AG Tempelhof-Kreuzberg – Az.: 4 C 352/08 – Teilurteil vom 14.04.2017
1. Der Beklagte wird verurteilt, die von ihm innegehaltenen Wohnräume im 1. Obergeschoss des Vorderhauses links in der M Straße. 81 in 10999 Berlin, bestehend aus 3 Zimmern, Küche, Diele, Toilette und einer Wohnfläche von ca. 87,62 m² geräumt an die Kläger herauszugeben.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
3. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.800,00 €, die sich im Falle der nicht fristgerechten Räumung ab dem 14.10.2010 um monatlich 463,94 € erhöht, abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheitsleistung in gleicher Höhe erbringen.
4. Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 15.06.2010 eingeräumt
Tatbestand
Die Beklagte ist aufgrund des Mietvertrags vom 02.04.1984 Mieter der im Tenor zu 1) bezeichneten Wohnung der Kläger. Die Kläger sind seit dem 09.01.2008 Eigentümer des Grundstücks.
Gem. § 4 des Mietvertrages sind die Miete und die Nebenkosten monatlich im Voraus, spätestens am 3. Werktag des Monats an den Vermieter zu zahlen.
§ 8 des Mietvertrags lautet:
„Der Mieter kann gegenüber Mietforderungen mit Gegenforderungen nur aufrechnen oder ein Zurückbehaltungsrecht ausüben, wenn er seine Absicht dem Vermieter mindestens einen Monat vor Fälligkeit der Miete schriftlich angezeigt hat.“
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Vertrages wird auf die als Anlage K 2 zur Klageschrift zu den Akten gereichte Ablichtung desselben Bezug genommen (Bl. 10 ff. der Akte).
Der Mietzins betrug zuletzt im November 2009 463,94 €.
Da der Beklagte die Mieten für die Monate Mai, Juli, August September 2007 erst zwischen dem 7. und dem 11. eines Monate und die Mieten für die Monate Februar 2008, Mai 2008, Juni 2008 und Juli 2008 erst zwischen dem 04. und 06. eines Monats zahlte, sprach die Klägerin zu 1), auch als Vertreterin des Klägers zu 2) dem Beklagten mit der Klageschrift vom 21.08.2008 u.a. wegen dauerhaft verzögerter Mietzahlungen die fristlose Kündigung aus.
Zuvor haben die Kläger gegenüber dem Beklagten bereits mit Schreiben vom 17.04.2008 und mit Schreiben vom 16.08.2008 die fristlose Kündigung ausgesprochen. Hierbei bezogen sich die Kläger inhaltlich auf ein als „Letztes Abmahnung“ gekennzeichnetes Schreiben vom 12.09.2007. Darin hatte die Klägerin zu 1) den Beklagten darauf hingewiesen, auf die pünktlichem Mietzahlungen angewiesen zu sein, weil „ein Mieteingang nach den monatlichen Abbuchungen von ihrem Konto wertlos ist“ und ihn zur Zahlung der Miete bis zum 03. Werktag eines Monats ermahnt.
Wegen des genauen Wortlauts wird auf die Klageschrift und die beiden Schreiben, welche als Ablichtungen als Anlage K 5 und K 8 zur Klageschrift zu den Akten gereicht wurden Bezug genommen (Bl. 1ff., 19 und Bl. 25 der Akte).
Auch im Jahr 2009 hat der Beklagte die Mieten für die Monate Mai, Juli, August, September und Oktober um bis zu 11 Tage später als in § 4 des Mietvertrags spätestens vorgesehen in Ausgleich gebracht.
Die Kläger beantragen, nachdem der Kläger zu 2) dem Rechtsstreit beigetreten ist, mit der am 18.10.2008 zugestellten Klage, der Beklagte wird verurteilt, die von ihm innegehaltenen Wohnräume im 1. Obergeschoss des Vorderhauses links in der M Straße. 81 in 10999 Berlin, bestehend aus 3 Zimmern, Küche, Diele, Toilette und einer Wohnfläche von ca. 87,62 m² sofort geräumt an die Kläger herauszugeben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Es war gemäß § 301 ZPO durch Teilurteil zu entscheiden, da ein Teil der Ansprüche zur Endentscheidung reif ist.
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe der aus dem Tenor zu 1) ersichtlichen Wohnung gemäß § 546 BGB.
Das Mietverhältnis ist auf Grund der gemäß § 543 Abs. 1, 3 S. 1 BGB wirksamen fristlosen Kündigung vom 21.08.2008 beendet worden. Hiernach kann eine Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund im Sinne der Vorschrift ist immer dann gegeben, wenn der Zahlungstermin ohne nachhaltig rechtfertigenden Grund überschritten wird und dies dem Willen der Vermieter entgegensteht (Blank in Schmidt-Futterer, 9. Auflage, § 543 Rn. 166).
Der Beklagte hat die für die Monate Mai, Juli, August September 2007 und Februar 2008, Mai 2008, Juni 2008 und Juli 2008 unstreitig nach dem erfolglos gebliebenen Schreiben vom 17.04.2008 nicht bis zum 03. Werktag eines Monats im voraus gezahlt, obwohl er hierzu gem. § 4 des Mietvertrags verpflichtet.
Entgegen der Ansicht des Beklagten wurde die Kombination der Vorfälligkeitsklausel in § 4 mit der Anzeigepflicht in § 8 des Mietvertrages wirksam in den Vertrag einbezogen. Der vom Beklagte zur Begründung seiner Rechtsauffassung zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 26.10.1994 – VIII ARZ 3/94 – lag eine andere und zwar weitergehende Klausel als die hier Streiterhebliche zugrunde. In dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall lautete die Klausel wie folgt: „Der Mieter kann gegen eine Mietzinsforderung mit einer Forderung wegen Schadensersatzes aufgrund eines Mangels der Mietsache nur aufrechnen oder wegen einer solchen Forderung ein Zurückbehaltungsrecht ausüben, wenn er seine Absicht dem Wohnungsunternehmen mindestens einen Monat vor der Fälligkeit des Mietzinses schriftlich angezeigt hat. Im übrigen ist die Aufrechnung gegen Mietzinsforderungen ausgeschlossen, soweit der Mieter nicht unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen geltend macht.“
Hiermit waren zum einen alle Ansprüche außer solchen nach § 538 a.F. von der Aufrechnung und Zurückbehaltung generell umfasst und es war die Aufrechnung gegen Mietzinsforderungen mit Ausnahme von unstreitigen und rechtskräftig festgestellten Ansprüchen ausgeschlossen. Der Bundesgerichtshof kam zu dem zutreffenden Ergebnis, das es sich dort um ein umfangreiches Aufrechnungsverbot handelt. Entgegen der gesetzlichen Ausgestaltung des Gewährleistungsrechts im Wohnraummietverhältnis, wonach die Minderung im Regelfall durch einen schlichten Abzug von der Miete durchgesetzt werden kann, zwingt diese Klausel den Mieter in die aktive Klagerolle, um seine ihm zustehenden Bereicherungsansprüche gegen den Vermieter geltend zu machen. Dies stellt ohne Weiteres eine unzulässige Beschränkung des Minderungsrechts des Mieters in einem Wohnraummietverhältnis dar, die auch nicht durch die Möglichkeit des Mieters zur Zurückbehaltung im Folgemonat nach § 320 BGB beseitigt wird. Denn § 320 BGB gewährt dem Mieter nur ein Druckmittel zur Mängelbeseitigung und befreit ihn nicht von seiner Pflicht zur Rückzahlung. Letztlich war es in der dem Bundesgerichtshof zugrunde liegenden Entscheidung nicht die einmonatige Anzeigepflicht, sondern der dort enthaltende Ausschluss in Satz 2 der Klausel, welcher zur Unwirksamkeit der Klausel insgesamt geführt hat.
Die vorliegend Klausel hingegen umfasst nur eine um einen Monat im voraus zu beachtende Anzeigepflicht des Mieters. Eine Einschränkung der Möglichkeit der Aufrechnung mit einem Bereicherungsanspruch nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen und damit einen Ausschluss der Aufrechnung generell enthält § 8 des Mietvertrages nicht. Durch die bloße Anzeigepflicht wird der Mieter gerade nicht zum Beschreiten des Klageweges gezwungen, sondern nur zu einem einmonatigen Zuwarten mit dem Mietabzug. Dem Mieter bleibt anheim gestellt, die Minderzahlung im Nachhinein durch Aufrechnung wieder herbeiführen. Eine Aushöhlung des Minderungsrechts vermag das Gericht darin aber gerade nicht festzustellen, vgl. hierzu auch LG Berlin 62. Zivilkammer, Urteil vom 18.12.2000 – 62 S 326/00 und OLH Hamm 30. Zivilsenat, Rechtsentscheid in Mietsachen vom 15.03.1993 – 30 REMiet 5/92.
Die hier vertretenen Auffassung zur Auswirkung der bloßen formularmäßigen Anzeigepflicht steht überdies mit der dem oben zitierten Rechtsentscheid des Bundesgerichtshof in Einklang. Auch dort hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass allein die Verschiebung der Verwirklichung des Minderungsanspruches um ein oder zwei Monate noch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung führt (BGH a.a.O, zu finden unter Juris Randziffer 13).
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass sich der Beklagte gem. § 4 des Mietvertrags wirksam einer Vorfälligkeitsregelegung unterworfen hat und daher die Miete entgegen § 551 Abs. 1 BGB a.F. zur Zahlung des Mietzins bis zum 3. Werktag eines Monats verpflichtet war.
Auch waren die Kläger berechtigt, die verspäteten Zahlungen aus dem Jahr 2007 als Vertragsverletzungen anzuführen, auch wenn sie selbst erst am 09.01.2008 die Eigentümerstellung erlangt haben. Grundsätzlich gilt, dass ein Eigentumswechsel eine Zäsur bewirkt, mit der Folge, dass bereits zuvor entstandene Kündigungsbefugnisse im Grundsatz nicht ohne weiteres auf den neuen Erwerber übergehen. Hiervon ist allerdings dann eine Ausnahme angezeigt, wenn die Kündigung aus einer Vertragsverletzung abgeleitet wird, die auch beim Erwerber erfüllt werden, vgl. hierzu Häuberlein im Münchner Kommentar, Band 3, 5. Auflage, § 566 Rn. 35, Emmerich/Sonnenschein, 9. Auflage, § 556 Rn. 30 und Schmidt-Futterer, 9. Auflage, § 566 Rn. 50 jew. m.w.N. So liegt es auch hier, da der Beklagte auch nachdem die Mietsache an die Kläger veräußert wurde, weiterhin Mieten erst nach dem 3. Werktag eines Monats zum Ausgleich gebracht hat.
Eine der Kündigung vorausgehende Abmahnung der Kläger an den Beklagten liegt in den als fristlose Kündigung bezeichnete Schreiben vom 17.04.2008 und vom 16.08.2008 vor. Eine Abmahnung muss nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden. Es reicht, wenn der Mieter dem Schreiben entnehmen kann, dass der Vermieter das vertragswidrige Verhalten nicht mehr akzeptieren wird und dem Mieter zu verstehen gibt, dass er dies künftig zu unterlassen hat, vgl. Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Auflage S. 872. Dies ist den angeführten Schreiben eindeutig zu entnehmen. Die Kläger wiesen den Beklagten darin unmissverständlich darauf hin, dass sie weitere verspätete Mietzahlungen nicht mehr dulden wollen.
Die unpünktlichen Mietzahlungen sind auch als nachhaltige Pflichtverletzung anzusehen, da sie innerhalb der Jahre jeweils vier mal aufgetreten sind und der Mieter zu verstehen gegeben hat, auch in Zukunft nicht bereit zu sein die Mietzahlungen im voraus entrichten zu wollen. Auch im Jahr 2009 hat er wiederholt die Mieten nach dem 3. Werktag eines Monats gezahlt.
Die Klägerin zu 1) hat den Beklagten in dem Schreiben vom 12.07.2007 ausreichend darauf hingewiesen, auf eine pünktliche Miete zum 3. Werktag eines Monats finanziell angewiesen zu sein.
Die Räumungsfrist war zur Suche eines adäquaten Wohnraums von Amts wegen zu gewähren. Den Klägern ist es zuzumuten, diesen Zeitraum abzuwarten, da davon ausgegangen werden kann, dass der Beklagte in dieser Zeit seiner Verpflichtung zur Zahlung der Nutzungsentschädigung nunmehr pünktlich nachkommt, § 721 ZPO. Sollte die Nutzungsentschädigung nicht gezahlt werden, kommt auf Antrag eine Abkürzung der Räumungsfrist in Betracht.
Die Entscheidung über die Kosten musste wegen der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten bleiben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 7, § 709 ZPO.