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Mietvertragliche Nebenpflicht zur Korrektur einer fehlerhaften Betriebskostenabrechnung

LG Krefeld – Az.: 2 S 11/22 – Urteil vom 04.01.2023

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 17.03.2022, Aktenzeichen 10 C 51/21, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Parteien streiten in zweiter Instanz über die Erledigung einer auf Mietzahlungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte aus einem beendeten Wohnraummietverhältnis gerichteten Klage.

Im Jahr 2010 schlossen die Rechtsvorgängerin der Klägerin und die Beklagte einen Mietvertrag über eine nun im Eigentum der Klägerin stehende Wohnung in Krefeld. Die Beklagte, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem zweiten Buch des Sozialgesetzbuches bezieht, überwies die Miete für den Monat Dezember 2019 unter Angabe des Verwendungszweckes „Miete Dez. 2019 abzügl. (…)“ fehlerhaft auf ein Konto der Hausverwaltung. Die Zahlung wurde im Januar 2020 an die Klägerin weitergeleitet.

Mit Schreiben vom 27.11.2020 rechnete die Klägerin durch die Hausverwaltung gegenüber der Beklagten die Betriebskosten des Jahres 2019 ab. Die Abrechnung schloss ab mit einer Nachzahlung zu Lasten der Beklagten in Höhe von 513,29 EUR. In der Berechnung waren geleistete Abschlagszahlungen in Höhe von 2.342,06 EUR berücksichtigt worden. Nicht berücksichtigt worden war die in der Miete für den Monat Dezember 2019 enthaltene Abschlagszahlung und eine vorgenommene Verrechnung mit weiteren Forderungen aus dem Mietvertrag.

Die Beklagte zahlte auf die Betriebskostenabrechnung nicht. Ebenfalls zahlte sie die Miete für den Monat Januar 2021 in Höhe von 579,46 EUR nicht. Sie forderte vielmehr die Hausverwaltung mehrfach erfolglos zu einer Berichtigung der Betriebskostenabrechnung auf und machte mit Schreiben aus dem Januar 2021 im Hinblick auf die Miete für den Monat Januar 2021 ein Zurückbehaltungsrecht geltend, bis die Unstimmigkeiten bezüglich der Betriebskostenabrechnung geklärt seien.

Mit der Klage machte die Klägerin den Betriebskostensaldo für 2019 in Höhe von 513,29 EUR und die Januarmiete in Höhe von 579,46 EUR geltend. Nach Rechtshängigkeit erklärte die Beklagte die Aufrechnung mit einer unstreitigen Forderung in Höhe von 564,13 EUR. Nachdem das Mietverhältnis beendet worden war, erfolgte eine Verrechnung mit der hinterlegten Mietsicherheit in Höhe von 672,00 EUR. Die Klägerin erklärte daraufhin den Rechtsstreit unter Widerspruch der Beklagten für erledigt.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Mietvertragliche Nebenpflicht zur Korrektur einer fehlerhaften Betriebskostenabrechnung
(Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com)

Das Amtsgericht hat die Klage kostenpflichtig abgewiesen. Die Klägerin habe gegen die Beklagte zu keiner Zeit einen Anspruch auf Zahlung von 513,29 EUR aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2019 gehabt, und ebenso wenig einen fälligen Anspruch auf Zahlung der Miete für den Monat Januar 2021 in Höhe von 579,46 EUR. Die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2019 sei nicht ordnungsgemäß, denn sie berücksichtige nicht alle Vorauszahlungen, die die Beklagte für das Jahr 2019 erbracht habe, insbesondere nicht den auf die Betriebskostenvorauszahlungen entfallenden Teil der Miete für den Monat Dezember 2019. Die Beklagte habe aus diesem Grund auch ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB betreffend die Miete für den Monat Januar 2021, denn sie habe gegen die Klägerin einen Anspruch auf ordnungsgemäße Abrechnung der Betriebskosten, dessen Durchsetzung das Zurückbehaltungsrecht diene.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgemäß Berufung eingelegt.

Die Klägerin meint, das Amtsgericht habe die Klage rechtsfehlerhaft abgewiesen. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts stehe der Beklagten kein Zurückbehaltungsrecht an der Mietzahlung für den Monat Januar 2021 zu. Es bestehe keine Pflicht der Klägerin zur Nacherfüllung betreffend die Betriebskostenabrechnung. Soweit die Beklagte lediglich rüge, dass die Höhe der geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen in der Betriebskostenabrechnung falsch angegeben sei, stelle dies einen von der Beklagten leicht selbst behebbaren Mangel dar, was einem Korrekturanspruch gegen die Klägerin entgegenstehe. Ferner könne die Beklagte den vermeintlichen Abrechnungsanspruch im Wege einer Leistungsklage gerichtlich geltend machen. Die Frage, ob die unstreitig geleistete Betriebskostenvorauszahlung für den Monat Dezember 2019 in der Betriebskostenabrechnung des Jahres 2019 oder in der Betriebskostenabrechnung des Jahres 2020 zu berücksichtigen sei, habe lediglich insoweit Relevanz, als die jeweiligen Saldi der Betriebskostenabrechnungen 2019 und 2020 unterschiedlich hoch ausfallen würden.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils vom 10.02.2022 festzustellen, dass sich der Rechtsstreit erledigt hat.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Argumentation. Hierbei führt sie insbesondere aus, sie habe die gerügten Mängel der Betriebskostenabrechnung nicht leicht selbst beheben können, denn sie habe die inhaltlich zutreffenden Betriebskostenabrechnungen im Rahmen ihres Bezuges von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als Nachweis zur Vorlage beim Jobcenter benötigt.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Für die von der Klägerin begehrte Feststellung der Erledigung des Rechtsstreites besteht kein Anhalt, denn die Klägerin hatte schon bei Klageerhebung keinen durchsetzbaren Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 1.092,75 EUR.

1.

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte in Höhe von 513,29 EUR hinsichtlich Betriebskostennachzahlungen für das Jahr 2019 bestand nicht.

Zwischen den Parteien war erstinstanzlich unstreitig, dass die Beklagte im Jahr 2019 Zahlungen in Höhe von 2.921,52 EUR geleistet hat und nicht, wie in der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2019 ausgewiesen, nur in Höhe von 2.342,06 EUR. Die klägerseits angegriffene Wertung des Amtsgerichts, die unstreitige Zahlung der Beklagten auf die Miete für den Monat Dezember 2019 habe bereits für die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2019 berücksichtigt werden müssen, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Einer Berücksichtigung der Zahlung erst im Rahmen der im Laufe des Jahres 2020 zu zahlenden Beträge steht die insoweit eindeutige, anderslautende Tilgungsbestimmung der Beklagten entgegen. Daran ändert auch der verspätete, aber noch vor Rechtshängigkeit erfolgte Zahlungseingang auf dem richtigen Konto der Klägerin nichts. Für einen Nachzahlungsanspruch der Klägerin bestand daher kein Anhalt.

2.

Soweit sich die Klägerin eines Anspruchs gegen die Beklagte in Höhe von 579,46 EUR hinsichtlich einer Mietforderung für den Monat Januar 2020 berühmt hat, konnte sie damit ebenfalls nicht durchdringen. Der Durchsetzbarkeit dieses Anspruchs stand ein wirksam ausgeübtes Zurückbehaltungsrecht der Beklagten im Sinne des § 273 Abs. 1 BGB an der Leistung entgegen.

a.

Ein solches folgt nicht bereits aus einem Verstoß der Klägerin gegen ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Betriebskostenabrechnung gemäß § 556 Abs. 3 BGB i.V.m. dem Mietvertrag.

Der Mieter hat gegen den Vermieter einen Anspruch auf jährliche Erteilung einer ordnungsgemäßen Betriebskostenabrechnung, sofern der Mieter vertraglich verpflichtet ist, die Betriebskosten zu tragen und dies betreffende Vorauszahlung zu leisten (§ 556 BGB). Seiner Pflicht genügt der Vermieter grundsätzlich nur durch die Vorlage einer formell ordnungsgemäßen und sachlich richtigen Abrechnung, weil nur so dem Normzweck genügt wird, der darin liegt, dem Mieter ein Mittel zur Feststellung seiner Zahlungspflicht in die Hand zu geben (Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, Mietrecht, 14. Auflage, § 556 Rn. 468-473). Indes genügt der Vermieter seiner Pflicht bereits dann, wenn die Abrechnung nur solche inhaltlichen Mängel aufweist, die der Mieter selbst beheben kann (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2010, VIII ZR 73/10). So liegt es hier. Die Beklagte rügt ausschließlich die fehlerhafte Angabe der von ihr geleisteten Vorauszahlungen und – daraus folgend – die Höhe des die Abrechnung abschließenden Saldos als fehlerhaft. Die Höhe der von ihr selbst geleisteten Vorauszahlungen ist ihr indes naturgemäß bekannt oder jedenfalls ohne Weiteres erkennbar, sodass sie den angegriffenen Rechnungsposten leicht selbst hätte beheben können.

Allerdings hat die Beklagte gegen die Klägerin einen Anspruch auf Korrektur der gerügten Betriebskostenabrechnung aus §§ 535, 241 Abs. 2 BGB. Danach ist in einem gegenseitigen Schuldverhältnis wie dem hiesigen Mietvertrag jede Partei verpflichtet, Rücksicht auf die Interessen des jeweils anderen Teils zu nehmen. Hier hat die Beklagte ein berechtigtes Interesse an der Korrektur der gerügten Betriebskostenabrechnung.

Die Beklagte hat erstinstanzlich unter Vorlage eines Schreibens des Jobcenters vom 01.02.2022 unbestritten ausgeführt, eine inhaltlich korrekte Betriebskostenabrechnung zur Vorlage beim Jobcenter zu benötigen, damit dieses habe prüfen können, ob die Beklagte einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) habe.

Die Beklagte ist als Bezieherin von Sozialleistungen nach dem SGB II gemäß § 60 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) gehalten, gegenüber dem Sozialleistungsträger alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, sowie auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen. § 66 Abs. 1 SGB I ermächtigt den Sozialleistungsträger, die Leistungen ganz oder teilweise zu versagen, wenn der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert. Als mitwirkungspflichtig in diesem Sinne wird grundsätzlich auch das Einreichen von Nebenkostenabrechnungen auf Aufforderung angesehen (vgl. SG Würzburg, Gerichtsbescheid v. 04.04.2017, S 10 AS 21/17), sofern die Mitwirkungspflicht nicht gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB I ausgeschlossen ist, weil ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht, weil sie dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder weil der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann. Unter Zugrundelegung des Zweckes der Mitwirkungspflichten, die Hilfebedürftigkeit i.S.d. § 7 SGB II ermitteln zu können (vgl. SG Würzburg, Gerichtsbescheid v. 04.04.2017, S 10 AS 21/17), kann der Mitwirkungspflichtige seiner Mitwirkungspflicht nur durch Vorlage inhaltlich richtiger Unterlagen genügen.

Aus dem Vorgesagten folgt, dass die Beklagte, solange sie nicht über eine inhaltlich richtige Nebenkostenabrechnung verfügte, dem Risiko ausgesetzt war, dass der Sozialleistungsträger die von ihr bezogenen Leistungen künftig kürzen könnte. Zwar war im Zeitpunkt der Zurückbehaltung der Miete eine entsprechende Aufforderung des Sozialleistungsträgers unstreitig noch nicht erfolgt. Auch war nicht von vornherein erkennbar, dass dieser bei Nichtvorlage der etwaig angeforderten Nebenkostenabrechnung die von der Beklagten bezogenen Leistungen tatsächlich kürzen würde, denn es war jedenfalls denkbar, dass der Sozialleistungsträger im Rahmen des ihm gem. § 66 SGB I zustehenden Ermessens gegebenenfalls den Ausschluss der Mitwirkungspflicht gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB I annehmen würde. Allerdings ist der Erhalt von Sozialleistungen für den bedürftigen Sozialleistungsempfänger für dessen persönliche Lebensführung von überragender Bedeutung. So dient die mit dem SGB II geregelte Grundsicherung für Arbeitsuchende der Ermöglichung einer Lebensführung, die der Würde des Menschen entspricht (§ 1 SGB II). Aufgrund dieser überragenden Bedeutung stellt es nach Auffassung der Kammer schon eine relevante Beeinträchtigung der Interessen des Leistungsempfängers dar, wenn sich dieser des Risikos einer künftigen Kürzung der Sozialleistungen ausgesetzt sieht. Der Klägerin wäre es hingegen ohne ersichtlichen nennenswerten Aufwand möglich gewesen, die begehrte Korrektur vorzunehmen und so das Risiko aus der Welt zu schaffen.

b.

Die Ansprüche der Parteien sind konnex im Sinne des § 273 BGB, denn der Anspruch der Beklagten auf Korrektur der Nebenkostenabrechnung als Nebenpflicht folgt aus demselben rechtlichen Verhältnis, aus dem der Mietzahlungsanspruch der Klägerin als Hauptpflicht herrührt, nämlich dem zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrag.

c.

Dass das Zurückbehaltungsrecht – wie von der Klägerin gerügt – daran scheitern würde, dass die Beklagte ihren Anspruch auf Abrechnungskorrektur klageweise hätte durchsetzen können, ist nicht ersichtlich. Dem Zurückbehaltungsrecht als besonderer Ausprägung des Prinzips von Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB) liegt der Gedanke zugrunde, dass es treuwidrig wäre, wenn eine Partei aus einem einheitlichen Rechtsverhältnis die ihr zustehende Leistung verlangen würde, ohne die ihr obliegende Gegenleistung zu erbringen. Dass diese Treuwidrigkeit durch die Möglichkeit der klageweisen Verfolgung des geltend gemachten Anspruchs entfallen würde, erschließt sich nicht.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 1.000,00 EUR

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