, die von der fehlenden Versorgung mit Radio- und Fernsehprogrammen ausgeht, mit 10%. In der Rechtsprechung werden insofern Quoten zwischen 5% und 15% ausgewiesen (siehe die Urteile in C. Börstinghaus, Mietminderungstabelle, 4. Aufl., Rdnr. 766, 806, 807, 1013, 1014, 1282 und 1424). Dabei hat das erkennende Gericht berücksichtigt, dass von breiten Bevölkerungsschichten der Fernsehkonsum zu einer Hauptbeschäftigung in der Wohnung zählt. Der Gebrauch der Wohnung ist deshalb bei fehlender Fernsehversorgung erheblich eingeschränkt.

Letztendlich ist die Beklagte auch verpflichtet, die zu Unrecht erhobenen Zuschläge für die nicht geleistete Fernsehgrundversorgung von 2,24 Euro von Oktober 2018 bis April 2019 zu erstatten. Dies wird von der Beklagten auch letztendlich gar nicht bestritten. Soweit sie meint, der Anspruch sei erfüllt, da der Betrag dem Mieterkonto gutgeschrieben worden sei, ist dies rechtsirrig, da diese keine Erfüllungshandlung darstellt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 281, 288, 286 BGB, 92 ZPO, 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

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