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MietpreisbegrenzungsVO NRW ist nichtig

AG Köln – Az.: 221 C 200/19 –  Urteil vom 19.12.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin, die ###, ist als Rechtsdienstleister bei dem Kammergericht Berlin registriert. Sie geht aus abgetretenen Forderungen eines Mieters vor, dessen Vermieterin die Beklagte ist. Dabei beruft sie sich auf die Vorschriften der sog. „Mietpreisbremse“ gem. § 556d ff. BGB, die in Nordrhein-Westphalen durch die Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit Mietpreisbegrenzung (MietpreisbegrenzungsVO NRW) vom 23.6.2015, vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land NRW Nr. 27 vom 30.6.2015, S. 489, umgesetzt wurde. Zur MietpreisbegrenzungsVO NRW finden sich auf der Homepage des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westphalen unter der Adresse https://www.mhkbg.nrw/themen/bau/wohnen/mieterschutzundwohnungsaufsicht (Stand zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 5.12.2019) die Verordnungsbegründung und ein von der Begründung in Bezug genommenes Gutachten „Grundlagen für die Festlegung der Gebietskulisse einer „Mietbegrenzungsverordnung“ jeweils in einer Kurzfassung und einer Langfassung.

Das streitgegenständliche Mietverhältnis begann am 1.8.2018 und sah eine Nettokaltmiete von 1500 Euro. Mit Schreiben vom 20.2.2019 (Bl. 20) rügte die Klägerin die Höhe der Miete und stellte Mietzahlungen unter Vorbehalt. Die Klägerin verlangt nun für die Mieterseite Auskunft über die Höhe der Vormiete, etwaige Mieterhöhungen für den Vormieter innerhalb des letzten Jahres des Vormietverhältnisses, Auskunft darüber, ob in den letzten drei Jahren vor Beginn des streitgegenständlichen Mietverhältnisses Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden und Auskunft darüber, ob es sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung handelt. Ferner verlangt die Klägerin für einen Monat zuviel gezahlter Miete, die sie mit 454,56 Euro beziffert. Zusätzlich verlangt die Klägerin die Erstattung vorprozessualer Rechtsanwaltsgebühren von 1.166,14 Euro.

Die Klägerin behauptet, die Wohnungsgröße betrage 108qm. Sie ist der Auffassung, die zulässige Höchstmiete pro Monat nach § 556d BGB betrage 1.045,44 Euro, die im Vergleich zur Vertragsmiete um 454,56 Euro monatlich überschritten werde.

Die Klägerin beantragt mit der am 17.7.2019 zugestellten Klage, die Beklage zur Auskunft über folgenden Fragen zu verurteilen:

a) Wie hoch war die Miete, die der vorherige Mieter („Vormieter“) der derzeit durch Herrn U. R. sowie Frau l. B. K. („Mieter“) von der Beklagten angemieteten Wohnung im S. 4, 5… K., EG („Wohnung“) zuletzt schuldete (Vormiete)?

b) Gab es Mieterhöhungen, die mit dem Vormieter innerhalb des letzten Jahres vor Beendigung des Vormietverhältnisses vereinbart worden sind und, falls ja, um welche Beträge wurde die Vormiete jeweils erhöht?

c) Wurden in den letzten drei Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses mit dem Mieter Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b BGB durchgeführt und, falls ja, welcher Betrag einer Mieterhöhung nach § 559 Absatz 1 bis 3 BGB und § 559a Absatz 1 bis 4 BGB hätte sich daraus ergeben?

d) Handelt es sich bei dem gegenständlichen Mietverhältnis um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung gemäß § 556f BGB? sowie die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 454,56 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von EUR 1.166,14 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet die Aktivlegitimation und hält die vereinbarte Miete der Höhe nach für zulässig.

Das Gericht hat die Akte aus dem Parallelverfahren mit dem Az. 221 C 199/19 beigezogen und diese zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. In diesem Verfahren wurde eine amtliche Auskunft des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westphalen eingeholt zu der Frage, wann die Begründung zur MietpreisbegrenzungsVO und die zugrundeliegenden Gutachten veröffentlicht wurden. In einem Schreiben vom 22.11.2019 hat die Ministerin mitgeteilt, dass die Begründung zusammen mit dem Verordnungstext zum 1.7.2015 auf der Homepage eingestellt wurde. Weiter wurde mitgeteilt, dass die Langfassung des Gutachtens zu den „Grundlagen für die Festlegung der Gebietskulisse einer „Mietbegrenzungsverordnung“ (nachfolgend: Gutachten zur Gebietskulisse) am 20.3.2019 auf der Homepage veröffentlicht wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen, insbesondere soweit diese im vorstehenden Text in Klammern zitiert sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Sie scheitert allerdings nicht daran, dass die Klägerin als Inkassodienstleister aus abgetretenem Recht der Mieter vorgeht. Insofern wird auf das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs verwiesen (BGH, Urteil vom 27. November 2019 – VIII ZR 285/18).

Ein Anspruch aus abgetretenem Recht auf Auskunft nach § 556g Abs. 3 BGB oder ein Zahlungsanspruch aus § 556 Abs. 1 S. 3, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB steht der Klägerin aber aus anderen Gründen nicht zu.

Beiden Ansprüchen ist gemeinsam, dass sie gem. § 556d Abs. 1 voraussetzen, dass ein Mietverhältnis über Wohnraum betroffen ist, der in einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt. Wo ein angespannter Wohnungsmarkt vorliegt – was für das Kölner Stadtgebiet offensichtlich zutrifft – ist aber wegen der Grundrechtsrelevanz der Vorschriften über die „Mietpreisbremse“ nicht der Subsumtion des Tatrichters überlassen, sondern muss durch Rechtsverordnung der Landesregierung festgelegt werden, die den Kriterien von § 556d Abs. 2 BGB genügt. Insbesondere bedarf es gem. § 556d Abs. 2 S. 5/6 einer Begründung aus der sich ergibt, auf Grund welcher Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegt. Bloß abstrakte Beschreibungen reichen dabei nicht (vgl. LG München I, Urteil vom 26.12.2017 – 14 S. 10058, außerdem (Börstinghaus, NJW 2018, 665/666, beckonline). Durch die Begründungspflicht soll dem Bürger im Einzelfall die Überprüfung der Rechtsverordnung und ein Verständnis von deren Gründen möglich gemacht werden. Dieser Zweck setzt nicht nur die Begründung selbst, sondern auch ein öffentliches Zugänglichmachen der Begründung voraus (vgl. Schmidt/Futterer, § 556d BGB, Rn. 39).

Eine solche Rechtsverordnung ist in Nordrhein-Westphalen nicht wirksam erlassen worden. Die Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit Mietpreisbegrenzung (MietpreisbegrenzungsVO NRW) vom 23.6.2015, vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land NRW Nr. 27 vom 30.6.2015, S. 489 legt zwar in § 1 fest, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen (u.a.) in Köln besonders gefährdet ist. Die Verordnung wurde auch gem. Art. 80 Abs. 4 Grundgesetz und Art. 71 Abs. 2 Landesverfassung NRW in der o.g. Ausgabe des Gesetz- und Verordnungsblatts verkündet.

Die MietpreisbegrenzungsVO leidet aber ein einem unheilbaren Formfehler, weil sie entgegen § 556d Abs. 2 S. 5/6 nicht zusammen mit einer ausreichenden Begründung bekannt gemacht wurde. In seinem Urteil vom 17.7.2019 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die gesetzliche Vorgabe von § 556d BGB dahingehend auszulegen ist, dass die Landesregierung bei (d.h. zur Zeit der) Veröffentlichung der Rechtsverordnung zur Festlegung von Gebieten mit angespannter Wohnungsmarktlage die zugehörige Begründung veröffentlichen muss (BGH, Urteil vom 17. Juli 2019 – VIII ZR 130/18). Das Nachschieben der Begründung ist unter Transparenz- und Nachvollziehbarkeitsgesichtspunkten aufgrund der Grundrechtsrelevanz der Vorschriften zur Mietpreisbremse nicht zulässig (BGH, aaO, Rn. 41). Bei Fehlen einer wirksamen Begründung zur Zeit des Inkrafttretens ist die Rechtsverordnung nichtig (BGH, aaO, Rn. 42).

So liegt der Fall hier. Dabei kann dahin stehen, ob die Veröffentlichung der Begründung auf der Homepage des Ministeriums bereits kein geeignetes Mittel zur Veröffentlichung der Bekanntmachung ist (offengelassen in BGH, aaO, Rn. 36, 38). Denn jedenfalls scheitert die formgerechte Bekanntmachung der Verordnungsbegründung daran, dass die Landesregierung die zur Zeit des Inkrafttretens der Verordnung keine ausreichende Begründung mit veröffentlicht hat. Diese Tatsache ergibt sich aus der amtlichen Auskunft des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westphalen im beigezogenen Verfahren Az. 221 C 199/19. Aus der Auskunft ergibt sich, dass zur Zeit des Inkrafttretens der MietpreisbegrenzungsVO nur die Begründung selbst und das Kurzgutachten zur Gebietskulisse auf der Homepage des Ministeriums veröffentlicht waren. In Bezug auf die zuletzt genannten Dokumente hat bereits die Parallelabteilung am Amtsgericht Köln, Schlussurteil vom 29.1.2019, Az. 208 C 188/18, entschieden, dass eine ausreichende Begründung nicht vorliegt, weil in den Dokumenten nur die abstrakten Kriterien und deren Gewichtung genannt werden, die eine Annahme des „angespannten Wohnungsmarktes“ begründen sollen. Den Ausführungen der Parallelabteilung schließt sich die erkennende Abteilung an. Denn in den Dokumenten werden lediglich die Voraussetzungen und die Ergebnisse mitgeteilt. Eine Anwendung der Kriterien unter Darlegung der für Köln im Einzelnen erhobenen Daten wird nicht dargestellt, so dass der Entscheidungsprozess für den Leser nicht nachvollziehbar ist.

Dieses Ergebnis ändert sich nicht dadurch, dass das Ministerium nachträglich, nämlich am 20.3.2019, auch die Langfassung des Gutachtens zur Gebietskulisse auf seiner Homepage veröffentlicht hat. Das Langgutachten zur Gebietskulisse beseitigt zwar den Begründungsmangel, weil sich in dessen Anhang A (S. 33ff.) und B (S. 37ff.) die Daten finden, die je untersuchter Stadt in Bezug auf jedes untersuchte Einzelkriterium erhoben und zugrunde gelegt wurden. Unter Zugrundelegung der o.g. Entscheidung des Bundesgerichtshofs kann die verfahrensfehlerhafte Bekanntmachung zur Zeit des Inkrafttretens aber nicht durch eine nachträgliche Veröffentlichung geheilt werden. Erforderlich wäre nach der Auffassung des Amtsgerichts, dass die Mietpreisbegrenzungsverordnung nebst aller, ggf. aktualisierter Begleitdokumente, erneut insgesamt bekannt gemacht würde. Soweit ersichtlich, ist das aber nicht der Fall.

Ein Anspruch vorgerichtlichen Anwaltskosten und Zinsen ist aus denselben Gründen die Hauptforderung nicht gegeben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert 4.727,42 Euro.

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