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Mietpreisbremse bei Wohnungsmodernisierung nicht anwendbar?

AG Schöneberg, Az.: 17 C 148/16, Urteil vom 08.09.2017

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Schöneberg, Zivilprozessabteilung auf die mündliche Verhandlung vom 16.06.2017 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand:

Mietpreisbremse bei Wohnungsmodernisierung nicht anwendbar?
Foto: SvetaZi/Bigstock

Die Kläger mieteten von der Beklagten mit Mietvertrag vom 18.03.2016 eine Wohnung im Hause…………….., bestehend aus 3 Zimmern, einer Küche mit Einbauküche, einem Flur, einem Balkon und einem Wannenbad mit einer Größe von 85,65 m2. Als Nettomiete wurden 1.199,00 Euro vereinbart. Die Miete des Vormieters betrug 485,00 Euro. Vor der Vermietung an die Kläger hatte die Beklagte in der Wohnung Modernisierungsarbeiten durchgeführt, deren Umfang im Einzelnen zwischen den Parteien streitig ist.

Mit Schreiben vom 28.05.2016 rügten die Kläger unter Bezugnahme auf § 556d BGB die Miethöhe und wiesen insbesondere darauf hin, dass die vereinbarte Miete ihrer Ansicht nach die ortsübliche Miete um mehr als 10% übersteigen würde (Anlage K 3, Bl. 30).

Die Kläger sind der Ansicht, dass sich für die Wohnung unter Einordnung in den Berliner Mietspiegel eine ortsübliche Vergleichsmiete von 748,58 Euro ergebe, so dass die nach § 556d Abs. 1 BGB zulässige Miete 823,44 Euro (748,58 Euro zzgl. 10%) betrage. Die Ausnahme nach § 556f BGB greife nicht ein, da die von der Beklagten durchgeführten Modernisierungsarbeiten nicht als „umfassend“ im Sinne dieser Vorschrift eingestuft werden könnten.

Sie begehren mit ihrer Klage die Rückzahlung überzahlter Mieten für die Monate Juni bis November 2016 (6 x (1.199,00 Euro – 823,44 Euro)) sowie die Feststellung, dass die Nettokaltmiete lediglich 823,44 Euro beträgt.

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 2.253,36 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen

2. festzustellen, dass die zwischen den Klägern und der Beklagten vereinbarte Nettokaltmiete für die Wohnung im Hause …………. monatlich 823,44 Euro trägt.

1. hilfsweise zum Antrag zu 2) festzustellen, dass die zwischen den Klägern und der Beklagten mit Mietvertrag vom 18.03.2016 über die an die Kläger vermietete Wohnung im Hause …………..mit einer Wohnfläche von ca. 85,65 m2, bestehend aus 3 Zimmern, Küche mit Einbauküche, Flur, Balkon und ein Wannenbad/WC mit Duschkabine unter Ziffer 4.1 getroffene Vereinbarung der Erhöhung der vom Kläger geschuldeten Nettokaltmiete monatlich von 1.199,00 Euro um 375,76 Euro unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die Vorschriften über die „Mietpreisbremse“ gem. § 556f Satz 2 BGB nicht anwendbar seien, da die Wohnung vor der Vermietung an die Kläger „umfassend“ modernisiert worden sei. Bezüglich der einzelnen behaupteten Modernisierungsarbeiten wird auf das Anlagen-konvolut B1 (Bl. 62 ff.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Kläger haben weder einen Anspruch gegen die Beklagte gem. § 556g Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 812 BGB auf Rückzahlung überzahlter Miete noch können sie die Feststellung begehren, dass die Nettokaltmiete für die von ihnen gemietete Wohnung lediglich 823,44 Euro beträgt. Für beide Klageanträge (sowie den Hilfsantrag) wäre Voraussetzung, dass die Vereinbarung über die geschuldete Nettokaltmiete in Höhe von 1.199,00 Euro teilweise unwirksam wäre, wobei als Unwirksamkeitsgrund allein § 556g Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 556d, 556e BGB in Betracht kommt. Die §§ 556d, 556e BGB sind jedoch gem. § 556f Satz 2 BGB nicht anwendbar, da die Vermietung an die Kläger die erste nach einer umfassenden Modernisierung der Wohnung war.

Umfassend i. S. d. § 556f Satz 2 BGB soll eine Modernisierung nach der Gesetzesbegründung dann sein, wenn sie einen solchen Umfang aufweist, dass eine Gleichstellung mit Neubauten gerechtfertigt erscheint. Damit ist bei einer umfassenden Modernisierung zum einen auf den Investitionsaufwand und zum anderen auf das Ergebnis der Maßnahme, also die qualitativen Auswirkungen auf die Gesamtwohnung abzustellen (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, MietR, 12. Aufl., § 556f Rn. 18, beck-online).

Ein wesentlicher Bauaufwand wurde bisher bei ähnlichen Fragestellungen angenommen, wenn dieser ca. 1/3 des für eine Neubauwohnung erforderlichen Aufwandes erreicht (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, a.a.O. Rn. 19). Das Statistische Bundesamt weist durchschnittliche Baukosten im Jahr 2016 für Mietwohnungen in den neuen Bundesländern und Berlin von 1.486,00 Euro/m2 aus (Statistisches Bundesamt, Bauen und Wohnen 2016 vom 26.07.2017 -https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bauen/BautaetigkeitWohnungsbau/Baugen ehmigungenBaukostenPDF_5311103.pdf? blob=publicationFile Stand 04.09.2017, Seite 6). Dies bedeutet, dass die Beklagte Modernisierungskosten von ca. 500 Euro/m2 hätte aufwenden müssen, um eine umfassende Modernisierung annehmen zu können.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte in der Wohnung vor der Vermietung an die Kläger u.a. die Elektrik komplett erneuert, die vormals auf Putz verlegten Heizungsrohre unterhalb des Bodenbelags verlegt, Küche und Bad gefliest, die übrigen Räume mit Parkett ausgestattet, das Bad in Gänze erneuert und eine moderne Einbauküche eingebaut hat. Für diese Modernisierungsarbeiten hat die Beklagte nach ihrem Vortrag (ohne Architekten-/Bauleitungskosten) 58.463,58 Euro aufgewandt, was bereits einem Betrag von 682,59 Euro/m2 entspräche. Soweit die Kläger eingewandt haben, dass dieser Betrag zu einem wesentlichen Teil auf Instandsetzungsarbeiten entfallen dürfte, vermag dies den wesentlichen Bauaufwand einer umfassenden Modernisierung nicht entfallen zu lassen. Zwar lassen sich dem von der Beklagten eingereichten Anlagenkonvolut B 1 (Bl. 62) einige Positionen entnehmen, bei denen es sich um Instandsetzungsarbeiten handeln dürfte (die Pos. E.0110, E.0800, E.0900, E.1000, E.1100, E.1200, E.1300, E.1500, E.1700, E.1800, E.1900, G.0100, G.0200, G.0300, G.0710, G0800 und G.2100 aus der Abrechnung der ZPK Nord UG vom 01.10.2015, Bl. 72 ff.), doch summieren sich diese Positionen nur auf rund 14.000,00 Euro brutto, so dass Modernisierungskosten in Höhe von 44.463,58 Euro verblieben, was einem Quadratmeter-Betrag von 519,13 Euro entspräche. Selbst unter Herausrechnung von möglichen Instandsetzungsarbeiten liegt daher der für eine umfassende Modernisierung erforderliche wesentliche Bauaufwand vor, zumal bei einer instandsetzenden Modernisierung die auf die Erhaltungsarbeiten entfallenden Kostenanteile nicht herausgerechnet werden müssen, um die Drittel-Regel zu erfüllen (vgl. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, a.a.O. Rn. 19 a.E.)

Auch die qualitativen Auswirkungen auf die Gesamtwohnung, also der durch die Arbeiten geschaffene Zustand entspricht in etwa dem einer Neubauwohnung. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Wohnung in mehreren wesentlichen Bereichen im Sinne der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs 18/3121, S. 32) verbessert hat, indem sie von den dort genannten Bereichen Sanitär, Heizung, Fenster, Fußboden, Elektro und energetische Eigenschaften die Hälfte modernisiert hat, und zwar das Bad, den Fußboden und die Elektroinstallation, wobei die neu geschaffene moderne Einbauküche insoweit noch zusätzlich berücksichtigt werden kann. Ergänzend wird auf die von der Beklagten zur Akte gereichten Fotografien verwiesen (Bl. 127 ff.), die durchaus einen der Qualität einer Neubauwohnung vergleichbaren Charakter der Wohnung vermitteln. Soweit sich die Kläger darauf berufen haben, dass das Parkett uneben verlegt worden sei, ist dies für die Frage des Modernisierungscharakters dieser Maßnahme nicht relevant, sondern allenfalls für mögliche Instandsetzungsansprüche.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.

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