Skip to content
Menü

Mietminderung -nachträgliche ohne ausdrücklichen Vorbehalt möglich?

Az.: 8 U 193/16, Urteil vom 27.08.2018

In dem Rechtsstreit hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg auf die mündliche Verhandlung vom 27.08.2018 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 31.08.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin – 29 O 9/16 – teilweise geändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 153,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.2.2016 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die zulässige Berufung hat nur zum kleinen Teil Erfolg, nämlich soweit die Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 536 BGB eine Mietrückzahlung von 153,65 EUR für November 2015 nebst Zinsen verlangen kann. Im Übrigen ist ihre Klage unbegründet.

Der Mietrückforderung für die Monate August bis Oktober 2015 steht § 814 BGB entgegen. Die Klägerin hat mit E-Mail vom 12.8.2015 unter Hinweis auf die Einrüstung der Fassade, die am 3.8.2015 erfolgt wir und gemäß Schreiben der Hausverwaltung vom 18.6.2015 voraussichtlich bis zum Jahresende wieder abgebaut sein sollte, und auf die Lärm- und Staubbelastung, die die Baustelle mit sich bringe, eine Mietminderung in Höhe von 10 % der Bruttomiete rückwirkend ab August angekündigt und nachfolgend vollzogen. Sie hat die nachfolgenden Mietzahlungen bis einschließlich Oktober 2015 mithin in Kenntnis ihres Minderungsrechtes erbracht. Eine Rückforderung hat sie sich bei den Zahlungen nicht vorbehalten, ebenso wenig ergibt sich der Vorbehalt einer weitergehenden Mietminderung aus der E-Mail vom 12.8.2015 noch konnte er mit dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 13.10.2015 nachträglich erklärt werden. Die Klägerin vermag nicht zu beweisen, Anfang August 2015 gegenüber dem Beklagten mündlich einen Vorbehalt erklärt zu haben. Um sie insoweit von Amts wegen als Partei zu vernehmen, fehlt es an einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit dieser (erstmals im Schriftsatz vom 29.7.2016 aufgestellten) Behauptung. Auf die nähere Begründung im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Der Senat erachtet für den Zeitraum vom 1.11.2015 bis zum Abbau des Gerüstes am 14.12.2015 eine Mietminderung um 20 % als angemessen und berücksichtigt dabei die verminderte Werbewirkung des Schaufensters aufgrund des Gerüsts, eine gewisse Verschattung des Ladens durch den oberhalb montierten Gerüstgang sowie Beeinträchtigungen durch Lärm und Staub vor allem infolge der Arbeiten an der Vorderfassade. Eine Minderung um 10 %, wie sie der Beklagte akzeptiert und das Landgericht für ausreichend erachtet hat, erscheint zu niedrig, die mit der Berufung begehrte Minderung um 30 % zu hoch:

Die Sicht auf das Schaufenster und der Anreiz für Passanten, sich damit näher zu befassen, wurden durch das davor stehende Gerüst deutlich eingeschränkt, auch wenn das Gerüst in dem hier interessierenden Zeitraum nicht durch eine Plane oder Gaze verhängt war, und an „einigen Tagen“ ab dem 31.10.2015 (Seite 7 der Berufungsbegründung), aber nicht über den 6.11.2015 hinaus (s. Fotos in Anlage K9b) war das Schaufenster mit Folie verklebt. Dagegen war das Geschäft durch das seit September am Gerüst angebrachte Transparent gut erkennbar und der Zugang zum Geschäft nicht nennenswert behindert (s. eingereichte Fotos).

Der Senat geht davon aus, dass es bis zum Abbau des Gerüstes zu Lärm- und Staubbeeinträchtigungen im Zuge der Fassadenarbeiten gekommen ist. Es liegt aber nahe, dass die lärm- und staubintensivsten Arbeiten schon vor November erfolgten. Laut Schriftsatz der Klägerin vom 29.7.2016 (Seite 6) waren am 9.10.2015 bereits Teile des Putzes und der Fassade abgeklopft und auch die Verklebung des Schaufensters am 31.10.2015 deutet darauf hin, dass nunmehr die Neugestaltung der Fassade in Angriff genommen wurde.

Soweit im Urteil des Senats vom 15.5.2014 – 8 U 12/13 – (ZMR 2015, 538) eine Minderung von mehr als 20 % angesetzt worden ist, lag zugrunde, dass ein Eckgeschäft mit zwei Fensterfronten und Cafebetrieb von beiden Seiten eingerüstet war.

Die Miete in Höhe von 1.536,55 EUR (1.177,92 EUR Nettokaltmiete zzgl. 113,30 EUR Betriebskostenvorauszahlungen zzgl. 19 % MwSt) war daher im November 2015 um 20 % auf 1.229,24 EUR gemindert, so dass die Klägerin von ihrer für diesen Monat unter Vorbehalt geleisteten Zahlung von 1.382,89 EUR einen Betrag von 153,65 EUR zurückverlangen kann.

Dagegen war die Miete für Dezember 2015 nicht unter den wiederum gezahlten Betrag von 1.382,89 EUR bzw. 90 % gemindert und für Januar bis März 2016 gar nicht. Es ist nicht festzustellen, dass die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nach dem 14.12.2014 mehr als nur unerheblich beeinträchtigt gewesen wäre:

Nennenswerte Immissionen durch die abschließenden Arbeiten beim Dachgeschossausbau und Fassadenrestarbeiten hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. In erster Instanz war unstreitig, dass drei Etagen zwischen den von der Klägerin gemieteten Räumen und dem Dachgeschoss liegen (s. Seite 5 der Klagerwiderung und Seite 14 des Schriftsatzes der Klägerin vom 19.5.2016); der abweichende Vortrag in der Berufungsbegründung kann gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen werden. Die Behauptung auf Seite 21 der Berufungsbegründung, durch den Einsatz von Schleifgeräten und Schlagbohrern während der Fassadenarbeiten und die zugleich im Dach ausgeführten Arbeiten seien-mehrfach pro Stunde übermäßig Vibrationen durch Schallübertragung über das Mauerwerk bis hinunter in das Ladengeschäft zu vernehmen gewesen, lässt nicht erkennen, ob und wie oft dies nach dem Gerüstabbau noch der Fall war, und kann ohnehin – worauf bereits der Beklagte in der Berufungserwiderung hingewiesen hat – nicht zugelassen werden, weil es nachlässig im Sinne von § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO war, hierzu nicht schon in erster Instanz vorzutragen, nachdem in der Klagerwiderung jedwede Beeinträchtigung der Mietsache durch die Arbeiten im Dachgeschoss bestritten worden ist. Die Klägerin trägt auch nicht schlüssig vor, dass ihr Mietgebrauch durch die Schuttrutsche vom Dachgeschoss zum Hof maßgeblich tangiert wurde. Von den gemieteten Räumen ist nur ein Lagerraum zum Hof gelegen und es ist jedenfalls für den hier interessierenden Zeitraum ab November nicht ersichtlich, dass Immissionen der Schuttrutsche die Nutzung des Geschäftes in erheblichem Umfang beeinträchtigt hätten. Die Klägerin macht eine Staubbelastung durch die Schuttrutsche „gerade im Lauf der Sommermonate“ geltend und eine Lärmbelastung, weil die Ladentür bei hohen Außentemperaturen zuweilen offen stehe (Schriftsatz vom 19.5.2016, Seiten 6 und 7). Zum Baustellenverkehr nach dem 14.12.2014 fehlt jeder nähere Vortrag der Klägerin; auf Seite 12 der Berufungsbegründung wird nur behauptet, die Baustelle sei bis zum Abbau des Gerüsts täglich mehrfach von Baustellenfahrzeugen angefahren worden.

Im Übrigen scheitern Rückforderungsansprüche für Januar und Februar 2016 auch – wie bereits das Landgericht angenommen hat – an § 814 BGB, weil die Klägerin diese Mieten ungekürzt gezahlt hat, ohne bei diesen Zahlungen einen Vorbehalt zu erklären. Die Vorbehalte bei den Mietzahlungen für November und Dezember 2015 wirkten nicht fort, weil das Gerüst in der Zwischenzeit abgebaut und damit die hauptsächliche Beeinträchtigung entfallen war. Im Zuge der Verhandlungen der Parteien hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 23.10.2015 und 4.11.2015 auch nur eine Minderung bis zum Abbau des Gerüstes bzw. bis zum endgültigen Abschluss der Baumaßnahmen vor dem Laden verlangt.

Hinsichtlich der Miete für März 2016 war ein Vorbehalt zwar entbehrlich, da die am 26.2.2016 zugestellte Klage auch auf Feststellung eines Minderungsrechts in Höhe von 20 % bis zum Abschluss aller Baumaßnahmen gerichtet war. Eine Minderung für diesen Monat ist aber schon gar nicht ersichtlich, da die Klägerin selbst vorträgt, die Baustelle sei schlussendlich zum 2.3.2016 teilweise beendet und der Hof an diesem Tag gesäubert worden (Schriftsatz vom 19.5.2016, Seite 17).

Zinsen auf den zurückzuzahlenden Teilbetrag der Novembermiete stehen der Klägerin in der noch geltend gemachten Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 291 Satz 1, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB ab Rechtshängigkeit zu. Der Beklagte war vorher nicht in. Zahlungsverzug, zumal sein Vergleichsangebot vom 6.11.2016 eine Minderung um 30 % für diesen Monat einschloss.

Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind der Klägerin nicht zu erstatten, weil der Beklagte bei Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten im Oktober 2015 nicht in Verzug war.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 92 Abs. 2, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!