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Mietverhältnis zu Ende – Strombezieher ist derjenige der Strom entnimmt

KG – Az.: 8 U 66/19 – Beschluss vom 14.12.2020

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 05.04.2019, Aktenzeichen 11 O 175/18, wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil und aus diesem Beschluss durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Klägerin vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 24.016,64 EUR festgesetzt.

Gründe:

A.

Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 05.04.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen und der erstinstanzlichen Anträge Bezug genommen wird.

Die Beklagte trägt zur Berufungsbegründung vor:

1) Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte als Hauseigentümerin nach dem im Mai 2010 erfolgten Auszug der Mieterin H… GmbH durch Entnahme von Elektrizität aus dem Leitungsnetz der Klägerin eine Realofferte der Klägerin angenommen habe und Vertragspartnerin der Klägerin geworden sei.

Die Beklagte habe nicht gewusst, bei welchem Versorger und zu welchen Bedingungen die H… Strom bezogen habe. Sie habe auch keine Kenntnis gehabt, dass trotz des Leerstands im streitgegenständlichen Zeitraum ab August 2010 noch ein relevanter Stromverbrauch erfolgt sei und die Klägerin damit weiterhin Strom geliefert habe. Die Beklagte sei „wohl“ davon ausgegangen, dass die Mieträume stromlos seien, „denkbar“ sei auch gewesen, dass auf Kosten des alten Mieters weiterhin Strom bezogen wurde.

Hätte die Klägerin von den erheblichen Stromlieferungen gewusst, hätte sie diese unterbunden, da sie keinen relevanten Stromverbrauch auf ihre Kosten wollte. Indessen habe die Beklagte von einem Angebot der Klägerin überhaupt keine Kenntnis und somit keinen Rechtsbindungswillen gehabt.

2) Die Klägerin treffe – wenn ein Vertragsabschluss unterstellt werde – ein überwiegendes Mitverschulden, da sie den Stromverbrauch von August 2010 bis März 2013 nicht zeitnah, sondern erst im Jahr 2016 berechnet habe. Sie habe aufgrund der Modem-Fernauslesung vom Verbrauch gewusst, und zugleich, dass die Mieterin H… ab August 2010 nicht mehr eintrittspflichtig war. Die Klägerin habe durch Unterlassen der zeitnahen Abrechnung entgegen § 40 Abs. 3, 4 EnWG oder eines anderweitigen Hinweises auf den Verbrauch ihre Hinweispflichten verletzt. Es sei insoweit wissentliches Handeln der Klägerin zu unterstellen.

Bei einem Hinweis hätte die Beklagte die Mieteinheit stromlos gestellt oder die Stromquellen abgestellt.

Einer Vergütungsforderung steht der ungeminderte Schadensersatzanspruch entgegen.

3) Wegen Neuvermietung an die M… GmbH stehe der Klägerin jedenfalls ab 01.12.2012 kein Anspruch mehr gegen die Beklagte zu. Denn die neue Mieterin habe ab da die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Anschluss gehabt und damit eine Realofferte der Klägerin angenommen. Die Forderung für Dezember 2012 bis März 2013 von 5.705,40 EUR sei damit unbegründet.

4) Die Forderung sei auch verjährt. Die Verjährungsfrist beginne in dem Jahr, in dem die Klägerin zeitnah i.S. von § 40 Abs. 4 EnWG hätte abrechnen müssen.

Wegen Nichteinhaltung von § 40 Abs. 4 EnWG liege auch Verwirkung vor. Mangels zeitnaher, vielmehr über Jahre unterlassener Abrechnung habe die Beklagte darauf vertrauen dürfen und darauf vertraut, dass keine Berechnung mehr erfolge.

Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 05.04.2019 -11 O 175/18- abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Auf den Inhalt der Berufungserwiderungsschrift vom 09.09.2019 wird Bezug genommen.

Auf die Auflage vom 01.09.2020 hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 24.09.2020 vorgetragen, dass die Mieterin H… GmbH ihr mit eMail von 14.07.2010 (Anl. BB 1) in Textform ihren Auszug mitgeteilt habe und darin eine Kündigung nach § 20 StromGVV zu sehen sei.

Die Beklagte meint, dass in der eMail keine Kündigung zu sehen sei und diese zudem der Schriftform bedurft hätte.

B.

Die Berufung ist durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

I.

Zur Begründung nimmt der Senat zunächst Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 05.11.2020, der folgenden Inhalt hat:

Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von Stromkosten (§ 433 Abs. 2 BGB) im Zeitraum 01.08.2010 bis 31.03.2013 in – unstreitiger – Höhe von 24.016,64 EUR verurteilt.

1) Zutreffend hat es entschieden, dass zwischen den Parteien ab 01.08.2010 ein konkludenter Bezugsvertrag zustande gekommen ist, der im gesamten Zeitraum der Klageforderung Bestand hatte.

a) In dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens ist grundsätzlich ein Vertragsangebot in Form einer sog. Realofferte zu sehen, das von demjenigen angenommen wird, der aus dem Leitungsnetz Elektrizität entnimmt. Dieser Rechtsgrundsatz zielt darauf ab, einen ersichtlich nicht gewollten vertragslosen Zustand bei den zu Grunde liegenden Versorgungsleistungen zu vermeiden und berücksichtigt die normierende Kraft der Verkehrssitte, die dem sozialtypischen Verhalten der Annahme der Versorgungsleistung den Gehalt einer echten Willenserklärung zumisst. Das in der Bereitstellung liegende Vertragsangebot (die Realofferte) richtet sich typischerweise an denjenigen, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt, was je nach Lage des Falles der Eigentümer oder ein Mieter sein kann (s. etwa NJW-RR 2020, 201 Rn. 10 f. BGHZ 202, 17= NJW 2014, 3148 Rn. 10-14, je m.w.N.).

Nach dem Auszug der Alt-Mieterin H… im Mai 2010 lag die Verfügungsgewalt über den Anschluss bei der Beklagten als Hauseigentümerin, so dass sie Adressatin einer Realofferte sein konnte.

b) Allerdings ist eine Realofferte nicht anzunehmen, wenn der Abnehmer der Versorgungsleistung bereits anderweitig feststeht, etwa weil das Versorgungsunternehmen zuvor mit einem Dritten eine (fortbestehende) Liefervereinbarung geschlossen hat, auf Grund derer die Leistung in ein bestehendes Vertragsverhältnis eingebettet ist (s. BGHZ 202, 17 Rn. 16; NJW 2016, 2260 Rn. 14).

aa) Einem bereits bestehenden Vertragsverhältnis kommt somit Vorrang vor einer konkludenten Neubegründung eines Versorgungsverhältnisses durch Annahme einer Realofferte zu (s. etwa BGH NJW-RR 2004, 928: Inanspruchnahme der Leistung durch die WEG, jedoch Versorgungsvertrag mit dem Alteigentümer; ferner NJW-RR 2005, 639), auch wenn ersteres seinerseits nur konkludent zustande kam (s. BGH NJW 2009, 913 Rn 8 f. in Klarstellung zu BGH NJW-RR 2004, 928).

Diese Grundsätze gelten insbesondere auch, wenn der Versorgungsvertrag mit dem Mieter ungekündigt fortbesteht und Energie vom Eigentümer nach dessen Auszug entnommen wird (s. BGH NJW 2011, 3509 Rn 16 f.). Erst nach Kündigung des Versorgungsvertrags des ehemaligen Mieters stellt sich die Frage einer konkludenten Neubegründung des Vertragsverhältnisses mit dem gegenwärtigen Inhaber der Verfügungsgewalt (vgl. BGH a.a.O., Rn 17 f.; s. schon BGH NJW-RR 2004, 928 in Abgrenzung zu OLG Saarbrücken NJW-RR 1994, 436, wo eine konkludente Neubegründung nach Erlöschen des Vertragsverhältnisses mit dem Altkunden bejaht wurde).

Die bloße Inanspruchnahme der Versorgungsleistung durch eine Person, mit der kein Vertrag besteht, bei schon und noch bestehendem anderweitigem Vertrag enthält somit aus Sicht des Versorgungsunternehmens keine konkludente Annahme eines Angebots zum Abschluss eines neuen Vertrags (so OLG Koblenz NJW-RR 2006, 1065).

Der bloße Umstand, dass Strom nach Auszug des Mieters in den leerstehenden Räumen verbraucht wurde, führt somit nach der Rechtsprechung des BGH – entgegen dem Landgericht (aber etwa auch entgegen OLG Düsseldorf RdE 2019, 346 Rn 6) – somit noch nicht zur Vertragshaftung des Eigentümers.

bb) Vorliegend war das Vertragsverhältnis der Klägerin zur Mieterin H… jedoch aufgrund der Erklärung in der eMail vom 14.07.2010 (jedenfalls) zum 31.07.2010 beendet.

(1.) Die eMail ist in zweiter Instanz der Entscheidung zugrunde zu legen. Zum einen folgt dies daraus, dass ihre Existenz unstreitig ist, und unstreitige Tatsachen unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO stets zu berücksichtigen sind.

Zum anderen hatte das Landgericht der Klage stattgegeben, ohne die Relevanz einer Kündigungserklärung zu thematisieren und die Klägerin zu Vortrag aufzufordern (§ 139 ZPO). Damit ist der jetzige Vortrag der Beklagten auch nach § 531 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zuzulassen.

(2.) Die Erklärung ist nach §§ 133, 157 BGB aus Sicht der Klägerin zweifellos als Kündigungserklärung aufzufassen. Die Mieterin teilt mit, dass sie die Räume schon am 03.05.2010 an die Vermieterin übergeben habe, gibt deren Kontaktdaten an und äußert ferner, dass seit 03.05.2010 kein Verbrauch mehr angefallen sein dürfe. Damit macht sie klar, dass sie ab sofort keinen Strom mehr beziehen und mit den Stromkosten nichts mehr zu tun haben will, und die Klägerin sich in Zukunft an die Vermieterin halten solle.

Der Wille zur Vertragsbeendigung kommt darin eindeutig zum Ausdruck. Des Wortes „Kündigung“ bedurfte es nicht.

(3.) Die Erklärung bedurfte auch nicht der Schriftform (§§ 125, 126 BGB). Es ist keine vertragliche oder gesetzliche Bestimmung ersichtlich, die für die Kündigung von Stromverträgen Schriftform anordnet. Dahin stehen kann daher, ob sich die Beklagte auf einen Schriftformmangel berufen könnte, wenn die Klägerin im Einzelfall eine nicht formgerechte Kündigung für die Vertragsbeendigung akzeptieren sollte.

Nach § 20 Abs. 2 S. 1 StromGVV genügt vielmehr „Textform“, also eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist und die dem Empfänger die Speicherung ermöglicht (s. § 126 b BGB).

Zu diesen gehören auch eMails (Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl., § 126 b Rn 3).

Auf die Frage, ob hier die StromGVV anwendbar ist, obwohl die Mieterin offenbar einen größeren Stromverbrauch als 10.000 kWh p.a. hatte (s. auch unten) und sie damit nicht „Haushaltkundin“ i.S. von § 3 Nr. 22 EnWG war, kommt es nicht an. Denn gesetzliche Vorschriften, die (gerade) für Verträge mit Großkunden Schriftform vorsehen, sind nicht ersichtlich und von der Beklagten nicht dargelegt.

(4.) Ähnliche Überlegungen gelten zu einer Kündigungsfrist:

Sollte § 20 StromGVV direkt oder analog greifen, wäre nach § 20 Abs. 1 S. 2 StromGVV idF vom 26.10.2006 bis 09.05.2012 nach Umzug die Kündigung „mit zweiwöchiger Frist auf das Ende eines Kalendermonats“ zulässig. Die eMail von 14.07.2010 hat den Vertrag danach zum 31.07.2010 beendet. Eine längere Kündigungsfrist ist nicht ersichtlich und von der Beklagten nicht dargetan.

c) Nachdem die Altmieterin den Strombezugsvertrag vor dem Beginn des hiesigen Verbrauchszeitraums gekündigt hat, kam zwischen Klägerin und Beklagter ein Vertrag nach der Rechtsprechung des BGH ab Strombezug über den in der Verfügungsgewalt der Beklagten stehenden Anschluss und somit ab 01.08.2010 zustande.

Ab diesem Zeitpunkt lag eine Realofferte vor, die sich an die Beklagte als Inhaberin der Verfügungsgewalt über den Anschluss richtet. Mit dem Stromverbrauch hat die Beklagte aus der objektiven Sicht der Klägerin die an sie gerichtete Realofferte konkludent angenommen (s. BGHZ 202, 17 Rn 17). Da die Beklagte wusste, dass die Mieterin ausgezogen war und sie selber verfügungsberechtigt war, musste sie von einem an sich gerichteten Angebot ausgehen; auf die Sicht der Klägerin (Kenntnis vom Auszug) kommt es insoweit nicht an (BGH a.a.O., Rn 18). Für die Beklagte war erkennbar, dass im streitigen Zeitraum eine an sie gerichtete Offerte vorlag (vgl. BGH RdE 2018, 27).

Auf die behauptete Unkenntnis der Beklagten von einem „relevanten“ Stromverbrauch (was auch immer das heißen soll) kommt es nicht an. Ein tatsächlich fehlendes Erklärungsbewusstsein steht der Annahme einer Willenserklärung nicht entgegen. Ausreichend ist, dass der Erklärende bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen und vermeiden konnte, dass sein Verhalten aus objektiver Sicht des Erklärungsempfängers als Willenserklärung aufgefasst werden konnte (s. BGHZ 109, 171 = NJW 1990, 454; BGHZ 91, 324 = NJW 1984, 2279; Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl., vor § 116 Rn 17). Auch (und gerade) im Bereich der Daseinsvorsorge gilt somit, dass die objektive Bedeutung Vorrang vor dem subjektiven Willen hat (s. BGH NJW-RR 2005, 639).

Da die Beklagte in der Lage war, Verbrauchsquellen nach Räumung durch die Mieterin abzuschalten, hätte sie die Abgabe der konkludenten Annahmeerklärung vermeiden können. Der im Verbrauch liegende Erklärungsinhalt ist ihr daher zuzurechnen.

d) Die Passivlegitimation der Beklagten aus dem konkludent geschlossenen Versorgungsvertrag endete noch nicht mit Neuabschluss des Mietvertrags mit der M… ab 01.12.2012, sondern erst mit dem Abschluss des Stromliefervertrags durch diese zum 01.04.2013. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass Stromlieferverträge nicht automatisch durch Verlust der Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss enden, sondern durch Kündigung (LGU S. 4 mit Hinweis auf BGHZ 202, 17 = NJW 2014, 3148 Rn 20, 21; s. ferner oben). Eine Realofferte an die M… lag ebenfalls nicht vor, solange ein – ungekündigter – Versorgungsvertrag mit der Beklagten bestand.

2) Verjährung ist nicht eingetreten, denn sämtliche Forderungen wurden erst mit Rechnungsstellung im Jahr 2016 fällig. Zutreffend hat das Landgericht entschieden, dass die Verletzung der Pflicht zur Abrechnung 6 Wochen nach Ende des abzurechnenden Zeitraums gem. § 40 Abs. 4 EnWG für die Frage des Verjährungsbeginns unerheblich ist. Die Nichteinhaltung der Abrechnungsfrist führt nicht zu einer Vorverlegung der Fälligkeit und damit des Verjährungsbeginns auf einen früheren Zeitpunkt (s. nunmehr BGH MDR 2019, 1372).

Der Schuldner ist auf den Einwand der Verwirkung beschränkt (s. BGH a.a.O., Rn 31).

Die Forderung ist nicht verwirkt. Die Beklagte trägt zum erforderlichen Umstandsmoment, insbesondere zu einer Vertrauensinvestition (s. etwa BGH NJW 2014, 1230 Rn 13) nichts vor.

3) Der Beklagten steht kein Schadensersatzanspruch in Höhe der Vergütungsforderung zu, den sie der Klageforderung nach § 242 BGB (dolo-agit-Einwand) entgegen halten könnte.

a) Zweifelhaft ist bereits, ob in der Nichtbeachtung der Frist zur Abrechnung innerhalb von 6 Wochen nach Ende des Abrechnungszeitraums nach § 40 Abs. 4 EnWG eine Pflichtverletzung liegt, die der Vermeidung des von der Beklagten behaupteten Schadens dient.

aa) Die Pflicht zur zeitnahen Abrechnung mag auch der baldigen Information des Letztverbrauchers über die Höhe des Verbrauchs, also sein „Verbrauchsverhalten“ (s. BT-DrS 17/6072, S. 83, aber nicht explizit zu § 40 Abs. 4 EnWG; ferner allg. RL 2009/72/EG v. 13.07.2009 -Stromrichtlinie-, Anhang I Abs. 1 lit i: „häufig genug in angemessener Form über ihren tatsächlichen Stromverbrauch und ihre Stromkosten informiert werden, um ihren eigenen Stromverbrauch regulieren zu können“) dienen (s.a. OLG Köln, Beschluss vom 05.05.2020 -6 U 282/19).

Es ist jedoch jedenfalls zweifelhaft, ob sie auch dazu dient, ihm vor Augen zu führen, dass in seinen Räumen überhaupt ein Stromverbrauch stattfindet, ihn vor dem Anfall von Kosten zu „warnen“ und ihm Gelegenheit zu geben, sich auf die Suche nach (was ohnehin eine äußerst seltene und wenig lebensnahe Konstellation sein dürfte) Verbrauchsquellen zu begeben, um Verbrauchskosten zu vermeiden.

bb) Dies bedarf vorliegend jedoch keiner Entscheidung des Senats, da ein Schadensersatzanspruch auch im Übrigen nicht schlüssig dargelegt ist.

(1.) Der Vortrag der Beklagten ist nicht geeignet, eine Schadenskausalität einer unterlassenen früheren Abrechnung darzulegen, also dass sie nur wegen einer vermeintlichen Unkenntnis von einem Stromverbrauch nicht gegen diesen eingeschritten sei.

Gewichtige Bedenken bestehen gegen den ohnehin unsubstantiierten Vortrag der Beklagten, sie habe von einem „relevanten“ Verbrauch nichts gewusst, bzw. sie sei „wohl“ davon ausgegangen, dass die Räume stromlos gewesen seien, gerade vor dem Hintergrund des ganz erheblichen und stark schwankenden Stromverbrauchs im streitgegenständlichen Zeitraum. Von einem unerkannten Stromverbrauch kann danach lebensnah nicht ausgegangen werden. Die Beklagte legt auch nicht dar, welche Verbrauchsquellen denn bestanden.

Nach den Rechnungen Anl. K 2 ergibt sich folgender Verbrauch an KWh, wobei der Umfang des Stromverbrauchs nach den Feststellungen des Landgerichts (UA S. 4) unstreitig ist:

  • 8/10      1.581
  • 9/10      1.464
  • 10/10    1.119
  • 11/10    998
  • 12/10    7.393
  • 1/11      8.243
  • 2/11      6.204
  • 3/11      5.678
  • 4/11      1.568
  • 5/11      933
  • 6/11      1.363
  • 7/11      776
  • 8/11      919
  • 9/11      885
  • 10/11    1.554
  • 11/11    4.928
  • 12/11    5.568
  • 1/12      7.247
  • 2/12      5.969
  • 3/12      4.306
  • 4/12      1.036
  • 5/12      708
  • 6/12      603
  • 7/12      595
  • 8/12      745
  • 9/12      819
  • 10/12    975
  • 11/12    2.391
  • 12/12    4.581 (ab01.12.12 Verbrauch der neuen Mieterin)
  • 1/13      4.242
  • 2/13      6.339
  • 3/13      6.749

(2) Ferner wäre ein Ersatzanspruch der Beklagten jedenfalls wegen ganz überwiegenden Eigenverschuldens (§ 254 BGB) ausgeschlossen, da sie ihrer Obhutspflicht über die (angeblich leer stehenden) Mieträume nicht nachgekommen ist. Der behauptete Schaden eines unnützen und unerkannten Stromverbrauchs ist primär dadurch eingetreten, dass die Beklagte sich um ihr Eigentum (angeblich) nicht gekümmert hat. Sie hat damit in besonders grober Weise gegen ihre ureigenen Obliegenheiten verstoßen. Eine in der späten Abrechnung liegende Pflichtverletzung tritt dahinter als nachrangig zurück. Der Senat folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts (UA S. 5/6).

II.

Der Schriftsatz der Beklagten vom 02.12.2020 führt zu keiner anderen Beurteilung.

1) Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 02.12.2020 in Reaktion auf die Hinweise des Senats vom 05.11.2020 nunmehr die „Authentizität“ (Echtheit) der E-Mail ihrer ehemaligen Mieterin vom 14.07.2010 bestreitet, ist das unsubstantiiert, widersprüchlich und damit unbeachtlich.

Unklar ist schon, was genau bestritten werden soll, ob die Beklagte etwa eine Fälschung der vorgelegten Urkunde – die das Bild eines Ausdrucks einer empfangenen eMail mit Angabe von Absender- und Empfängeradresse und Datum bietet, s. Anl. BB 1 – durch die Klägerin behaupten will.

Dahin stehen kann, ob die Beklagte eine Obliegenheit zur Informationsbeschaffung bei ihrer ehemaligen Mieterin trifft, bevor sie die substantiiert dargelegte Erklärung dieser Mieterin, die sich auf den Stromanschluss in den Räumen der Beklagten bezieht, mit Nichtwissen bestreiten kann.

Jedenfalls ist das Bestreiten im Schriftsatz vom 02.12.2020 (Seite1) auch widersprüchlich. Nachdem der Beklagte aufgegeben worden war, auf den Schriftsatz der Klägerin vom 24.09.2020 (mit dem diese Anlage vorgelegt worden war) bis zum 15.10.2020 zu erwidern, hat sie mit Schriftsatz vom 14.10.2020 die Existenz der eMail nicht bestritten, sondern ist ebenfalls von ihr ausgegangen („mit der E-Mail“; „in der E-Mail“), und hat nur die Ansicht vertreten, dass deren Inhalt nichts für, sondern gegen die Beklagte ergebe.

Das damit ohnehin außerhalb der Erwiderungsfrist erfolgte Bestreiten der „Authentizität“ steht nicht nur im Widerspruch zum Vortrag im Schriftsatz vom 14.10.2020, sondern ist auch in sich widersprüchlich. Denn die Beklagte geht weiterhin (auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 02.12.2020) von der Existenz der eMail aus, indem sie aus den darin enthaltenen Mitteilungen der Mieterin eine Pflicht der Klägerin zur Klärung der Verhältnisse und ein (überwiegendes) Mitverschulden entnimmt.

Die eMail vom 14.07.2010 ist aus den Gründen des Hinweisbeschlusses als Kündigungserklärung der Mieterin aufzufassen. Diese Auslegung setzt nur den erkennbaren Willen zur Kündigung voraus, nicht jedoch die Verwendung des Wortes „Kündigung“. Nach § 20 StromGVV ist nur „Textform“, nicht jedoch „Schriftform“ erforderlich. Mit dem Hinweis des Senats setzt sich der Schriftsatz vom 02.12.2020 insoweit auch nicht auseinander.

2) Unzutreffend ist, dass die Klägerin nach einer Kündigung verpflichtet gewesen sei, die Stromversorgung einzustellen (und dies daher dafür spreche, dass die Klägerin tatsächlich die eMail auch nicht als Kündigung aufgefasst habe). Es ist nicht erkennbar, woraus die Plicht des Energieversorgers folgen sollte, die Stromversorgung nach einer Kündigung einzustellen. Wäre dies der Fall, würde sich die Frage eines Vertragsschlusses durch Annahme einer Realofferte nie stellen, sofern nur für das Objekt irgendwann einmal ein Bezugsvertrag bestanden hat. Davon geht die Rechtsprechung jedoch gerade nicht aus (s. BGH NJW 2011, 3509 Rn 17 f.; vgl. BGHZ 202, 17 Rn 16 „in ein bestehendes Vertragsverhältnis eingebettet“).

3) Die Klägerin trifft kein überwiegendes Mitverschulden, weil sie aufgrund der Fernauslesung des Verbrauchs Kenntnis vom diesem gehabt habe. Abgesehen davon, dass die Klägerin in der Klageschrift S. 3 vorgetragen hatte, dass der „Versorgungsnetzbetreiber“ die Auslesung vorgenommen habe, und mit Schriftsatz vom 05.09.2018, dass es sich dabei um die Stromnetz B. GmbH (und nicht sie) handele (und ferner Berufungserwiderungsschrift S. 4), ist es nicht Aufgabe der Klägerin als Stromversorgerin, die Umstände des Stromverbrauchs vor Ort zu hinterfragen und zu überprüfen und ggf. gegen einen Stromverbrauch einzuschreiten.

4) Die Verhältnisse an der Entnahmestelle waren hingegen von der Beklagten vollständig beherrschbar und überprüfbar, weshalb es in vollem Umfang bei dem Hinweis verbleibt, dass ein etwaiges Mitverschulden der Klägerin aufgrund verspäteter Rechnungsstellungen gegenüber dem Eigenverschulden der Beklagten vollständig zurücktritt. Die Beklagte hat sich offenbar um ihr Eigentum nicht gekümmert und legt nicht dar, wie es zu dem ganz erheblichen und schwankenden Stromverbrauch in den angeblich „leer stehenden“ Räumen kommen konnte. Der Auffassung, dass ein Grundstückseigentümer „vor allem“ durch Zustellung von Stromrechnungen in Kenntnis über einen Verbrauch gesetzt werde, vermag der Senat nicht ansatzweise zu folgen.

5) Dass die Beklagte ab August 2010 (nach der Kündigung der Altmieterin) wegen eines durch Annahme einer Realofferte zustande gekommenen Vertrags zahlungspflichtig ist, nicht jedoch zu ihren Gunsten ein durch Realofferte geschlossener Vertrag der N… GmbH ab Dezember 2012 angenommen wird, ist nicht „inkonsequent“, sondern Folge dessen, dass auch mangels Kündigung fortbestehende konkludent geschlossene Verträge einem nachfolgenden (weiteren) konkludenten Vertrag entgegenstehen. Der Vorrang des fortbestehenden Vertrags gilt auch dann, wenn dieser seinerseits nur konkludent geschlossen wurde (BGH NJW 2009, 913 Rn 8 f.).

III.

Es besteht kein Grund, durch Urteil zu entscheiden und die Revision zuzulassen. Die Beurteilung des Senats beruht auf der einschlägigen Rechtsprechung des BGH.

Nach Überzeugung des Senates ist hier auch nicht eine mündliche Verhandlung i.S. von § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO geboten, auch wenn die Begründung des Senats für die Zurückweisung der Berufung mit der Argumentation des Landgerichts nicht gänzlich übereinstimmt. Abweichend von dem, was der Begründung in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 17/6406) zu entnehmen sein könnte, erfordert ein Wechsel der Begründung nicht in jedem Fall eine mündliche Berufungsverhandlung. Nach der Funktion des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO ist eine erneute mündliche Verhandlung vielmehr nur dann geboten, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts auf eine umfassend neue rechtliche Würdigung gestützt wird und diese mit den Parteivertretern im schriftlichen Verfahren nicht sachgerecht erörtert werden kann (ebenso OLG Hamm VersR 2013, 604; OLG Koblenz VersR 2013, 708; OLG Braunschweig, Beschluss vom 21.11.2018 -10 U 90/18; OLG Frankfurt BeckRS 2013, 22588; Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 522 Rn 40; Saenger/Wöstmann, ZPO, 8. Aufl., § 522 Rn 12.1) bzw. wenn nur die Durchführung einer mündlichen Verhandlung dem Gebot prozessualer Fairness entsprechen würde (s. BGH GE 2017, 825 Rn 8 f., mit dem Hinweis, dass eine etwaige Verletzung dieser Anforderung eine Revision jedoch nicht allein begründen würde). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO und die Wertfestsetzung auf den §§ 47, 48 GKG.

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