LG Essen – Az.: 10 S 43/16 – Urteil vom 21.07.2016
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Essen-Borbeck vom 21.01.2016 (Az. 14 C 276/15) aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Klägerin berechtigt ist, die vertraglich vereinbarte Miete für die Wohnung im Hause Q-Str. … in … F monatlich um 10 % zu mindern, beginnend ab dem 01.06.2015 bis zur Wiederherstellung der Telefon- und Internetverbindung.
Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin gegenüber Rechtsanwalt E aus C von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 147,56 EUR freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin und der Beklagte zu je 50 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs.2, 313a Abs.1 S.1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. Die Kammer lässt eine Revision nicht zu. Eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 ZPO ist gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO unzulässig, da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer einen Betrag von 20.000,00 Euro nicht übersteigt.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Essen-Borbeck ist die Feststellungsklage zulässig. Das gemäß § 256 Abs.1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin liegt vor. Eine etwaige Leistungsklage auf Erstattung überzahlter Miete ist nicht vorrangig. Das ist lediglich dann der Fall, wenn die Leistungsklage die bessere Rechtsschutzmöglichkeit darstellt, weil sie möglich und zumutbar ist (vgl. Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 256 Rn.7a m.w.N.). Vorliegend begehrt die Klägerin die Feststellung der Berechtigung zur Minderung nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft. Sie kann daher mit einem Feststellungsantrag umfassenderen Rechtsschutz erreichen als mit einem Leistungsantrag. Es ist ihr insoweit weder zumutbar, mehrfach Leistungsklage für einzelne Zeiträume zu erheben, noch die Miete zukünftig zu mindern und dadurch rechtliche Konsequenzen, schlimmstenfalls eine Kündigung des Mietverhältnisses zu riskieren. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte der Minderung außergerichtlich nicht ausdrücklich widersprochen hat. Denn die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Rechtsfolgen waren zwischen den Parteien insgesamt bereits außergerichtlich streitig.
Die Feststellungsklage ist auch begründet. Die Klägerin ist seit dem 01.06.2015 gemäß § 536 Abs.1 S.2 BGB nur zur Entrichtung einer angemessen herabgesetzten Miete verpflichtet. Denn die seit diesem Zeitpunkt defekte Telefonleitung stellt einen zur Minderung berechtigenden Mangel der angemieteten Wohnung dar. Nach der gesetzlichen Definition des § 536 Abs.1 S.1 BGB liegt ein Mangel vor, wenn der nach dem Vertrag vorausgesetzte Gebrauch beeinträchtigt ist. Was der nach dem Vertrag vorausgesetzte Gebrauch umfasst, richtet sich nach den Vereinbarungen der Parteien sowie nach der Verkehrsanschauung (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Auflage 2015, § 536 BGB Rn.19 u. 20). Der vertragsgemäße Gebrauch von zu Wohnzwecken vermieteten Räumen umfasst nach diesen Maßstäben auch die Möglichkeit des Telefonierens über ein Festnetztelefon sowie die Benutzung des Internets über eine Festnetzleitung. Denn das „Wohnen“ umfasst grundsätzlich alles, was zur Benutzung der gemieteten Räume als existentiellem Lebensmittelpunkt des Mieters in allen seinen Ausgestaltungen und mit allen seinen Bedürfnissen gehört (vgl. AG Neukölln, Urteil vom 02.03.2011, Az. 5 C 340/10; LG Göttingen, Urteil vom 11.12.2013, Az. 5 S 53/12). Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, wie es zu dem Defekt des Kabels gekommen ist. Denn die Minderung tritt gemäß § 536 Abs.1 BGB kraft Gesetzes ein und zwar unabhängig davon, ob der Vermieter den Mangel zu vertreten hat (vgl. Schmidt-Futterer aaO Rn.341). Die Minderung ist auch nicht gemäß § 536 Abs.1 S.3 BGB ausgeschlossen. Bei dem Defekt der Telefonleitung handelt es sich nicht um eine lediglich unerhebliche Tauglichkeitsbeeinträchtigung. Denn die Verfügbarkeit von Telefon und Internet ist in der heutigen Zeit essentiell. Auf die Nutzung eines Mobiltelefons oder sonstiger Alternativen kann die Klägerin in Anbetracht der Dauer der Störung (inzwischen mehr als 14 Monate) insoweit nicht verwiesen werden. Der Höhe nach hält die Kammer im Hinblick auf die Wichtigkeit eines Telefonanschlusses eine Minderung von 10 % für gerechtfertigt.
Die Leistungsklage hat das Amtsgericht Essen-Borbeck zu Recht abgewiesen. Diese ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Reparatur der defekten Telefonleitung gemäß § 535 Abs.1 BGB. Denn die Pflichten des Vermieters zur Instandhaltung der Mietsache sind unter Rücksicht auf die Regelungen des Telekommunikationsgesetzes auszulegen, wonach die Pflicht zur Reparatur von Telefonleitungen das Telekommunikationsunternehmen trifft, mit dem ein Vertrag über die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen geschlossen wurde. Den Vermieter trifft vor diesem Hintergrund lediglich die Pflicht, dem Telekommunikationsunternehmen den Zugang zum Haus zu ermöglichen und die Zustimmung zu den erforderlichen Arbeiten zu erteilen sowie diese zu dulden (vgl. AG Neukölln aaO; LG Göttingen aaO; LG Berlin, Urteil vom 12.09.2014, Az. 63 S 151/14). Dieser Auffassung schließt auch die Kammer sich an. Soweit die Klägerin mit der Berufung ausführt, das Amtsgericht habe die zitierten Entscheidungen missverstanden, da diese sich lediglich mit Signalstörungen befassen würden und nicht mit Kabeldefekten, ist dem nicht zu folgen. Eine derartige Differenzierung ist den Entscheidungen nicht zu entnehmen. Darüber hinaus sind auch keine Gründe ersichtlich, weshalb eine Instandsetzungspflicht des Telekommunikationsunternehmens sich lediglich auf Signalstörungen beziehen sollte. Dies folgt insbesondere nicht aus § 45 b TKG, wonach der Teilnehmer vom Anbieter verlangen kann, dass dieser einer Störung unverzüglich nachgeht. Denn die Norm trifft keine Aussage über die Ursache der Störung. Die Klägerin ist bereits durch das Amtsgericht rechtzeitig darauf hingewiesen worden, dass lediglich ein Anspruch auf Zustimmung besteht. Dennoch hat sie ihren Klageantrag – auch in der Berufungsinstanz – nicht umgestellt.
Hinsichtlich des Klageantrags zu 3) ist die Klage zulässig und teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten gemäß § 280 Abs.1 BGB, soweit die Klage in der Hauptsache begründet ist. Die erstattungsfähigen außergerichtlichen Anwaltskosten belaufen sich auf 147,56 EUR (nach einem Gegenstandswert von 900,00 EUR).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 S.1 ZPO nicht vorliegen.
Der Streitwert wird auf 1.800,00 EUR festgesetzt.