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Mietvertrag – Zahlungsverzug bei Kostenübernahmeerklärung einer öffentlichen Stelle

AG Hamburg-St. Georg, Az.: 911 C 310/15, Urteil vom 26.02.2016

1. Der Beklagte wird verurteilt, die … belegene … Zimmerwohnung (…) nebst Kellerraum … mit Ablauf des 30. April 2016 geräumt und besenrein an den Kläger herauszugeben.

2. Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31. Dezember 2016 bewilligt.

3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 8.000,– abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger verlangt vom Beklagten Räumung einer Mietwohnung nach Ausspruch der Kündigung.

Mietvertrag – Zahlungsverzug bei Kostenübernahmeerklärung einer öffentlichen Stelle
Symbolfoto: Von Pair Srinrat /Shutterstock.com

Die Parteien verbindet ein Mietvertrag vom 31. Oktober 2002 über die 1,5-Zimmer-Wohnung im … nebst Kellerraum (…), in den der Beklagten als Rechtsnachfolger nebst Zusatzvereinbarung (Anlage K2, Bl. 7 d. A.) eintrat und für die er dem Kläger monatlich eine Miete von zuletzt € 650,– zu zahlen hatte (Anlage K1, Bl. 5 ff. d. A.).

Der Beklagte betrieb ursprünglich eine Schankwirtschaft (…), deren Betrieb er Ende Februar bzw. Anfang März 2015 einstellte. Zuvor hatte er sich in einem vor dem Landgericht Hamburg am 6. Februar 2015 geschlossenen Vergleich – Az. 311 O 388/14 – verpflichtet, an die Vermieterin der Räumlichkeiten Mieten und Mietrückstände in Höhe von insgesamt ca. € 28.300,– zu zahlen, verbunden mit einer Verzichtsklausel, sofern er bis zum 20. März 2015 € 15.000,– zahlt. Wegen des weiteren Inhalts des Vergleichs wird auf die Anlage B6 (s. Bl. 66 ff. d. A.) verwiesen.

Mit Bescheid vom 7. Mai 2015 (Anlage B2, Bl. 49 d. A.) lehnte das jobcenter team.arbeit.hamburg den Antrag des Beklagten vom 1. März 2015 auf Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab. In dem Bescheid heißt es u. a.: „Bitte stellen Sie zeitnah einen Antrag beim Grundsicherungs- und Sozialamt um Ihren Lebensunterhalt zu sichern.“. Mit dem Rentenbescheid vom 20. Mai 2015 (Anlage B3, Bl. 50 ff. d. A.) wurde die monatlich an ihn auszuzahlende Rente auf € 139,08 festgesetzt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 13. Juli 2015 (Anlage K3, Bl. 8 d. A.) kündigte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten das Mietverhältnis außerordentlich fristlos unter Berufung auf einen Zahlungsrückstand des Beklagten in Höhe von € 1.300,– betreffend die Monate Juni und Juli 2015. Ferner sprach er hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietvertrages Vertrages aus. In dem Schreiben des Bevollmächtigten des Beklagten vom 23. Juli 2015 (Anlage B7, Bl. 69 f. d. A.) heißt es u. a., dass der Beklagte bereit wäre, zeitnah aus der Wohnung auszuziehen, und zwar – wegen der aktuellen Marktlage – gegen eine Abfindung von € 50.000,-.

Mit seiner am 10. August 2015 eingegangenen und dem Beklagten am 26. August 2015 zugestellten Klage hat der Kläger erneut die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Verzuges des Beklagten mit der Miete für Juni bis August 2015 ausgesprochen.

Am 11. August 2015 bestellte das Amtsgericht Hamburg-St. Georg – Betreuungsgericht – für den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung (Az. 995 XVII 169/15) eine Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge, Vertretung gegenüber Behörden etc. und Wohnungsangelegenheiten und begründete dies – sachverständig beraten – mit seinem Gesundheitszustand. Auf die Gründe des Beschlusses (Anlage B4, Bl. 59 d. A.) wird verwiesen, ebenso auf das Gutachten … vom 5. September 2015 (Anlage B5, Bl. 61 ff. d. A.).

Der Kläger meint, der Beklagte habe die Wohnung zu räumen. Seine außerordentliche fristlose Kündigung sei zwar durch die Verpflichtungserklärung des Bezirksamtes unwirksam geworden, nicht aber seine ordentliche Kündigung; diese sei wirksam, weil der Beklagte sich – schuldhaft – im Zahlungsverzug mit mindestens zwei Monatsmieten befunden habe. Für den Beklagten sei auch frühzeitig absehbar gewesen, dass er die Miete an ihn nicht mehr werde zahlen können. Gleichwohl habe der Beklagte gegen den drohenden Mietausfall nichts unternommen. Das werde auch dadurch deutlich, dass sich das Amt erst im Oktober 2015 zur Zahlung an ihn verpflichtet habe. Er, der Kläger, könne auch zukünftige Räumung – und zwar zum 30. April 2016 – verlangen, weil zu besorgen sei, dass sich der Beklagte einer rechtzeitigen Leistung entziehen werde.

Der Kläger hat neben der Räumung der Wohnung ursprünglich zunächst angekündigt zu beantragen, den Beklagten auch zur Zahlung von € 1.950,– nebst Zinsen zu verurteilen. Mit Schriftsatz vom 22. September 2015 (Bl. 13 d. A.) hat der Kläger seinen Zahlungsantrag auf € 2.600,– nebst Zinsen erhöht und diesen – neben dem angekündigten Räumungsantrag – in der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2015 gestellt (vgl. Bl. 42 d. A). Nachdem das Fachamt Grundsicherung und Soziales der Freien und Hansestadt Hamburg – Bezirksamt Hamburg-Mitte – am 26. Oktober 2015 für den Beklagten die Übernahme des fälligen Mietzinses und der fälligen Entschädigung erklärt hat (Bl. 16 d. A.), haben die Parteien den Rechtstreit in der Hauptsache betreffend den Zahlungsantrag in der letzten mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt nunmehr noch, den Beklagten zu verurteilen, die … …, belegene … Zimmerwohnung (…) mit Ablauf des 30. April 2016 nebst Kellerraum … geräumt und besenrein an ihn herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen sowie

Ihm eine Räumungsfrist von zehn Monaten einzuräumen.

Er macht geltend, dass durch die nachträgliche Zahlung der aufgelaufenen Mieten durch das Amt und der fortlaufenden Gewährung von Leistungen der Grundsicherung einschließlich der Übernahme des Mietzinses das Mietverhältnis – auch wegen seiner eigenen Situation – nicht derart zerrüttet sei, dass dem Kläger nicht ein Festhalten an dem Mietvertrag zugemutet werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

1. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache betreffend den – zwischenzeitlich – erweiterten Zahlungsantrag des Klägers übereinstimmend und wirksam für erledigt erklärt haben, war nach § 91 a Abs. 1 ZPO nur noch nach billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden.

Der Räumungsantrag ist nicht deswegen unzulässig, weil der Kläger erst Räumung in einem Zeitpunkt verlangt, der nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung gelegenen ist (30. April 2016). Nach § 259 ZPO kann eine Klage auf künftige Leistung erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Das gilt auch bei der Räumung von Wohnraum (BGH, NZM 2008, 362, 363, Tz. 24), sofern der Mieter – wie hier der Beklagte – das Bestehen eines Kündigungsgrundes verneint.

2. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Räumung der streitbehafteten Wohnung im Haus … aus § 546 Abs. 1 BGB. Das frühere Mietverhältnis zwischen den Parteien ist aufgrund der vom Kläger mit Schreiben vom 13. Juli 2015 – hilfsweise – ausgesprochenen ordentlichen Kündigung beendet worden; diese Kündigung ist wirksam.

Eine Beendigung des Mietverhältnisses folgt nicht schon aus der seinerzeit vorrangig erklärten außerordentlichen fristlosen Kündigung. Diese ist durch die Verpflichtungserklärung des Fachamtes Grundsicherung und Soziales der Freien und Hansestadt Hamburg – Bezirksamt Hamburg-Mitte – vom 26. Oktober 2015 unwirksam geworden. Diese Erklärung ist binnen zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage, die am 26. August 2015 erfolgt ist, abgegeben worden.

Nach § 573 Abs. 1 kann der Vermieter das Mietverhältnis – ordentlich – aber auch dann kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Dieses Interesse insbesondere vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat (vgl. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Eine solche schuldhafte Pflichtverletzung liegt hier vor.

Anerkannt ist, dass nicht unerhebliche Pflichtverletzung im vorgenannte Sinne unter anderem dann gegeben sein kann, wenn der Mieter mit der Zahlung der Miete oder der Betriebskosten in Höhe eines Betrags, der die Bruttomiete für zwei Monate erreicht, über einen Zeitraum von mehr als zwei Zahlungsterminen hinweg in Verzug gerät (vgl. BGH, NZM 2010, 696, Tz. 15). Das war hier im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung der Fall, weil der Beklagte – unstreitig – weder die spätestens am 3. Werktag der Monate Juni und Juli 2015 zu entrichtende Miete gezahlt hat.

Die Pflichtverletzung war schuldhaft. Der Beklagte hat nicht dargetan und bewiesen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (arg. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Dass er die vereinbarten und fälligen Mietzahlungen nicht an den Kläger geleistet hat, beruht zumindest auf Fahrlässigkeit.

Das Verschulden des Beklagten entfällt nicht schon deshalb, weil innerhalb der sog. Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB die Verpflichtungserklärung des Amtes abgegeben worden ist; eine analoge Anwendung dieser Norm auf die Fälle des § 573 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB scheidet aus (vgl. BGH, NZM 2013, 20, 22, Tz. 27 ff.). Hinzu kommt, dass der Beklagte zwar durch die Aufgabe seines Gewerbebetriebes zu Ende Februar bzw. Anfang März 2015 in wirtschaftliche Not geraten ist, er aber gleichwohl mit der Sicherung der Befriedigung des Klägers zu lange zugewartet hat. Bereits zu diesem Zeitpunkt stand er einer Forderung der Gewerberaumvermieterin aus dem vor dem Landgericht Hamburg am 6. Februar 2015 geschlossenen Vergleich von zumindest € 15.000,– gegenüber. Ferner wusste ab Anfang Mai 2015, dass er lediglich eine monatliche Rente von ca. € 140,– zu erwarten hatte. Auch wurde er in dem ablehnenden Bescheid des jobcenter team.arbeit.hamburg vom 7. Mai 2015 darauf hingewiesen, dass er „zeitnah einen Antrag beim Grundsicherungs- und Sozialamt“ stellen solle, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Dass der Beklagte dies unverzüglich getan ist, ist nicht ersichtlich. Erst am Ende der o. g. Schonfrist, also zwei Monate nach Zustellung der Räumungsklage, hat das Amt die Verpflichtungserklärung abgegeben. Demgemäß hätte es dem Beklagten oblegen, sich frühzeitig darum zu bemühen, dass die Forderungen des Klägers bedient werden; sein Unvermögen, die Miete zu zahlen, war absehbar.

Selbst unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) lässt die – erst – Ende Oktober 2015 übernommene Verpflichtung, die Mietforderungen für den Beklagten durch das Grundsicherungsamt zu begleichen, die Kündigung vom 13. Juli 2015 nicht unzulässig werden (vgl. dazu BGH, a. a. O., Tz. 31). Das Fehlverhalten des Beklagten erscheint dadurch nicht in einem milderen Licht (BGH, NZM 2005, 334, 335). Der Ausgleich der seit Anfang Juli 2015 fälligen Forderungen des Klägers erfolgte erst Ende Oktober bzw. Anfang November 2015 und damit nicht „zeitnah“.

Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Beklagte aus persönlichen Gründen daran gehindert gewesen ist, sich rechtzeitig um die Beantragung staatlicher Unterstützungsleistungen zu bemühen. Dafür spricht zwar indiziell der Umstand, dass für ihn im August 2015 eine Betreuerin bestellt worden ist. Dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden psychiatrischen Gutachten (Anlage B5) lassen sich indes im Wesentlichen körperliche Beschwerden des Beklagten entnehmen; eine Verminderung seiner Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit ergibt sich daraus aber nicht.

Entgegen der Meinung des Beklagten war eine Abmahnung durch den Kläger in Bezug auf seinen Zahlungsausfall über zwei Termine hinweg nicht notwendig (BGH, NJW 2008, 508, 510, Tz. 20).

3. Dem Beklagten ist nach § 721 ZPO – antragsgemäß – eine Räumungsfrist zu bewilligen; die Lage auf dem Hamburgischen Wohnungsmarkt bedingt deren Länge. Zudem wird der Kläger durch die Verpflichtungserklärung des Fachamtes, die laufende Miete zu übernehmen, befriedigt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 91 a Abs. 1 ZPO. Es entspricht billigem Ermessen, dass der Beklagte die Kosten für den übereinstimmend für erledigten Teil des Rechtsstreits zu tragen hat, weil er – unstreitig – mit der Zahlung der ausstehenden Mieten in Verzug gewesen ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.

 

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