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Mietvertrag Studentenappartement – Kündigung wegen Ausfall Präsenzveranstaltungen

AG München – Az.: 473 C 12632/20 – Urteil vom 09.03.2021

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 870,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.05.2020 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 870,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.06.2020 zu zahlen.

3. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 820,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.07.2020 zu zahlen.

4. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 820,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.08.2020 zu zahlen.

5. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 1.860,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.09.2020 zu zahlen.

6. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 37 % und der Beklagte 63 % zu tragen.

7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

8. Dem Beklagten bleibt die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten.

Beschluss

Der Streitwert wird für die Zeit bis 31.08.2020 auf 3.480,00 €‚ für die Zeit ab dem 01.09.2020 auf 5.340,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klagepartei begehrt im Urkundenprozess von der Beklagtenpartei die Zahlung von Mietzins aus dem Mietvertrag vom 11./20.08.2018 in der Fassung des 2. Nachtrags vom 17.06.2019. Die Beklagtenpartei begehrt im Wege der Widerklage im Urkundenprozess die Rückzahlung der geleisteten Mietsicherheit.

Die Parteien waren über ein zuletzt bis 31.08.2020 befristetes Mietverhältnis betreffend ein Apartment im … in der … in … München verbunden, die Klägerin als Vermieterin, der Beklagte als Mieter.

In § 1 Abs. 1 des Mietvertrages vom 11/20.08.2018 heißt es wörtlich: „Der Vermieter betreibt auf dem Grundstück (…) der Gemarkung Garching unter der Bezeichnung … eine Studentenwohnanlage. Das Grundstück ist in Abteilung II des Grundbuchs zugunsten der Stadt Garching mit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit belastet, wonach die dort eingerichteten Wohnungen und Gemeinschaftsräume keinen anderen Benutzern als studierenden oder sonstigen in schulischer oder beruflicher Ausbildung befindlichen Personen zur Nutzung überlassen werden dürfen.“

In § 1 Abs. 2 des Mietvertrages vom 11./20.08.2018 heißt es wörtlich: „Der Mieter versichert, diese Voraussetzungen ab Beginn der nachstehend vereinbarten Mietzeit zu erfüllen und wird dem Vermieter die Einhaltung dieser Voraussetzungen während der Mietzeit jeweils bis spätestens 14.11. und 14.05. eines Jahres in geeigneter Form (z.B. durch Vorlage einer gültigen Immatrikulationsbescheinigung) nachweisen.“

Weiter heißt es in § 1 Abs. 3 des Mietvertrages vom 11./20.08.2018 wörtlich: „Der Mieter erkennt in diesem Zusammenhang an, dass der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, sobald der Mieter die vorstehend beschriebenen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.“

Unter § 2 Abs. 2 des Mietvertrages vom 11./20.08.2018 heißt es wörtlich: „Das Apartment wird dem Mieter ausschließlich zur persönlichen Nutzung für Wohnzwecke zum vorübergehenden Gebrauch und zu dem besonderen Zweck der Ausbildung vermietet.“

In § 5 Abs. 4 des Mietvertrages vom 11./20.08.2018 heißt es wörtlich: „Der Mieter ist berechtigt, das Mietverhältnis vor Ablauf der Mietzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Monatsende zu kündigen, wenn er dem Vermieter in geeigneter Form nachweist, dass er die Voraussetzungen für die Nutzung der Mietsache nicht mehr erfüllt, weil er seine Ausbildung endgültig aufgegeben oder beendet hat. Eine Kündigung zum 30.06. und 31.07. eines Jahres ist ausgeschlossen.

Unter § 5 Abs. 5 des Mietvertrages vom 11/20.08.2018 heißt es wörtlich: Das Recht beider Parteien, das Mietverhältnis aus sonstigen wichtigen Gründen ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen, bleibt von den vorstehenden Regelungen unberührt. (Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Mietvertrag vom 11./20.08.2018, vorgelegt als Anlage B5, Bezug genommen).

Im Nachtrag zum Mietvertrag vom 17.06.2019 heißt es unter Ziffer 1 wörtlich: „Das Mietverhältnis verlängert sich ab dem 01.09.2019 um weitere 12 Monate bis zum 31.08.2020.“ Der Mietzins ist unter Ziffer 2 festgelegt mit 630,00 € Nettokaltmiete und monatlicher Nebenkostenpauschale von 190,00€ (zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Nachtrag vom 17.06.2019 vorgelegt als Anlage K1 Bezug genommen).

Zwischen den Parteien bestand weiter ein Mietvertrag über einen Tiefgaragenstellplatz zu einem monatlichen Mietzins von 50,00 €. Der Mietvertrag wurde in einer separaten Urkunde abgeschlossen am 26.11/29.11.2019 mit Vertragsbeginn 01.12.2019. In § 5 enthält der Vertrag folgende Regelung zur Kündigung des Tiefgaragenstellplatzes: Jede Partei ist berechtigt, den Vertrag mit einer Zwei-Monats-Frist zu kündigen. Die Kündigung muss spätestens bis zum dritten Werktag des Vormonats dem anderen Teil zugehen (zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Mietvertrag über den Tiefgaragenstellplatz vorgelegt als Anlage K2 Bezug genommen).

Der Beklagte war vom 01.04.2020 bis 30.09.2020 an der Technischen Universität München (TUM) für das Sommersemester 2020 immatrikuliert (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Immatrikulationsbescheinigung, vorgelegt als Anlage B1 Bezug genommen).

Das Apartment verfügte über einen Internetanschluss (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.03.2020 Bezug genommen).

Am 14.04.2020 erhielt der Beklagte von der TUM die Mitteilung, dass der Präsenzlehrbetrieb für das laufende Sommersemester bis auf weiteres nicht aufgenommen werde, die Veranstaltungen würden lediglich in digitaler Form angeboten (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 20.08.2020 Bezug genommen).

Mit Schreiben vom 15.04.2020 kündigte der Beklagte das Mietverhältnis über das Apartment sowie über den PKW-Stellplatz fristlos aus wichtigem Grund. Hilfsweise erklärte er die Kündigung zum nächstmöglichen Termin, gleichzeitig widerrief er die Einzugsermächtigung (zu den weiteren Einzelheiten wird auf das Kündigungsschreiben vom 15.04.2020, vorgelegt als Anlage K3, Bezug genommen).

Mit Schreiben vom 31.04.2020 wies die Klägerin die fristlose Kündigung zum 15.04.2020 als unbegründet und rechtswidrig zurück und forderte den Beklagten auf, die ab dem Mai 2020 jeweils fälligen Mieten zu überweisen (zu den weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 31.04.2020, vorgelegt als Anlage K4, Bezug genommen).

Mit Anwaltsschreiben des Beklagten vom 22.05.2020 forderte dieser die Klägerin zur Rückzahlung der bei Mietbeginn geleisteten Kaution in Höhe von 1.860,00 € auf (zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Beklagten Schriftsatz vom 22.05.2020, vorgelegt als Anlage B4, Bezug genommen).

Die Klägerin trägt vor, ein Kündigungsgrund sei nicht gegeben, insbesondere sei die Einstellung des Präsenzlehrbetriebs an der Universität kein Grund für eine fristlose außerordentliche Kündigung (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageschrift Bezug genommen). Die Klägerin trägt weiter vor, die Covid-19-Pandemie sei für ein Kündigungsrecht des Beklagten nicht ausschlaggebend. Der Gesetzgeber habe dies ausreichend berücksichtigt, Art. 240 § 2 EGBGB, und eine vermieterseitige Kündigung für den Fall ausgeschlossen, als dass der Mieter aus Gründen, die auf dieser Pandemie beruhen, seine Mieten nicht leisten kann. Hätte der Gesetzgeber ein Interesse daran gehabt, auch dem Mieter ein spezielles Kündigungsrecht einzuräumen, hätte er davon Gebrauch gemacht (zu den weiteren Einzelheiten wird auf den klägerischen Schriftsatz vom 04.11.2020 Bezug genommen). Die Klägerin trägt weiter vor, der Ausbruch der Pandemie behindere den Beklagten weder in dessen Status als Student, noch in dessen Eigenschaft als Mieter (zu den weiteren Einzelheiten wird auf den klägerischen Schriftsatz vom 20.10.2020 Bezug genommen). Die Klägerin trägt weiter vor, der Beklagte sei voll geschäfts- und einsichtsfähig. Ihm sollte bekannt sein, dass die Eingehung von Verträgen Rechte und Pflichten begründe insbesondere die, seine Mietzinsen zu zahlen und seine vertraglichen Pflichten auch einhalten zu müssen. Der Beklagte komme durch seinen Status als Student, so die Klägerin, in den Genuss einer günstigen, modernen Wohnung in der Nähe seiner Universität. Ob und wie die Vorlesungen dort gehalten werden, ob virtuell oder analog vor Ort, sei für seinen Status als Student, mithin die Berechtigung zur Anmietung dieser Wohnung, völlig irrelevant. Es stehe, so die Klägerin dem Beklagten selbstverständlich völlig frei, sein Studium von Zuhause aus bei seinen Eltern auszuüben oder auch von den Seychellen aus. Es stehe dem Beklagten daher auch frei, seinen Mietvertrag zu kündigen, wenn er keine Verwendung mehr für die Wohnung habe oder kein Interesse am Festhalten des Mietvertrags. Hierfür, so die Klägerin habe er jedoch die vereinbarten bzw. gesetzlich festgelegten Fristen einzuhalten. Ein Recht auf eine außerordentliche Kündigung bestehe im subjektiven Wegfall des Interesses am Mietobjekt jedenfalls nicht (zu den weiteren Einzelheiten wird auf den klägerischen Schriftsatz vom 04.11.2020 Bezug genommen).

Die Klägerin nahm im Termin vom 09.03.2021 hinsichtlich Ziffer 3 und 4 den ursprünglich jeweils auch geltend gemachten Mietzins in Höhe von 50,00 € für den Garagenstellplatz (Monate Juli 2020 und August 2020) zurück. Außerdem stellte sie den ursprünglichen Feststellungsantrag in Ziffer 4 auf einen Leistungsantrag für den Monat August 2020 um.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 870,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.05.2020 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 870,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.06.2020 zu zahlen.

3. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 820,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.07.2020 zu zahlen.

4. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 820,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.08.2020 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung. Hilfsweise beantragt er ihm die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorzubehalten.

Widerklagend beantragt der Beklagte:

Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten 1.860,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus seit 01.09.2020 zu zahlen.

Die Klägerin hat im Termin vom 09.03.2021 den Anspruch aus der Widerklage anerkannt.

Der Beklagte trägt vor, die ausgesprochene Kündigung sei zu Recht erfolgt. Die Veranstaltung im laufenden Sommersemester 2020 seien lediglich in digitaler Form angeboten worden. Zur Teilnahme an digitalen Vorlesungen habe der Kläger das angemietete Apartment nicht mehr benötigt. Die digitale Teilnahme an den Lehrveranstaltungen des Sommersemesters 2020 erfolge seit Beginn des Sommersemesters über die Wohnung im Hause der Eltern des Beklagten von … aus (Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 20.08.2020 Bezug genommen). Daher habe der Beklagte mit Schreiben vom 15.4.2020 das Mietverhältnis fristlos wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage gekündigt. Das Apartment sei am gleichen Tag geräumt und sauber hinterlassen worden der Schlüssel sei bei der Klägerin abgegeben worden. Der Beklagte ist der Auffassung, er sei zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen. Die Klägerin vermiete ihre Apartments an Studenten. Im Mietvertrag werde der gesamte Komplex als „Studentenwohnanlage“ bezeichnet. Mit dem Ausfall der Präsenz-Lehrveranstaltung sei die Geschäftsgrundlage für die Anmietung dieses Apartments in der Studentenwohnanlage der Klägerin entfallen (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 20.08.2020 Bezug genommen). Der Beklagte ist weiter der Auffassung, das Risiko einer solchen grundlegenden Störung eines Vertragsverhältnisses über ein Studenten-Apartment gehe nicht zulasten des wirtschaftlich schwächeren Studenten, sondern müsse vom Vermieter getragen werden. Er, der Beklagte, habe durch die Auflösung seines Wohnsitzes am Universitätsstandort und den Umzug zu den Eltern genügend finanzielle Nachteile. Er hätte erhebliche Aufwendungen für die Schaffung der technischen Einrichtungen zur Teilnahme am Digitalunterricht. Es sei daher unbillig, so der Beklagte, auf ihn auch noch das im Verantwortungsbereich der Klägerin entfallende Vermieter Risiko zu übertragen (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 20.08.2020 Bezug genommen). Der Beklagte ist weiter der Auffassung, die Kündigungsregelung im Hauptmietvertrag halte eine Inhaltskontrolle nach AGB-Gesetz nicht stand, die vertragliche Gestaltung sei nicht ausgewogen, enthalte Überraschungsmomente und benachteilige den Mieter, jedenfalls wenn es um die Regelung für die fristlose Kündigung gehe (zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Beklagten Schriftsatz vom 02.11.2020 und vom 26.02.2021 Bezug genommen Bezug genommen).

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 09.03.2021 sowie auf gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, und auf die übrigen Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die im Urkundenprozess unstatthafte Widerklage wurde anerkannt.

A. Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Die Klage ist im Urkundenprozess zulässig und hat in der Sache, soweit nicht in Höhe von 100,00 € zurückgenommen, Erfolg. Die Klägerin kann von dem Beklagten die zuletzt geltend gemachten Mietrückstände aus Mietvertrag und Nachtragsvertrag verlangen.

1. Der Urkundsprozess gemäß § 592 ZPO ist im vorliegenden Verfahren statthaft, da es sich vorliegend um eine Leistungsklage auf Zahlung einer bestimmten Geldforderung handelt (Thomas/Putzo/Reichold, § 592 Rn. 3.). Die Klage ist auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichtet (§ 592 S. 1 ZPO), die Klageschrift enthält die Angabe, dass im Urkundenprozess geklagt werde.

Voraussetzung für die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses ist nach § 592 S. 1 ZPO zudem, dass sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Entgegen dem Wortlaut des § 592 ZPO verlangt die Rechtsprechung nur für die beweisbedürftigen Tatsachen einen urkundlichen Nachweis, nicht aber für Tatsachen, die unstreitig, offenkundig oder gerichtsbekannt sind (Musielak/Voit/Voit, 15. Aufl. 2018, ZPO § 592 Rn. 11 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

2. Die vorgelegte Urkunde trägt den geltend gemachten Zahlungsanspruch.

a) Aus dem Mietvertrag vom 11/20.08.2018, sowie dem Nachtragsvertrag vom 17.06.2019 folgt, dass die Klägerin bis zum Ablauf der Befristung am 31.08.2020 einen Anspruch auf Zahlung des in der Urkunde festgehaltenen Mietzinses von monatlich 630 € zuzüglich Nebenkostenpauschale in Höhe von 190 € verlangen kann, somit für die Monate Mai 2020, Juni 2020, Juli 2020 und August 2020.

Einen Verzicht gemäß § 306 ZPO hinsichtlich 100 € je Monat bezüglich der Nebenkostenpauschale (gesamt 400,00 €) hatte die Klagepartei im Termin vom 09.03.2021 nicht erklärt. Die Klagepartei war im Rahmen der Güteverhandlung erkennbar bereit, nur im Wege einer Gesamteinigung auf einen Teil der Pauschale zu verzichten. Wie der Beklagtenvertreter hieraus einen Rechtsbindungswillen der Klagepartei und damit einen prozessualen Verzicht ableiten möchte, erschließt sich dem Gericht nicht.

b) Hinsichtlich des Garagenstellplatzes war die Kündigung gemäß § 5 des Stellplatzvertrages wirksam und hat dieses Mietverhältnis mit Ablauf des 30.06.2020 beendet. Es handelt sich bei dem Mietvertrag über die Garage um einen eigenständigen Vertrag, der unabhängig vom Mietverhältnis über das Apartment ist, und daher auch separat kündbar war. Die zunächst auch für Juli 2020 und August 2020 jeweils geltend gemachten 50,00 € hat die Klagepartei im Termin vom 09.03.2020 zurückgenommen.

4. Gegen ihre Zahlungspflicht hat die Beklagtenpartei Einwendungen vorgebracht, die entweder unstreitig sind oder mit den in § 595 Abs. 2 ZPO zugelassenen Mitteln grundsätzlich beweisbar sind. Allerdings bringen diese Einwendungen den Zahlungsanspruch nicht zu Fall:

a) Dass die TUM seit Mitte April 2020 ihren Präsenzbetrieb aufgrund der Pandemie eingestellt hat, ist eine offenkundige Tatsache, die nicht mit Urkunden bewiesen werden muss. Den Ausspruch der Kündigung hat der Beklagte durch Vorlage des Kündigungsschreibens nachgewiesen.

b) Ein Kündigungsgrund liegt jedoch nicht vor. Das Mietverhältnis endete erst mit Ablauf der Befristung am 31.08.2020.

aa) Ein Kündigungsgrund nach § 5 Abs. 4 des Mietvertrages vom 11/20.08.2018 ist nicht gegeben: Unstreitig war der Beklagte das gesamte Sommersemester weiter als Student in der TUM immatrikuliert, er hatte auch weder seine Ausbildung beendet noch aufgegeben. Er ist vielmehr noch immer Student der TUM. Es ist nicht erkennbar, warum dieses Kündigungsrecht des Mieters in § 5 Abs. 4 diesen unangemessen benachteiligen und vor dem Hintergrund der Kündigungsrechte des Vermieters nicht ausgewogen sein soll (§ 307 BGB). Die Vorschrift gibt dem Mieter, der seinen Studentenstatus verliert etc. vielmehr ein gesondertes Kündigungsrecht trotz Vorliegens eines befristeten Vertrages.

bb) Auch ein Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 1 BGB ist nicht gegeben. § 5 Abs. 6 des Mietvertrages vom 11./20.08.2018 ist rein deklaratorisch. Inhaltlich bleibt § 543 BGB unberührt.

(1) Nach § 543 Abs. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Wesentlich ist hierbei, dass die Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB nur auf Umstände gestützt werden kann, die in der Person oder im Risikobereich des Kündigungsgegners begründet sind (Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, 6. Aufl. 2020, BGB § 543 Rn. 6). Die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung ist für sich allein kein Kündigungsgrund. Vielmehr setzt die Kündigung idR voraus, dass der Kündigungsgegner konkrete Pflichtverletzungen begangen hat (Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, 6. Aufl. 2020, BGB § 543 Rn. 7)

(2) Diese Voraussetzungen sind hier schon nicht gegeben: Grundsätzlich trägt der Mieter das Verwendungsrisiko der Mietsache (MüKoBGB/Bieber, 8. Aufl. 2020, BGB § 537 Rn. 4). Dies folgt bereits unmittelbar aus § 537 BGB. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sogenannte objektive Gebrauchshindernisse vorliegen. Unstreitig hat die Pandemie dazu geführt, dass der Präsenzunterricht an der Universität eingestellt wurde. Das stellt aber kein objektives Gebrauchshindernis für das vom Beklagten gemietete Studentenapartment dar, und nur darauf kommt es an: Das Apartment bleibt trotz Pandemie vollständig nutzbar. Der Beklagte hatte dort auch Internetanschluss, so dass er ohne weiteres von dort aus die virtuellen Vorlesungen hätte besuchen können. Der Vermieter trägt nur das Risiko der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache. Die Wohnung war jedoch uneingeschränkt gebrauchstauglich, denn der Beklagte konnte die Wohnung genauso als Wohnung nutzen, wie sie ihm die Klägerin zur Verfügung gestellt hatte. Es ist auch nicht erkennbar, dass er die von der Klägerin zur Verfügung gestellte Wohnung schlechter als Wohnung hätte nutzen können, als den Wohnraum bei seinen Eltern in … Es ist somit nicht ansatzweise erkennbar, woraus sich hier ein Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB ergeben sollte. Das subjektive Empfinden des Beklagten, dass er als wirtschaftlich schwächerer doch nicht das Risiko trägen dürfe – mag es auch noch so nachvollziehbar sein – ersetzt keine klare juristische Argumentation im Rahmen des § 543 Abs. 1 BGB, auch nicht in Zeiten der Pandemie. Dieser Umstand kann allenfalls über § 313 BGB eine Rolle spielen, aber auch hier nicht emotional und losgelöst von der einschlägigen Dogmatik.

cc) Aus den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) folgt jedoch auch kein Kündigungsrecht. § 313 BGB soll bei Störungen der Geschäftsgrundlage zu einer nach Treu und Glauben billigen und gerechten Lösung für die Vertragsparteien führen (BeckOGK/Martens, 1.1.2021, BGB § 313 Rn. 2-4.4). Hiermit sollen Fehlfunktionen des Vertragsrechts (des Grundsatzes „pacta sunt servanda“) verhindert werden. § 313 BGB ist jedoch sehr zurückhaltend anzuwenden, um unzulässige Eingriffe in die Privatautonomie und willkürliche Billigkeitsjurisprudenz zu verhindern (BeckOGK/Martens, 1.1.2021, BGB § 313 Rn.8).

(1) Zunächst stellt der neue Art. 240 § 7 EGBGB klar, dass die widerlegliche Vermutung, wonach angesichts der Pandemie eine schwerwiegende Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt, gerade nicht für Wohnraum gilt. Auf die Frage der Rückwirkung des Art. 240 § 7 EGBGB kommt es damit nicht an.

(2) Die Voraussetzungen des § 313 BGB liegen hier aber schon nicht vor:

(a) Zunächst ist schon nicht feststellbar, dass die Nutzung der Wohnung als Studentenwohnung nur für den universitären Präsenzbetrieb vereinbart worden ist, und Geschäftsgrundlage sein soll. Dies ergibt sich aus dem vorgelegten Mietvertrag nicht. Es folgt weder aus § 1 noch aus § 2 des Mietvertrages vom 11./20.08.2018. Der Begriff, dass die Mieter Studierende oder sonstige Auszubildende sein müssen, meint erkennbar nur den Status als Studierender oder Auszubildender. Der Begriff „Studentenwohnanlage“ beschreibt lediglich das Objekt und seine Bewohner als Oberbegriff. Auch mit sehr viel Phantasie lässt sich hier nicht hineinlesen, dass die Parteien eine bestimmte Form der Unterrichtsgestaltung an der TUM als Geschäftsgrundlage gewollt hatten.

(b) Zudem würde es an der Unzumutbarkeit des Festhaltens am Mietvertrag fehlen. Auch hier spielt die vertragliche oder gesetzliche Risikoverteilung eine erhebliche Rolle. Das Verwendungsrisiko weist § 537 BGB grundsätzlich dem Mieter zu. Der pauschale Verweis auf die Pandemie begründet hier keinen Grund vom regulären Vertragsrisiko abzuweichen. Nur ergänzend sei angeführt, dass die Rechtsfolge bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 313 BGB nicht zwingend die Vertragsaufhebung wäre. Vielmehr ist der Anpassungsanspruch des § 313 Abs. 1 BGB nur auf eine angemessene Vertragsänderung gerichtet, die auch dem Vermieter unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zumutbar sein muss.

(dd) Ob das Mietverhältnis durch den Einwurf der Schlüssel durch den Beklagten in den Briefkasten der Klagepartei das Mietverhältnis eventuell konkludent beendet hat und ob dadurch die Rückgabeverpflichtung erfüllt wurde, ist jedenfalls im Urkundenverfahren nicht relevant. Es handelt sich um bestrittenen und nicht mit Urkunden zu beweisenden Sachvortrag.

B. Der Beklagte hat verkannt, dass eine Widerklage im Urkundenprozess gemäß § 595 Abs. 1 ZPO unzweifelhaft unstatthaft ist. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist, dass durch die Zulassung der Urkundswiderklage im Urkundsprozess die Entscheidung über die Hauptklage verzögert werden würde (Musielak/Voit/Voit ZPO 2020, § 595 Rn. 2 m.w.N.). Da die Klägerin jedoch im Termin die mit der Widerklage geltend gemachte Rückforderung der Kaution anerkannt hat, konnte das Gericht von einer Trennung gemäß § 145 ZPO absehen, weil eine Verzögerung der Hauptklage somit nicht mehr zu befürchten war. Insoweit war eine teleologische Reduktion des § 595 Abs. 1 ZPO geboten. Auf die höchst hilfsweise erklärte Aufrechnung des Beklagten mit der Widerklageforderung gegen die Klageforderung kam es damit ohnehin nicht mehr an.

C. Die Kostenentscheidung folgt als Kostenmischentscheidung aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S.2 ZPO. Hinsichtlich der Widerklage ist ein Fall des § 93 ZPO nicht gegeben. Das Mietverhältnis war seit dem 31.08.2020 beendet. Schäden am Mietobjekt hat die Klägerin im Termin ausdrücklich verneint. Die Rückzahlung der Kaution war daher unstreitig längst fällig. Es bestand auch Anlass zur Klage auf Kautionsrückzahlung. Zudem war das Anerkenntnis nicht sofortig, das Mietverhältnis war seit mehr als sieben Monaten beendet. Eine Abrechnungsfrist von mehr als sechs Monaten ist in der vorliegenden Konstellation nicht begründbar, da unstreitig keine Schäden an der Mietsache vorhanden waren.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 1, 4, 711 ZPO.

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