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Mietrückforderung – Anspruchsabtretung im Zusammenhang mit Mietpreisbremse unwirksam?

AG Tempelhof-Kreuzberg, Az.: 3 C 2/18, Urteil vom 23.01.2019

In dem Rechtsstreit hat das das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg, Zivilprozessabteilung 3, auf die mündliche Verhandlung vom 16.01.2019 für Recht erkannt.

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Es wird festgestellt, dass den Drittwiderbeklagten gegen die Beklagte kein Rückforderungsrecht wegen zu viel gezahlter Miete für den Zeitraum 15.08.2017 bis einschließlich 30.04.2018 wegen der von ihnen bei der Beklagten angemieteten Wohnung ### 97 in ### Berlin (Vorderhaus, 3. Geschoss links) zusteht, sondern dass die Nettokaltmiete in diesem Zeitraum unverändert monatlich 654,00 Euro betrug.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 55% und die Drittwiderbeklagter zu 45%.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin und den Drittwiderbeklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe Von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Mietrückforderung - Anspruchsabtretung im Zusammenhang mit Mietpreisbremse unwirksam?
Symbolfoto: Von M. Schuppich /Shutterstock.com

Zwischen der Beklagten als Vermieterin und den Drittwiderbeklagten als Mietern besteht seit dem 15. August 2017 ein Mietverhältnis über die Wohnung (### 97 in ### Berlin. Für die 65,41 m² große Wohnung wurde mietvertraglich eine Nettokaltmiete in Höhe von 654,00 Euro vereinbart. Die Wohnung liegt in einem durch Verordnung zur zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn gemäß 556d Abs. 2 BGB (Mietenbegrenzungsverordnung) bestimmten Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt, indem die sogenannte Mietpreisbremse gilt.

Die Klägerin ist eine Rechtsdienstleistungsgesellschaft, die im Rechtsdienstleistungsregister des Kammergerichts eingetragen und zur Erbringung von Inkassoleistungen befugt ist. Sie beruft sich auf einen, ihr von den Mietern erteilten Auftrag zur Geltendmachung und Durchsetzung ihrer Forderungen und etwaiger Feststellungsbegehren im Zusammenhang mit der Geltendmachung der sogenannten Mietpreisbremse, insbesondere ihrer Auskunftsansprüche, ihres Anspruchs auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete, ihres Anspruchs auf Feststellung der Unwirksamkeit der Miete, soweit sie die zulässige Miete übersteigt, ihres Anspruchs auf Teilrückzahlung bzw. Teilfreigabe der Mietkaution, ihres Anspruchs auf Freistellung von anfallenden RVG Gebühren etc. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der behaupteten Beauftragung und Vollmachterteilung wird auf die Bestätigungsvollmachterteilung und Abtretung, Genehmigung vom 5. November 2017 (Anlage K 1) hinsichtlich derer die Beklagte bestreitet, dass sie die Originalunterschriften der Drittwiderbeklagten aufweist, Bezug genommen.

Mit Sehreiben vom 7. November 2017 forderte die Klägerin die Beklagte zur Auskunftserteilung, Rückerstattung, Abgabe einer Erklärung sowie Herausgabe der anteiligen Mietkaution bis zum 21 November 2017 auf; ferner fügte sie den Verstoß gegen die Vorschriften über die Vereinbarungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d ff. BGB) gemäß §.556 g Abs. 2 BGB. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die Anlage K 4 zur Klageschrift Bezug genommen. Nach erfolglosem Fristablauf übersandte die Klägerin der Beklagten das Mahnschreiben vom 27. November 2017 (Anlage K 5 zur Klageschrift).

Die Klägerin ist zunächst der Auffassung, aus abgetretenem Recht aktiv legitimiert zu sein. Sie erbringe keine unzulässige Rechtsdienstleistung, sondern handele im Rahmen der ihr erteilten Inkassozession. § 134 BGB sei ausweislich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu 1 BvR 423/99 u.a. im Außenverhältnis nicht anwendbar. Sie ist der Auffassung, die ortsübliche Vergleichsmiete zzgl. 10% gemäß § 556d BGB belaufe sich auf 431,71 Euro und überschreite die vereinbarte Nettokaltmiete um monatlich 222,29 Euro.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft über folgende Fragen zu erteilen:

a) Wie hoch war die Miete, die der vorherige Mieter (Vormieter) der derzeit durch Herrn ### und Frau ### (Mieter) von der Beklagten angemieteten Wohnung in der ### 97, ### Berlin, Nummer 97 („Wohnung“) zuletzt schuldete (Vormiete)?

b) Gab es Mieterhöhungen, die mit dem Vormieter innerhalb des letzten Jahres vor Beendigung des Vormietvertrages vereinbart worden sind und, falls ja, um welche Beträge wurde die Vermiete jeweils erhöht?

c) Wurden in den letzten 3 Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses mit dem Mieter Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555 b BGB durchgeführt und, falls ja, welcher Betrag einer Mieterhöhung nach § 559 Abs. 1 bis 3 BGB und § 559 a Abs. 1 bis 4 BGB hätte sich daraus ergeben?

d) Handelt es sich bei dem gegenständlichen Mietverhältnis um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung gemäß § 556 BGB?

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 222,29 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.084,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen sowie drittwiderklagend, festzustellen, dass den Widerbeklagten gegen sie kein Rückforderungsrecht wegen zu viel gezahlter Miete für den Zeitraum 15.08.2017 bis einschließlich 30.04.2018 wegen der von ihnen bei der Beklagten angemieteten Wohnung ### 97 in ### Berlin (Vorderhaus, 3. Geschoss links) zusteht, sondern dass die Nettokaltmiete in diesem Zeitraum unverändert monatlich 654,00 Euro betrug.

Die Drittwiderbeklagten beantragen, die Drittwiderklage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation. Sie meint ferner, die Vorschriften zur Mietpreisbremse seien verfassungswidrig. Der Mietspiegel 2017 sei nicht nach wissenschaftlichen Erkenntnissen erstellt worden, es sei daher auf die benannten Vergleichswohnungen abzustellen.

Bei unterstellter Anwendbarkeit des Mietspiegels wäre die anzuwendende Baualtersklasse des Gebäudes nicht zwischen 1950 und 1964; aufgrund der umfangreichen Modernisierungsarbeiten sei die Wohnung vielmehr in die Baualtersklasse 1991 bis 2002 einzuordnen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Die Klägerin ist nicht aktiv legitimiert. Sie ist nicht Inhaberin der geltend gemachten mietrechtlichen Auskunfts- und Zahlungsansprüche, weil die Abtretung – ihre Vornahme unterstellt – sämtlicher mit der Mietpreisbremse zusammenhängender Ansprüche wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot zur Erbringung unerlaubter Rechtsdienstleistungen gemäß § 134 BGB in Verbindung mit §§ 2 Abs. 1, 3, 5, 10 RDG unwirksam ist.

Die Klägerin hat Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 RDG erbracht.

Eine Rechtsdienstleistung ist nach § 2 Abs. 1 RDG jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald, sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Ausreichend ist hierzu jede konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungere die über eine bloß schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgeht (vergleiche BGH NJW-RR 2016, 1056. Diese Voraussetzungen werden durch die Tätigkeit der Klägerin erfüllt, da sie vor der Geltendmachung und Durchsetzung der behaupteten Ansprüche die gemäß §§ 556d ff. BGB preisrechtlich zulässige Miete die streitgegenständliche Wohnung ermittelt hat, wozu es einer rechtlich umfassenden Einordnung der jeweiligen Mietwohnung ggf. unter Berücksichtigung der eingeholten Auskünfte bedarf.

Die erbrachten Rechtsdienstleistungen sind der Klägerin auch nicht als Inkassodienstleistungen gemäß § 2 Abs. 2 RDG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG erlaubt. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf das vormalige Rechtsberatungsgesetz zwar auch eine Rechtsberatung „beim Forderungseinzug“ erlaubt (BVerfG, Beschluss vom 14.08.2004. 1 BvR 725/03). Um eine selche geht es vorliegend jedoch nicht. Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin liegt gerade nicht auf der Erbringung von Inkassodienstleistungen, d.h. auf der Einziehung fremder oder zum Zwecke der Einziehung abgetretener Forderungen, sondern stellt sich auch nach Auffassung des erkennenden Gerichts vielmehr als Rechtsberatung mit bloß angeschlossener Inkassodienstleistung dar (vgl. u.a. LG Berlin, Urteil vom 28. August 2018, 63 S 1/18; LG Berlin, Beschluss vom 03. Juli 2018, 67 S 157/18). Aufgrund der gesetzgeberischen Konstruktion lassen sich konkrete Rückzahlungsansprüche des Mieters nicht allein auf der Grundlage des jeweiligen Mietvertrages beurteilen, vielmehr ist zuvor das Vorliegen etwaiger Hindernisse nach 656e und 556f BGB zu klären und die sogenannte qualifizierte Rügen nach § 656g Abs. 2 Satz 2 BGB zu erheben. Die Rüge des Mieters ist nach § 556g BGB für dessen Ansprüche konstitutiv; erst diese lässt den Rückzahlungsanspruch überhaupt entstehen. Das Geschäftsmodell der Klägerin bewegt sich mithin nicht mehr im Rahmen der zugelassenen Inkassodienstleistungen, da sie dem rechtsuchenden Mieter erst nachdem sie bereits sämtliche im Sinne der §§ 556d ff. relevanten Daten erfasst und auf deren Grundlage eine rechtliche Einordnung vorgenommen hat, die Möglichkeit der Abtretung und Geltendmachung etwaiger Forderungen gibt; sie wird insofern vor und ggf. auch unabhängig von einer etwaigen späteren Beauftragung zum Forderungseinzug rechtsberatend tätig. Hierdurch wird nach Auffassung des Gerichts der Bereich der erlaubten Forderungseinziehung verlassen. Soweit die Klägerin zuletzt ausdrücklich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Februar 2002, 1 BvR 423/99 u.a. in Bezug nimmt, bedingt dies nach Auffassung des Gerichts keine andere Bewertung. Denn das dem Rechtsdienstleistungsgesetz innewohnende Verbot einer substantiellen Rechtsberatung durch Inkassounternehmen, die – wie hier – darauf gerichtet ist, erst festzustellen, ob es überhaupt eine einzuziehende oder zu erwerbende Forderung gibt, würde entwertet, würde jedem Inhaber einer Inkassolizenz jegliche Form der Rechtsberatung gestattet.

 

II.

Die Drittwiderklage ist zulässig und begründet

Die gegen die Zedenten erhobene isolierte Drittwiderklage ist zulässig, da die zu erörternden Gegenstände von Klage und Widerklage tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind und keine schutzwürdigen Interessen der Widerbeklagten durch deren Einbeziehung verletzt werden. Da bei einer wie hier mit dem Klageantrag zu 2 verfolgten offenen Teilklage keine Rechtskrafterstreckung auf den Gesamtanspruch stattfindet, ist der Drittwiderklage auch nicht das Feststellungsinteresse abzusprechen; bei einer Teilklage ist eine negative Feststellungsklage hinsichtlich der ganzen bzw. hier einer weitergehenden Forderung zulässig, da insoweit ein selbstständiger Streitgegenstand vorliegt, vgl. Schulzky in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 33 Rn. 22.

Vor dem Hintergrund der für unwirksam erbrachten Abtretung fehlt es an einer wirksamen qualifizierten Rüge als der Drittwiderbeklagten als tatbestandlicher Voraussetzung eines Rückzahlungsanspruchs; es verbleibt für den klagegegenständlichen Zeitraum insoweit bei der vertraglich vereinbarten Miete.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

IV.

Der Streitwert wird in Addition von Klage und Widerklage auf insgesamt 4.201,29 Euro festgesetzt.

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