LG Wiesbaden – Az.: 12 O 58/21 – Urteil vom 30.03.2022
In dem Rechtsstreit hat das Landgericht Wiesbaden – 12. Zivilkammer -1. Kammer für Handelssachen auf die mündliche Verhandlung vom 09.02.2022 für Recht erkannt:
1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Frankfurt vom 6.10.2021 wird aufrechterhalten.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung seitens der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Beklagten bleibt die Geltendmachung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.
Tatbestand:
Die Klägerin klagt im Urkundenprozess Mietsicherheit ein.
Zwischen der Klägerin und der ……… kam es zu einem schriftlichen Mietvertrag vom 29.3.2018 über Hotelflächen im Objekt Gustav – Stresemann – Ring 6 in Wiesbaden. Dieser wurde ergänzt durch drei Nachträge. Hierzu kann auf die Anl. K1 verwiesen werden. Ausweislich § 5.1 des Mietvertrages schuldete die Mieterin die Zahlung einer Mietsicherheit spätestens acht Monate vor dem frühsten Übergabetermin. Den frühesten Übergabetermin bestimmten die Mietvertragsparteien in § 1.2. des 1. Nachtrags mit dem 1.2.2021. Am 25.5.2020/27 5. 2020 schlossen die Mietvertragsparteien und die Beklagte den Nachtrag Nr. 3 zum Mietvertrag vom 29, 3. 2018, wonach die Beklagte als neue Mieterin in sämtliche Rechte und Pflichten des Mieters aus dem Mietvertrag eintreten sollte. Die ……… sollte mit dem Wirksamwerden des 3. Nachtrags aus dem Mietvertrag ausscheiden und lediglich die Funktion des Patrons aus der Patronatserklärung gemäß Ziffer 5.2 des Mietvertrages erhalten.
Die Klägerin forderte die Beklagte mit Einschreiben vom 1.6.2021 zur Stellung der Mietsicherheit bis zum 17.6.2021 auf (Anl. K2.1 und 2.2). Am 22.9.2021 erklärte die Klägerin die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses (Anl. 1), vorsorglich wiederholt die Klägerin den Ausspruch der fristlosen Kündigung mit Schriftsatz vom 2. November 2021.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr ein Anspruch auf die Mietsicherheit auch nach Kündigung des Mietvertrages zusteht im Hinblick auf etwaige Schadensersatzansprüche gegenüber der Mieterin. Die Klägerin trägt weiter vor, dass der Mietvertrag von der Beklagten vorgegeben worden sei. Geschuldet sei gemäß Ziffer 2.4 des Mietvertrages die Übergabe des Mietgegenstandes am Übergabetag in dem in der Ani. 1.4 beschriebenen Zustand. Hieraus ergebe sich lediglich die Ausbauleistungen des Vermieters, nicht jedoch die Einbringung des ………. Wann und wie lange die Beklagte benötige, um das ……… je Geschoss einzubauen, spiele mietvertraglich mangels Regelung keine Rolle. Insbesondere sei sie nicht verpflichtet gewesen, das von der Beklagten vorgestellte Procedere in den Bauzeitenplan einzubeziehen.
Der Abschluss eines Nachtrags Nr. 4 zum Mietvertrag sei an den Wünschen der Beklagten gescheitert, die eine Coronaregelung gewünscht habe, wonach ihr die Miete im Falle von Coronabedingten Maßnahmen teilweise erlassen werde. Die Bereitschaft zu einer Stundung habe ihr nicht ausgereicht Daraufhin habe die Beklagte mit Mail vom 11.5.2021 planerische Freigaben verweigert, solange die Themen des Nachtrags ungeklärt seien. Nach Bemusterung und mündlicher Freigabe des Mustergästezimmers habe die Beklagte das Besichtigungsergebnis nicht protokolliert. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe in einer Mail vom 31.3.2021 angekündigt, sollte der Nachtrag Nr. 4 nicht zu Stande kommen, die Übernahme des Mietgegenstandes zu verweigern. Die von der Beklagten vorgelegte Bedenkenanzeige sei mit dem Schreiben des unterzeichnenden Prozessbevollmächtigten vom 25.6.2021 beantwortet worden. Sie habe den weiteren Ausbau aus Gründen der Schadensminderung gestoppt, nachdem die Beklagte auf das Schreiben vom 25.6.2021 nicht geantwortet habe. Im Übrigen sei es niemals Grundlage des Vertrages gewesen, dass sie verpflichtet gewesen wäre, den Mietgegenstand zum frühstmöglichen Übergabetermin zu übergeben. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages hätten die Bauarbeiten am Anfang gestanden und ein Bauablauf nicht sicher vorhergesagt werden können, da noch gar kein Bauantrag eingereicht und auch keine Baugenehmigung erteilt worden sei. Der Übergabetermin sei der Beklagten mit Schreiben vom 12.5.2021 mit dem 30.11.2021 mitgeteilt worden.
Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2022 beantragt die Klägerin die Aufhebung des Einstellungsbeschlusses des Landgericht Frankfurt vom 5.11.2021.
Offensichtlich habe die Beklagte ausreichend Liquidität um verschiedene Prozesse zu finanzieren, so dass ein Schutzbedürfnis auf Beklagtenseite zu verneinen sei.
Die Klägerin beantragt, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und die vorläufige Vollstreckbarkeit wieder herzustellen.
Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6. Oktober 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich darauf, dass das Hotel nach der eigenen Planung der Klägerin längst hätte übergeben werden sollen, tatsächlich jedoch nicht übergeben worden sei. Im Hinblick auf die Regelung in § 2.2 des Mietvertrages, nämlich einer geschossweisen Übergabe des Hotels, um ihr die Erstausstattung und Einrichtung mit dem WIRE zu ermöglichen, hätte die Klägerin so rechtzeitig Teilübergaben durchführen müssen, dass unter Berücksichtigung der hierfür benötigten Arbeitszeiten der Beklagten eine Gesamtübergabe zum 31.12.2021 möglich gewesen wäre. Tatsächlich sei die Klägerin erheblich in Verzug gewesen und habe mangelhaft gebaut. Die Beklagte ist daher der Auffassung, dass die Übergabe einer Mietsicherheit nicht fällig gewesen ist. Sie beruft sich auf § 242 BGB, 162 BGB. Die Beklagte moniert, dass die Klägerin das Mietverhältnis nicht ihr gegenüber, sondern der früheren Mieterin gegenüber gekündigt habe. Sie befürchte, dass die Klägerin das Mietobjekt einem Dritten überlassen möchte, weswegen jegliches Sicherungsbedürfnis der Klägerin auf Mietsicherheit fehle.
Im Schriftsatz vom 1. Februar 2022 trägt die Beklagte unrechtmäßige Mittel der Klägerin vor, so habe der Geschäftsführer der Klägerin einem Dritten, nämlich Herrn gegenüber geäußert, dass die Beklagte sehr bald nicht mehr solvent sei und kein vertrauenswürdiger Vertragspartner sei und er solle als Vermieter vor der Beklagten als Mieterin gewarnt sein. Aus diesem Grund habe sie Unterlassungsklage beim Landgericht Frankfurt eingereicht.
Zur Ergänzung des Sach – und Streitstands wird auf die in den Akten befindlichen Urkunden und Schriftstücke sowie auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Versäumnisurteil des Landgerichts Frankfurt vom 6,10.2021 war auf den Einspruch der Beklagten zu bestätigen.
Der Einspruch der Beklagten ist gemäß § 338 ZPO statthaft, er ist innerhalb der Frist des §§ 339 Abs. 1 ZPO eingelegt und begründet worden, mithin zulässig. Der zulässige Einspruch führt dazu, dass der Rechtsstreit in die Lage zurückversetzt wird, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand (§ 342 ZPO).
Die Urkundenklage ist zulässig (§ 592 ZPO). Der von der Klägerin verfolgte Anspruch ist auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichtet.
Sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen hat die Klägerin durch Urkunden bewiesen.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Leistung der Mietsicherheit i.H.v, 1.090.320 Euro, alternativ als Barkaution oder als selbstschuldnerische Bürgschaft auf erstes Anfordern einer in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Bank, Sparkasse oder Versicherung unter Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit, soweit die Gegenforderung nicht entscheidungsreif, unbestritten oder nicht rechtskräftig festgestellt wird, sowie unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage und das Recht zur Hinterlegung gemäß § 5.1 des Mietvertrags vom 29. März 2018 in Verbindung mit dem Nachtrag Nr. 3 § 1 vom Mai 2020 in Verbindung mit dem Nachtrag Nr. 1, § 1.2 vom April 2019 gegen die Beklagte zu. Danach hatten die ursprünglichen Mietvertragsparteien in § 5.1 des Mietvertrages vom 29.3.2018 die Stellung einer Mietsicherheit des Mieters spätestens acht Monate vor dem frühsten Übergabetermin vereinbart. Diese belief sich auf zwölf monatliche Nettokaltmieten in Höhe von 1.090.320 Euro. Im Nachtrag vom April 2019 haben die damaligen Mietvertragsparteien den frühsten Übergabetermin in § 2.1 abgeändert auf den 1.2.2021. Mit dem 3. Nachtrag haben die Mietvertragsparteien einen Mieterwechsel gemäß § 15.2 des Mietvertrages vorgenommen und die Beklagte ist mit Wirksamwerden des 3,Nachtrags in sämtliche Rechte und Pflichten des Mieters aus dem Mietvertrag eingetreten. Mit Ablauf des 1.6.2020 ist daher die Mietsicherheit gegenüber der Beklagten fällig geworden. Unstreitig hat die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung die vertraglich vereinbarte Mietsicherheit nicht geleistet.
Die von ihr im Prozess erhobenen Einwendungen erweisen sich als rechtlich unerheblich. Nach der mietvertraglichen Regelung war die Leistung der Mietsicherheit fällig unabhängig von der Übergabe des Mietobjekts an die Mieterin. Ebenso wenig war, wo von allerdings die Beklagte auszugehen scheint, eine geschossweise Übergabe des Hotels zur Einbringung des ……… vor dem Übergabetermin vertraglich geschuldet. Im Hinblick auf Unwägbarkeiten betreffend die Erlangung einer bestandskräftigen Baugenehmigung haben die Parteien vielmehr einen frühsten Übergabetermin fixiert sowie einen spätesten Termin zum 31.12.2021. Die geschuldete Mietsicherheit sollte acht Monate vor dem frühesten Übergabetermin fällig werden.
Zur Übergabe selbst enthält der Mietvertrag Regelungen in § 2. Danach sollte zum Zwecke der Einbringung des ……… eine geschossweise Übergabe des Mietgegenstandes erfolgen. Die Übergabe sollte gemäß § 2.4 am Übergabetag in dem in der Anl. 1.4 beschriebenen, gegebenenfalls gerne Ziffer 1.5 und 1.6 geänderten Zustand übergeben werden, Aus dieser vertraglichen Regelung des Mietvertrags, den unstreitig die ……… vorgegeben hat, ergibt sich keine Verpflichtung der Klägerin, geschossweise Übergaben des Mietobjektes vor dem spätesten Übergabetermin durchzuführen. Nach § 2.4 war lediglich die Übergabe des Mietgegenstandes am Übergabetag in dem in der Anl. 1.4 beschriebenen Zustand geschuldet.
Bei der Anl. 1.4 handelt es sich um die Pächterbaubeschreibung. Diese enthält Regelungen zur Konstruktion, zum Trockenbau, Putzarbeiten, Dachdeckungsarbeiten, Fliesenarbeiten etc. jedoch nicht die Einbringung der Möblierung. Soweit die Beklagte daher Ausführungen dazu macht, dass die Klägerin so rechtzeitig Teilübergaben zum ……… Einbau hätte durchführen müssen, dass unter Berücksichtigung der hierfür benötigten Arbeitszeiten durch sie und nachlaufend der Klägerin eine Gesamtübergabe zum spätesten Übergabetermin möglich gewesen wäre, finden sich diese Erwägungen nicht in der vertraglichen Regelung. Der von der Beklagten behauptete erhebliche Bauverzug der Klägerin und die mangelhafte Bauausführung wie auch die Tatsache, dass unstreitig das Hotel bis heute nicht übergeben wurde, spielen im Rahmen der Verpflichtung der 8 Monate vor dem frühesten Übergabetermin zu leistenden Mietkaution keine Rolle.
Welche Baumängel die Beklagte geltend machen möchte, lässt sich ihrem Vortrag nicht entnehmen. Auch die Anl. B2 verhält sich hierzu nicht.
Darüber hinaus ist es nicht Aufgabe des Gerichts, sich Sachvortrag der Parteien aus einem Anlagenkonvolut zusammen zu suchen. Soweit die Beklagte zur näheren Erläuterung einen Bericht zur Baustellenbesichtigung am 8.9.2021 in Anl. B5 vorlegt, lässt sich diesem und den dort enthaltenen Lichtbildern zwar entnehmen, dass die Ausbauarbeiten im Mietobjekt nicht fertig gestellt sind. Dies ist auch unstreitig, denn die Klägerin hat im Zuge der außergerichtlichen Auseinandersetzung die Innenausbauarbeiten eingestellt. Die Anlage B5 lässt daher keinen Rückschluss darauf zu, ob die Klägerin bei konfliktfreiem Ablauf des Mietverhältnisses den von ihr festgelegten Übergabetermin 30.11.2021 hätte einhalten können oder nicht.
Soweit die Beklagte meint, die vertraglich geschuldete Mietsicherheit nicht leisten zu müssen, da Sinn und Zweck der Regelung in § 5.1 des Mietvertrages die Absicherung der Finanzierung der Klägerin für die Errichtung des Hotels gewesen sei, ein Sicherungsbedürfnis der Klägerin jedoch nicht eingetreten sei, da sie selbst den entscheidenden Baufortschritt nicht herbeigeführt hat, zeigt dies eine Verkennung des Sicherungszwecks einer Mietbürgschaft. Die Mietsicherheit dient der Absicherung des Vermieters für den Fall, dass der Mieter seine mietvertraglichen Pflichten verletzt oder gar nicht erfüllt. Auch bei der Geschäftsraummiete besteht die Pflicht des Vermieters die Mietsicherheit von seinem Vermögen getrennt anzulegen. Im Hinblick auf den Sicherungszweck der Mietkaution hat ein Mieter kein Zurückbehaltungsrecht an der Kaution wegen Mängeln der Mietsache oder anderer behaupteter Forderungen und kann damit auch nicht gegen den Anspruch des Vermieters aufrechnen (KG Berlin 12 W 90/07). Insbesondere kann der Vermieter auch noch nach Beendigung des Mietverhältnisses die vertragswidrig nicht gezahlte Kaution verlangen, sofern ihm noch mögliche Ansprüche gegen den Mieter zustehen, den die Klägerin aus der von ihr ausgesprochenen fristlosen Kündigung herleitet (BGH VIII ZR 65/11; VIII ZR 332/79; KG Berlin 12 W 90/07).
Der Beklagten steht auch die ein Einrede aus §§ 242,162 BGB nicht zu. Insbesondere besteht keine mietvertragliche Verpflichtung der Klägerin mit der Beklagten eine Zeitplanung abzustimmen. Dies hängt damit zusammen, dass der ursprüngliche Mietvertrag keine Regelung zu einer geschossweisen Übergabe des Mietobjektes vor den vertraglich geregelten Übergabeterminen enthält. Aus diesem Grund haben die Parteien über einen Nachtrag Nr. 4 zum Mietvertrag verhandelt, der unstreitig nicht abgeschlossen wurde.
Das Verlangen der Mietsicherheit ist auch nicht treuwidrig im Hinblick auf die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung vom 22.9.2021 und die Befürchtung der Beklagten, dass die Klägerin das Mietobjekt einem Dritten überlassen möchte. Wie oben ausgeführt, ist das Verlangen nach einer Mietsicherheit selbst dann begründet, wenn das Mietverhältnis der Parteien zwischenzeitlich beendet wurde, jedoch noch Ansprüche des Vermieters gegen den Mieter im Raum stehen.
Der Beklagten ist gemäß § 599 Abs. 1 ZPO die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 4, 711 ZPO.