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Mietvertrag mit Bauverpflichtung – Vertragsstrafeversprechen

OLG Bremen – Az.: 4 U 20/21 – Urteil vom 09.12.2022

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 14.10.2021 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 334.684,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit und Verwirkung einer Vertragsstrafe aus einem Gewerberaummietvertrag sowie in der Berufung noch über eine durch den Beklagten zur Aufrechnung gestellte Forderung.

Zwischen den Parteien besteht ein Mietvertrag über Geschäftsräume in der ###-Straße in ###. Es handelt sich um eine Gewerbefläche über drei Etagen eines Geschäftshauses, die zum Betrieb eines Textil-Einzelhandelsgeschäfts („[…]“) vom Beklagten an die Klägerin vermietet wird.

Der von den Parteien am 18./23.01.2017 unterzeichnete Mietvertrag enthält u.a. folgende Regelungen:

„Präambel

Baugenehmigung/aufschiebende Bedingung

Die Baugenehmigung liegt zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses noch nicht vor. […] Sollte die Baugenehmigung bis zum 30.05.2016 verweigert oder nicht erteilt worden sein, so kommt der Mietvertrag nicht zustande, er steht insoweit unter einer aufschiebenden Bedingung. […]

[…]

§ 4 Mietzeit und Kündigung

(1) Das Mietverhältnis beginnt grundsätzlich mit der Übergabe am 30.08.2017. Die Festmietzeit des Mietvertrages beträgt dreißig (30) Jahre, beginnend mit der Übergabe des Mietgegenstandes. Einen früheren Übergabetermin können beide Parteien gemeinsam vereinbaren. Der Mieter ist erstmals nach 10 Jahren Vertragslaufzeit und sodann nach Ablauf jedes fünften Mietjahres zur vorzeitigen Kündigung des Mietvertrags mit einer Kündigungsfrist von 12 Monaten berechtigt. § 18.3 bleibt hiervon unberührt.

Gerät der Vermieter mit der Übergabe der Mietsache in Verzug, ist für jeden Kalendertag eine Vertragsstrafe in Höhe von 4.500,00 Euro verwirkt. Weitergehende Schadensersatzansprüche bleiben unberührt. Die Vertragsstrafe wird auf einen Schadensersatzanspruch angerechnet.

(2) Sollte nicht bis zum 30.11.2017 eine vollständige und ordnungsgemäße Übergabe stattgefunden haben, so kann der Mieter von diesem Mietvertrag zurücktreten, der Rücktritt ist mit einer Frist von 14 Tagen zu erklären.

[…]

§ 5 Miete und Nebenkosten

(1) Die monatliche Festmiete beträgt 36.400,00 Euro

zzgl. der gesetzlich geltenden Mehrwertsteuer (derzeit 19%) 6.916,00 Euro

Gesamt: 43.316,00 Euro

(2) […]

(3) Alle weiteren Nebenkosten – auch für Flächen außerhalb der zum ausschließlichen Gebrauch vermieteten Flächen – sind mit der Miete abgegolten. […]

§ 6 Zahlung der Miete und Nebenkosten […]

(2) Mietzahlungsbeginn ist mit Eröffnung, wobei die Eröffnung spätestens 8 Wochen nach vollständiger und ordnungsgemäßer Übergabe zu erfolgen hat. […]

[…]

§ 8 Mietkaution

Der Mieter leistet an den Vermieter spätestens zur Übergabe des Mietgegenstandes eine Mietsicherheit in Form einer dem als Anlage 5 beigefügten Entwurf entsprechenden Patronatserklärung der […]. Die Patronatserklärung ist auf den Betrag i. H. v. 150.000,00 Euro begrenzt. […]

[…]

§ 18 Sonstige Vereinbarungen […]

(3) Der Mieter hat ein Sonderkündigungsrecht zum Ende des 5. vollen auf die Übergabe folgenden Kalenderjahres (01.01.-31.12.), wenn der Umsatz in Höhe von netto 3,3 Mio Euro für das volle auf die Übergabe folgende 4. Kalenderjahr unterschritten wird. […]

[…]“

Auf den Inhalt des Mietvertrages vom 18./23.01.2017 im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen.

Die Übergabe der Mieträume erfolgte am 22.11.2017. Die Geschäftseröffnung fand unmittelbar nach der Übergabe im November 2017 statt.

Der Beklagte wurde mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 17.06.2019 zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 378.000,00 Euro an die Klägerin bis zum 02.07.2019 aufgefordert.

Für den Monat April 2020 zahlte die Klägerin unter Hinweis auf die Allgemeinverfügung wegen der Bekämpfung der Corona Pandemie lediglich 4.064,45 Euro der geschuldeten Miete.

Der Beklagte hat im Prozess mit Schriftsatz vom 03.06.2021 hilfsweise gegenüber der Forderung der Klägerin auf Zahlung der Vertragsstrafe die Aufrechnung mit seiner Forderung bezüglich der restlichen Miete für den Monat April erklärt.

Außerdem und ebenfalls hilfsweise hat er die Aufrechnung mit einer Forderung nach einer Nutzungsentschädigung für einen zusätzlichen Kellerraum […] erklärt.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 378.000,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.07.2019 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen; hilfsweise, die von der Klägerin begehrte Vertragsstrafe durch Urteil gemäß §§ 315, 343 BGB auf einen angemessenen Betrag herabzusetzen.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug, insbesondere zur Wiedergabe des Parteivortrags, wird auf die tatsächlichen Feststellungen und die Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Urteil vom 14.10.2021 (Bl. 197 bis 209 d.A.), berichtigt durch Beschluss des Landgerichts vom 09.11.2021 (Bl. 241 f. d.A.), ergänzend Bezug genommen.

Durch Urteil vom 14.10.2021 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 09.11.2021hat das Landgericht Bremen den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 334.684,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.07.2019 zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Parteien in dem in Rede stehenden Mietvertrag eine Vereinbarung über eine Vertragsstrafe getroffen haben. Diese Vereinbarung sei auch wirksam. Sie unterliege nicht der AGB-Kontrolle, da die maßgebliche Klausel individuell ausgehandelt gewesen sei.

Die Vertragsstrafe sei auch nicht gemäß §§ 242, 138 BGB unwirksam. Unter Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände könne eine Unangemessenheit der Höhe der Vertragsstrafe nicht festgestellt werden.

Die Voraussetzungen, unter denen die Klägerin vom Beklagten eine Vertragsstrafe verlangen könne, lägen vor. Bei der Übergabe am 22.11.2017 habe sich der Beklagte in Verzug befunden. Ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten wegen der durch die Klägerin verspätet vorgelegte Patronatserklärung bestehe nicht. Die verspätete Übergabe des Mietobjekts sei auch vom Beklagten verschuldet. Zudem habe sich die Klägerin die Geltendmachung der Vertragsstrafe durch ihre Mitarbeiterin bei der Übergabe des Mietobjekts vorbehalten. Die vereinbarte Vertragsstrafe sei von den Parteien auch weder konkludent abbedungen worden noch sei sie verwirkt.

Eine Anpassung der Vertragsstrafe nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder eine Herabsetzung nach § 343 BGB komme unter Berücksichtigung der maßgeblichen Faktoren nicht in Betracht, denn auch danach sei die Vertragsstrafe angemessen.

Während die Aufrechnung des Beklagten mit einer weiteren Forderung auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung für den näher bezeichneten Kellerraum nicht durchgreife, habe die Aufrechnung mit der ausstehenden Teilmiete für den Monat April 2020 Erfolg. Die Forderung in Höhe von 43.316,00 Euro stehe der Forderung aus der Vertragsstrafenregelung bei Fälligkeit am 03.04.2020 aufrechenbar gegenüber. Dadurch sei die Forderung aus der Vertragsstrafenregelung von 378.000,00 Euro in Höhe von 43.316,00 Euro rückwirkend erloschen.

Die Klage sei deshalb insgesamt in Höhe von 334.684,00 Euro begründet.

Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit der Berufung begehrt der Beklagte die Abweisung der Klage, soweit dieser in dem angefochtenen Urteil stattgegeben worden ist.

Der Beklagte ist zunächst der Ansicht, dass das Landgericht verschiedene Verfahrensfehler begangen habe.

Der Beklagte rügt, dass das Landgericht explizit nachgelassenen Vortrag des Beklagten rechtsfehlerhaft zurückgewiesen, gleichzeitig aber verspäteten Vortrag der Klägerin berücksichtigt habe. Dies betreffe seine, des Beklagten, Darlegung, dass zur Aufholung der durch das Thema Brandschutz verlorenen Bauzeit die Parteien vereinbart hätten, dass er, der Beklagte, eigentlich zum Aufgabenbereich der Klägerin gehörende Baumaßnahmen, die ursprünglich nach Übergabe durchgeführt werden sollten, bereits vor Übergabe übernommen habe. In dem nachgelassenen Schriftsatz vom 26.08.2021 habe er dazu jedoch näher vorgetragen, ohne dass das Landgericht dies berücksichtigt habe. Demgegenüber habe das Gericht die verspäteten Ausführungen im Schriftsatz der Klägerin vom 18.08.2021 berücksichtigt. Ohne diese Verfahrensfehler hätte das Landgericht zu dem Ergebnis kommen müssen, dass Innenausbauarbeiten einvernehmlich von der Klägerin auf den Beklagten übertragen worden seien, der Eröffnungstermin in der Folge einvernehmlich auf den 23.11.2017 verlegt worden sei und die Klägerin eine verspätete Übergabe des Mietobjekts akzeptiert habe.

Entsprechendes gelte für seinen, des Beklagten Vortrag, dass die Klägerin von Beginn an einen Eröffnungstermin Ende November 2017 geplant habe. Darauf sei bereits in der Klageerwiderung hingewiesen worden. Demgegenüber sei der Vortrag der Klägerin, dass eine Eröffnung ursprünglich bereits am 27.10.2017 geplant gewesen sei, in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 18.08.2021 und damit verspätet erfolgt. Zudem habe das Landgericht in dem Urteil auf die Behauptung der Klägerin im Schriftsatz vom 18.08.2021 abgestellt, dass der (durch die Klägerin) vorzunehmende Innenausbau in 6 bis max. 8 Wochen möglich gewesen sei, obwohl die Klägerin hierfür keinen Beweis angeboten habe. Insgesamt müsse es als zugestanden angesehen werden, dass von Beginn an ein Eröffnungstermin Ende November 2017 geplant gewesen sei.

Zudem hätte das Landgericht bei der Frage der Angemessenheit der Vertragsstrafe berücksichtigen müssen, dass selbst nach dem verspäteten Vortrag der Klägerin zwischen dem geplanten Eröffnungstermin am 27.10.2022 und dem Termin der Übergabe lediglich 28 Tage lagen, in denen die Klägerin keinen Umsatz erzielt hätte. Die Bemessung der Vertragsstrafe ab dem vertraglich vereinbarten Übergabezeitpunkt 30.08.2017 (für insgesamt 84 Tage) sei mangels Schadens der Klägerin in diesem Zeitraum unangemessen. Die Vertragsstrafe hätte deshalb, selbst wenn man den Tagessatz der vereinbarten Vertragsstrafe als angemessen ansehe, maximal 28 Tage x 4.500,00 Euro = 126.000,00 betragen dürfen.

Auch der im Schriftsatz der Klägerin vom 18.08.2022 nachgereichte Vortrag der Klägerin zur Nutzung der Kellerräume hätte vom Landgericht nicht berücksichtigt werden dürfen.

Neben den geltend gemachten Verfahrensfehlern rügt der Beklagte auch die Verletzung materiellen Rechts.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei mit der beidseitigen Unterzeichnung der Anlage B1 einvernehmlich auf den 23.11.2017 als Eröffnungstermin abgestellt worden. Bei der nachträglichen Absprache zwischen den Parteien sei es um die Vorverlegung von Arbeiten zur Beschleunigung des Bauprozesses gegangen, die ursprünglich zwischen Übergabe und Eröffnung vorgesehen gewesen seien. Daraus folge, dass die Übergabe noch weiter nach hinten verschoben worden sei, als das Thema Brandschutz es erfordert hätte. In Anbetracht des Sinns und Zwecks dieser Neuregelung wäre die Forderung einer Vertragsstrafe für diesen Zeitraum widersinnig. Die könne vielmehr erst an den neu vereinbarten Eröffnungstermin 23.11.2017 anknüpfen. Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen sollte, könne im Wege des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Vertragsstrafe erst ab dem Tag der ursprünglich geplanten Eröffnung, also dem 28.10.2017, verlangt werden.

Ihm, dem Beklagten, habe zudem bis zur Vorlage der Patronatserklärung am 06.02.2019 auch ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden, das den Eintritt des Verzugs gehindert habe. Dazu trägt der Beklagte weiter vor.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts unterliege die Vertragsstrafenregelung der AGB-Kontrolle und stelle keine Individualabrede dar. Dazu wiederholt der Beklagte im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Zudem verstoße die Vertragsstrafenregelung gegen §§ 242, 138 BGB. Das Landgericht habe übersehen, dass die Klägerin, auch nach der eigenen Planung, bis zum 27.10.2017 weder Umsatz noch Gewinn erzielt hätte. Auch Personalkosten wären in dieser Zeit nicht angefallen. Zudem sei der Satz für die Vertragsstrafe zu hoch, weil im Textil-Einzelhandel regelmäßig nur geringe Margen erzielt werden würden. Jedenfalls müsse die Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB herabgesetzt werden.

Der Beklagte beantragt, das angefochtenen Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit ihr mit dem angefochtenen Urteil stattgegeben worden ist; hilfsweise, das angefochtenen Urteil abzuändern und die Vertragsstrafe nach § 343 BGB herabzusetzen, mithin unter Berücksichtigung der erstinstanzlich zugebilligten Aufrechnungsposition neu zu tenorieren; äußerst hilfsweise das angefochtenen Urteil aufzuheben, soweit ihr mit dem angefochtenen Urteil stattgegeben worden ist, und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass Verfahrensfehler des Landgerichts nicht vorlägen. Auch Grundsätze des fairen Verfahrens oder der richterlichen Hinweispflicht seien nicht verletzt.

Denn jedenfalls inhaltlich gebe das angefochtenen Urteil zutreffend wieder, dass die Behauptung des Beklagten, es habe zwischen den Parteien Absprachen über die Kosten für die Einschaltung und Durchführung mit dem Generalunternehmer […] gegeben, unsubstantiiert sei. Auch aus den Anlagen B1, B5 und K12 ergebe sich nicht, dass seitens der Klägerin noch zahlreiche Arbeiten hätten durchgeführt werden müssen, weshalb eine Eröffnung des Ladengeschäftes auch bei vertragsgemäßer Übergabe der Mietsache nicht zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre. Dazu trägt die Klägerin weiter vor.

Entgegen der Ansicht des Beklagten komme es für die Vertragsstrafe nicht darauf an, wann sie, die Klägerin, nach ihrer ursprünglichen Planung das Ladengeschäft habe eröffnen wollen. Der Vortrag des Beklagten, dass dies ohnehin erst für Ende 2017 vorgesehen gewesen sei, sei zudem eine unsubstantiierte Behauptung „ins Blaue“ hinein.

Eine Nutzungsentschädigung für die Kellerräume habe das Landgericht zu Recht abgelehnt, selbst wenn man ihren, der Klägerin, Schriftsatz vom 18.08.2021 unberücksichtigt lasse. Denn bereits aus ihrem bis dahin erfolgten Vortrag ergebe sich, dass insoweit ein Flächentausch erfolgt sei.

Auch eine Verletzung materiellen Rechts durch das angefochtene Urteil sei nicht ersichtlich.

Eine konkludente Abbedingung der Vertragsstrafe habe es nicht gegeben. Insbesondere habe der Beklagte auch nicht substanttiert dargelegt, welche baulichen Arbeiten er von ihr, der Klägerin, übernommen habe. Der Beklagte berufe sich insofern nur auf das falsch ausgefüllte Formular B5, auf dessen Fehlerhaftigkeit sie, die Klägerin, unmittelbar hingewiesen habe. Es gebe daher keinen neuen „Fixpunkt“, an den eine Vertragsstrafe anzupassen wäre. Auch die Voraussetzungen für den Wegfall der Geschäftsgrundlage würden von dem Beklagten nicht hinreichend dargelegt.

Ein Zurückbehaltungsrecht wegen der erst später erfolgten Übergabe der Mietsicherheit bestehe aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils nicht. Ein solches Zurückbehaltungsrecht sei von dem Beklagten zudem auch nicht ausgeübt worden.

Zutreffend sei das Landgericht auch zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vertragsstrafenregelung eine Individualvereinbarung darstelle, die nicht der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliege, dass die Vertragsstrafenregelung nicht unwirksam gemäß §§ 242, 138 BGB sei und auch eine Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB nicht in Betracht komme. Dazu trägt die Klägerin jeweils weiter vor.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsrechtszug wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 03.11.2021, 11.01.2022 und 24.05.2022, der Klägerin vom 18.03.2022 (§ 540 Abs. 1 und 2 ZPO) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.11.2022 ergänzend Bezug genommen.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch in der tenorierten Höhe von 334.684,00 Euro (Vertragsstrafe von 378.000,00 Euro abzüglich der im Berufungsverfahren nicht angegriffenen Gegenforderung von 43.316,00 Euro) aus dem Mietvertrag vom 18./23.01.2017 zusteht.

1. Die Parteien haben die Verwirkung einer Vertragsstrafe von 4.500,00 Euro pro Kalendertag vereinbart, wenn der Beklagte mit der Übergabe der Mietsache in Verzug gerät.

In § 4 Ziff. (1), letzter Absatz des Mietvertrages vom 18./23.01.2017 (Bl. 10 d.A.) ist geregelt, dass wenn „der Vermieter mit der Übergabe der Mietsache in Verzug (gerät), […] für jeden Kalendertag eine Vertragsstrafe in Höhe von 4.500 Euro verwirkt“ ist. Die Übergabe der Mieträume war gemäß § 4 Ziff. (1) Satz 1 für den 30.08.2017 vereinbart. Aus diesem Wortlaut ergibt sich, dass vom Beklagten an die Klägerin für jeden Tag, um den sich die Übergabe der Mietsache über den 30.08.2017 hinaus verzögert, eine Vertragsstrafe von 4.500,00 Euro pro Tag zu zahlen ist. Der Wortlaut der Vereinbarung ist eindeutig und insbesondere nicht im Sinne des Beklagtenvortrags auslegungsfähig. Denn soweit in § 4 Ziff. (1) Satz 1 geregelt ist, dass das Mietverhältnis „grundsätzlich“ mit der Übergabe am 30.08.2017 beginnt, bezieht sich das Wort „grundsätzlich“ auf den Mietbeginn und nicht auf den Zeitpunkt der vereinbarten Übergabe. Durch diese Formulierung wird lediglich klargestellt, dass der Mietvertrag und damit die Mietzahlung erst später beginnen würde, sofern sich die Übergabe verschiebt. Die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts sind vom Beklagten in der Berufung insoweit nicht angefochten worden.

2. Das Landgericht ist auch zu dem zutreffenden Ergebnis gekommen, dass die Vereinbarung über die Vertragsstrafe zwischen den Parteien wirksam geschlossen worden ist.

a) Die Vereinbarung über die Vertragsstrafe unterliegt nicht der AGB-Kontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB, denn es handelt sich dabei nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Vielmehr ist diese Klausel als Individualklausel zwischen den Parteien ausgehandelt worden.

Gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Nach § 305 Abs. 1 S. 3 BGB liegen Allgemeine Geschäftsbedingungen jedoch nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt werden. Als ausgehandelt sind die Bedingungen dann anzusehen, wenn ein wirklicher Austausch über den Inhalt der Klausel stattgefunden hat. Der Verwender muss den Kerngehalt seiner Regelung ernsthaft zur Disposition stellen und dem anderen Teil Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräumen, dieser muss die realeMöglichkeit erhalten, den Inhalt der Vertragsbedingungen zu beeinflussen und eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen (BGH, Urteile vom 15.02.2017, IV ZR 91/16, Rn. 9 und vom 05.06.2018, XI ZR 790/16, Rn. 11, jeweils m.w.N.). Der Verwender muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären. Die entsprechenden Umstände hat der Verwender darzulegen. In der Regel schlägt sich das Aushandeln in Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Die allgemein geäußerte Bereitschaft, belastende Klauseln abzuändern, genügt nicht (BGH, Beschluss vom 19.03.2019, XI ZR 9/18, Rn. 14 m.w.N.). Zudem muss sich das Aushandeln nach dem Gesetzeswortlaut jeweils auf bestimmte Vertragsbedingungen beziehen und führt dann in diesem Umfang zur Nichtanwendung der §§ 305 ff. BGB (BGH, Beschluss vom 19.03.2019, XI ZR 9/18, Rn. 15 m.w.N.).

Aus den von den Parteien vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass der von der Klägerin mit E-Mail vom 14.10.2016 übersandte und von der Klägerin bereits am 14.10.2016 unterzeichnete Mietvertrag (Anlage B7) in dem dortigen § 4 Ziff. (1) vorsah, dass das Mietobjekt am 03.07.2017 übergeben wird und die Vertragsstrafe pro Kalendertag 3.500,00 Euro beträgt. Eine Präambel, wie sie von dem Beklagten in dem Vertragsentwurf Anlage K11 (Bl. 88 ff. d.A.) eingefügt und später im Vertrag vom 17./23.01.2017 auch vereinbart wurde, nämlich dass der Mietvertrag nicht zustande kommt, sollte die Baugenehmigung nicht bis zum 30.05.2017 vorliegen, enthält dieser Entwurf noch nicht.

Die Klägerin hat insoweit unbestritten vorgetragen (Bl. 81 f. d.A.), dass der Vertrag bereits mit dem Voreigentümer des Mietobjekts verhandelt worden sei und der Beklagte diesen Verhandlungsstand bei Erwerb des Objekts übernommen habe. Der Beklagte habe bei diesen Verhandlungen die Streichung der Vertragsstrafe, die zu diesem Zeitpunkt 3.500,00 Euro betragen habe, verlangt und gleichzeitig die Präambel mit der aufschiebenden Bedingung des Erhalts der Baugenehmigung eingefügt (vgl. Anlage K 11). Da die Klägerin aber einen festen Termin zur Eröffnung garantiert haben wollte, ohne dass dieser aus baulichen Gründen noch mal verschoben wird, habe man einen späteren als den ursprünglichen Übergabetermin (30.08.2017 statt 03.07.2017) vereinbart, die Präambel akzeptiert und im Gegenzug die Vertragsstrafe auf 4.500,00 Euro erhöht. Dieser Vortrag lässt sich an Hand der Anlagen B7 und K11 ohne weiteres nachvollziehen.

Zutreffend ist das Landgericht deshalb zu dem Ergebnis gekommen, dass Verhandlungen stattgefunden haben, bei denen beide Parteien die Möglichkeit hatten, ihre Prioritäten deutlich zu machen, bei denen verschiedene Vertragsteile zueinander ins Verhältnis gesetzt wurden und die in Rede stehende Klausel letztlich auch abgeändert worden ist (wenn auch zu Lasten des Beklagten). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den E-Mails des Mitarbeiters der Klägerin Herrn A. vom 05.01.2017 (Anlage B4) und 09.01.2017 (Anlage B8). Vielmehr unterstützen diese E-Mails die vorgenannten Ausführungen. Zwar schreibt Herr A. in seiner E-Mail vom 09.01.2017, dass die Vertragsstrafe bei verspäteter Übergabe für die Gremien der Klägerin sehr wichtig sei. Andererseits wird aus der E-Mail aber auch deutlich, dass die Fragen „Übergabetermin“ und „aufschiebende/Auflösende Bedingung aufgrund des Themas Baugenehmigung“ noch Gegenstand der Verhandlungen und noch nicht ausdiskutiert waren. Wie sich den Anlagen B7 und K11 entnehmen lässt, waren diese Themen dann auch Gegenstand der weiteren Verhandlungen unter Einbeziehung der Vertragsstrafenklausel.

Da es sich bei Regelung betreffend die Vertragsstrafe um eine Individualvereinbarung und keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen handelt, kommt es nicht auf § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB und § 309 Nr. 6 BGB und damit auf die Frage an, ob der Beklagte hier‘ als Verbraucher zu qualifizieren ist.

b) Die Vertragsstrafenregelung ist auch nach den Wertungen der §§ 242, 138 BGB wirksam.

aa) Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass im Rahmen der hier durchzuführenden Angemessenheitsprüfung zu beachten ist, dass die Sanktion nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht des Vertragsverstoßes stehen darf, dass also die Vertragsstrafe als allgemeine Lösung angesichts des anhaltenden Interesses des Mieters an der Einräumung der Nutzungsmöglichkeit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses angemessen ist. Mit § 242 BGB unvereinbar sind daher solche Klauseln, nach deren Inhalt die vorgesehene Sanktion im Verhältnis zur Schwere des Vertragsverstoßes unangemessen ist. Das Verhältnis der Miethöhe zur Höhe der Vertragsstrafe allein kann dabei keinen Grund darstellen, die Höhe der Vertragsstrafe für unangemessen oder unbillig zu halten. Denn die Vertragsstrafe muss nicht nur im Verhältnis zur Höhe der Miete stehen. Als pauschalierter Schadensersatz soll sie vielmehr den potentiellen Schaden abbilden, der für die Klägerin im Fall der verspäteten Übergabe entsteht. Dass die Vertragsstrafe dabei auch die vereinbarte Miete übersteigt, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Dies bedingt gerade die berechtigte Funktion des Vertragsstrafeversprechens, den Schuldner zur Vertragserfüllung anzuhalten und als Druckmittel zu dienen. Diese Aufgabe kann die Vertragsstrafe nur erfüllen, wenn sie eine spürbare Höhe hat.

Ob die konkrete Höhe der Vertragsstrafe (hier ca. 376% der Tagesnettomiete von 1.196,71 Euro (Monatsmiete von 36.400,00 Euro x 12 Monate : 365 Tage) noch angemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Zu berücksichtigen ist dabei zunächst, das erhebliche wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der vertragsgemäßen Übergabe. Ausweislich § 18 Ziff. (1) des Mietvertrages legt die Klägerin zu Grunde, dass sie einen Mindestumsatz von jährlich 3,3 Mio Euro (monatlich 275.000,00 Euro) erzielt. Es ist offensichtlich, dass mit jeder Verzögerung der Übergabe und Eröffnung nicht nur Umsatz- und Gewinneinbußen, sondern ggf. auch zusätzliche Lohn-, Waren- und Lagerkosten entstehen, unabhängig davon, ob, wie der Beklagte behauptet, eine Eröffnung ohnehin erst Ende 2017 geplant gewesen sei.

Entscheidend ist aber, dass die Höhe der Vertragsstrafe zwischen den Parteien ausgehandelt worden ist. Wie oben dargelegt, hat der Beklagte, der, wie dem Senat aus entsprechenden Presseberichterstattungen bekannt ist, in größerem Umfang in Y in Wohn- und Gewerbeimmobilien investiert und diese entwickelt, die Erhöhung der Vertragsstrafe von den ursprünglich vorgesehenen 3.500,00 Euro auf 4.500,00 Euro im Gegenzug zur Verschiebung des Eröffnungstermins um ca. zwei Monate und der Einfügung der Präambel mit der aufschiebenden Bedingung im Hinblick auf die Erteilung der Baugenehmigung akzeptiert. Die Parteien haben insoweit in einer im unternehmerischen Rechtsverkehr nicht zu beanstandender Weise einen pauschalisierten Ausgleich für die schwerwiegende Vertragsverletzung des Beklagten, einer verspäteten Übergabe des Mietobjekts, vereinbart.

bb) Auch das Fehlen einer zeitlichen Obergrenze führt hier nicht zu einer Unwirksamkeit der Vertragstrafenklausel.

Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.03.2003, XII ZR 18/00) ist geklärt, dass für den Fall der Nichtüberlassung einer erst noch zu errichtenden Gewerbeimmobilie entgegen einer mietvertraglichen Abrede ein Vertragsstrafeversprechen, das die Verwirkung einer täglichen Summe vorsieht, auch ohne Vereinbarung einer Obergrenze zulässig ist und zwar selbst dann, wenn die Vertragsstrafe im Rahmen von AGB vereinbart wurde und am Maßstab des § 307 Abs. 1 BGB zu messen ist (so auch OLG Celle, Beschlüsse vom 03.01.2014, 2 U 164/13, und 14.11.2014, 2 U 111/14).

Bei einer auch hier vorliegenden Vermietung mit Bauverpflichtung (vgl. dazu § 1 Ziff. (2) des Mietvertrages) übernimmt der Vermieter eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung. Die Nichtfertigstellung des Objekts stellt sich insoweit als einer der gröbsten denkbaren Vertragsverstöße dar (vgl. BGH, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund ist eine Vertragsstrafe, deren Höhe von der Zeitspanne abhängt, innerhalb derer der Vertragspartner seine Kardinalpflicht zu fortlaufender Gebrauchsgewährung nicht erfüllt, keineswegs unangemessen. Sie steht nicht außer Verhältnis zum Gewicht des geahndeten Verstoßes, sondern erfüllt im Gegenteil ihren Zweck als Druckmittel, um den Schuldner zur Vertragstreue anzuhalten und dem Mieter die pünktliche Aufnahme seines Geschäftsbetriebes sicherzustellen. Dieses Druckmittel würde durch die Festlegung eines Höchstbetrages entscheidend entwertet. Der Schuldner selbst hat es letztlich in der Hand, zur Vertragstreue zurückzukehren und die Vertragsstrafe damit zu begrenzen (OLG Celle, Beschluss 14.11.2014, 2 U 111/14).Zudem übersieht der Beklagte, dass der BGH in der bereits zitierten Entscheidung angenommen hat, dass bei der Prüfung der Angemessenheit der Vertragsstrafe im Rahmen des § 307 BGB jedenfalls nicht auf den theoretisch denkbaren Extremfall abzustellen ist, sondern darauf, in welchem Verhältnis der täglich anfallende Betrag zu dem steht, was eine Überschreitung um einen Tag für einen Mieter bedeutet, der seinem Vertragspartner durch diese Klausel von Anfang an deutlich gemacht hat, dass er allergrößten Wert auf pünktliche Fertigstellung legt (vgl. auch OLG Celle, Beschluss 14.11.2014, 2 U 111/14).

Auch hat der BGH zutreffend darauf hingewiesen, dass eine wirksame Vertragsstrafenregelung nicht automatisch dazu führt, dass die Vertragsstrafe tatsächlich maximal 30 Jahre gezahlt werden muss. Es müsse geprüft werden, ob nicht irgendwann eine zeitliche Grenze erreicht sei, jenseits derer sich das Verlangen nach Fortzahlung der Vertragsstrafe nach § 242 BGB als treuwidrig erweisen würde. Der BGH hat in dem von ihm entschiedenen Fall diese Grenze bei einer verlangten Vertragsstrafe für 478 Tage jedenfalls als noch nicht erreicht angesehen (BGH, Urteil vom 12.03.2003, XII ZR 18/00), das OLG Celle bei 212 bzw. 123 Tagen (OLG Celle, Beschlüsse vom 03.01.2014, 2 U 164/13, und 14.11.2014, 2 U 111/14) ebenfalls nicht. Im vorliegenden Fall verlangt die Klägerin Vertragsstrafe für 84 Tage, befindet sich also noch deutlich in dem vorgenannten Rahmen.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Vertragsstrafenregelungen in den vorstehend zitierten Entscheidungen des BGH und des OLG Celle um AGB handelte, die von den jeweiligen Gerichten einer AGB-Kontrolle unterworfen worden sind. Im vorliegenden Fall ist die Vertragsstrafenklausel aber ausgehandelt worden. Die insoweit anzulegenden Maßstäbe sind also noch weniger streng als in den vorstehend zitierten Entscheidungen.

3. Die Voraussetzungen unter denen die Klägerin die Zahlung der Vertragsstrafe verlangen kann, sind erfüllt.

a) Der Beklagte befand sich als Vermieter mit der Übergabe in Verzug. Denn die Übergabe erfolgte nicht am vertraglich vereinbarten Termin 30.08.2017, sondern unstreitig erst am 22.11.2017. Insbesondere war die Vertragsstrafe ausdrücklich an den Übergabe- und nicht an den Eröffnungszeitpunkt gebunden. Gegen die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil hat der Beklagte in der Berufung keine Einwendungen mehr erhoben.

b) Der Eintritt des Verzugs ist auch nicht dadurch verhindert worden, dass dem Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden hätte, weil die Klägerin die vorzulegende Patronatserklärung erst verspätet am 06.02.2019, also weit nach erfolgter Übergabe der Mietsache, leistete.

Zutreffend ist das Landgericht insoweit zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Zurückbehaltungsrecht nach § 320 BGB nicht besteht, weil die Vorschrift des § 320 BGB Ausdruck des funktionellen Synallagmas ist und der Anspruch auf Mietsicherheit nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis steht und ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB nicht greift, weil der Beklagte es nicht ausgeübt hat.

Darüber hinaus ist, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, folgendes zu berücksichtigen: Ausweislich § 8 des Mietvertrages war die näher spezifizierte Mietkaution spätestens bei Übergabe der Mietsache zu leisten. Eine Fälligkeit zur Einforderung der Mietsicherheit durch den Beklagten setzte also voraus, dass dieser zur Übergabe bereit und im Stande war. Er konnte die Leistung einer Mietsicherheit aber nicht bereits zum ursprünglich vereinbarten Übergabetermin verlangen, weil er selbst zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage war, seine Hauptleistungspflicht, Übergabe des Mietobjektes, zu erfüllen und sich insoweit im Verzug befand (vgl. dazu auch das Miet- und Abnahmeprotokoll vom 22.11.2017, Anlage K 2, Bl. 22 ff. d.A., in dem die nicht erfolgte Abnahme in den drei vorangegangenen geplanten Übergabeterminen dokumentiert ist). Allenfalls hätte der Beklagte die Übergabe am 22.11.2017 verweigern können, bis die Mietsicherheit geleistet ist. Das ist aber nicht erfolgt und hätte auf die Verwirkung der Vertragsstrafe auch keinen Einfluss mehr gehabt.

c) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass den Beklagten ein Verschulden an der verspäteten Übergabe trifft und es ihn nicht entlastet, dass den Voreigentümer der Immobile bei dem zu treffenden Brandschutz möglicherweise Versäumnisse vorzuwerfen sind. Auf die Ausführungen Seite 20 f. (Bl. 214 f. d.A.) des angefochtenen Urteils, die in der Berufung auch nicht angegriffen wurden, wird insoweit Bezug genommen. Zudem ist zu berücksichtigen dass der BGH davon ausgeht, dass bei einer Vermietung mit Bauverpflichtung, wie sie hier vorliegt, der Vermieter eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung übernimmt und sich die Nichtfertigstellung des Objekts insoweit als einer der gröbsten denkbaren Vertragsverstöße darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2003, XII ZR 18/00).

d) Die Klägerin hat sich die Geltendmachung der Vertragsstrafe bei Abnahme auch vorbehalten. Auf Seite 4 des Miet- und Abnahmeprotokolls vom 22.11.2017 (Anlage K 2, Bl. 23R. d.A.) ist die Option: „Der Mieter behält sich seine Ansprüche auf Vertragsstrafe vor.“ angekreuzt worden. Handschriftlich ergänzt wurde:

„Dieser Punkt wird im Zuge der Nachtragsverhandlungen geklärt.“

Diese Erklärung wurde von der Mitarbeiterin der Klägerin, Frau B., unterzeichnet. Frau B. war laut Vollmacht vom 27.09.2017 (Anlage B 3) von der Klägerin bevollmächtigt, „für unser Unternehmen Mietflächen zu übernehmen und Baugewerke abzunehmen“. Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Vollmacht so auszulegen ist, dass Frau B. auch berechtigt war, Erklärungen zum Thema Vertragsstrafe abzugeben. Denn regelmäßig ist Gegenstand einer förmlichen Abnahme nicht nur die gemeinsame Prüfung der erbrachten Bauleistung und Protokollierung etwaiger Vorbehalte wegen bekannter Mängel, sondern auch Erklärungen über Vertragstrafen und etwaige Vorbehalte dazu abzugeben (Genius, in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, Band 2, § 640 BGB, Rn. 32, vgl. dazu auch § 12 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B). Das folgt im vorliegenden Fall auch daraus, dass in dem Miet- und Abnahmeprotokoll vom 22.11.2017 die Möglichkeit, den Vertragsstrafenvorbehalt geltend zu machen, formularmäßig ausdrücklich vorgesehen war. Für die Parteien war daher anhand des vorbereiteten Vordrucks im Vorfeld klar erkennbar, dass eine entsprechende Erklärung im Rahmen der Übergabe abzugeben sein würde. Das galt für die Klägerin umso mehr, da zum einen die Mitarbeiterin bei ihr regelmäßig entsprechende Aufgaben erledigte und zum anderen im Vertrag die Vertragsstrafe vereinbart worden war, deren Durchsetzung einen entsprechenden Vorbehalt erforderte.

e) Die Parteien haben die vereinbarte Vertragsstrafe nicht konkludent abbedungen.

Der Beklagte trägt dazu vor, dass die Vertragsstrafe abbedungen worden sei, indem die Parteien in Ansehung der absehbaren Verzögerungen vereinbart hätten, dass der Beklagte auch die Durchführung und Abwicklung eigentlich der Klägerin als Mieterin zugewiesener Baumaßnahmen auf eigene Kosten übernehmen würde, damit diese Aufgaben parallel zu den noch offenen Leistungen des Beklagten erfolgten könnten. So sei es möglich gewesen, dass die eigentlich zeitlich hintereinandergeschalteten Leistungen hätten weitgehend parallel verlaufen und der Eröffnungstermin gehalten habe werden können. Es sei aber klar gewesen, dass sich durch eine solche Vereinbarung zur Änderung des Bautenplans die Übergabe der Mietsache noch weiter nach hinten verschieben würde. Das ergebe sich auch aus einem Abgleich des Protokolls vom 20.07.2017 (Anlage B 1) und des Raumbuches (Ablage B 5). Aus diesen Vereinbarungen folge eine konkludente Änderung des Mietvertrags hin zu einer Abbedingung der Vertragsstrafe.

Zutreffend hat das Landgericht dazu bereits ausgeführt, dass sich aus dem Abgleich der Anlage B1 mit der Anlage B5 nicht die von der Beklagtenseite behauptete Veränderung der Zuständigkeiten ergibt. Der Beklagte hat bis heute nicht substantiiert vorgetragen, welche Arbeiten, die ursprünglich im Aufgabenbereich der Klägerin gestanden haben, er nachträglich übernommen hat. Schon deshalb ist nicht ersichtlich, dass sich daraus eine ausdrückliche oder konkludente Abbedingung der Vertragsstrafenregelung ergeben könnte. Die insoweit zwar berechtigte Verfahrensrüge, dass das Landgericht den Schriftsatz der Beklagten vom 26.08.2022 bei der Abfassung des Urteils noch hätte berücksichtigen müssen, weil dieser in der mündlichen Verhandlung noch nachgelassen worden war, ist insoweit nicht entscheidungserheblich. Denn auch in jenem Schriftsatz ist der Vortrag der Beklagten nicht substantiiert worden. Dazu wäre es erforderlich gewesen, dass der Beklagte konkret vorträgt, welche nach der vertraglichen Vereinbarung von der Klägerin auszuführenden Arbeiten er übernommen und inwieweit dies zu Verzögerungen geführt hat. Ein Verweis auf die in Anlage B 5 enthaltenen „Kreuze“ ersetzt diesen Vortrag nicht. Insbesondere ist es nicht Aufgabe des Gerichts, ohne weiteren konkretisierenden Vortrag des Beklagten eingereichte Anlagen abzugleichen, um zu prüfen, an welcher Stelle „Kreuze“ gemacht oder ggf. verändert wurden.

5. Zutreffend ist das Landgericht auch zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Anpassung der Vertragsstrafe nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB hier nicht in Betracht kommt.

Grundsätzlich besteht nach § 313 BGB die Möglichkeit, die Anpassung eines Vertrags zu verlangen, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder nicht so geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Weiter ist erforderlich, dass einem Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag aus diesen Gründen nicht zugemutet werden kann. § 313 BGB ist dagegen nicht anwendbar, wenn sich durch die Störung ein Risiko verwirklicht, welches eine Partei zu tragen hat (BGH Urteil vom 09.03.2010, VI ZR 52/09 m.w.N.). Letzteres ist vorliegend der Fall. Der Umstand, dass der Voreigentümer des Mietobjekts die Brandschutzsanierung nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat und hier nun zusätzliche Arbeiten zu erledigen waren, fällt allein in die Risikosphäre des Vermieters, also des Beklagten.

Die streitige Frage, ob es wegen einer anderer Verteilung der vorzunehmenden Baumaßnahmen (auch) zu Verzögerungen gekommen ist, die ursprünglich in der Sphäre der Klägerin lagen, fällt nicht unter § 313 BGB, denn selbst unter Zugrundelegung des Vortrags des Beklagten wäre das nur eine Folge, die sich aus einem von dem Beklagten zu tragenden Risiko ergibt.

6. Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB scheidet ebenfalls aus.

Nach § 343 Abs. 1 Satz 1 BGB kann eine Vertragsstrafe auf Antrag des Schuldners, wie ihn hier der Beklagte gestellt hat, durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden, wenn eine verwirkte Strafe unverhältnismäßig hoch ist. Nach § 343 Abs. 1 Satz 1 BGB ist bei der Beurteilung der Angemessenheit jedes berechtigte Interesse des Gläubigers, nicht bloß das Vermögensinteresse, in Betracht zu ziehen.

§ 343 BG ist hier auch grundsätzlich anwendbar. Dass der Ausschluss des § 338 HGB (keine Anwendung des § 343 BGB bei Vertragsstrafen, die ein Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochen hat) hier nicht greift, hat das Landgericht auf Seite 25 des angefochtenen Urteils zutreffend festgestellt. Diese Ausführungen haben die Parteien nicht angegriffen.

Das Ermäßigungsrecht nach § 343 setzt allerdings voraus, dass die verfallene Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch ist. Für die Angemessenheit der Strafe sind vor allem Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung und der Grad des Verschuldens entscheidend (BGH, Urteil vom 30.09.1993, I ZR 54/91; OLG Brandenburg Urteil vom 30.01.2001, 11 U 3/00).Zu berücksichtigen sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Funktion der Strafe als Druck- und Sicherungsmittel und dass diese den Gläubiger im Falle der Zuwiderhandlung von der Notwendigkeit des Schadensnachweises entheben soll (BGH, Urteil vom 07.10.1982, I ZR 120/80; BGH, Urteil vom 30.09.1993, I ZR 54/91; OLG Frankfurt, Urteil vom 30.04.2004, 11 U 10/04).Von Bedeutung sind auch die Art des Verstoßes und die wirtschaftliche Lage des Schuldners. Allein das Fehlen eines Schadens rechtfertigt die Herabsetzung der Strafe nicht (BGH, Urteil vom 01.06.1983, I ZR 78/81). Entscheidend ist, welchen Schaden der Vertragsbruch hätte herbeiführen können (Janoschek, in Beck-OK BGB, Hau/Poseck, 62. Ed., § 343, Rn. 8). Die Beweislast für die Tatsachen, aus denen die Unverhältnismäßigkeit hergeleitet werden soll, trägt der Schuldner (Grüneberg/Grüneberg, BGB 81. Aufl. § 343 Rn. 7).

Den Ausgangspunkt der Angemessenheitsprüfung bildet dabei zunächst die zwischen den Parteien vereinbarte Vertragsstrafe. Denn den Parteien steht es im Rahmen der Vertragsfreiheit grundsätzlich frei, wie und in welchem Umfang sie sich gegenseitig verpflichten möchten. Die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe unterliegt der autonomen Beurteilung der Vertragsparteien, die sich bewusst auf bestimmte Vertragsstrafenbeträge für bestimmte Verstöße eingelassen haben und damit in Kenntnis ihrer eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse vereinbart haben, welche Bedeutung sie bestimmten Verstößen zubilligen und welche Geldbeträge nach ihrer Auffassung eine hinreichende abschreckende Wirkung zur Verhinderung von Vertragsverstößen haben können (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 29.10.2013, 9 U 38/13, BeckRS 2015, 3162, Rn. 61; Staudinger/Rieble, BGB, Neubearb. 2020, § 343 Rn. 111). Besteht eine gültige Vereinbarung über die Vertragsstrafe, müssen erhebliche Gründe für die Anpassung nach § 343 BGB sprechen. Erst wenn sich das Ergebnis der im Voraus erfolgten Beurteilung und Bewertung durch die Vertragsparteien als unvertretbar und disproportional zu den mit der verfallenen Vertragsstrafe verfolgten Zwecken erweist, kommt eine Ermäßigung in Betracht (Ulrici, in beck-online-Großkommentar BGB, § 343, Rn. 54 m.w.N.).

Der Beklagte hat verschiedene Aspekte vorgetragen, aus denen sich aus seiner Sicht die Unverhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe ergeben soll. Das Landgericht hat sich damit auseinandergesetzt. Auf die dortigen zutreffenden Ausführungen auf Seite 26 ff. wird Bezug genommen. Ergänzend ist folgendes anzumerken:

a) Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass die Klägerin keinen Schaden erlitten habe, weil ein Eröffnungstermin ohnehin erst Ende 2017, also nach der verspäteten Übergabe, geplant gewesen sei und die Klägerin bis dahin keinen Umsatz erzielt hätte, überzeugen diese Ausführungen nicht.

Bereits aus den vertraglichen Vereinbarungen ergibt sich, dass die Parteien offenbar davon ausgegangen sind, dass eine geraume Zeit zwischen Übergabe und Eröffnung liegen werde. So ist in § 6 Ziff. (2) des Mietvertrages im Zusammenhang mit dem Beginn der Mietzahlung geregelt, dass „die Eröffnung spätestens 8 Wochen nach vollständiger und ordnungsgemäßer Übergabe zu erfolgen hat“. Der Beklagte hat die Vertragsstrafe in der vereinbarten Höhe also in Kenntnis dessen akzeptiert, dass die Klägerin ggf. bis zu 8 Wochen nach Übergabe keinen Umsatz erzielen wird. Zudem rechtfertigt allein das Fehlen eines Schadens die Herabsetzung der Strafe nicht; entscheidend ist, welchen Schaden der Vertragsbruch hätte herbeiführen können (Janoschek, in Beck-OK BGB, Hau/Poseck, 62. Ed., § 343, Rn. 8, vgl. auch BGH, Urteil vom 12.03.2003, XII ZR 18/00).

b) Die Argumentation des Beklagten, dass sich die Unverhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe daraus ergebe, dass der eingetretene Verzug auch dadurch entstanden sei, dass er, der Beklagte, eigentlich der Klägerin zugewiesene Baumaßnahmen übernommen habe, greift nicht, weil dieser Vertrag unsubstantiiert ist (dazu bereits oben Ziff. II.3.e).

c) Auch der vereinbarte Tagessatz der Vertragsstrafe ist unter Berücksichtigung der gesamten verwirkten Vertragsstrafe hier nicht unangemessen hoch. Im vorliegenden Fall beträgt der Tagessatz der Vertragsstrafe 4.500,00 Euro und damit knapp das 3,76-fache der Tagesmiete von 1.196,71 Euro. Die insgesamt verwirkte Vertragsstrafe liegt bei 378.000,00 Euro (etwa das 10-fache der Nettomonatsmiete von 36.400,00 Euro). Der BGH hat in einem Gewerbemietvertrag über ein noch zu errichtendes Gebäude eine verwirkte Vertragsstrafe von 239.000,00 DM (478 Tage x 500,00 DM) bei einer Nettomonatsmiete von 21.600,00 (die Vertragsstrafe entspricht also etwa der 11-fachen Monatsmiete) noch als angemessen angesehen (Urteil vom 12.03.2003, XII ZR 18/00). Entsprechende Entscheidungen hat auch das OLG Celle getroffen (Urteil vom 03.01.2014, 2 U 164/13: Vertragsstrafe: 42.400,00 Euro (212 Tage x 200,00 Euro) bei einer Nettomonatsmiete von 8.000,00 Euro, die Vertragsstrafe entspricht etwa einer 5-fachen Monatsmiete und Urteil vom 14.04.2014, 2 U 111/14: Vertragsstrafe: 36.900,00 Euro (123 Tage x 300,00 Euro) bei einer Nettomonatsmiete von ca. Euro 9.200,00, die Vertragsstrafe entspricht etwa einer 4-fachen Monatsmiete).

Die hier verwirkte Vertragsstrafe befindet sich damit im Rahmen der vorgenannten Rechtsprechung. Das gilt umso mehr wenn man berücksichtigt, dass in den zitierten Entscheidungen des BGH und des OLG Celle die jeweiligen Vertragsstrafenklauseln einer AGB-rechtlichen Kontrolle unterzogen waren und damit die Prüfung der Angemessenheit nach einem strengeren Maßstab erfolgte, als es bei der hier individuell ausgehandelten Vertragsstrafenregelung der Fall ist.

7. Eine Verwirkung gemäß § 242 BGB liegt wegen fehlenden Umstands- und Zeitmoments ebenfalls nicht vor.

Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr. des BGH; vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2014, VII ZR 177/13; Urteil vom 29.01.2013, EnZR 16/12; Urteil vom 20.07.2010, EnZR 23/09, jeweils m.w.N.)

Hier fand die Übergabe des Mietobjekts am 22.11.2017 statt. Im Anschluss wurden noch Verhandlungen über eine Nachtragsvereinbarung zum Mietvertrag geführt. Mit Schreiben vom 17.06.2019 (Anlage K 3) nahm die Klägerin den Beklagten auf Zahlung der Vertragsstrafe in Anspruch. Die Klägerin hat damit weder über längere Zeit auf die Geltendmachung ihres Rechts verzichtet noch durfte der Beklagte davon ausgehen, dass die Klägerin auf die Geltendmachung der Vertragsstrafe verzichten wird. Auf die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts (Seite 23 f. des angefochtenen Urteils), die vom Beklagten in der Berufung auch nicht angegriffen wurden, wird ergänzend Bezug genommen.

8. Die Aufrechnung des Beklagten bezüglich der geltend gemachten Nutzungsentschädigung für den Kellerraum […] hat auch in der Berufung keinen Erfolg. Die Nutzung dieses Kellerraums durch die Klägerin entspricht den Vereinbarungen der Parteien.

In der E-Mail vom 02.06.2022 (Anlage K10) an einen Mitarbeiter der Klägerin bietet der Beklagte „als Entgegenkommen“, weil wegen der technischen Anforderungen an die Klimatechnik Lagerflächen für die Klägerin weggefallen seien, an, „Lagerflächen von rund 15 m2 gem. Nachtrag der […] Mietfläche kostenlos“ zuzuschlagen. Bei der genannten Fläche handelt es sich unstreitig um den Kellerraum […]. Bereits in ihrem Schriftsatz vom 29.06.2021 trägt die Klägerin dazu vor, dass dieser Kellerraum der Klägerin vom Beklagten im Austausch zu der für die Technik benötigten Fläche bei der Übergabe auch tatsächlich überlassen wurde. Spätestens mit dieser tatsächlichen Überlassung ist der angebotenen Austausch der Flächen einvernehmlich vollzogen worden. Diesen Vortrag konkretisiert sie in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 18.08.2021 lediglich. Da jedenfalls diese tatsächliche Übergabe von der Klägerin bereits im Schriftsatz vom 29.06.2021 dargelegt ist und vom Beklagten nicht bestritten wurde, kommt es nicht darauf an, ob der diesbezügliche Vortrag der Klägerin im Schriftsatz der Klägerin vom 18.08.2021 gegebenenfalls verspätet gewesen ist (vgl. dazu Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 531 Rn. 9 m.w.N.). Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Landgerichts auf Seite 31 f. des angefochtenen Urteils ergänzend Bezug genommen.

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

10. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 2 S. 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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