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Mietminderungsrecht bei fahrlässig verursachtem Wohnungsbrand

AG Pankow-Weißensee, Az.: 102 C 202/14, Urteil vom 15.01.2015

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.359,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 6.2.2014 zu zahlen. Die Widerklage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 13 %‚ die Beklagte 87 %.

Das Urteil ist für die Beklagte ohne, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 % vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10% leistet.

Tatbestand

Mietminderungsrecht bei fahrlässig verursachtem Wohnungsbrand
Foto: bannafarsai/ Bigstock

Auf den Mietvertrag der Parteien vom 20.4.14 wird verwiesen. Das Mietverhältnis ist inzwischen beendet. Mit der Klageschrift vom 18.6.14, die am 8.8.14 zugestellt wurde, klagte die Klägerin als Vermieterin 780,46 EUR nebst Zinsen ein, wovon die Beklagte als Mieterin 109,48 EUR unter Protest gegen die Kostenlast anerkannte, so dass insofern ein Anerkenntnisteilurteil erging. Im Übrigen schlossen die Parteien – bis auf die später klageerweiternd geltend gemachten Forderungen – einen Teilvergleich, wonach die Beklagte an die Klägerin 182,58 EUR zu zahlen hatte und bzgl. des Teilanerkenntnisses den Protest gegen die Kostenlast fallen ließ. „Über die Kosten im Übrigen soll das Gericht nach Obsiegen und Unterliegen entscheiden und eine entsprechende Kostenquote bilden.“ Wegen der Zahlung der E.-Versicherung in Höhe von 109,48 EUR am 15.7.14 meint die Klägerin, dass insofern Erledigung eingetreten sein dürfte. Am Abend des 21.9.13 beschädigte ein Schwelbrand im Wohnzimmer des Mietobjekts während der Abwesenheit der Beklagten die Wohnung vor allem im Wohnzimmer erheblich und vernichtete weite Teile des Inventars, wobei sich bei Ausbruch des Brandes nur der Hund im Mietobjekt befand. Die gegen 20 h heimkehrende Tochter der Beklagten entdeckte den Brand und verständigte die Feuerwehr. Die Wohnung war infolge des Brandes nicht mehr nutzbar.

Die Beklagte zahlte die monatliche Miete von 1.043,98 EUR im Zeitraum 10/13 bis 2/14 nicht, woraus sich die Summe von 5.219,90 EUR ergibt, die die Klägerin gegen die Kaution in Höhe von 2.441,35 EUR und das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2012 über 418,75 verrechnete und zwar auf die ältesten Forderungen.

Sie behauptet unter Bezugnahme auf den Bericht des LKA vom 5.12.13 (siehe Bl. 134 ff. d.A.), die Beklagte habe den Brand zu verantworten, zumal der Brand von selbst nicht ausgelöst worden sei gem. Brandgutachten vom 5.12.13 bzw ihre volljährige Tochter habe den Brand und damit den Feuerschaden in der Wohnung verursacht, indem sie vergessen habe, eine Kerze auf dem Esstisch auszumachen nach dem Spurenbild beim Verlassen des Hauses. Vermutlich habe der Hund die Kerze umgekippt (mit Nichtwissen bestritten).

Die Klägerin meint, ihr würden noch folgende Mieten zustehen: 1+2/14 jeweils voll, sowie 12/13 271,84 EUR netto anteilig, da die Beklagte nicht habe mindern dürfen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, weitere

2.359,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.2.14 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klageerweiterung abzuweisen und im Wege der Widerklage, die Klägerin zu verurteilen, an sie

1. 2.860,10 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz darauf ab Zustellung der Widerklage zu zahlen;

2. 127,80 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz darauf ab Zustellung der Widerklage zu zahlen sowie

3. die Klägerin zu verpflichten, zu Händen der Rechtsschutzversicherung der Klägerin, der A. Rechtsschutz-Versicherungs-AG zu deren Aktenzeichen 10 024378 14 X, einen Betrag in Höhe von 436,86 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz darauf ab Zustellung der Widerklage zu zahlen.

Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, Kerzen auf dem Esstisch hätten nicht gebrannt als die Tochter die Wohnung verlassen habe, der der Gebrauch nicht im Sinne von § 540 BGB überlassen worden sei, so dass die Gebrauchsüberlassung vorsorglich bestritten werde und meint, ihr würde ein Minderungsrecht von 100 % zustehen, da sie nicht für den Brand und die Unbenutzbarkeit der Wohnung verantwortlich sei, weshalb die Klägerin ihr die Kaution in Höhe 2.441 ‚35 EUR und das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2012 in Höhe von 418,75 EUR schulde und ihr bzw. der Versicherung die Gebühren für die außergerichtliche Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten (siehe Anlage B 13) zur Ablehnung der Forderungen gem. Schreiben der Hausverwaltung der Klägerin vom 4.2.14 (siehe Anlage B 12), wobei von den anwaltlichen Gebühren in Höhe von 564,66 EUR die Rechtsschutzversicherung 436,86 EUR und die Beklagte 127,80 EUR gezahlt habe. Weder die Tochter noch deren Freund hätten den Brand verursacht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist hinsichtlich der Klageerweiterung, über die noch zu entscheiden war, begründet. Die gem. § 33 ZPO zulässige Widerklage ist unbegründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf die offenen Mieten für die Monate 12/13 (271,84 EUR netto) und 1+2/14 (2x 1043,98 EUR) als Miete gem. § 535 BGB zu, weil die Beklagte nicht berechtigt war, die Miete zu mindern nach § 536 BGB, da sie gem. § 326 Abs. 2 S. 1‚ 1. Alt. BGB weit überwiegend für den Brandschaden verantwortlich ist, zumal ihr das Verschulden ihrer Tochter gem. § 540 Abs. 2 BGB bei Entstehung des Brandes zuzurechnen ist, hat sie doch ihrer Tochter als Dritter den Gebrauch am Mietobjekt überlassen, was sie nicht erheblich bestritten hat, da offen bleibt, wie die Tochter den Wohnungsbesitz erlangt hat. Ein Verschulden ist gem. § 276 BGB bereits bei einfacher Fahrlässigkeit zu bejahen. Abweichend vom Strafrecht (siehe auch www.strafrechtsiegen.de) gilt im BGB kein individueller, sondern ein auf die allgemeinen Verkehrsbedürfnisse ausgerichteter objektiv-abstrakter Sorgfaltsmaßstab. Erforderlich ist das Maß an Umsicht und Sorgfalt, das nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger des in Betracht kommenden Verkehrskreises zu beachten ist. Ausweislich des vorgelegten Brandgutachtens des LKA lässt das Spurenbild nur den Schluss zu, dass der Brand ursächlich von Kerzen auf dem Esstisch herrührte. Diesen Anscheinsbeweis hat die Beklagte nicht dadurch erschüttert, dass sie unter Beweisantritt behauptet, ihre Tochter habe die Kerzen vor dem Verlassen der Wohnung gelöscht und weder ihre Tochter noch deren Freund hätten den Brand verursacht, zumal dies eine Behauptung ins Blaue hinein ist. Denn selbst wenn man das Löschen der Kerze als wahr unterstellte, so muss die Tochter dabei die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen haben, so dass der Brand dann durch von der Tochter unbemerkten Funkenflug entstanden sein muss, der logischerweise nur dann zu dem Brand geführt haben kann, wenn leicht entzündliches Material in der Nähe war oder dadurch, dass der allein in der Wohnung zurückgelassene Hund gegen den Tisch gestoßen ist, so dass die am Docht nach dem Ersterben der Flammen noch glimmenden Kerzen umgefallen und sich auf diese Weise der Schwelbrand entwickeln konnte. Die Brandgefahr war auch vorhersehbar, da jedermann weiß, dass beim Ausblasen von Kerzen Funkenflug entstehen kann und zur Sicherheit immer der Docht gelöscht werden muss, was um so mehr gelten dürfte, wenn ein Tier allein unbeaufsichtigt in der Wohnung zurückgelassen wird. Die erwachsene Tochter der Beklagten hätte den Eintritt des schädigenden Erfolgs ohne weiteres vermeiden können, wenn sie die Kerzen sorgfältiger gelöscht bzw. hinterher zumindest durch einen Kontrollblick sichergestellt hätte, dass kein unbemerkter Funkenflug Feuer verursachen kann. Die Brandgefahr war jedenfalls vorhersehbar, da jedermann weiß, welche Gefahr nachglimmende Dochte in Gegenwart von Tieren bzw. Funkenflug beim Ausmachen von Kerzen mit sich bringen kann. Dass die Tochter beim Löschen der Kerzen nicht mit ausreichender Sorgfalt gehandelt hat, belegt das Gutachten, dass eine andere Ursache als die Kerzen auf dem Esstisch für die Entstehung des Brandes logisch nachvollziehbar ausschließt.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB i.V.m. § 4 des Mietvertrages.

Hingegen ist der mit der Widerklage verfolgte Kautionsrückzahlungsanspruch (2441‚35 EUR) und das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung (418,75 EUR) gem. § 4 Abs. 2, § 5 des Mietvertrags bzw. § 812 BGB durch die Aufrechnungserklärung der Klägerin mit offenen Mieten gem. §§ 387 ff. BGB erloschen. Denn die Klägerin hat wirksam mit den unbezahlten Mieten für die Monate 10+11/13 (2x 1043,98) und anteilig 12/13 (772,14 EUR) die Aufrechnung gegen die Widerklageforderungen erklärt. Ein Minderungsrecht gem. § 536 BGB bestand nämlich nicht, weil die Beklagte sich das fahrlässige und insofern schuldhafte Verhalten ihrer Tochter gem. § 540 Abs. 2 BGB zurechnen lassen muss, ohne den der zur Minderung berechtigende Mangel nie eingetreten wäre, vgl. zuvor.

Ein Anspruch auf die mit der Widerklage verfolgten Nebenforderungen gem. § 280 i.V.m. RVG; VV RVG; §§ 291, 288 BGB scheitert mangels Anspruchs auf die Hauptforderungen der Widerklage und deshalb weil die von der Hausverwaltung angemahnten Mieten tatsächlich zu zahlen waren, vgl. insofern die obigen Ausführungen zur Klage und Widerklage.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO bzw. gem. der Einigung im Teilvergleich nach Obsiegen und Unterliegen, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11‚ 711; 709 ZPO. Wegen der Zahlung der E.-Versicherung in Höhe von 109,48 EUR am 15.7.14 ist entgegen der Ansicht der Klägerin keine Erledigung eingetreten, so dass sie insofern unterlegen wäre, da § 91a ZPO auf Erledigungen vor Rechtshängigkeit nicht anwendbar ist und mangels anteiliger Klagerücknahme diese Teilforderung schon bei Klagezustellung wegen Erfüllung abzuweisen gewesen wäre.

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