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Mietpreisbremse gilt nicht bei Neuvermietung nach umfassender Modernisierung

AG Kreuzberg – Az.: 10 C 46/21 – Urteil vom 09.02.2022

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Kreuzberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05.01.2022 für Recht erkannt:

1. Das Versäumnisurteil vom 22.09.2021 wird aufrechterhalten.

2. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine beim Kammergericht registrierte Rechtsdienstleistungsgesellschaft. Zwischen der Beklagten als Vermieterin und Frau L. sowie Herrn B. als Mieter besteht ein Mietverhältnis über eine 52 qm große Wohnung in (###) Berlin. Das Mietverhältnis begann am 1.02.2016. Es wurde eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von 799,00 Euro vereinbart.

Die Mieter beauftragten die Klägerin mit der Geltendmachung und Durchsetzung ihrer Forderungen und etwaiger Feststellungsbegehren wegen Verstoßes gegen die sogenannte Mietpreisbremse und traten dazu diese Ansprüche, darunter den Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete beschränkt auf die vier nach der Rüge fälligen Monatsmieten, gegen die Beklagte an die Klägerin ab.

Die Klägerin sandte an die Beklagte ein Rügeschreiben vom 3.06.2019, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage K4 (Blatt 28 ff. Band I d. Akte) Bezug genommen wird. Nach Ablauf der dort gesetzten Frist versandte die Klägerin noch ein Mahnschreiben.

Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten teilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 24.06.2019 mit, dass es sich um eine Erstvermietung nach umfassender Modernisierung handele. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben (Blatt 38 ff. d. Akte) Bezug genommen. Weitere Auskünfte erteilte die Beklagte mit der Klageerwiderung.

Mit der Klage hat die Klägerin neben der Erteilung von Auskünften die Rückzahlung überzahlter Miete für Juli 2019 und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten verlangt. Nachdem die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, ist auf Antrag der Beklagten die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen worden. Gegen das der Klägerin am 27.09.2021 zugestellte Versäumnisurteil hat die Klägerin am 7.10.2021 Einspruch eingelegt. Die Parteien haben den Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der Auskunftserteilung für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 22.09.2021 1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 315,09 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, 2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.268,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil vom 22.09.2021 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte behauptet, sie habe vor der Vermietung an die derzeitigen Mieter umfangreiche Modernisierungsarbeiten in der Wohnung vorgenommen. Die Wohnung habe kein Bad gehabt, nur eine Ofenheizung und die gesamte ältere Elektrik habe auf Putz gelegen. Sie habe erstmalig unter Grundrissveränderung ein Bad sowie eine Sammelheizung eingebaut. Ferner seien moderne Isolierglasfenster und eine Einbauküche eingebaut worden. Die Leitungssysteme sowie die Elektrik seien erneuert worden. Auch eine Terrasse sei gebaut worden, wofür auch zwei bodentiefe Fenster eingebaut worden seien. Hierfür habe sie Kosten in Höhe von insgesamt 44.887,26 Euro aufgewendet. Nach Abzug eines Instandhaltungsanteils würden die Modernisierungskosten 42.641,36 Euro, mithin 820,03 Euro/qm betragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 1.07.2021 samt Anlagen (Blatt 60 ff. d. Akte) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Inhalt der Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Mietpreisbremse gilt nicht bei Neuvermietung nach umfassender Modernisierung
(Symbolfoto: Younes Stiller Kraske/Shutterstock.com)

Der gegen das Versäumnisurteil vom 22.09.2020 eingelegte Einspruch ist form- und fristgerecht, mithin zulässig.

II.

Er hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, weshalb das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten ist (§ 343 ZPO). Die Klage ist – soweit über sie nach teilweiser Erledigung noch zu entscheiden war – unbegründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete für Juli 2019 in Höhe von 315,09 Euro gemäß §§ 556g Abs. 1 Satz 3, 812 Abs. 1, 398 BGB.

Vorliegend handelt es sich um eine erste Vermietung nach umfassender Modernisierung gemäß § 556f Satz 2 BGB, weshalb die § 556d, 556e BGB nicht anzuwenden sind.

Umfassend i. S. d. § 556f Satz 2 BGB ist eine Modernisierung dann, wenn sie einen wesentlichen Bauaufwand erfordert und zudem einen solchen Umfang aufweist, der eine Gleichstellung mit Neubauten gerechtfertigt erscheinen lässt. Zur Auslegung des Begriffs der Neubauten nimmt der Gesetzgeber auf § 16 Abs. 1 Nr. 4 WoFG (BT-Drs. 18/3121, 32) Bezug. Danach ist Wohnungsbau – als Schaffen von Wohnraum – (auch) die Änderung von

Wohnraum unter wesentlichem Bauaufwand zur Anpassung an geänderte Wohnbedürfnisse. Den Begriff des wesentlichen Bauaufwandes hat die Rechtsprechung im Zusammenhang mit den Vorgängerregelungen in § 17 Abs. 1 Satz 2 des II. WoBauG dahin konkretisiert, dass die Investition mindestens ein Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen (Kosten-)Aufwandes erreichen muss (BGH, Beschluss vom 10.08.2010 – VIII ZR 316/09 -). Der Begriff „umfassend“ bezeichnet jedoch nicht nur ein quantitatives (Kosten- )Element, sondern gleichberechtigt ein qualitatives Kriterium. Zu berücksichtigen sind die qualitativen Auswirkungen der Maßnahmen auf die Gesamtwohnung; sie muss in mehreren – nicht notwendig allen – wesentlichen Bereichen (insbesondere Sanitär, Heizung, Fenster, Fußboden, Elektroinstallation bzw. energetischen Eigenschaften) verbessert worden sein (vgl. BGH, Beschluss vom 10.08.2010 – VIII ZR 316/09 -; BGH, Urteil vom 11.11.2020 – VIII ZR 369/18 -). Beide Prüfungskriterien sind dabei von grundsätzlich gleichem Gewicht (BGH, Urteil vom 11.11.2020 – VIII ZR 369/18 -).

Sowohl das qualitative als auch das quantitative Kriterium der umfassenden Modernisierung ist vorliegend erfüllt.

Die streitgegenständliche Wohnung ist durch den erstmaligen Einbau eines Badezimmers, einer Sammelheizung, modernen Isolierglasfenstern sowie der Erneuerung der Leitungssysteme sowie der Elektrik in mehreren wesentlichen Bereichen verbessert worden. Das Gericht legt seiner Entscheidung zugrunde, dass diese Arbeiten in der Wohnung ausgeführt wurden. Soweit die Klägerin den von der Beklagten hinreichend substantiiert beschriebenen Zustand der Wohnung vor Ausführung der Modernisierungsmaßnahmen, die Ausführung der einzelnen hinreichend substantiiert dargestellten Maßnahmen unmittelbar vor dem streitgegenständlichen Mietverhältnis sowie die Kosten pauschal bestreitet, ist dies unbeachtlich (§ 138 Abs. 3 BGB). Je detaillierter der Vortrag der behauptenden darlegungsbelasteten Partei ist, desto höher ist die Erklärungslast des Gegners gemäß § 138 Abs. 2 BGB (Fritsche in: MüKo, ZPO, 6. Auflage 2020, § 138, Rdnr. 22). Der Vortrag der Beklagten zu den Maßnahmen ist hinreichend substantiiert, zudem durch Beifügung diverser Rechnungen, Leistungsverzeichnissen, der erhaltungsrechtlichen Genehmigung des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg sowie Fotos weiter konkretisiert und belegt. Vor diesem Hintergrund genügt das pauschale Bestreiten der Klägerin nicht. Der Einwand der Klägerin, aus einem Großteil der Rechnungen sei nicht erkennbar, dass es sich um die streitgegenständliche Wohnung handele, da nur „W. Straße (###), HH“ genannt sei, ist nicht ausreichend. Obwohl diese Angabe auf einige Rechnungen zutrifft, ist das Gericht dennoch davon überzeugt, dass die auch dort abgerechneten Maßnahmen in der streitgegenständlichen Wohnung ausgeführt wurden. Dies ergibt sich aus der Gesamtschau der eingereichten Unterlagen, insbesondere aus dem detaillierten Leistungsverzeichnis (Anlage B9, Blatt 86 ff. d. Akte), welches sich gerade ausdrücklich auf die streitgegenständliche Wohnung bezieht. Soweit beispielhaft die Rechnung Sanitär-Heizung (Anlage B5) keine konkrete Wohnungslage beschreibt, ist dies auch vor dem Hintergrund unbeachtlich, dass die Wohnung doch unstreitig über ein Bad und eine Sammelheizung verfügt.

Die Beklagte macht nach einem Abzug der Kosten für die Aufarbeitung der Böden sowie eines Instandhaltungsanteils in Höhe von 50 % für die Malerarbeiten Modernisierungskosten in Höhe von 42.641,36 Euro geltend. Im Ergebnis nicht entschieden werden müssen die streitigen Fragen, ob der Einbau der Küche eine Modernisierungsmaßnahme darstellt, von den Kosten für die Elektrik ein Instandhaltungsanteil abzuziehen ist oder auch ob die Kosten für Architektenleistungen berücksichtigungsfähig sind. Denn selbst bei Abzug der Kosten für die Einbauküche in Höhe von insgesamt 2.627,66 Euro, der gesamten Kosten für die Elektrik in Höhe von 1.880,00 Euro sowie der gesamten Kosten für Architektenleistungen in Höhe von 8.642,38 Euro verbleiben noch Modernisierungskosten in Höhe von 29.491,32 Euro, mithin 567,14 Euro/qm. Weitere Abzüge für Instandhaltungen sind nicht erforderlich. Die insoweit verbleibenden Modernisierungskosten in Höhe von mindestens 567,14 Euro/qm erreichen auch mindestens ein Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen (Kosten-)Aufwandes, der im Jahr 2015 nach den Angaben im Bericht des Statistischen Bundesamtes 1.570,00 Euro/qm betrug (1/3 = 523,33 Euro).

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte schließlich keinen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.268,54 Euro gemäß §§ 280, 286, 398 BGB.

Eine Pflichtverletzung der Beklagten durch die Vereinbarung einer gemäß §§ 556d ff. BGB unzulässigen Miete liegt nicht vor, da es sich wie ausgeführt um eine erste Vermietung nach umfassender Modernisierung handelt und daher die Nettokaltmiete in Höhe von 799,00 Euro wirksam vereinbart wurde. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus Verzugsgesichtspunkten. Die Beklagte hat zwar erst nach Ablauf der im Rügeschreiben gesetzten Frist die Auskunft erteilt, dass eine erste Vermietung nach umfassender Modernisierung vorliegt, jedoch ist die Klägerin bereits zuvor tätig geworden. Die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten beruhen somit nicht auf einem Verzug der Beklagten. Die Klägerin hat auch nicht substantiiert vorgetragen, dass das Schreiben der Beklagten vom 24.06.2019 erst nach der Mahnung erfolgte.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91a ZPO. Die Klägerin hat auch die Kosten hinsichtlich der für übereinstimmend erledigt erklärten Auskunftsansprüche gemäß § 556g Abs. 3 BGB zu tragen, § 91a ZPO. Bereits vor Klageerhebung hat die Beklagte mit Schreiben vom 24.06.2019 mitgeteilt, dass es sich um eine erste Vermietung nach umfassender Modernisierung handelt. Hierbei hat sie auch bereits die Kosten der Modernisierung mitgeteilt. Die Beifügung von Belegen war nicht erforderlich. Die von der Klägerin mit der Klage begehrten Auskünfte waren für die Zulässigkeit der vereinbarten Miete mithin nicht maßgeblich, weshalb keine Auskunftsansprüche bestanden.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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