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Mietminderung wegen Bauarbeiten auf benachbartem Grundstück

Mietminderungsanspruch aufgrund von Baulärm und -schmutz

Die rechtliche Auseinandersetzung dreht sich um die Frage, ob Mieter aufgrund von Bauarbeiten auf einem benachbarten Grundstück einen Anspruch auf Mietminderung haben. Im Kern des Disputs steht die Bewertung, ob die durch die Bauarbeiten verursachten Lärm- und Schmutzimmissionen einen Mangel der Mietsache darstellen und in welchem Umfang eine Mietminderung gerechtfertigt wäre.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 65 S 111/22 >>>

Bewertung des Mietmangels

Das Amtsgericht Neukölln hatte zuvor entschieden, dass die Mieter keinen weitergehenden Anspruch auf Mietminderung haben. Es wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Mietminderung aufgrund der Bauarbeiten im Zeitraum von April 2019 bis Spätsommer 2019 nicht gegeben sind. Ein Mangel der Mietsache liegt vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Mietsache von der vertraglich vereinbarten abweicht. Hierbei können auch externe Faktoren, wie Lärm- und Schmutzimmissionen, berücksichtigt werden.

Festlegung der Mietminderung

Das Amtsgericht hat die Voraussetzungen für eine Mietminderung für den Zeitraum von April 2019 bis Ende 2020 bejaht. Es wurde jedoch betont, dass die Mieter die Beweislast für den Mangel und die daraus resultierende Mietminderung tragen. Die Kläger konnten lediglich durch Fotos und ein „Lärmprotokoll“ konkrete Beeinträchtigungen nachweisen. Das Gericht hat daraufhin eine Mietminderung von 15% für den Zeitraum von April bis Anfang September 2019 und 10% bis Ende 2020 festgelegt.

Bewertung der Beeinträchtigungen

Es wurde argumentiert, dass die Errichtung eines Neubaus verschiedene Bauphasen durchläuft, die unterschiedliche Lärm- und Schmutzimmissionen verursachen. Die Kläger konnten nicht ausreichend darlegen, welche Art von Beeinträchtigungen zu welchen Tageszeiten und über welche Dauer aufgetreten sind. Ohne konkreten Tatsachenvortrag kann das Gericht nicht die Berechtigung eines Anspruchs zugunsten einer Partei unterstellen.

Überlegungen des Berufungsgerichts

Das Landgericht Berlin beabsichtigte, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Neukölln zurückzuweisen. Es wurde festgestellt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass eine Rücknahme der Berufung zu einer Reduzierung der Gerichtskosten führen würde.

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Das vorliegende Urteil

LG Berlin – Az.: 65 S 111/22 – Beschluss vom 09.02.2023

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 09.06.2022, Az. 10 C 25/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.

1. Einen weitergehenden Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 536 Abs. 1 BGB hat das Amtsgericht den Klägern im Ergebnis zu Recht nicht zugesprochen.

Die Feststellungen des Amtsgerichts, mit denen es den Eintritt einer weitergehenden Mietminderung und damit das Fehlen eines Rechtsgrundes für die Mietzahlungen der Kläger verneint, sind nicht zu beanstanden.

a) Die Voraussetzungen für eine weitergehende Mietminderung nach § 536 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB wegen der Bauarbeiten auf dem benachbarten Grundstück im Zeitraum April 2019 bis zum Spätsommer 2019 sind nicht gegeben, für den Zeitraum über Ende 2020 hinaus nicht einmal vorgetragen.

Gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht. Ein solcher Mangel ist dann gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Der vertraglich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) getroffen werden können. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken (sog. Umweltfehler), wie etwa Immissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist. Soweit allerdings Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt (st. Rspr., vgl. BGH v. 19.12.2012 – VIII ZR 152/12; v. 29.04.2015 – VIII ZR 197/14; v. 29.04.2020 – VIII ZR 31/18; jeweils mwN).

Diese Grundsätze seiner Entscheidung zugrunde legend hat das Amtsgericht zwischen den Parteien getroffene Beschaffenheitsvereinbarungen (zu Recht) nicht feststellen können und den zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks der Räumlichkeiten als Wohnung und nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bestimmt.

Es hat die Voraussetzungen des § 536 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB für den Zeitraum ab April 2019 bis Ende 2020 bejaht.

Soweit den Klägern den ihnen zugesprochenen Betrag der Höhe nach beanstanden, übersehen sie, dass bei von einem Nachbargrundstück ausgehenden Beeinträchtigungen durch Lärm- und Schmutzimmissionen – wie auch sonst – sie als Mieter die Darlegungs- und gegebenenfalls Beweislast für den Mangel als solchen und die Anknüpfungstatsachen für die eingetretene Mietminderung tragen.

Die Anforderungen an den Vortrag des Mieters gehen dabei zwar nicht über das hinaus, was er – etwa im Fall einer nicht als sozial adäquat hinzunehmenden – Lärmbeeinträchtigung aus einer Nachbarwohnung darlegen und beweisen müsste (BGH v. 24.11.2021 – VIII ZR 258/19). Sie bleiben allerdings auch nicht dahinter zurück.

Der Vortrag der Kläger genügt diesen ohne Weiteres leistbaren Anforderungen nicht.

Konkrete Beeinträchtigungen haben die Kläger ansatzweise lediglich in den Anlagen K 2 (zwei Fotos) und der Anlage K 3 („Lärmprotokoll“ vom 24. September 2019) vorgetragen. Auch nachdem die Beklagte beanstandet hat, dass sich der Vortrag der Kläger auf einen – im Zeitpunkt der Klageerhebung – mehrere Monate zurückliegenden Zeitraum beschränkt und sicher sei, dass nicht von Beginn der Bauarbeiten an ein gleichmäßiger „Lärmpegel“ bestanden habe, zumal die Gründungsarbeiten abgeschlossen seien und mit lärm- und staubintensiven Maßnahmen nicht mehr zu rechnen sei, haben die Kläger ihren Vortrag nicht ihrem in der Klageschrift gestellten Antrag gemäß näher begründet. Sie haben die Feststellung einer Minderung der Bruttomiete um (durchgehend) 20 % ab April 2019 begehrt, allerdings einen Mangel lediglich bis maximal September 2019 vorgetragen. Dem entsprechend hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 26. Oktober 2021 auch nur über den Zeitraum bis Spätsommer 2019 Beweis erheben wollen, zugleich darauf hingewiesen, dass und weshalb es sich an einer weitergehenden Beweisaufnahme gehindert sieht. Auch insoweit hielt sich das Amtsgericht im Rahmen der geltenden rechtlichen Maßstäbe.

Es ist allgemein bekannt, dass die Errichtung eines Neubaus Bauphasen durchläuft, die naturgemäß unterschiedliche Lärm- und Schmutzimmissionen auslösen. So wird es auch hier – unbestritten – von der Beklagten geltend gemacht. Wenn die Gründungsphase im Zeitpunkt der Klageerwiderung am 20. Mai 2020 abgeschlossen war, dann hat das denklogisch zur Folge, dass die Abrissarbeiten zuvor abgeschlossen wurden.

Für den Zeitraum nach dem Spätsommer 2019 fehlt es an jeder Beschreibung, aus der sich ergibt, welche Art von Beeinträchtigungen zu welchen Tageszeiten und über welche Zeitdauer in welcher Frequenz ungefähr aufgetreten sind. Eben dies haben die Kläger, die einen zivilrechtlichen Anspruch gegen die Beklagte verfolgen, nach den allgemeinen Regeln vorzutragen (BGH v. 29.04.2020 – VIII ZR 31/18). Da sie sich beeinträchtigt sahen, ergibt sich auch nicht, was sie daran hinderte, die Beeinträchtigungen, aus denen sie Ansprüche gegen die Beklagte herleiten, näher zu beschreiben. Da für den Zeitraum ab Spätsommer 2019 gar keine Tatsachen mehr vorgetragen werden, fehlt bereits jede Grundlage für die Schätzung des etwaigen Eintritts einer Mietminderung. Das Gericht ist im Zivilprozess weder gehalten noch berechtigt von Amts wegen Ermittlungen anzustellen, noch kann es die Berechtigung eines Anspruchs ohne konkreten Tatsachenvortrag zugunsten einer Partei unterstellen.

Hinzu kommt, dass der konkrete Vortrag der Streithelferin zu den Zeiträumen, in denen die Rodungs- und Abrissarbeiten stattfanden, im Schriftsatz vom 30. Juni 2020 unbestritten geblieben ist.

b) Die Annahme einer durchschnittlichen Mietminderung in Höhe von 15 % für die keinesfalls über den gesamten Zeitraum April bis Anfang September 2019 als gleichbleibend hoch einzuschätzenden Immissionen ist unter Berücksichtigung des unstreitig gebliebenen Tatsachenvortrags der Beklagten und der Streithelferin nicht zu niedrig. Unabhängig davon hat das Amtsgericht – auf der Grundlage seiner rechtlichen Sicht – sorgfältig seine Ermessensentscheidung begründet, ohne dass Ermessensfehler erkennbar oder aufgezeigt wären. Die Kläger ersetzen letztlich die differenzierten Wertungen des Amtsgerichts durch ihre eigenen, ohne dass ihre Ausführungen die Annahme rechtfertigten, dass das Amtsgericht sein Ermessen im Rahmen der Schätzung der eingetretenen Mietminderung fehlerhaft ausgeübt hätte, § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, 3 ZPO.

Für den Zeitraum danach hat das Amtsgericht die Angaben der Zeugen ### seiner Entscheidung zugrunde gelegt, ohne dass entsprechender Tatsachenvortrag der Kläger die Beweisaufnahme gerechtfertigt hat. Mit Blick darauf und angesichts des unstreitig gebliebenen Vortrags der Beklagten sowie der Streithelferin ist das Zusprechen einer Mietminderung in Höhe von 10 % für den Zeitraum bis Ende 2020 mehr, als den Klägern auf der Grundlage ihres fehlenden Vortrags zustand.

2. Den Eintritt einer Mietminderung wegen der Schließgeräusche bzw. Schließdefizite der Hauseingangstür hat das Amtsgericht zu Recht unter Bezugnahme auf § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB verneint. Eine mehr als nur unerhebliche Minderung der Gebrauchstauglichkeit der ca. 92 qm großen, aus vier Zimmern bestehenden Wohnung, deren Mieter die Kläger waren, ergibt sich nicht. Eine besonders nahe Lage der Wohnung zur Hauseingangstür ist weder vorgetragen noch ergibt sich dafür auch nur ein Anhaltspunkt.

3. Mit Blick auf die vorstehenden Feststellungen ist auch ein weitergehender Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht gegeben.

II.

1. Es wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass eine Rücknahme der Berufung gegenüber einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO zu einer Reduzierung der Gerichtskosten um zwei Gebühren führen würde (vgl. Ziffern 1220, 1222 des Kostenverzeichnisses zu § 3 Abs. 2 GKG).

2. Die Kammer beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu 4.000,00 Euro festzusetzen.

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