Skip to content
Menü

Mietminderung: Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen Corona-Pandemie

KG Berlin – Az.: 8 U 1106/20 – Urteil vom 04.11.2021

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.08.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin -13 O 335/19- wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen des Räumungs- und Herausgabeanspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 107.100 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Wegen der Kosten darf die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Beklagte hat vom Kläger mit dem ausgefüllten Formular „Einheitsmietvertrag“, das beiderseits am 23.09.2005 unterzeichnet wurde, und dem (nur) die (ebenfalls unterzeichnete) „Anlage zum Gewerbemietvertrag vom 23.09.2005.“ (mit 8 Punkten) beigefügt war, das Objekt XX Straße, XXX Berlin zum Betrieb als „Hotel-Pension“ angemietet. Auf den Inhalt der Anlage K 1 wird Bezug genommen. Die Parteien streiten über den Fortbestand des Mietvertrags. Der Kläger hat mit Anwaltsschreiben vom 02.10.2019 (K 3) wegen vermeintlicher Schriftformmängel die Kündigung zum 31.03.2020 erklärt. § 2 MV sieht eine Laufzeit bis 31.10.2020 „mit Option für 2 x 5 Jahre“ vor. Die Beklagte hat die Optionsrechte für sich in Anspruch genommen und mit Schreiben vom 01.08.2018 ausgeübt (vgl. Anl. K 4). Die Beklagte hat die Miete für April und Mai 2020 (bis heute) nicht gezahlt, weshalb der Kläger mit Schriftsatz vom 13.05.2020 im vorliegenden Prozess (zugegangen vor dem 15.05.2020) vorsorglich eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs erklärt hat.

Wegen der erstinstanzlichen Anträge und der weiteren Feststellungen wird auf das Landgerichtsurteils Bezug genommen. Das Landgericht hat die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt und ausgeführt, dass die am 02.10.2019 erklärte Kündigung wirksam sei. Die Schriftform sei wegen fehlender Beifügung der im Mietvertrag in Bezug genommenen Anlagen (§ 3 Nr. 2 MV: Anlage „Betriebskostenaufstellung“; § 7 MV: Anlage „Mietraumbeschreibung und Übergabeprotokoll“ Anlage zu Ziff. 4 der Anlage zum Mietvertrag: Vollmacht des Vermieters für den Mieter) nicht gewahrt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Innerhalb der Berufungserwiderungsfrist hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13.01.2021, S. 7 (zugegangen vor dem 05.02.2021) vorsorglich eine weitere fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs erklärt. Unstreitig ist, dass die Beklagte auf die (mit monatlich 17.850 € brutto vereinbarte) Miete für November 2020 bis Januar 2021 nur je 595 € brutto gezahlt hat.

Die Beklagte trägt zur Berufungsbegründung vor:

1) Entgegen der Annahme des Landgerichts folge ein Formmangel noch nicht daraus, dass Anlagen, auf die der Mietvertrag Bezug nehme, nicht beigefügt seien. Die angeführte Entscheidung BGH NZM 2007, 399 Rn 21 liege anders, da dort in Frage stand, ob die Anlage eine wesentliche Abrede enthielt (Verzicht des Vermieters auf Eigenbedarfskündigung). Hingegen hätten die im hiesigen Vertrag erwähnten Anlagen bei sachgerechter Auslegung praktisch keine Bedeutung. Es entspreche der BGH-Rechtsprechung (s. NZM 1999, 761), dass nicht alles, was die Parteien als „Anlage“ zum Mietvertrag bezeichneten, diesem zur Schriftformwahrung auch beigefügt werden müsse.

Es könne davon ausgegangen werden, dass das verwendete Formular der Fa. Zweckform in § 3 Nr. 2 mit der Anlage „Betriebskostenaufstellung“ den Katalog des § 2 BetrKV meine. Darauf komme es hier jedoch nicht an, da die Auslegung des Mietvertrags ergebe, dass von der Beklagten keine Betriebskostenvorauszahlungen geleistet werden sollten, sondern sie alle Betriebskosten direkt tragen sollte. Dies ergebe sich daraus, dass in § 3 Nr. 2 MV unter „monatlicher Gesamtbetrag (1. und 2.)“ – somit Gesamtbetrag aus Grundmiete und Vorauszahlungen – ebenfalls (nur) der Betrag von 15.000 € zzgl. MWSt. eingesetzt sei, und aus Ziff. 5 der beigefügten Anlage („Der Mieter ist vom Vermieter bevollmächtigt, alle Dienstleistungsverträge, Wartungs- u. Versicherungsverträge abzuschließen, abzurechnen und zu bezahlen. Das Gleiche gilt für die Bezahlung der Grundsteuer.“).

Das in § 7 MV genannte Übergabeprotokoll sei schon deshalb bedeutungslos, weil der Mietvertrag am 23.09.2005 unterzeichnet wurde und das Mietverhältnis erst am 01.11.2005 beginnen sollte.

Die in Ziff. 4 der Anlage zum Mietvertrag in Bezug genommene „Vollmacht“ sei nicht wesentlich, schon weil deren Inhalt in Ziff. 5 der Anlage ausreichend ausgestaltet sei.

Auch Mehrdeutigkeiten seien der Auslegung zugänglich und nicht schriftformschädlich (Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht, 14. Aufl., § 550 Rn 34), zumal ein potentieller Erwerber bei Zweifeln rückfragen könne.

Der Kläger habe mit notarieller Urkunde vom 04.11.2005 (Anl. 1 zum Schriftsatz vom 10.02.2021) Herrn M Vollmacht (u.a.) zur Abgabe von Erklärungen, Eingehung und Erfüllung von Verbindlichkeiten erteilt, die „im Zusammenhang mit der Verwaltung und der Unterhaltung“ der Immobilie stehen. Die Beklagte – und nicht der Kläger – habe sodann Grundsteuer und alle anderen Betriebskosten bezahlt.

Ein Schriftformmangel liege auch nicht wegen einer Unterschrift auf Mieterseite ohne hinreichenden Vertretungszusatz vor. Die Unterschrift stamme vom damaligen Geschäftsführer der Beklagten, M.

2) Die Kündigungen wegen Zahlungsverzugs seien unwirksam.

Wegen pandemiebedingter Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb müsse sie für den Gesamtzeitraum der Pandemie (seit März 2020) nur 50 % der Miete zahlen. Da sie für März und Juni bis Oktober 2020 jeweils (netto) 15.000 € und für November 2020 bis Januar 2021 jeweils 500 € (zusammen: 91.500 €, = 55,45 % der Sollmiete) gezahlt habe, jedoch von März 2020 bis Januar 2021 nur 50 % geschuldet habe, sei der Kläger schon überzahlt.

Es liege eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage i.S. von Art. 240 § 7 EGBGB vor. Das Hotelgewerbe habe seit Anfang März 2020 erheblich unter den staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie gelitten. Großveranstaltungen wie die für Anfang März 2020 in Berlin geplante ITB seien abgesagt worden. Ab Mitte März seien aufgrund der SARS-CoV-2-EindMaßnV vom 17.03.2020 (GVBl. Bln 213) Bars und Cafés und wenig später die meisten Einzelhandelsgeschäfte geschlossen worden. Den Hotels seien Seminarveranstaltungen und die Beherbergung von Touristen verboten worden.

Nach der 6. VO zur Änderung der SARS-CoV-2-EinkämmungmaßnahmenVO vom 07.05.2020 seien zwar touristische Übernachtungen wieder erlaubt gewesen, jedoch nur mit Einschränkungen (strenge Hygieneregeln, Schließung von Spa- und Wellnessbereichen, keine Buffets etc.). Durch die 10. ÄnderungsVO vom 29.10.2020 seien touristische Übernachtungen wieder gänzlich verboten worden. Die Beklagte habe im Herbst 2020 das Hotel geschlossen.

Zwar gelte die Vermutung von Art. 240 § 7 EGBGB nach § 14 des Gesetzes zur…Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im.. Miet- und Pachtrecht vom 22.12.2020 BGBl. I, S. 3328) rückwirkend erst ab 01.10.2020. Nach BT-DrS 19/25322, S. 14 f. habe der Gesetzgeber jedoch nur die ohnehin bestehende Rechtslage klarstellen wollen. Auch die ganz überwiegende Ansicht in der Literatur sei schon vor dem Gesetz vom 22.12.2020 davon ausgegangen, dass die Pandemie eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB darstelle.

Auch das sog. hypothetische Element, auf das sich die Vermutung nicht erstrecke, sei hier erfüllt. Die Parteien hätten, wenn sie die Pandemie vorhergesehen hätten, für die Zeit der Beschränkungen eine andere Miethöhe vereinbart.

Das Merkmal der Unzumutbarkeit nach § 313 BGB sei wegen der erheblichen Umsatzrückgänge bei der Beklagten erfüllt. Da das Pandemie-Risiko keiner der Mietvertragsparteien zugewiesen werden könne, sei es hälftig zu teilen.

Der Umsatz der Beklagten habe im April 2020 noch 3.530,56 € betragen (Vorjahr: 68.880,92 €), im Mai 2020 noch 3.071,92 € (Vorjahr: 104.497,05 €). Im Mai 2020 sei ein Verlust von 79.793,58 € erzielt worden (Vorjahr: Gewinn von 16.168,44 €).

Die Beklagte beantragt, das am 14.08.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin -13 O 335/19- abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger trägt zur Berufungserwiderung vor:

1) Die Berufung sei schon unzulässig, weil sich die Berufungsbegründung mit dem (ebenfalls) tragenden Grund der Landgerichtsentscheidung, dass bei Annahme einer sich aus Ziff. 5 der Anlage ergebenden Freiheit von Nebenkostenvorauszahlungen wegen § 3 Nr. 2 des Formulars eine „Widersprüchlichkeit im Vertrag“ bestehe, nicht befasse.

2) Das Landgericht habe den Formmangel wegen des Fehlens von drei Anlagen zutreffend begründet. Der Fall des BGH NZM 1999, 761 liege anders. Vorliegend sei nämlich nicht ersichtlich, welchen Inhalt die in Bezug genommenen Anlagen hatten bzw. „haben sollten“. Es werde bestritten, dass sie nur einen irrelevanten Inhalt haben sollten. Eine Feststellung zur (Un-)Wesentlichkeit sei „vorliegend einfach nicht möglich“.

Es werde bestritten, dass keine Vorauszahlungen geleistet werden sollten. Zur Einhaltung der Schriftform sei zudem ein „zweifelsfreies“ Auslegungsergebnis notwendig. Die Auslegung der Beklagten stehe im Widerspruch zum Wortlaut von § 3 Nr. 2 MV und könne daher nicht zweifelsfrei sein. Die Auslegung der Beklagten sei für einige Betriebskostenarten (Grundsteuer, Straßenreinigung) gar nicht möglich.

Das Übergabeprotokoll sei relevanter Vertragsbestandteil, zumal es auch die „Mietraumbeschreibung“ enthalten sollte.

Es werde bestritten, dass die in Ziff. 4 der Anlage angesprochene Vollmacht den Inhalt gemäß Ziff. 5 der Anlage haben sollte.

Es bleibe bestritten, dass die Unterschrift von Hr. M stammte. Es Schriftformverstoß folge schon daraus, dass nicht ersichtlich sei, in welcher Eigenschaft der Unterzeichner gehandelt habe.

Der Mietvertrag enthalte noch einen weiteren Schriftformverstoß. Auch § 2 Nr. 6 MV sei widersprüchlich, weil dort das Mietende am 31.10.2030 angegeben sei, nach § 2 MV der Beginn am 01.11.2005 und die Laufzeit mit 15 Jahren angegeben sei, woraus ein Ende am 31.10.2020 folge. Auch sei nicht ersichtlich, was in § 2 Nr. 6 MV mit „Verlängerungsklausel“ gemeint sei, die in § 2 Nr. 3 MV angeführte Optionsklausel oder die Regelung in § 2 Nr. 6 MV selbst.

3) Vorsorglich werde die Klage im Wege der Anschlussberufung auf die in der Berufungserwiderung vom 13.01.2021 erklärte fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs wegen weitgehender Nichtzahlung der Miete in November 2020 bis Januar 2021 gestützt. Es liege ein Rückstand von monatlich 14.500 € zzgl MWSt vor, auch die Mieten bzw. Nutzungsentschädigungen für April und Mai 2020 seien noch offen, so dass ein Gesamtrückstand von 73.500 € (zzgl. MWSt) bestehe.

Der Senat hat mit Beschluss vom 11.03.2021 die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil in Bezug auf den Räumungs- und Herausgabeanspruch gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 107.100 € einstweilen eingestellt. Betreffend die Kündigung in der Berufungserwiderungsschrift vom 13.01.2021 hat er ausgeführt, dass zu prüfen bleibe, ob und inwieweit sich aus staatlichen Unterstützungsleistungen an die Beklagte ergebe, dass eine Mietreduzierung nach § 313 BGB in Höhe von 50 % der vereinbarten Miete trotz Verbots touristischer Übernachtungen nicht angemessen sei, und ferner, „in welchem Umfang solche Zahlungen an die Beklagte erfolgt“ seien. Mit Verfügung vom 11.03.2021, dem Beklagtenvertreter am selben Tag zugestellt, haben die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen erhalten.

Die mündlichen Verhandlungen in der vorliegenden Sache und in der Berufung der Beklagten gegen die Verurteilung zur Zahlung von Miete bzw. Nutzungsentschädigung für April und Mai 2020 sowie November 2020 bis Januar 2021 (8 U 85/21) wurden am 04.11.2021 parallel geführt.

B.

I. Die Berufung ist – entgegen der Ansicht des Klägers – zulässig.

Es fehlt nicht an einer hinreichenden Berufungsbegründung i.S. von § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO in Bezug auf die Entscheidungsgründe, die sich mit einem Schriftformmangel wegen Fehlens der in § 3 Nr. 2 MV genannten Anlage „Betriebskostenaufstellung“ befassen. Das Landgericht hat eine – vermeintlich per se infolge des Verweises gegebene – Wesentlichkeit der Anlage angenommen und den Einwand der Beklagten, dass die Auslegung des Mietvertrags ohnehin ergebe, dass Betriebskostenvorauszahlungen nicht geschuldet seien, unter Hinweis auf eine ggf. nicht abschließende Regelung zur Direktbegleichung in Ziff. 5 Anlage Mietvertrag zurückgewiesen. Sodann hat es noch angefügt: „Im Übrigen führte dies zu einer Widersprüchlichkeit im Vertrag.“

Der letzte Satz enthält keine selbständig tragende Erwägung, die mit der Berufungsbegründung explizit angegriffen werden musste. Ein tragender Hinweis ist es schon deshalb nicht, weil nicht klar ausgeführt wird, dass die vermeintliche Widersprüchlichkeit einen eigenständigen Schriftformmangel begründen würde. Zudem kommt in ihm nur zum Ausdruck, dass – wenn denn die Auffassung der Beklagten vom Fehlen einer Vorauszahlungspflicht zuträfe – dies zu einer Widersprüchlichkeit (nämlich gegenüber § 3 Nr. 2 MV, der dann keinen Anwendungsbereich hätte) „führte“. Dieser im Konjunktiv zugesetzte Satz enthält somit lediglich einen nicht tragenden Hinweis, dass auch die (vom Landgericht abgelehnte) Ansicht der Beklagten nicht zum Erfolg führen würde.

Maßgeblich ist, dass das Landgericht von einer Vorauszahlungspflicht nach § 3 Nr. 2 MV ausgeht und die Beklagte eine Unwesentlichkeit der (fehlenden) Anlage einwendet, und zwar auch mit der Erwägung, dass die Anlage ohnehin nur den Inhalt von § 2 BetrKV wiedergegeben hätte.

II. Zur Kündigung vom 02.10.2019 wegen Schriftformmangels (§§ 550, 578, 580a Abs. 2 BGB):

1) Die vom Landgericht angenommenen Schriftformmängel liegen nicht vor.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist die Schriftform des § 550 BGB gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses – aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Da auch formbedürftige Vertragsklauseln grundsätzlich der Auslegung zugänglich sind, reicht es aus, wenn der Inhalt der Vertragsbedingungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmbar ist (s. BGH, Urt. v. 04.11.2020 -XII ZR 104/19, juris Rn 18; BGH NJW 2015, 2648 Rn 42 mwN). Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, so dass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel dieser „verstreuten“ Bedingungen ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen. Dazu bedarf es keiner körperlichen Verbindung dieser Schriftstücke. Vielmehr genügt für die Einheit der Urkunde die bloße gedankliche Verbindung, die allerdings in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss (BGH, Urt. v. 04.11.2020 Rn 18; BGHZ 224, 370 = NJW 2020, 1507 Rn 19 mwN und BGHZ 176, 301 = NJW 2008, 2178 Rn 20 f. mwN).

In Bezug genommene Unterlagen, die für den Inhalt des Vertrags ohne Bedeutung sind, brauchen diesem in keinem Fall beigefügt zu werden (s. BGH, Urt. v. 07.07.1999 -XII ZR 15/97, NJW 1999, 3257 -juris Rn 38). Dass der Mietvertrag eine Anlage benennt, die nicht existiert, begründet nicht per se einen Formmangel (s. etwa BGH NJW 2000, 354 -juris Rn 49 ff betr. Nichtexistenz des benannten Inventarverzeichnisses). Eine Anlage, die lediglich Karstellungs- oder Beweiszwecken dient, ist für die Schriftform ohne Bedeutung, weil sie keinen eigenen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert verkörpert (BGH NJW 2000, 354 -juris Rn 72; NZM 2009, 198 -juris Rn 13). Auch der Entscheidung des BGH in NZM 2007, 399 = NJW 2007, 1742 ist nicht zu entnehmen, dass das Fehlen einer in Bezug genommenen Anlage per se einen Formmangel begründet. Der dortige Fall betraf diese Frage überhaupt nicht. Vielmehr ging es dort um eine wesentliche Abrede (Ausschluss der Eigenbedarfskündigung des Vermieters), und es gab eine Anlage zum Mietvertrag, jedoch Streit darüber, in welcher „Version“, also mit welchem Inhalt sie von den Parteien tatsächlich gefertigt wurde. Der BGH hat einen Formmangel (nur deshalb) angenommen, weil dem allgemeinen Hinweis im Mietvertrag auf eine „Anlage“ nicht entnommen werden konnte, welche der Versionen gemeint war. Es fehlte somit an der zweifelsfreien Zuordnung.

Auf die Behauptungen der Parteien, dass die jeweils andere Partei das Formular gestellt (und vorausgefüllt?) habe, kommt es für die Schriftformwahrung nach § 550 BGB nicht an. Dies ist kein äußerlich erkennbarer Umstand, der bei der Auslegung der formbedürftigen Erklärung herangezogen werden könnte.

In Anwendung dieser Grundsätze kann den Ausführungen des Landgerichts nicht gefolgt werden.

a) Das Fehlen der Betriebskostenaufstellung als Anlage zu § 3 Nr. 2 MV führt zu keinem Formmangel.

aa) In § 3 Nr. 2 MV wird (formularmäßig) ausdrücklich die Umlage von „Betriebskosten gemäß § 2 Betriebskostenverordnung“ vorgesehen. Das Fehlen der in Bezug genommenen Anlage „Betriebskostenaufstellung“, die in der Tat naheliegend nur den Inhalt von § 2 BetrKV wiedergeben würde, ist unschädlich. Zwar gehört die Vereinbarung, welche Nebenkosten umzulegen sind, zur Umlagevereinbarung und stellt damit einen wesentlichen Vertragsbestandteil dar. Diese ist dem Mietvertrag jedoch auch ohne die Anlage zu entnehmen. Denn wenn nichts anderes vereinbart ist, ist der Vertrag gemäß §§ 133, 157 BGB dahin auszulegen, dass unter „Betriebskosten“ sämtliche Kostenarten zu verstehen sind, die in nach der gesetzlichen Definition im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (vorliegend: in Anl. 3 zu § 27 II. BV) umfasst sind (s. zum Wohnraummietvertrag BGH NJW 2016, 1308 Rn 16). Für Gewerberaummietverhältnisse gilt trotz der unmittelbaren Geltung von Anl 3 zu § 27 II. BV bzw. von § 2 BetrKV nur für Wohnraummietverhältnisse nichts anderes. Auch dort ist dem Begriff Betriebskosten zu entnehmen, dass die (im Wohnraummietrecht) gesetzlich definierten Kostenarten umgelegt werden sollen, ohne dass diese Auslegung die Bezugnahme auf die entsprechenden Normen voraussetzt (s. BGH, Urt. v. 08.04.2020 -XII ZR 120/18, NJW-RR 2020, 656 Rn 20-25). Dass sinnvollerweise oder üblicherweise im Gewerbemietrecht verabredete Kostenarten damit nicht erfasst werden, ist unerheblich. Vorliegend verweist § 3 Nr. 2 MV sogar nicht nur auf „Betriebskosten“, sondern explizit auf die nach § 2 BetrKV, was in jedem Fall eine Regelung mit bestimmbarem Inhalt darstellt.

bb) Zudem macht die Beklagte zu Recht geltend, dass der Mietvertrag der Parteien nach ihrem Willen die Abrede einer Nebenkostenumlage mit Vorauszahlungen überhaupt nicht enthält. Die Gesamtauslegung des Mietvertrags und seiner Anlage ergibt, dass die Parteien lediglich vergessen haben, das Formular in § 3 Nr. 2 S. 1 MV zu streichen. Dass keine Vorauszahlungen vereinbart waren, zeigt sich daran, dass in § 3 Nr. 2 S. 2 MV der „monatliche Gesamtmietbetrag“ als Summe von Grundmiete und (etwaiger) Vorauszahlung mit lediglich der Grundmiete beziffert wurde und hinter dem Formularsatz „Diese monatliche Vorauszahlung beträgt danach z.Zt. insgesamt:“ eingefügt wurde „s. Anlage“. Damit wurde sogar besonders auf die Anlage zum Mietvertrag hingewiesen, die den Willen zum Ausdruck bringt, dass eben keine Vorauszahlungen zu zahlen waren, sondern die Beklagte sich um eine unmittelbare Kostentragung – auch mit Hilfe einer ihr erteilten Vollmacht – kümmern sollte. Ferner sind die im Formular in § 3 Nr. 3 und 4 MV vorgesehenen näheren Regelungen zu Abrechnung und Umlage gestrichen worden.

Daraus folgt nicht etwa ein Schriftformmangel nach § 550 BGB wegen einer „Widersprüchlichkeit“ der beurkundeten Regelungen. Es genügt, wenn der Vertrag die Regelung „bestimmbar“ ausweist. Auch formbedürftige Verträge sind nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Die Schriftform erfordert nur, dass der rechtsgeschäftliche Wille in der Urkunde einen – wenn auch unvollkommenen – Ausdruck gefunden hat (sog. Andeutungstheorie, s. Palandt/Ellenberger, BGB, 80. Aufl., § 133 Rn 19 m.N.). Widersprüche, die im Wege der Auslegung behoben werden können, sind somit unschädlich (s. Palandt/Ellenberger a.a.O.; s. insoweit auch Schmidt-Futterer/Lammel, a.a.O., § 550 Rn 34).

Nur wenn die Widersprüchlichkeit im Wege der Auslegung der Urkunde nicht aufgeklärt werden kann, ist die Schriftform verfehlt (s. Guhling/Günter/Schweitzer, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 550 Rn 28). Dies mag etwa der Fall sein, wenn die Urkunde eindeutig unvereinbare Regelungen über eine Befristung einerseits und Kündbarkeit andererseits oder zur Laufzeit enthält (vgl. etwa OLG Hamm ZMR 2020, 832 -juris Rn 53; OLG Jena ZMR 2014, 119 -juris Rn 32 ff; Senat, GE 2016, 392 -juris Rn 18). Vorliegend hingegen ist eine solche Widersprüchlichkeit nicht anzunehmen, sondern eine Auslegung der Urkunde in ihrer Gesamtheit einschließlich der beigefügten Anlage ergibt, dass die Parteien lediglich die Streichung von § 3 Nr. 2 S. 1 MV vergessen haben.

b) Ebenso begründet es keinen Formmangel, dass es in § 7 MV formularmäßig heißt „Der Zustand der Mieträume zur Zeit des Vertragsabschlusses ergibt sich aus der Anlage „Mietraumbeschreibung und Übergabeprotokoll“, welche ergänzender Bestandteil des Mietvertrages ist.“, und dass eine solche Anlage von den Parteien nicht gefertigt wurde.

Ein Protokoll wäre nur notwendiger Vertragsbestandteil, wenn es zur Individualisierung der Mieträume erforderlich wäre, nicht aber, wenn es nur als Orientierungshilfe der Verdeutlichung des Mietgegenstands dient (vgl. BGH NJW 2007, 1817 Rn 10 f.) oder nur Beweiszwecken dient, weil es dann keinen eigenen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert verkörpert (s. BGH NJW 2000, 354 -juris Rn 72; NZM 2009, 198 -juris Rn 13). Letzteres war hier der Fall. Eine Individualisierung der Räume war nicht erforderlich, da das gesamte Gebäude Lietzenburger Straße 30 vermietet war (s. Klageantrag und Urteilstenor). § 7 MV sah auch nur eine Beschreibung zum „Zustand der Mieträume“ vor und bezeichnete diese – zutreffend – bloß als „ergänzenden“ (nicht etwa wesentlichen) Bestandteil des Mietvertrags.

c) Das Fehlen der Vollmacht des Klägers an die Beklagte als Anlage zu Ziffer 4 der Anlage zum Mietvertrag ist ebenfalls unschädlich.

Der wesentliche Vertragsinhalt liegt in der Abrede, dass die Beklagte die Nebenkosten unmittelbar zu tragen hat, und ggf. noch darin, dass die Klägerin sich verpflichtet, zu diesem Zweck „eine Vollmacht“ zu erteilen. Beides ist dem Mietvertrag mit seiner Anlage hinreichend zu entnehmen.

Die Vollmacht selber ist jedoch kein (wesentlicher) Vertragsinhalt, sondern ein Mittel zur Vertragsdurchführung. Sie könnte einen Erwerber ohnehin nicht binden, da sie untrennbar auf die Person des Vollmachtgebers, also des Klägers bezogen ist und keine (mietrechtlich zu qualifizierende oder in untrennbarem Zusammenhang mit dem Mietvertrag stehende, s. dazu BGH NJW 2017, 254 Rn 18) „Pflicht“ darstellt, die nach § 566 BGB Inhalt des mit Eigentumserwerb neu begründeten Mietvertrags mit dem Erwerber (s. BGH a.a.O., Rn 17) sein könnte. Es kommt somit nicht mehr darauf an, dass eine Vollmacht (sofern sie übergehen würde) auch nach § 168 BGB grundsätzlich widerruflich wäre und deshalb nicht länger als ein Jahr wirken würde.

2) Auch die folgenden, vom Kläger geltend gemachten und vom Landgericht nicht mehr behandelten Schriftformmängel sind nicht gegeben:

a) Dass in § 2 Nr. 3 MV angekreuzt wurde „Zeitmietvertrag gem. § 575 BGB“ ist unschädlich. Nicht jede Ungeschicklichkeit beim Ausfüllen des Formulars führt zu einem Schriftformmangel wegen „Widersprüchlichkeit“ des Vertragsinhalts. Dass § 575 BGB (der nur Wohnraummietverhältnisse betrifft) nicht einschlägig ist, liegt auf der Hand.

b) Das Fehlen einer Regelung zur Miethöhe nach Ablauf der Festmietzeit von 15 Jahren führt nicht zu einem Schriftformmangel, da die Parteien insoweit eben nichts explizit vereinbart haben. Es ist eine Frage der Auslegung, ob die vereinbarte Miete fortgilt, oder ob dann die übliche Miete gilt. Vorliegend ist der Wille der Parteien auch in § 4 Nr. 2 MV hinreichend zum Ausdruck gebracht worden. Danach bleibt die Miete „für die Dauer der fest vereinbarten Mietzeit“ unverändert. Im Optionszeitraum gilt danach die übliche Miete.

c) In Bezug auf Stellplätze ist der Mietgegenstand in § 1 Nr. 1 MV bestimmbar festgelegt. Die Ausfüllung „19 Garagen Tief., Stellplatz 19 außen“ ist ohne weiteres dahin verständlich, dass es 19 Tiefgaragenplätze und 19 Außenstellplätze gibt, zumal die Beklagte vorgetragen hat, dass es (nur) diese Plätze gibt und sie ja ohnehin das gesamte Objekt angemietet hat. Das „Bestreiten“ der Örtlichkeit durch den Kläger ist unsubstantiiert. Bestreiten mit Nichtwissen wäre nach § 138 Abs. 4 ZPO, da es sich um sein Objekt handelt, unzulässig.

d) Auf Mieterseite fehlt kein Vertretungszusatz. Erfolgt eine Unterschrift auf der Zeile „Mieter“ und ist dieser eine juristische Person, so ergibt sich daraus ohne weiteres, dass der Unterzeichnende die Vertretungsmacht für sich in Anspruch nimmt und entsteht nicht der (formschädliche) Eindruck, dass eine weitere Unterschrift fehlen könnte (s. BGH NJW 2007, 3346 Rn 11 f.; NJW 2005, 2225 -juris Rn 39; BGHZ 205, 99 = NJW 2015, 2034 Rn 22).

Das Bestreiten, dass die Unterschrift vom damaligen Geschäftsführer der Beklagten M stammt, ist für die Schriftform unerheblich, da es für sie auf die Vertretungsmacht des Unterzeichnenden nicht ankommt.

e) Eine zum Formmangel führende Widersprüchlichkeit des Vertragsinhalts ist auch nicht in § 2 Nr. 3 und 6 MV gegeben. In der Gesamtheit ist der Inhalt des (allerdings ungeschickt ausgefüllten) Formulars dahin auszulegen, dass sich an die Festmietzeit von 15 Jahren (31.10.2020) eine Optionszeit von 2 x 5 Jahren (31.10.2030) anschließt und sodann eine Verlängerungsklausel für weitere 5 Jahre greift, sofern der Vertrag nicht gekündigt wird. Dass sich an eine Optionsregelung eine Verlängerungsklausel anschließt, ist kein Widerspruch.

3) In Betracht kommt allerdings die Annahme eines Schriftformmangels wegen unvollständiger Beurkundung der Optionsabrede:

a) In § 2 MV ist folgendes ausgefüllt:

„Der Mietvertrag beginnt am: 01. November 2005.

Der Mietvertrag läuft auf die Dauer von 15 Jahren mit Option für 2 x 5 Jahre“

Der Kläger hat erstinstanzlich auch geltend gemacht, dass darin ein Formmangel liege, weil der Regelung nicht zu entnehmen sein, welcher der Parteien das Optionsrecht zustehen solle. Die Beklagte hat gemeint, dass die Auslegung ein Recht des Mieters ergebe, weil dies „so üblich“ sei. Eine Vermieteroption dürfte nur in 1 von 10.000 Fällen einmal anzutreffen sein.

b) Bei der Verlängerungsoption handelt es sich um das „der begünstigten Partei“ eingeräumte Recht, einen befristeten Mietvertrag vor Ablauf der Mietzeit durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung um einen bestimmten Zeitraum zu verlängern (s. BGHZ 220, 345 = NJW 2019, 990 Rn 12). Da dieses einseitige Gestaltungsrecht sich auf die Gesamtlaufzeit auswirkt, bedarf seine Vereinbarung der Schriftform des § 550 BGB (s. BGH a.a.O., Rn 21, 23; BGH NJW-RR 1987, 1227 -juris Rn 16, 17).

Das Optionsrecht wird in der Praxis zwar meist dem Mieter eingeräumt (s. Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., § 542 Rn 184: „idR“; Bub/Treier/Landwehr, Handb. Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Rn II 2452; Guhling/Günter/Alberts, a.a.O., § 542 Rn 68), kann jedoch auch dem Vermieter oder beiden Parteien eingeräumt werden (s. BGHZ 220, 345 Rn 12: „der begünstigten Partei“; Bub/Treier/Drettmann, a.a.O., Rn II 429).

Vorliegend enthält die Urkunde selber keine Anhaltspunkt dafür, ob das Optionsrecht der Beklagten, der Klägerin oder beiden Parteien zustehen sollte. Der Umstand, dass die Beklagte ohne Widerspruch des Klägers das Optionsrecht ausgeübt hat, ist für die Formwahrung nach § 550 BGB nicht erheblich, da es sich um keine im Zeitpunkt der Urkundenerrichtung vorliegende Tatsache handelt (s. BGH NJW 2006, 139 Rn 7). Hinzu kommt, dass auch unter Berücksichtigung dieses Umstands offen bleibt, ob das Optionsrecht nur der Beklagten oder etwa beiden Parteien zustehen sollte. Auch die Zweifelsreglung des § 305 c Abs. 2 BGB ist nicht zugunsten der Beklagten anwendbar, da sie nicht vorträgt, dass der handschriftliche Zusatz „mit Option für 2 x 5 Jahre“ eine von der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung sei.

Dies führt zu der Frage, ob allein der empirische Umstand, dass Optionsrechte in der Praxis in aller Regel (nur) dem Mieter eingeräumt werden, einen hinreichenden Anhaltspunkt für die Auslegung bietet und ein dahin gehender Parteiwille trotz fehlender Angabe des Berechtigten in der Urkunde einen der Schriftform des § 550 BGB genügenden Ausdruck findet. Dies dürfte davon abhängen, ob man eine Verkehrssitte im Sinne einer gleichmäßigen und einheitlichen Übung in bestimmten Verkehrskreisen annimmt, aus der sich ergibt, was nach der üblichen Überzeugung gemäß §§ 133, 157 BGB Vertragsinhalt ist (s. BGH NJW 2010, 1135 Rn 11; NJW 2004, 2961 -juris Rn 16; NJW 2001, 2464 -juris Rn 11), oder ob man in der Angabe des Optionsberechtigten (nicht anders als etwa in der Angabe des Optionszeitraums, s. BGH NJW-RR 1987, 1227 -juris Rn 14 f.) gerade das Element sieht, das der Disposition der Parteien unterliegt, und das daher in der Urkunde selber bestimmbar ausgewiesen sein muss.

Fraglich, für den vorliegenden Rechtsstreit aber ohnehin nicht erheblich, ist weiter die Folge eines die Optionsregelung betreffenden Formmangels, nämlich ob bereits der Ursprungsmietvertrag in der Frist des § 580 a Abs. 2 BGB kündbar ist, oder etwa eine Kündigung wegen Anwendung von § 550 S. 2 BGB erst zum Ablauf eines Jahres nach Beginn des Optionszeitraums möglich ist (vgl. BGH NJW-RR 1987, 1227 -juris Rn 18), womit die Kündigung vorliegend erst zum 31.10.2021 wirksam wäre.

Ob eine Kündigung wegen unvollständiger Beurkundung der Optionsabrede gemäß §§ 550, 580 a Abs. 2 BGB begründet wäre, braucht der Senat jedoch nicht zu entscheiden, weil die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs in den Monaten November 2020 bis Januar 2021 greift (s.u. zu IV.).

III. Zur fristlosen Kündigung im Schriftsatz vom 13.05.2020 wegen Zahlungsverzugs in April und Mai 2020:

Die Kündigung ist schon wegen des Kündigungsmoratoriums nach Art 240 § 2 Abs. 1, 4 EGBGB ausgeschlossen, wonach der Vermieter – bis zum 30.06.2022 – ein Mietverhältnis nicht allein aus dem Grund kündigen kann, dass der Mieter die Miete im Zeitraum April bis Juni 2020 nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie „beruht“.

Maßgeblich ist der signifikante Wegfall von Einnahmen infolge der Pandemie (s. OLG Nürnberg GE 2020, 1625 -juris Rn 16; Illner/Beneke in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB, 4. Aufl., Art 240 § 2 EGBGB Rn 5; beckOKG/Geib, 1.1.21, Art 240 § 2 EGBGB Rn 28 f.). Die Nichtzahlung „beruht“ schon dann auf der Pandemie, wenn sie deren unmittelbare oder mittelbare Folge ist und ohne die Pandemie nicht eingetreten wäre (Geib a.a.O., Rn 30). Weder dem Wortlaut noch der Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, dass der (befristete) Kündigungsausschluss notwendig davon abhängt, dass der Mieter kein Vermögen hat, aus dem er die Zahlung erbringen könnte (s. OLG Nürnberg a.a.O., Rn 16 mit Hinweis darauf, dass Mitursächlichkeit der Pandemie genügt; MüKo/Häublein, EGBGB, 1. Aufl. 2020, Art 240 § 2 Rn 19). Ein Einsatz von Vermögen ist vom Mieter unter Abwägung der Interessen von Mieter und Vermieter und dem Schutzzweck des Art 240 § 2 EGBGB nur zu fordern, wenn es – in den Monaten April bis Juni 2020 – liquide vorhanden ist und sein Einsatz dem Mieter unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Unsicherheiten der Pandemiezeit und seinem Interesse am Unternehmensfortbestand zuzumuten ist; eine Pflicht, sogleich alle Reserven aufzubrauchen, um die Miete zu bezahlen, kann damit nicht angenommen werden (vgl. beckOKG/Geib, a.a.O., Rn 35; Illner/Beneke a.a.O., Rn 6; Häublein a.a.O., Rn 20).

Dem entspricht auch die Gesetzesbegründung, wonach der Zusammenhang zwischen Pandemie und Nichtleistung regelmäßig mit Hinweis darauf glaubhaft gemacht werden kann, dass der Betrieb durch Bekämpfungsmaßnahmen erheblich eingeschränkt wurde, wobei der Fall der Untersagung touristischer Übernachtungen in Hotels ausdrücklich hervorgehoben wird (BT-DrS 19/18110, S. 37).

Vorliegend sind die Voraussetzungen des Art 240 § 2 EGBGB gegeben. Der Zusammenhang von Pandemie und Nichtleistung der Mieten ist durch Vorlage des Monatsreporting 2020 glaubhaft gemacht, wonach (für beide seit 2020 betriebenen Hotels zusammen) die Umsatzerlöse in April und Mai 2020 je ca. 3.500 € betrugen, während sie im Februar bei ca. 130.000 € und im März bei ca. 88.000 € lagen. Dass ab 23.03.2020 touristische Übernachtungen untersagt waren, ist unstreitig.

Der Einwand des Klägers, zwischen dem touristischen Verbot und der Fälligkeit der Aprilmiete hätten nur 10 Tage gelegen und die Aprilmiete habe also verfügbar sein müssen, da nicht davon auszugehen sei, dass der Beklagten in diesen 10 Tagen „das Geld ausgegangen“ sei, überzeugt nicht. Maßgeblich ist, dass im Zeitpunkt der Fälligkeit die Beschränkung galt, die Nutzbarkeit der Mieträume gegen Null ging und abzusehen war, dass die Miete im April nicht erwirtschaftet werden konnte. Auch insoweit „beruhte“ die Nichtleistung auf den Auswirkungen der angeordneten staatlichen Maßnahmen.

IV. Zur fristlosen Kündigung in der Berufungserwiderung vom 13.01.2021 wegen Zahlungsverzugs November 2020 bis Januar 2021:

1) Die neue Kündigung stellt einen neuen Streitgegenstand dar (s. BGH NZM 2020, 1111 Rn 29; BGHZ 204, 134 = NJW 2015, 1296 Rn 14), der zu berücksichtigen ist, da er innerhalb der Anschlussberufungsfrist (§ 524 Abs. 2 S. 2 ZPO) eingeführt wurde (s. BGH NJW 2019, 2308 Rn 34; NJW 2008, 1953 Rn 13).

Die Voraussetzungen des § 533 ZPO liegen vor. Die Zulassung der Klageänderung ist im Interesse der endgültigen Beilegung des Streits der Parteien sachdienlich (§ 533 Nr. 1 ZPO), und die Klageänderung kann auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Denn es ist unstreitig (s. Schriftsatz des Klägers vom 13.01.2021, S. 7 und der Beklagten vom 10.02.2021, S. 5), dass gegenüber der vereinbarten Miete von mtl. 15.000 € zzgl. 19 % MWSt. = 17.850 € eine rechnerische Unterzahlung von mtl. 14.500 € zzgl. 19 % MWSt. = 17.255 € vorlag.

2) Die Kündigung ist nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit a i.V.m. § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB analog und § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. b BGB begründet.

Der kündigungsrelevante Zahlungsrückstand (mehr als eine Monatsmiete in zwei aufeinanderfolgenden Monaten oder zwei Monatsmieten im Gesamtzeitraum) ist erreicht, auch wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, dass sie im gesamten Zeitraum vom 01.11.2020 bis 31.01.2021 wegen staatlicher Pandemiebekämpfungsmaßnahmen an der vertragsgemäßen Nutzung des Hotels (zur Beherbergung von Touristen) gehindert war.

a) Die Miete ist nicht nach § 536 BGB gemindert. Das Gewährleistungsrecht ist in Fällen der pandemiebedingten Geschäftsschließung nicht einschlägig (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.02.2021 – 7 U 109/20, juris Rn. 15 ff.; LG Zweibrücken, Urteil vom 11.09.2020 – HK O 17/20, juris Rn. 40 ff.; LG Frankfurt a. M., Urteil vom 02.10.2020 – 2-15 O 23/20, Grundeigentum 2020,1495, Rn. 23 ff.; LG München II, Urteil vom 06.10.2020 – 13 O 2044/20, BeckRS 34263 Rn. 19 f.; LG Mönchengladbach, Urteil vom 02.11.2020 – 12 O 154/20, juris Rn. 18 ff.; LG Wiesbaden, Urteil vom 05.11.2020 – 9 O 852/20, MDR 2021,28, Rn. 13 ff.; LG Stuttgart, Urteil vom 19.11.2020 – 11 O 215/20, BeckRS 2020, 32275 Rn. 15 ff.; Artz/Streyl in: Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 1. Auflage 2020 Rn. 72; grds. Leo/Götz NZM 2020, 402, 403; grds. Lützenkirchen MietRB 2020, 111, 112; Martens in: Beck OGK, Stand 01.01.2021, BGB, § 313, Rn 242; Zehelein NZM 2020, 401; a.A. für Minderung: LG München I, Urteil vom 22.09.2020 – 3 O 4495/20, juris Rn. 17 ff.; LG Kempten, Urteil vom 07.12.2020 – 23 O 753/20, BeckRS 2020, 37736 Rn. 21 ff.; Bieber GE 2020, 657, 658; tendenziell Geib in: BeckOGK/Geib, Stand: 01.01.2021, Art. 240 EGBGB § 2 Rn. 16).

Ein Mangel der Mietsache, der gemäß § 536 BGB bei Aufhebung oder erheblicher Minderung ihrer Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch eine Mietminderung begründet, liegt vor, wenn ihr tatsächlicher vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht, welcher sich in erster Linie nach den (auch konkludenten) Beschaffenheitsvereinbarungen der Vertragsparteien bestimmt und auch Umstände umfassen kann, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken. Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt (BGH, Urteil vom 19.12.2012 -VIII ZR 152/12, MDR 2013, 262, Rn. 8).

Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Gebrauchsbeschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch eines Mietobjekts entgegenstehen, begründen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann einen Sachmangel, wenn sie unmittelbar auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Sache beruhen und nicht auf persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters. Der Vermieter von Gewerberäumen ist gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB lediglich verpflichtet, den Mietgegenstand während der Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Das Verwendungsrisiko trägt dagegen grundsätzlich der Mieter (BGH, Urteil vom 13.07.2011 – XII ZR 189/09, NJW 2011, 3151 Rn 8 f. mwN).

Danach liegt hier kein Sachmangel vor, weil die hoheitlichen Maßnahmen wegen der Pandemie (wie in der Regel) nicht an die baulichen Gegebenheiten der Mietsache anknüpfen, sondern an die Nutzungsart und den sich daraus ergebenden Publikumsverkehr, der Infektionen begünstigt. Das Mietobjekt ist nach Beschaffenheit und Lage für den vereinbarten Zweck weiterhin geeignet.

b) Ist die Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters in der beschriebenen Weise begrenzt, so verstößt der Mietvertrag weder im Sinne von § 134 Abs. 1 BGB gegen ein Verbotsgesetz noch liegt Unmöglichkeit im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB vor (ebenso OLG Karlsruhe aaO,. R. 18 f.), welche die Mietzahlungspflicht gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB entfallen ließe (vgl. LG Frankfurt a.M., Urteil vom 02.10.2020 – 2-15 O 23/20, aaO, Rn 27 f.). Abgesehen davon käme § 536 BGB bei nach Übergabe entstandenen Mängeln Vorrang zu (vgl. Emmerich in: Staudinger, BGB, Bearb. 2018, vor § 536 Rn 48, 59; Häublein in: Münchener Kommentar zum BGB, vor § 536 R.7; Weidenkaff in: Palandt, BGB, 80. Auflage, § 536 Rn 7).

c) Ein Anspruch aus § 313 BGB auf Vertragsanpassung hinsichtlich der Miethöhe wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage kann dem Mietzahlungsanspruch einredeweise entgegengehalten werden (BGH, NJW 2010, 1663 Rn. 16) und ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil in Art. 240 EGBGB § 2 nur ein Kündigungsmoratorium geregelt wurde (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 24.02.2021 – 5 U 1782/29, Rn 27 mwN; OLG München, Beschluss vom 17.02.2021 – 32 U 6358/29, Rn 16ff.).

aa) Bezugsgröße für die Ermittlung des in § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB genannten Rückstands ist im Fall der nach § 313 BGB herabgesetzten Miete – nicht anders als bei einer kraft Gesetzes nach § 536 BGB eintretenden Minderung, dazu BGH NJW 2018, 939 Rn 19 – die ungeminderte vereinbarte Monatsmiete und nicht der objektiv begründete herabgesetzte Betrag (a.A. LG Krefeld GE 2021, 1125 -juris Rn 45). Anderenfalls würde der Mieter, der tatsächlich begründete Einwendungen hat, diese jedoch überzieht, durch eine leichtere (und ggf. kaum vorhersehbare) Kündbarkeit „bestraft“. Es erscheint nicht einleuchtend und nicht gerecht, etwa bei Annahme einer um 50 % herabgesetzten Miete die Nichtzahlung der übrigen Hälfte als „100%igen“ Zahlungsrückstand anzusehen, mit der Folge, dass die Kündbarkeit erheblich leichter eintreten würde, als es bei gänzlich fehlenden Einwendungen der Fall wäre.

bb) Die Geschäftsgrundlage wird gebildet durch die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, beim Vertragsschluss aber zutage getretenen, dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen des eigenen Vertragsteils oder durch die gemeinsamen Vorstellungen beider Teile vom Vorhandensein oder künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille auf diesen Vorstellungen aufbaut (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2019 – VIII ZR 234/18, NZM 2020, 322; BGH, Urteil vom 24.03.2010 – VIII ZR 160/09, NJW 2010, 1663, Rn 17). Zur Geschäftsgrundlage der Parteien als Vermieter und Mieterin von Geschäftsräumen zur Nutzung als Hotel gehörte danach die Vorstellung, dass es nicht zu einer Pandemie mit weitgehender Stilllegung des öffentlichen Lebens infolge pandemiebedingter Nutzungsuntersagungen und -beeinträchtigungen kommen würde, so dass das Auftreten der Pandemie mit den entsprechenden weitreichenden staatlichen Eingriffen in das wirtschaftliche und soziale Leben eine schwerwiegende Änderung der für die Vertragslaufzeit vorgestellten Umstände bedeutet und damit das reale Element der Störung der Geschäftsgrundlage verwirklicht (vgl. OLG Dresden, aaO, Rn 37 mwN; ferner – auch zum Folgenden – Senat, Urt. v. 01.04.2021 -8 U 1099/20, juris Rn 103 ff).

Die Beklagte konnte die Räume, die sie vor Beginn der Covid-Pandemie gemietet hatte, durch das Verbot der Beherbergung von Touristen nicht in der vertraglich vorgesehenen Weise für ihr Gewerbe nutzen.

Das hypothetische Element ist erfüllt, wenn die vertragsschließenden Parteien bzw. eine der Parteien den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die Veränderung der Umstände, welche zur Geschäftsgrundlage gehören, vorhergesehen hätten (vgl. MüKo-BGB/Finkenauer, 8. Aufl., § 313 BGB Rn 58).

Es liegt nahe, dass die Vertragsparteien, wenn sie die Veränderung vorhergesehen hätten, den Mietvertrag mit anderem Inhalt geschlossen hätten (BT-Drs. 19/25322 aaO; Artz/Streyl aaO, Rn. 77), wenngleich sich im Einzelfall aus den vertraglichen Regelungen ein anderer Parteiwille ergeben kann (BT-Drs. 19/25322 a.a.O. unter Verweis auf LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020 – 5 O 66/20 zu sechsmonatigem Kündigungsrecht bei wesentlicher Änderung der Verkehrs-/Einzelhandelssituation).

Es ist zu vermuten, dass eine Mietabsenkung für den Zeitraum eines mehrmonatigen Beherbergungsverbots für Touristen vereinbart worden wäre, wenn die Parteien die Beschränkungen im Zuge der Covid-Pandemie vorhergesehen hätten (hypothetisches Element).

Kernfrage im Rahmen von § 313 Abs. 1 BGB ist das normative Element, nämlich ob einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Dagegen spricht zunächst, dass das Verwendungsrisiko grundsätzlich beim Mieter liegt (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2011 – XII ZR 189/09, aaO, Rn 8f.). Denn für eine Berücksichtigung der Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ist grundsätzlich insoweit kein Raum, als es um Erwartungen und um Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollen. Eine solche vertragliche Risikoverteilung bzw. Risikoübernahme schließt für die Vertragspartei – abgesehen von extremen Ausnahmefällen, in denen eine unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existenziell bedeutsamen Folgen für eine Partei eintritt – regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (BGH, Urteil vom 23.10.2019 – XII ZR 125/18 – BGHZ 223, 290 Rn. 37 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 16.02.2000 – XII ZR 279/97 – NJW 2000, 1714).

Es geht hier aber nicht um ein „normales“ Risiko der Gebrauchstauglichkeit bzw. Verwendung des Mietobjekts, sondern um weitgehende staatliche Eingriffe in das soziale und wirtschaftliche Leben aufgrund einer Pandemie, die als Systemkrise eine Störung der großen Geschäftsgrundlage ist. Das mit der Störung der großen Geschäftsgrundlage verbundene Risiko kann regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden (vgl. OLG Dresden, aaO, Rn 40; LG Mönchengladbach, Urteil vom 02.11.2020 – 12 O 154/20, Rn 41). Der aufgrund der Pandemie staatlich angeordnete Shutdown stellt einen derart tiefgreifenden, unvorhersehbaren, außerhalb der Verantwortungssphäre beider Vertragsparteien liegenden und potentiell existenzgefährdenden Eingriff in die im Vertrag vorausgesetzte Nutzungsmöglichkeit dar, dass – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – die Nachteile solidarisch von beiden Vertragsparteien zu tragen sind und die Miete bei vollständiger Betriebsuntersagung zur Hälfte zu reduzieren ist (so OLG Dresden, aaO, Rn 44; Senat, Urt. v. 01.04.2021 -8 U 1099/20, juris Rn 110; LG München I, Urteil vom 05.10.2020 – 34 O 6013/20 juris Rn. 37; LG Mönchengladbach a.a.O. Rn. 45; Artz/Streyl a.a.O. Rn. 80 ff., 93).

Die Beschränkungen im Zuge der Covid-Pandemie stellen einen extremen Ausnahmefall im Sinne der zitierten BGH-Rechtsprechung dar, auch wenn man ältere Entscheidungen zum Vergleich heranzieht. So ist ein Wegfall der Geschäftsgrundlage für einen Mietvertrag über ein Schuhgeschäft auf dem Gelände eines ehemaligen Energiekombinats wegen eines beabsichtigten Kraftwerkneubaus bejaht worden (BGH ZMR 1996, 309 Rn. 30 f.) und für einen Pachtvertrag wegen abgeschnittenen Milchbezuges aus der Sowjetischen Besatzungszone immerhin in Betracht gezogen und offengelassen worden (BGH NJW 1958, 785). Eine Halbierung der Mietbelastung bei völliger Betriebsuntersagung steht auch im Einklang dazu, dass einem Reiseveranstalter nach Kündigung wegen höherer Gewalt, nämlich dem Tschernobyl-Unglück, gegenüber dem Reisenden ein hälftiger Anspruch auf Hotel-Stornokosten analog § 651j Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. zugesprochen wurde (BGH NJW 1990, 572).

Es ist für einen Anspruch aus § 313 BGB nicht unabdingbar, dass eine konkrete Existenzbedrohung für den Mieter anhand seiner betriebswirtschaftlichen Daten positiv festgestellt wird, sondern es sind die „unter Umständen existenziell bedeutsame Folgen“ im Sinne der BGH-Rechtsprechung zu vermuten, wenn eine angeordnete Schließung oder eine Betriebseinschränkung, die – wie hier – einer Schließung nahe kommt, einen Monat oder länger andauert (ebenso Artz/Streyl a.a.O. Rn. 79).

cc) Der Anspruch auf Mietanpassung wegen einer untragbaren Unzumutbarkeit für den Mieter setzt jedoch voraus, dass die Unzumutbarkeit auch unter Berücksichtigung von ersparten Aufwendungen und anderweitigen Einnahmen, insbesondere staatlichen Hilfen, besteht (s. dazu Senat, Urt. vom 01.04.2021, a.a.O., Rn 113; OLG Frankfurt, Urt. v. 17.09.2021 -2 U 147/20, juris Rn 78 und Urt. v. 19.03.2021 -2 U 143/20, juris Rn 58; OLG Köln, Beschl. v. 31.05.2021 -22 U 205/20, juris Rn 28, 35 betr. fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs mangels Vortrags des Mieters zu staatlichen Hilfen; OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.02.2021 -7 U 109/20, juris Rn 27; BeckOK BGB/Zehelein, Stand 1.2.2021, § 535 Rn 520a; s.a. BT-DrS 19/25322, S. 21).

Der Senat vermag der Ansicht der Beklagten nicht zu folgen, dass in einer „ersten Stufe“ die Miete hälftig zu teilen sei, und staatliche Hilfen nur in einer „zweiten Stufe“ insoweit relevant sein sollen, als sie den (Gesamt-)Verlust des Mieters unter den Betrag der hälftigen Mietsenkung drücken (so unter Hinweis auf die Kommentierung ihres Prozessbevollmächtigten in BeckOK MietR/M. Schultz, 25. Ed. 1.8.2021, EGBGB Art. 240 § 7 Rn 18).

Der Senat ist der Auffassung, dass staatliche Hilfen, auch wenn sie nach dem Zuwendungsverhältnis nicht zweckgebunden sein mögen (vgl. BGH, Beschl. v. 10.03.2021 -VII ZB 24/20, juris Rn 11; BFH, Beschl. v. 09.07.2020 -VII S 23/20 (AdV), juris Rn 27), vom Mieter – anteilig neben der Abdeckung anderer Betriebskosten – für die Mietzahlung zu verwenden sind und der Mieter sich gegenüber dem Vermieter nur auf eine Unzumutbarkeit der gleichwohl verbleibenden Mietbelastung berufen kann.

Abgesehen davon, dass der Kündigungstatbestand des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit a BGB (i.V.m. § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB) nur dann entfallen würde, wenn die Miete für November 2020 bis Januar 2021 um mehr als 46,66 % reduziert wäre (unschädlich wäre ein Zahlungsrückstand von 7.500 € / 15.000 € – jeweils netto – ; angesichts gezahlter 500 € müsste die Mietreduzierung somit mindestens 7.000 € / 15.000 € ausmachen), ist ein Anspruch auf Mietanpassung von der Beklagten bereits nicht schlüssig dargetan.

Denn sie hat im Termin am 04.11.2021 nach intensiver Erörterung letztlich vorgetragen, dass Ende Dezember 2020 an sie eine staatliche Hilfszahlung von 195.764,86 € erfolgt ist (s. a. Monatsreporting für 2020 in Anlage 1 zum Schriftsatz vom 02.03.2021, unter „sonstige neutrale Erträge“). Selbst wenn man ihrem Vortrag folgend die Hilfszahlung auf ihre beiden nach ihrer Angabe etwa gleich großen Hotels aufteilt, verbleibt eine Hilfszahlung für das vorliegende Objekt von knapp 98.000 €, welche die angegebenen negativen Betriebsergebnisse für November und Dezember 2020 (11.880,56 € bzw. 3.626,78 €) mehr als abdeckt, auch wenn man die vereinbarte Miete (und nicht nur die angegebenen Raumkosten von 2.598,32 € bzw. 96,19 €) einrechnet. Zahlen für Januar 2021 trägt die Beklagte nicht vor. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die Aufbringung der Gesamtmiete im Zeitraum November 2020 bis Januar 2021 (zusammen: 53.550 €) für die Beklagte zu einem untragbaren Ergebnis geführt hätte und im Zeitpunkt der Kündigung vom Januar 2021 ein Anspruch auf Vertragsanpassung für diesen Zeitraum bestand.

Nicht ausreichend ist für einen Anspruch auf Mietreduzierung nach § 313 BGB, dass die Aufstellung Anlage 1 zum Schriftsatz vom 02.03.2021 einen Jahresverlust von ca. 318.000 € (offenbar wiederum für beide Hotels) ausweist. Eine Anpassung der Miete ist nur für die konkreten Zeiträume möglich, in denen die Miete wegen pandemiebedingter staatlicher Bekämpfungsmaßnahmen und damit unmittelbar verbundener Betriebsbeeinträchtigungen nicht erwirtschaftet werden kann. Insoweit kommt im Übrigen auch die von der Beklagten angestellte Gesamtbetrachtung für den Zeitraum März 2020 bis Januar 2021 unter Ansatz einer durchgehenden hälftigen Mietreduzierung (s. Schriftsatz vom 10.02.2021, S. 5) nicht in Betracht. Die Beklagte war in der Verwendung der staatlichen Hilfe dem Kläger gegenüber nicht frei (s.o.), erst recht konnte sie diese nicht zum Ausgleich eines beliebigen Jahresverlustes einsetzen.

Im Übrigen kann der (von der Klägerin bestrittene) Vortrag der Beklagten, nur die genannte Unterstützung erhalten zu haben, gemäß § 296 Abs. 2, § 525 Satz 1 ZPO nicht berücksichtigt werden. Es war grob nachlässig, hierzu erst in der mündlichen Verhandlung am 04.11.2021 vorzutragen. Der Ausweisung „sonstiger neutraler Erträge“ im genannten Monatsreporting, die im Schriftsatz vom 02.03.2021 auch nicht angesprochen wurde, war kein Sachvortrag zu staatlicher Unterstützung zu entnehmen. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 09.03.2021 fehlenden Vortrag der Beklagten zu staatlicher Förderung gerügt. Der Senat hat mit Beschluss vom 11.03.2021 darauf hingewiesen, es bleibe zu prüfen, in welchem Umfang staatliche Unterstützungsleistungen an die Beklagte erfolgt sind, und den Parteien mit Verfügung vom gleichen Tage Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen eingeräumt. Dass staatliche Hilfen grundsätzlich zu berücksichtigen sind, hat sowohl die von der Beklagten mehrfach in Bezug genommene Bundestags-Drucksache 19/25322 als auch das Urteil des Senats vom 01.04.2021 – 8 U 1099/20 – (juris Rn. 133) ausgesprochen. Zu diesem zentralen Punkt trotz Aufforderung des Senats nicht vorzutragen, war grob nachlässig, d. h. die prozessuale Sorgfalt ist in ungewöhnlich großem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet gelassen worden, was jedem, der einen Prozess führt, hätte einleuchten müssen (vgl. BGH NJW 1987, 501 juris Rn. 14). Die Beklagte hat die Verspätung ihres Vorbringens auf diesbezüglichen Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung nicht entschuldigt. Dem Vorbringen nachzugehen, nämlich der Beklagten Gelegenheit zu geben hierfür Beweis anzutreten und diesen ggf. zu erheben, würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögern.

d) Die Beklagte war schuldhaft in Zahlungsverzug. Auf ihre finanzielle Leistungsfähigkeit kommt es dabei nicht an (vgl. BGH NJW 2015, 1296 Rn. 18 m. w. N.). Die erfolgten Mietkürzungen trotz staatlicher Unterstützung lassen sich nicht ausnahmsweise durch einen unverschuldeten Rechtsirrtum (vgl. BGH NJW 2014, 2717 Rn. 34 ff. m. w. N.) entschuldigen. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte anwaltlich vertreten war.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Es gibt keinen Grundsatz, dass die Miete wegen pandemiebedingter Beeinträchtigungen des Gewerbemieters trotz staatlicher Hilfszahlungen nach § 313 BGB hälftig zu reduzieren ist, und es ist auch nicht ersichtlich, dass der Senat mit seiner Entscheidung von anderen Gerichtsentscheidungen abweicht.

Einer Aufhebung des Beschlusses vom 11.03.2021 betreffend die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Landgerichtsurteil (§§ 719, 707 ZPO) bedarf es nicht, weil der Beschluss mit der Verkündung des Urteils des Senats ohne Weiteres wirkungslos wird (s. Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 719 Rn 10 und § 707 Rn 20).

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!